2012 LONDON
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<strong>2012</strong><br />
163OLYMPIA <strong>LONDON</strong><br />
Goldrausch, diese Losung galt einst für die armen Schürfer im<br />
Wilden Westen oder in Südafrika. Gold wert war der Rausch<br />
der Sinne für den Schotten Andy Murray an den Olympischen<br />
Spielen: Vier Wochen nach dem verlorenen Wimbledon-Final<br />
gewann er im gleichen Stadion in London gegen den gleichen<br />
Gegner, Roger Federer, das wertvollste olympische Metall. Am<br />
6:2, 6:1, 6:4-Erfolg Murrays gab es nichts zu deuteln, er war an<br />
diesem Finaltag besser im Strumpf.
Olympia London<br />
<strong>2012</strong><br />
MURRAYS<br />
Befreiungsschlag<br />
vor dem eigenen Publikum<br />
Farblich ausgedrückt<br />
erlebte der beste Rasenspieler<br />
der Open-Ära<br />
im Endspiel über<br />
drei Gewinnsätze sein<br />
blaues Wunder.<br />
Im Vergleich mit den noblen All<br />
England Championships hatte<br />
Wimbledon sein Gesicht verändert,<br />
Richtung Farbe, Lärm und<br />
Jahrmarkt. Pinkfarbene Abblendtücher<br />
ersetzten das vertraute<br />
ze sein blaues Wunder. In den<br />
114 Matchminuten kam Federer<br />
nie richtig auf Betriebstemperatur.<br />
Der siebenfache Wimbledon-<br />
Champion erlitt am Ort seiner<br />
grössten Triumphe die klarste<br />
Grün. Die Spieler zeigten sich<br />
Niederlage auf Rasen in 13 Jah-<br />
kleidermässig in allen Farben im<br />
ren. Murray gewann Game um<br />
Gegensatz zum Juli-Termin, an<br />
dem der Knigge ein Arbeitsdress<br />
Game, er lag ständig in Führung,<br />
er musste keinen einzigen Ser-<br />
1<br />
1 Geballte Faust:<br />
Andy Murray kämpft<br />
sich durch zum<br />
olympischen Gold.<br />
2 Wimbledon erhielt<br />
an den Games ein<br />
ganz neues Gesicht:<br />
Farbiger, lärmiger,<br />
hektischer.<br />
vorwiegend in Weiss verlangt.<br />
Farblich ausgedrückt erlebte der<br />
beste Rasenspieler der Open-Ära<br />
im Endspiel über drei Gewinnsät-<br />
viceverlust hinnehmen trotz neun<br />
Chancen für den Gegner. Und<br />
einmal gewann der spätere Gewinner<br />
neun Games in Serie –<br />
Goldrausch eben.<br />
Federer nahm die olympische<br />
Silbermedaille, seine erste im Einzel,<br />
mit Augenmass in Empfang.<br />
Der Techniker überblickte das<br />
2<br />
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Olympia London<br />
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1 Roger Federer bezahlt<br />
im Endspiel die körperliche<br />
Zeche für den<br />
Kraftakt im Halbfinal.<br />
2 Sportmanship: Der<br />
Argentinier Juan Martin<br />
del Potro sucht nach der<br />
Niederlage (schwachen)<br />
Trost bei seinem Bezwinger.<br />
1<br />
Geschehene, eine Kombination<br />
Federer, «wir erlebten und erreich-<br />
vieler Details habe die Partie<br />
ten verrückte Extremsituationen.»<br />
kanalisiert und entschieden. «Das<br />
Es ist eine alte Regel, dass eine<br />
Problem war, dass ich immer im<br />
Rückstand lag. Es wurde je länger,<br />
Kraftanstrengung selbst von fitten<br />
Athleten nicht einfach über Nacht<br />
2<br />
desto schwieriger. Murray spielte<br />
kompensiert werden kann.<br />
noch befreiter, er las mein Spiel<br />
aus dem Turnier geworfen. Für<br />
von Athen 2004, konnte den<br />
besser und konnte riskieren, was<br />
Für Murray bedeutete das olympi-<br />
den Serben war London keine<br />
Höhenflug später nicht richtig<br />
er wollte,» analysierte Federer. Er<br />
sche Gold im Alter von 25 Jahren<br />
Reise wert. Er verlor auch den<br />
fortsetzen. Olympiasieger sind<br />
suchte nicht nach Ausreden.<br />
so etwas wie einen Befreiungs-<br />
Kampf um Bronze gegen del<br />
halt auch nur Menschen.<br />
schlag. Dass ihm die erfolgreiche<br />
Potro. Damit waren alle Würfel<br />
Den TV-Zuschauern ward bald<br />
Steigerung just vor dem eigenen<br />
gefallen in der Draw mit 64 Star-<br />
einmal klar: Am Centre Court<br />
arbeitete an diesem Tag nicht der<br />
«normale» Federer. Seine Beine<br />
liefen eine Spur langsamer, sein<br />
Racketkopf flog eine Nuance<br />
zu spät hinter die Bälle. Federer<br />
bezahlte den Wegzoll für seine<br />
Parforce-Leistung im Halbfinal<br />
beim Marathonerfolg über den<br />
Argentinier Juan-Martin del Potro.<br />
«Dieses Spiel war mein persönlicher<br />
olympischer Moment» sagte<br />
Publikum gelang, störte Federer<br />
nicht. Der lokale Teammate Tim<br />
Henman lobte. «Das war die<br />
beste Leistung, die ich von ihm<br />
gesehen habe.» Henman selber<br />
hatte “nur“ Doppel-Silber 1996<br />
erspielt. Jetzt geht Murray als<br />
erster englischer Olympia-Champion<br />
in die Geschichte ein seit<br />
Josiah Richie 1908. Im Halbfinal<br />
hatte er übrigens mit Novak Djokovic<br />
einen andern Mitfavoriten<br />
tern, ein halb so grosses Feld wie<br />
an den vier Majors. Der zweite<br />
Schweizer, Stanislas Wawrinka,<br />
kam nie auf Touren, er unterlag<br />
zum Auftakt dem Finnen Jarkko<br />
Nieminen hoch. Olympia macht<br />
eben nicht alle glücklich. Das<br />
gilt auch für frühere Champions.<br />
Rafael Nadal, der Titelhalter von<br />
Peking, fehlte in London wegen<br />
Verletzung. Oder der Chilene<br />
Nicolas Massu, der Goldfinger<br />
Viertelfinals: Federer (1) s.<br />
Isner (10) 6:4, 7:6. Del Potro<br />
(8) s. Nishikori (15) 6:4, 7:6.<br />
Murray (3) s. Almagro (11)<br />
6:4, 6:1. Djokovic (2) s. Tsonga<br />
(5) 6:1, 7:5.<br />
Halbfinals: Federer s. del<br />
Porto 3:6, 7:6, 19:17. Murray<br />
s. Djokovic 7:5, 7:5.<br />
Bronze Medal Match: Del<br />
Potro s. Djokovic 7:5, 6:4.<br />
Gold Medal Match: Murray<br />
s. Federer 6:2, 6:1, 6:4.<br />
Von George Bird, Fotos: Paul Zimmer, Keystone<br />
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