sans,souci. | Ausgabe 1.2014 - Stiftung Preußische Schlösser und ...
sans,souci. | Ausgabe 1.2014 - Stiftung Preußische Schlösser und ...
sans,souci. | Ausgabe 1.2014 - Stiftung Preußische Schlösser und ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
7 <br />
Die geheime Schatulle<br />
Früher verfügten Herrscher zur Bezahlung ihrer persönlichen Wünsche über<br />
eine „Schatulle“. Friedrich der Große hatte gleich zwei davon:<br />
eine für die täglichen <strong>Ausgabe</strong>n <strong>und</strong> eine für<br />
die teuren Liebhabereien des sonst so sparsamen Monarchen<br />
von Ralf Zimmer<br />
Außen <strong>und</strong> innen reich verziert:<br />
Tabatière aus Chrysopras mit goldenen Motiven<br />
<strong>und</strong> funkelnden Brillanten, um 1765.<br />
Eigentum SKH Georg Friedrich Prinz von Preußen<br />
Foto: Hans Bach<br />
D<br />
ie „monatlichen Schatullrechnungen“<br />
Friedrichs<br />
des Großen wurden anlässlich<br />
seines 300. Geburtstags<br />
im Jahr 2012<br />
veröffentlicht. Die historischen<br />
Dokumente belegen die <strong>Ausgabe</strong>n<br />
<strong>und</strong> illustrieren den Tagesablauf<br />
des Königs, ebenso seine bevorzugten<br />
Interessen. Er bestellte Delikatessen,<br />
Kaffee, Wein, Dinge für seine H<strong>und</strong>e,<br />
dazu Pflanzen, Gemälde <strong>und</strong> antike<br />
Statuen. Über 30 000 Reichstaler (RTl)<br />
gab er für edlen spanischen Schnupftabak<br />
aus, das waren 3 bis 5 RTl pro<br />
Pf<strong>und</strong> Tabak. Zu dessen Aufbewahrung<br />
erwarb Friedrich einige einfache, aber<br />
auch äußerst prunkvolle Tabatièren.<br />
Wertvollstes Material, reicher Schmuck<br />
<strong>und</strong> höchste Handwerkskunst dieser<br />
kleinen, überaus kostbaren Preziosen<br />
zeugen vom Rang <strong>und</strong> Geschmack des<br />
Besitzers. Dafür belegen allein die<br />
monatlichen Schatullrechnungen Zahlungen<br />
von über 120 000 RTl.<br />
Bereits 1740, im Jahr seines Regierungsantritts,<br />
verbot Friedrich den Import<br />
von Tabatièren aus Frankreich, dem<br />
bis dahin bevorzugten Herkunftsland.<br />
Tabatièren sollten nun in Preußen hergestellt<br />
werden, was neue Einkünfte<br />
bringen, das Ansehen von Reich <strong>und</strong><br />
Herrscher heben sowie das Luxushandwerk<br />
fördern sollte. Neue Forschungen<br />
zeigen, dass Friedrich wesentlich mehr<br />
solcher Dosen kaufte, als die monatlichen<br />
Schatullgelder erkennen lassen.<br />
Im Geheimen Staatsarchiv <strong>Preußische</strong>r<br />
Kulturbesitz liegt ein „Schatzkästchen“<br />
im wahrsten Sinn des Wortes: Es sind<br />
Unterlagen zum Kauf von 22 Tabatièren<br />
zwischen 1770 <strong>und</strong> 1772. Das Geld<br />
dafür erhielt Johann August Buchholtz,<br />
der Schatzmeister des Königs, direkt<br />
von Friedrich in einem mit rotem Leder<br />
überzogenen Kasten oder, wie Buchholtz<br />
schrieb, aus „dem so genandten<br />
rothen Chatoull“. Die darin verwahrten<br />
Münzen nannte man deshalb „rothe<br />
Chatoull Gelder“. Insgesamt wurden<br />
davon 192 500 RTl für diese Tabaksdosen<br />
beglichen.<br />
Die historischen Dokumente zeigen<br />
zudem die Abwicklung derartiger Erwerbungen:<br />
Sie enthalten eine schriftliche<br />
Auftragsbestätigung durch den<br />
Kunsthandwerker. Mit seiner fertigen<br />
Arbeit reichte der dann die Rechnung<br />
ein, auf die der König eigenhändig die<br />
Zahlungsanweisung an den Schatzmeister<br />
notierte. Dieser bezahlte aus der<br />
Roten Schatulle, was der Juwelier quittierte.<br />
Anhand der Quittungen erstellte<br />
Buchholtz dann ein Register, welches<br />
er Friedrich vorlegte. Und auch sonst<br />
informierte der Schatzmeister den König<br />
regelmäßig über den Geldbestand<br />
der Roten Schatulle. Weitere Personen<br />
scheinen nichts von ihrer Existenz<br />
gewusst zu haben.<br />
Die Rechnungen kamen ausschließlich<br />
von Berliner Kunsthandwerkern, die<br />
fast alle hugenottischen Familien angehörten.<br />
Die meisten Tabatièren fertigten<br />
die Gebrüder Jordan. Außerdem<br />
enthalten die Rechnungen <strong>und</strong> Quittungen<br />
Angaben zur Form, zu den verwendeten<br />
Materialien <strong>und</strong> erwähnen<br />
häufig auch die zentralen, zumeist auf<br />
den Dosendeckeln dargestellten Motive.<br />
Für Körper <strong>und</strong> Deckel fanden verschiedene<br />
Achate, Lapislazuli, Chrysopras<br />
aus Schlesien, Karneol, Chalzedon, Jaspis<br />
<strong>und</strong> Gold Verwendung. Verziert wurden<br />
die Dosen unter anderem mit Gold,<br />
Perlmutt, weiteren Muschelarten, Brillanten<br />
verschiedener Farbe <strong>und</strong> Größe,<br />
Rubinen sowie Emailarbeiten. So entstanden<br />
vielfarbige Darstellungen, die<br />
sich etwa an der Natur orientierten<br />
oder von mythologischen Motiven inspiriert<br />
waren.<br />
Die „billigste“ Tabatiere kostete 1500,<br />
die teuerste 12 000 RTl, im Durchschnitt<br />
lag der Preis bei 8- bis 9000 RTl.<br />
Buchholtz erhielt um 1770 ein Jahresgehalt<br />
von 800 RTl. Aus der Roten Schatulle<br />
wurde also ein wahrlich königliches<br />
Vergnügen bezahlt! Heute sind<br />
diese Rechnungenmeist das einzige<br />
Zeugnis vieler inzwischen verschw<strong>und</strong>ener<br />
Prunktabatieren.<br />
Der Historiker Ralf Zimmer hat dank<br />
einer Zuwendung der <strong>Stiftung</strong> „pro<br />
Sans<strong>souci</strong>“ nach den Schatull-Rechnungen<br />
Friedrichs des Großen die 60<br />
Seiten umfassende „Rote Schatulle“<br />
elektronisch erfasst <strong>und</strong> ausgewertet.<br />
info<br />
Kronschatz <strong>und</strong> Silberkammer<br />
Berlin, Schloss Charlottenburg<br />
Acht der kostbaren Preziosen aus<br />
dem Besitz Friedrichs des Großen sind<br />
als Teil der Dauerausstellung zu<br />
bew<strong>und</strong>ern.<br />
www.<br />
perspectivia.net<br />
oder http://quellen.perspectivia.net/<br />
bestaende/spsg-schatullrechnungen