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Frederik Köster - Jazz Podium

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Zurück zum Wesen des <strong>Jazz</strong><br />

<strong>Frederik</strong> Köster<br />

The Times They Are a-Changin'. Der von <strong>Frederik</strong><br />

Köster sehr verehrte Bob Dylan veröffentlichte<br />

diesen Song 1964 auf seinem gleichnamigen<br />

Album, mit dem der Folksänger<br />

versuchte, dem Album einen durchgängig einheitlichen<br />

Klang zu geben. Der Song selbst ist<br />

ein Manifest für die Veränderbarkeit von Zeit<br />

und Raum, von Mensch und Musik. Dylans<br />

Komposition hat zwar nur entfernt etwas mit<br />

dem Kurzprosatext „Die Verwandlung“ von<br />

Franz Kafka gemein, dennoch steht in beiden<br />

Werken das Verändern, das Verwandeln im<br />

Zentrum des künstlerischen Handelns. Trompeter<br />

<strong>Frederik</strong> Köster greift die Idee(n) auf<br />

und markiert einen Schritt zurück in die Vorwärtsbewegung<br />

des <strong>Jazz</strong>, dessen Wandlungsfähigkeit<br />

sich durch Improvisation und interaktive<br />

Spielweisen auszeichnet.<br />

Die neue <strong>Frederik</strong> Köster-CD heißt „Die Verwandlung“.<br />

Was hat sich denn verwandelt?<br />

Meistens haben plakative Namen eine mehrfache Bedeutung.<br />

So ist es auch hier. Wer sich meine Working<br />

Band der letzten zehn Jahre anschaut stellt fest, dass<br />

sich da einiges verändert hat. Es sind vier andere Musiker<br />

dabei, mit denen ich jetzt arbeite: Sebastian Sternal,<br />

Joscha Oetz und Jonas Burgwinkel sowie Tobias Christl,<br />

der einige Gesangsparts beisteuert. Das kann man<br />

schon feststellen, bevor man einen Ton Musik gehört<br />

hat. Was sich eigentlich verwandelt hat ist die Idee von<br />

Musik. Ich wollte nicht nur mit anderen Menschen spielen<br />

sondern auch eine andere Vorgehensweise wählen.<br />

Im klassischen <strong>Frederik</strong> Köster Quartett gab es viele<br />

durchgestylte Arrangements und lange Suiten, Stücke,<br />

in denen viel festgelegt war. Ich wollte das Ganze wieder<br />

zurückschrauben und zur Grundidee des <strong>Jazz</strong> zurückkehren,<br />

nämlich zu Improvisation, Interaktion und<br />

Kommunikation. Wenn es jetzt noch Themenköpfe und<br />

Formen gibt, dann sind die ganz kurz und übersichtlich,<br />

weniges nur ist abgesprochen. Aber es gibt viele kleine<br />

Skizzen, drei-, viertaktige kleine Ideen, die sich wiederholen<br />

und verändern und verwandeln können. Der<br />

Gruppensound ist insgesamt kollektiver geworden, was<br />

live noch besser zu hören ist als auf der CD. Diesen Prozess<br />

hatte ich im alten Quartett schon angestrebt, dass<br />

dieses Solo-Begleitung-Ding immer mal wieder verschwimmen<br />

sollte. Wir spielen die Stücke gemeinsam,<br />

ohne den Solopart zu betonen. Das ist bei Stücken wie<br />

„Die verlorene Zeit“ oder „Das Streben nach Erleuchtung“<br />

so, die sich live noch viel mehr verwandeln und<br />

ändern können.<br />

Zusätzlich gibt es den Hinweis zur Literatur. Ich habe<br />

sehr viel gelesen und mich inspirieren lassen von Hakuri<br />

Mirakami, von Allen Ginsberg, John Irving und Franz<br />

Kafka. Daher habe ich auch den Namen von Kafkas<br />

berühmter Kurzgeschichte „Die Verwandlung“ als<br />

Überthema gewählt, um den Literaturquerverweis<br />

deutlich zu machen.<br />

Bei Franz Kafka verwandelte sich sein Held Gregor<br />

Samsa in ein Ungeziefer. Worin hat sich <strong>Frederik</strong> Köster<br />

musikalisch verwandelt?<br />

Die Musik ist gar nicht kafkaesk. Bei Kafka denkt man<br />

an Menschen, die sich verirren, an etwas Surreales, was<br />

man nicht fassen kann. Meine Musik sollte darauf gar<br />

nicht gemünzt sein auf „Die Verwandlung“, das war<br />

nur ein netter Nebeneffekt. Zu dem Zeitpunkt, als ich<br />

das Projekt geschrieben habe, hatte ich die Geschichte<br />

gelesen. Als Musiker verändert man sich sowieso ständig,<br />

das ist bei mir auch so. Wenn man eine Verwandlung<br />

zulässt, lässt man auch zu, dass etwas Neues passiert.<br />

Das zeichnet auch die großen Namen des <strong>Jazz</strong><br />

wie Miles Davis oder John Coltrane aus, die auch ständig<br />

versucht haben, etwas zu verwandeln. Mir ist wichtig,<br />

den Moment noch mehr festzulegen und zu zelebrieren.<br />

Jahrelang fragte ich mich, was es eigentlich<br />

Neues gebe, denn alles ist schon einmal da gewesen.<br />

Neues wird eigentlich nur noch kombiniert. Für mich ist<br />

neu die Herangehensweise. Als ich erstmals das Wayne<br />

Shorter Quartet mit Brian Blade, Danilo Pérez und John<br />

Patitucci in der Philharmonie in Köln hörte, war das für<br />

mich ein Aha-Erlebnis. Das war ein Schlüsselerlebnis,<br />

weil die Musiker sehr kommunikativ miteinander umgingen.<br />

Auch in der Musik ist Stillstand eigentlich ein Rückschritt.<br />

Ist es bei dir auch so, dass du dich dem Neuen<br />

zuwendest?<br />

Ja, das kann man so sagen. Es gibt ständig Dinge, die<br />

ich für mich neu entdecke, auch wenn sie nicht grundsätzlich<br />

neu sind. Für dieses Projekt beschäftigte ich<br />

mich beispielsweise mit Elektronik und Loops, die ich<br />

sparsam aber zielgerichtet eingesetzt habe. Das war für<br />

mich neu und spannend, es zu benutzen. Letztlich ist es<br />

die Kombination mit dem schon Bestehenden, die das<br />

Ganze spannend für mich selbst macht. Etwas total<br />

Neues zu erfinden ist fast unmöglich.<br />

Du interpretierst ein Gedicht von Allen Ginsberg, ein<br />

anderes Stück ist nach einem Buch des japanischen<br />

Schriftstellers Haruki Murakami benannt. Wie spielt die<br />

Literatur in die Musik hinein?<br />

Sehr stark, aber nicht so, dass es programmatische Musik<br />

geworden ist wie ich das früher ausprobiert habe.<br />

Die Literatur war vielmehr eine Inspiration zum Schreiben.<br />

Drei Stücke sind sehr von Romanen von Murakami<br />

beeinflusst, „Naoki“ etwa. Oder „Tief in den Wäldern<br />

ihres Herzens“ wurde von „Kafka am Strand“ inspiriert.<br />

Murakami ist ein total musikaffiner Typ, der nicht<br />

nur <strong>Jazz</strong> sondern auch klassische Musik und Rock-Pop-<br />

Musik zitiert. In „Kafka am Strand“ taucht immer wieder<br />

ein klassisches Musikstück auf. Auch in „1Q84“, an<br />

das ich mein Stück „Tengo“ angelehnt habe, tritt dieses<br />

Phänomen bei Murakami auf. Ich habe versucht, meine<br />

eigenen Erfahrungen mit der Musik von Johann Sebastian<br />

Bach und der Stimmung des Buches zu kombinieren.<br />

Das stellt der Titel auch heraus, denn „Tief in den<br />

Wäldern ihres Herzens“ wird zunächst von außen beleuchtet<br />

und erst danach schält sich die klassische Invention<br />

heraus. Ich habe versucht, mit derartigen Stimmungen<br />

zu spielen.<br />

Ich war immer schon Fan von guten Songwritern, sei es<br />

Joni Mitchell oder Bob Dylan, Leute, die starke Texte<br />

und Melodien schreiben. Die meisten von ihnen haben<br />

erst die Musik und packen dann die Texte drauf. Ich<br />

habe versucht, es bei „Guru/Night gleam“ genau umgekehrt<br />

zu machen. „Guru“ hat nur fünf Zeilen und ist<br />

sozusagen das Eröffnungs- und Abschlussstück. „Night<br />

gleam“ ist eher ein Prosatext, der kein Reimschema<br />

hat. Dazu habe ich Musik geschrieben, die nicht das typisch<br />

Liedhafte zeigt sondern viele Taktwechsel hat und<br />

die Musik sich dem Text unterordnet.<br />

Ein Titel heißt „Die verlorene Zeit“, das an Marcel<br />

Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen<br />

Zeit“ erinnert. Schilderst du in deinem Stück die Zeit als<br />

„verloren“ oder bist du im Sinne von Proust „auf der<br />

Suche nach der verlorenen Zeit“?<br />

Eher letzteres und gleichzeitig ein augenzwinkernder<br />

Hinweis auf meine vergangenen Quartettalben, die alle<br />

das Thema Zeit im Blickwinkel hatten. Da habe ich versucht,<br />

mit der Zeit und ihren verschiedenen Parametern<br />

zu spielen. Das kurze Stück ist ein Hinweis auf meine<br />

Alben aus den letzten Jahren. Man muss nicht unbedingt<br />

viel hinein interpretieren, vieles geschieht einfach<br />

intuitiv.<br />

Weshalb hast du dich für die Trompete entschieden?<br />

Das habe ich mich ziemlich lange und oft auch schon<br />

gefragt. In meiner Jugend fing ich zeitgleich mit Trompete<br />

und Klavierspielen an. Bis ich zwanzig Jahre alt<br />

war, habe ich mindestens genauso viel Klavier gespielt<br />

wie Trompete. Vielleicht war es eine Entscheidung, weil<br />

mein Vater Trompete spielte. Mit neun Jahren begann<br />

ich im Jugendblasorchester ohne den Wunsch zu haben,<br />

Musik machen zu wollen. Ich habe dann nicht direkt<br />

<strong>Jazz</strong> studiert sondern zunächst Musik auf Lehramt.<br />

Später bin ich auf Trompete umgestiegen, weil ich<br />

dachte, die Konkurrenz ist hier nicht so groß wie bei<br />

Klavier. In meinen Anfangsjahren als Trompeter schätzte<br />

ich ganz besonders Freddie Hubbard. Es gibt glaube ich<br />

niemanden, der perfekter spielte, als der junge Freddie<br />

Hubbard in den Jahren 1960 bis 1965. Der ist für mich<br />

eine absolute Referenz, seinen Einfluss kann ich gar<br />

nicht wegdenken. Später war es dann jemand wie Kenny<br />

Wheeler, so eine Art Gesamtkunstwerk, der sich<br />

auch als Komponist hervortat. Natürlich kommt man<br />

nicht an Miles Davis oder Chet Baker vorbei.<br />

Vor kurzem hast du den „Westfalen <strong>Jazz</strong> Preis 2013“<br />

erhalten. Wer stiftet ihn und was bedeutet er für dich?<br />

Der Preis ist an das <strong>Jazz</strong>festival Münster gekoppelt. Mit<br />

dem Preis waren drei Konzerte in Münster, Dortmund<br />

und Bielefeld verbunden. Als Musiker, der mit <strong>Jazz</strong> eine<br />

totale Nischenmusik spielt, freut mich der Preis natürlich<br />

sehr. Er lenkt Aufmerksamkeit auf die Musiker der<br />

Szene, zum anderen bestärkt so ein Preis in seinem Tun.<br />

Jahrelang hat man vor zehn, zwanzig Leuten in kleinen<br />

<strong>Jazz</strong>kellern gespielt, was man ja sogar heute manchmal<br />

noch macht. Es macht natürlich Spaß, trotzdem<br />

wünscht man sich schon eine Bestätigung für das was<br />

man tut. Über so einen Preis freut man sich dann besonders.<br />

Text: Klaus Hübner<br />

Foto: Gerhard Richter<br />

CD: <strong>Frederik</strong> Köster „Die Verwandlung“, Traumton 4585<br />

5/13 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 21


Stimmungsachterbahn<br />

mit dem Akkordeon<br />

Vincent<br />

Peirani<br />

F<br />

ast wäre aus dem Einstand des Akkordeon-Spielers<br />

Vincent Peirani beim <strong>Jazz</strong>-Label Act nichts<br />

geworden. Der Weg verlief über die südkoreanische<br />

Sängerin Youn Sun Nah. Sie schlug ihrem Duopartner,<br />

dem Gitarristen Ulf Wakenius, vor, ihren<br />

gemeinsamen Auftritt mit Akkordeonklängen aufzupeppen.<br />

Wakenius dachte sofort an den Akkordeon-<br />

Pionier Richard Galliano. Youn Sun Nah meinte aber<br />

Vincent Peirani. Wakenius willigte skeptisch für ein<br />

Konzert ein – und war so begeistert von dem Ergebnis,<br />

dass er Peirani für sein Album „Vagabond“ (2012)<br />

engagierte, wie auch Youn Sun Nah sich das junge Talent<br />

für ihren Longplayer „Lento“ (2013) ins Studio<br />

holte. Sie und Wakenius stehen bei Act unter Vertrag,<br />

und durch seine Verbindung zu den beiden ist nun<br />

auch Vincent Peirani mit seinem neuen Album „Thrill<br />

Box“, dem Nachfolger seines Debüts „ Gunung Sebatu“<br />

(2010), bei dem Label gelandet.<br />

Auf dem Album zeigt der 1980 in Nizza geborene<br />

Musiker großen Erfindungsgeist, ganz in der innovatorischen<br />

Tradition eines Richard Galliano. Die Stimmungen<br />

fahren Achterbahn, wenn Peirani das träumerisch-intensiv<br />

interpretierte amerikanische Traditional<br />

„Shenandoah“ oder den flirrenden Thelonious Monk-<br />

Titel „I mean you“ covert und eigene Titel wie den<br />

überschäumend verspielten „Air song“, das mystische<br />

Stück „Bailero“ oder das dramatisch bewegte „Hypnotic“<br />

spielt. Dabei klingt das Akkordeon täuschend<br />

echt mal wie eine Mundharmonika, mal wie ein Klavier<br />

oder eine Orgel.<br />

Diese Virtuosität schulte Vincent Peirani seit seinem<br />

elften Lebensjahr, als er zum ersten Mal zum Akkordeon<br />

griff. Sein großes Talent führte ihn ans „Conservatoire<br />

National de Région“ in Nizza, wo er klassisches<br />

Akkordeon und Klarinette studierte.<br />

Zwischen 1994 und 1998 gewann er die wichtigsten<br />

internationalen Akkordeon-Contests, u. a. den „Prix<br />

d’Accordéon Classique" des Pariser Musikkonservatorium,<br />

an dem er bis 2004 <strong>Jazz</strong> studierte und einen Abschluss<br />

mit Auszeichnung schaffte.<br />

Peirani wandte sich neben dem <strong>Jazz</strong> ebenso Chansons<br />

und World Music zu und spielte weiterhin Klassik.<br />

Er arbeitete mit Musikern wie dem <strong>Jazz</strong>-Drummer Daniel<br />

Humair, dem Klarinettisten Louis Sclavis, der Sängerin<br />

Seran Fisseau, dem Kontrabassisten Renaud<br />

Garcia Fons und dem Bassklarinettisten Michel Portal<br />

zusammen, den er auch für die Aufnahmen von „Thrill<br />

Box“ gewinnen konnte. Dazu gesellten sich im Studio<br />

Emile Parisien, sax, Michel Benita, b, und Michael<br />

Wollny, p.<br />

Warum sein Album „Thrill Box“ betitelt ist und wie<br />

unangenehm sein Anfang als Akkordeonspieler war,<br />

verriet Vincent Peirani im Interview.<br />

Warum hast du dich für das Akkordeon entschieden?<br />

Mein Vater war Musiker, wenn auch kein professioneller.<br />

Ich bekam das als Kind mit und sagte: Ich will<br />

auch Musik spielen. Er war sehr glücklich. Aber ich<br />

wollte Schlagzeuger werden, weil ich die Drums liebe.<br />

Doch das lehnte er ab und bestimmte: Du spielst Akkordeon.<br />

Ich wollte das nicht. Aber er bestand darauf.<br />

Mein Vater war mein Lehrer. Und im ersten Jahr weigerte<br />

ich mich noch. Doch irgendwann war ich vom<br />

Akkordeon fasziniert und liebte es zu spielen.<br />

Das merkt man „Thrill Box“ an. Warum hast du diesen<br />

Titel gewählt?<br />

„Thrill Box“ ist die Übersetzung eines Kosewortes für<br />

das Akkordeon aus dem Französischen ins Englische.<br />

Beim Albumtitel geht es also um mein Instrument,<br />

aber auch um die vielen unterschiedlichen Musikarten<br />

des Albums. Die Zuhörer empfangen verschiedene<br />

Schwingungen wegen der unterschiedlichen Kompositionen,<br />

sie spüren unterschiedliche „thrills“.<br />

Wie bist du auf Michael Wollny und Michel Benita<br />

und die anderen Musiker als deine Begleiter gekommen?<br />

Ich kannte sie nicht persönlich. Ich wusste nur, welche<br />

Musik z. B. Michel Benita macht. Ich kannte u. a. seine<br />

Zusammenarbeit mit dem Trompeter Erik Truffaz oder<br />

dem Drummer Peter Erskine. Er spielt viele verschiedene<br />

Musikrichtungen. Deshalb fühle ich mich ihm nahe<br />

und wollte ihn für das Album haben. Michel Portal<br />

war eine große Inspiration für mich. Als ich das erste<br />

Mal mit ihm arbeitete, dachte ich nur: Wow, was für<br />

ein Musiker. Es war ein Traum von mir, dass er auf<br />

meinem Album dabei ist. Ich habe ihm auf „Thrill<br />

Box“ eine Ballade gewidmet: „3 temps pour Michel<br />

P.“ Michael Wollny traf ich bei einem Act-Jubilee-Konzert<br />

in Paris. Ich bekam die Gelegenheit, mit Michael<br />

vier Minuten im Duo zu spielen. Wir trafen uns zum<br />

ersten Mal, und zunächst ging es hin und her: ‚Vielleicht<br />

können wir diesen Song spielen? Den kenne ich<br />

nicht. Dann können wir diesen Song spielen? Den<br />

kenne ich nicht.’ Irgendwann sagte ich: ‚Wir sollten<br />

improvisieren. Vielleicht ist das der beste Weg, uns<br />

musikalisch zu begegnen.’ – Diese Minuten waren<br />

wirklich magisch. Danach besorgte ich mir die CD<br />

„Wunderkammer“ von Michael und verliebte mich in<br />

seine Musik. Ich dachte nur: Ich muss ihn auf meinem<br />

Album haben.<br />

Welche Atmosphäre herrschte bei den Aufnahmen?<br />

Ich wollte die Stücke ganz altmodisch aufnehmen,<br />

ohne Proben und ohne, dass Musiker, die sich noch<br />

nie getroffen hatten, die Noten der Kompositionen<br />

vorher kannten. Wir sollten uns nur im Studio treffen.<br />

Ich hatte für jeden Track dann bloß drei Minuten zum<br />

Vorspielen, danach nahmen wir die Musik sofort auf.<br />

Dadurch wirkt das Album sehr frisch, aber auch zerbrechlich.<br />

Und man spürt unser Glücksgefühl, die Musik<br />

in einer tieferen Weise zu spielen. Es entstanden<br />

intensive Momente, weil wir uns wirklich musikalisch<br />

begegneten.<br />

Text: Thorsten Schatz<br />

Foto: Dean Bennici<br />

CD: Vincent Peirani „Thrill Box”, ACT 9542-2<br />

www.myspace.com/vincentpeirani<br />

5/13 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 3


„I’m a composer who plays the piano“<br />

Dave Brubeck<br />

(6. 12. 1920 – 5. 12. 2012)<br />

In Europa war Dave Brubeck vor allem als <strong>Jazz</strong>pianist<br />

bekannt. Doch er selbst hielt seine<br />

Kompositionen für wichtiger als sein Klavierspiel.<br />

Ilse Storb würdigt im Folgenden die<br />

bedeutendsten Werke von Dave Brubeck. Der<br />

Text ist ihrem Buch „Dave Brubeck – Improvisationen<br />

und Kompositionen – Die Idee der<br />

kulturellen Wechselbeziehungen“ entnommen,<br />

der 1991 beim Verlag Peter Lang in<br />

Deutschland erschien, 1994 in der Übersetzuung<br />

von Bert Thompson beim Verlag Peter<br />

Lang in New York. Eine zweite Auflage erschien<br />

2000 beim LIT Verlag in Münster.<br />

Prof. Dr. Ilse Storb mit Dave Brubeck, der auf Betreiben der Autorin am 1. Mai 1994 die Ehrendoktorwürde<br />

der Universität Duisburg erhielt.<br />

F<br />

ragt man in Deutschland in öffentlichen Räumen:<br />

„Wer ist Dave Brubeck?“ ist die Antwort: „Nie<br />

gehört“… oder allenfalls „Take five“…was ja<br />

von Paul Desmond stammt. Selbst der Rowohlt-Verlag<br />

sagte mir vor Jahren: „Kennt ja keiner! Schreiben Sie<br />

was über Louis Armstrong!“ – Deutschland und der<br />

<strong>Jazz</strong>!<br />

„Eigentlich bin ich ein Komponist, der Piano spielt. Ich<br />

bin nicht in erster Linie Pianist. Deshalb ist mein Pianospiel<br />

von dem Material, den Ideen, die ich auszudrücken<br />

versuche, geformt und nicht von einem System<br />

oder einer Suche nach einem identifizierbaren<br />

Sound. Wegen meiner eigenen Konzeption im Harmonischen<br />

und Rhythmischen ist der Brubeck-Sound wie<br />

von selbst gekommen, aber ich suchte nie bewusst<br />

danach. Ich habe immer versucht, mich von musikalischen<br />

‚Zwangsjacken’ fern zu halten. Ich versuche mir<br />

innerhalb des <strong>Jazz</strong>-Idioms die Freiheit der Wahl zu erhalten,<br />

so dass mein Stil in erster Linie eine Summierung<br />

all der Erlebnisse und Erfahrungen ist, die ich gemacht<br />

habe.“ (Campus, 1972)<br />

Seit dem Kompositionsunterricht bei Darius Milhaud<br />

(1946-1948) war Brubeck bestrebt auch Komponist zu<br />

sein. Das umfassende „klassische“ Training eines europäischen<br />

Komponisten in Harmonielehre, Kontrapunkt,<br />

12-Ton-Technik etc. konnte er nicht vorweisen.<br />

Er wollte sich als intuitiv-auditiver Musikertyp auch<br />

6 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 5/13<br />

nicht der „eisernen“ Disziplin mancher Konservatorien<br />

unterordnen. Die zahlreichen, weltweiten Tourneen<br />

des Dave Brubeck Quartetts ließen darüber hinaus<br />

wenig Zeit fürs Komponieren. Das sollte sich mit der<br />

Auflösung des Quartetts 1967 ändern. Die „Idee des<br />

Cultural Exchange“ und der „impressionistischen“<br />

Einarbeitung oder collagehaften Kombination verschiedenster<br />

Musikzitate blieb immer erhalten. Brubecks<br />

musikalische Identität ist facettenreich und von<br />

schillernder Diversität.<br />

Die Anerkennung Brubecks als „serious composer“ ist<br />

in den USA weit verbreitet. Aufführungen seiner größeren<br />

Kompositionen finden immer wieder statt. Vom<br />

27.-28.4.1980 fand in Bridgeport „The Tenth Annual<br />

Contemporary American Composers Festival Dave<br />

Brubeck statt. Es war ausschließlich Kompositionen<br />

von Dave Brubeck gewidmet, Ausschnitten aus dem<br />

Oratorium „The light in the wilderness“ und der Kantate<br />

„The gates of justice“. (Für die am meisten unterdrückten<br />

Völker; „Die Juden“ und „Die Schwarzen“).<br />

Der Workshop am 28.4.1980 war seinem verehrten<br />

Lehrer Darius Milhaud gewidmet. Er umfasste die folgenden<br />

Kammermusikwerke: „Tritonis“ für Flöte und<br />

Gitarre von Dave Brubeck, „Scaramouche“ für 2 Klaviere<br />

von Darius Milhaud, eine Suite für Violine, Klarinette<br />

und Klavier von Darius Milhaud und das Ballett<br />

„Points on jazz“ für 2 Klaviere von Dave Brubeck. Die<br />

Messe „To hope“ wurde am 24.4.1980 in der St.<br />

Peter’s and Paul’s Cathedral, Providence, Rhode Island<br />

aufgeführt. Ich konnte sowohl am „Composers Festival“<br />

in Bridgeport sowie an der Aufführung der Messe<br />

in Providence teilnehmen, da ich eine Woche im Hause<br />

Brubeck, Wilton, Connecticut, verbrachte.<br />

Die Idee der kulturellen Wechselbeziehungen und der<br />

Aufnahme fremder Musikelemente unter der Einwirkung<br />

von vielen Musiksprachen ist in den Kompositionen<br />

ebenso lebendig wie in den Improvisationen. Sie<br />

ist für Brubecks vielfältigen Stil kennzeichnend.<br />

Aus schriftlichen und mündlichen Äußerungen Brubecks<br />

bekommt man immer den Eindruck, dass er die<br />

Begriffe Komposition und Improvisation nicht scharf<br />

trennt, sondern eine Integration anstrebt. Er gebraucht<br />

den Überbegriff Kreativität und nach Strawinsky:<br />

Komposition ist selektive Improvisation. (cp.<br />

Meine zahlreichen Interviews und Strawinsky: „Musikalische<br />

Poetik“).<br />

Die ersten Kompositionen für Klavier von Dave Brubeck<br />

aus dem Jahr 1946 heißen: „Reminiscences from<br />

the Cattle Country“. Brubecks Vater war Rancher und<br />

Dave sollte Veterinär werden! Brubeck schenkte mir<br />

ein Exemplar der ersten Komposition mit der Widmung:<br />

„For Elisa, the real me“! „The Duke meets Darius<br />

Milhaud and Arnold Schönberg“ – 1956 – ist Duke<br />

Ellington gewidmet, der Dave Brubeck sehr viel beim<br />

Aufbau seiner Karriere geholfen hat, Arnold Schönberg,<br />

dessen Verhalten er nicht verstehen konnte und<br />

seinem College-Lehrer Darius Milhaud, den er sehr<br />

verehrte und der sein bester Ratgeber war. (Arnold<br />

Schönberg hatte für jede geschriebene Note eine Begründung<br />

verlangt und sich als den Experten für europäische<br />

Symphonik vorgestellt.) Brubeck: „Wieso, das<br />

klingt doch gut!“ Und über Milhaud: „Mein Lehrer<br />

war Darius Milhaud, der total in der Polytonalität lebte.<br />

Und er liebte Schönbergs Musik überhaupt nicht.<br />

Und ich bin ziemlich sicher, Schönberg mochte seine<br />

Dave Brubeck: „Mein Lehrer war Darius Milhaud, der<br />

total in der Polytonalität lebte. Und er liebte Schönbergs<br />

Musik überhaupt nicht. Und ich bin ziemlich sicher,<br />

Schönberg mochte seine auch nicht. Aber Milhaud<br />

erzählte mir eine amüsante Geschichte, er sagte: ‚Ich<br />

kann kein musikalisches System mit mathematischen<br />

Regeln ertragen, und wenn du kein tonales Zentrum hast,<br />

dann raubst du dem Publikum etwas vom Größten in der<br />

Musik: Die Modulation. Sie können nirgends hingelangen,<br />

wenn Sie zuvor nirgends waren!’“


auch nicht. Aber Milhaud erzählte mir eine amüsante<br />

Geschichte, er sagte: ‚Ich kann kein musikalisches System<br />

mit mathematischen Regeln ertragen, und wenn<br />

du kein tonales Zentrum hast, dann raubst du dem<br />

Publikum etwas vom Größten in der Musik: Die Modulation.<br />

Sie können nirgends hingelangen, wenn Sie<br />

zuvor nirgends waren!’“ (Interviews, Wilton). „The<br />

Duke“ ist vollständig auskomponiert. Am Anfang und<br />

am Ende des Themas erklingt eine 12-Ton-Basslinie<br />

als Ostinato. Die Brücke, der Mittelteil, ist frei für komplexe<br />

Harmonien und alterierte Klänge.<br />

Die Idee des kulturellen Austauschs ist besonders in<br />

dem Broadway Musical „The Real Ambassadors“ mit<br />

Louis Armstrong als Botschafter musikalischer und sozialer<br />

Kommunikation zwischen Nationalitäten und<br />

Rassen evident. Hierzu schrieb Iola Brubeck die Lyrics,<br />

die Premiere fand beim Monterey <strong>Jazz</strong> Festival 1962<br />

statt. Louis Armstrong, der Held der Geschichte, lebt<br />

in einem afrikanischen, mythologischen Land mit Namen<br />

Talgalla. Das Land wurde unabhängig. Armstrongs<br />

Musik ist eine Botschaft der Freundschaft an<br />

die Afrikaner von einem Afro-Amerikaner. „All I do is<br />

play the blues and meet the people face to face.“ Das<br />

Stück „They say I look like God” ist eine Akkulturation<br />

afroamerikanischer und westlicher Musik, eine Kombination<br />

von Bluesfeeling und gregorianischem Gesang.<br />

(Blues, die Quelle des <strong>Jazz</strong> und Gregorianik, die erste<br />

europäische Musikform), Louis Armstrongs ängstliche,<br />

humorvolle Frage lautet: „Could God be black, my<br />

God? If all are made in the image of Thee, could Thou<br />

per chance a zebra be?“<br />

Die Kantate „Truth is fallen in the street and equity<br />

cannot enter” wurde komponiert für die erschlagenen<br />

Studenten der Kent University und alle anderen unschuldigen<br />

Opfer, die im Kreuzfeuer zwischen Repression<br />

und Rebellion getroffen wurden. 1971 (vgl.<br />

Dutschke und Cohn-Bendit). „Die Entscheidungsfreiheit<br />

wird so rasant beschnitten, dass ich manchmal<br />

das Gefühl habe, dass die gesunden Köpfe, die versuchen<br />

wirkliche Probleme auf eine reale Weise zu lösen,<br />

alle auf ein winziges Eiland inmitten einer heftigen<br />

See gestoßen wurden.!“ (cp. score)<br />

Die Kantate ist komponiert für Symphonieorchester,<br />

das das Establishment repräsentiert – Rockgruppe, die<br />

die Jugend vertritt – Chor – Sopran – Klavier. Die<br />

Rockgruppe ist frei für Improvisationen in verschiedenen<br />

populären Stilen, die eine University-Campus-Szene<br />

hervorrufen. Eine Menge elektronischer Instrumente<br />

werden verwendet. Die absteigende 12-Ton-Reihe<br />

ist grundlegend für die ganze Kantate. Das musikalische<br />

Zentrum der Kantate ist Nr. III. „Truth is fallen“<br />

für Chor, Sopran-Solo, Orgel, Violine, Gitarre, Posaune,<br />

E-Bass, E-Piano, Mundharmonika und Percussion.<br />

Über einen Text von Jesaijah: „Wir warten auf Licht,<br />

aber erhalten Dunkelheit!“ Die hauptsächlichen Intervalle,<br />

die für die Chorstimmen verwendet werden,<br />

sind: die Quinte, die Septime, die None. – Die Fuge<br />

verwendet die 12-Ton-Reihe. Die musikalische „Zerstörung“<br />

der US-Nationalhymne wird durch eine Kombination<br />

von gewaltigen Orchesterklängen und harten,<br />

perkussiven Schlägen realisiert (cp. Jimi Hendrix,<br />

Woodstock). Die folgende Improvisation von Violine,<br />

Viola, Posaune ist „frei und wild wie eine Protest-Demonstration.“<br />

(cp. score) Die Fuge wird mit anderem<br />

Tempo, Ausdruck und anderer Artikulation wiederholt<br />

„Lebhaft und makaber!“ Das Stück endet mit der verzweifelten<br />

Frage des Soprans: „Ist die Wahrheit tot?“<br />

– Die Kantate integriert klassische und moderne Techniken,<br />

Instrumentationen und Ausdrucksformen, ausgeschriebene<br />

Komposition und freie Improvisation.<br />

Bei einem der Kongresse der International Association<br />

of <strong>Jazz</strong> Education erklärte Brubeck dem Publikum:<br />

„This young lady wrote a book on me, and in this<br />

book she told me what I did in my compositions!“<br />

Dave Brubeck widmete Ilse Storb zu ihrem<br />

80. Geburtstag diese speziell für sie<br />

geschriebene Komposition „Ilse Storb“ mit<br />

Worten des Dankes für den unermüdlichen<br />

Einsatz der Jubilarin für den <strong>Jazz</strong> ganz allgemein<br />

und für Brubeck und die Analyse<br />

seiner Musik im besonderen.<br />

5/13 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 7


Das Schönste, was es gibt,<br />

ist kreativ zu sein<br />

Al Jarreau<br />

er hier ein zweites Zuhause haben. Wie ergeht es dir<br />

diesbezüglich?<br />

Das ist ja genau das Spiegelbild von dem, was ich gerade<br />

über die alten Zeiten gesagt habe. Ich sollte auch<br />

ein schönes kleines Haus irgendwo in Deutschland haben!<br />

Ich weiß nicht, vielleicht im Schwabenland oder<br />

lieber weiter nördlich an der Alster... – Spaß beiseite.<br />

Ich könnte mir das vorstellen, in Deutschland zu leben.<br />

Wenn ich morgen aufwachen würde und jemand sagte<br />

„Al, es ist jetzt wichtig für dich, nach Deutschland zu<br />

ziehen“. Ich würde gehen! Meine Frau ist da nicht so<br />

entscheidungsfreudig. Sie ist ein echtes kalifornisches<br />

Mädchen.<br />

Al Di Meola schien ein ähnliches Problem zu haben. Er<br />

sagte, es sei nicht leicht für ihn, seine Frau und seine<br />

Al, am 12. März war dein Geburtstag. Herzlichen<br />

Glückwunsch nachträglich! In Deutschland gibt es<br />

wohl niemanden, der nicht sagen würde: Mit 73 Jahren<br />

hat man seine Rente mehr als verdient! Was ist es,<br />

das dich so umtriebig macht und dich noch immer<br />

quer durch die Welt reisen lässt?<br />

Ach, weißt du, das beginnt heute doch schon weit vor<br />

73. Die meisten gehen mit 55 oder sagen wir 60 Jahren<br />

in den Ruhestand. Ich glaube, das ist etwas Besonderes<br />

mit der Musik, vielleicht mit jeder Tätigkeit, die ein<br />

Mensch findet und wirklich gern macht. Die er auch<br />

umsonst machen würde, weil sie ihn glücklich macht.<br />

Wenn es etwas ist, das einen morgens mit einem Lächeln<br />

aufstehen lässt. Dann ist man ein besserer Vater,<br />

ein besserer Ehemann, ein besserer Nachbar. Es könnte<br />

auch das Betrachten der Sterne sein oder das Arbeiten<br />

im Garten. Bei mir ist das die Musik. Ich wüsste gar<br />

nicht, was ich sonst machen sollte. Ich bin einfach zu<br />

dumm, irgendetwas anderes zu tun.<br />

Sagen das nicht alle wirklich Großen?<br />

Ich denke, das gilt für die Großen, für die Kleinen und<br />

für die Mittleren. Wer eine Sache findet, die er so liebt,<br />

wie ich die Musik, muss er ein glücklicher Mensch sein.<br />

Das ist es, was mich weitermachen lässt auf meinem<br />

Weg. Ich möchte nicht in Rente gehen. Ich bin nicht<br />

mehr so kräftig wie ich mal war. Ich werde auch<br />

schneller müde als früher. Das ist völlig ok. Ich singe<br />

über den, der ich heute bin. Frank Sinatra hat gesungen<br />

bis er 85 war. Und schau mal, wie alt ist Tony Bennett<br />

heute? Der wird auch Mitte 80 sein. Er singt klasse.<br />

Jon Hendricks, mein Idol! Er ist 91. Ich habe mit Jon<br />

und Kurt Elling auf dem North Sea <strong>Jazz</strong> Festival in Den<br />

Haag gespielt mit dem Metropole Orchester letzten<br />

Sommer. Der singt immer noch gut. Läuft nur ein bisschen<br />

langsamer als früher. Ich möchte genau so sein<br />

wie er!<br />

Beschreibe bitte dein Verhältnis zu Deutschland und<br />

dem deutschen Publikum.<br />

Ich bin der junge Mann aus Wilwaukee mit dem Traum,<br />

Musiker zu werden. Nach meinem Universitätsabschluss<br />

ging ich nach Kalifornien und arbeitete dort als<br />

Sozialarbeiter. In meinem Herzen hegte ich den<br />

Wunsch, Musiker zu werden. Ich suchte nach einem<br />

Plattenvertrag, nach Aufnahmemöglichkeiten. Als ich<br />

35 war, wurde der Traum langsam Wirklichkeit. Ich<br />

machte meine erste Platte. Und da waren Leute im Publikum,<br />

die mich hörten. Ich stand auf der Bühne, es<br />

war mein Programm: Vorgruppe für Les McCann! Und<br />

im Publikum saßen Fritz Rau und Siggi Loch, zu jener<br />

10 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 5/13<br />

Zeit Präsident von WEA (Warner, Electra, Atlanta). Das<br />

war 1974. Fritz Rau war einer der großen deutschen<br />

Musikpromoter. Die saßen da gemeinsam mit Mo<br />

Ostin, Chef von Warner Reprise. Sie waren gekommen,<br />

um einen jungen Sänger zu beobachten: Al Jarreau.<br />

Und diese beiden Typen aus Hamburg boxten Mo Ostin<br />

in die Seite und sagten: „Hey, worauf wartest Du? Lass<br />

ihn unterschreiben. Wir wollen den haben.“ Das war<br />

natürlich enorm wichtig für den Beginn meiner Karriere.<br />

Ich trat in Hamburg auf. Vieles passierte in den<br />

nächsten sechs Monaten, nachdem ich diese Platte gemacht<br />

hatte. Die Dinge drehten sich für mich positiv.<br />

Ich fand ein Publikum. Ich fand Leute, die das, was ich<br />

machte, interessant fanden. Die haben mich wirklich<br />

sehr genau unter die Lupe genommen. Sie gaben dem<br />

jungen Sänger aus Milwaukee und seiner Stimme eine<br />

Chance. Man kann sagen, dass sie mich entdeckt haben.<br />

Sie trieben mich an: „Go Al, go Al, go! Sie sagten:<br />

Der ist aus unsrer Nachbarschaft! Ein Hamburger! Er<br />

ist einer von unseren Kids! Es ist der Anfang einer Karriere.<br />

Dem müssen wir helfen, den lieben wir“. Und er<br />

liebte sie umgekehrt genauso. Das war schon sehr speziell,<br />

was da abging.<br />

Vor zwei Jahren sagte uns Al Di Meola, er toure so extensiv<br />

in Europa und Deutschland. Eigentlich müsste<br />

Töchter von so einem Wunsch zu überzeugen.<br />

Ich muss also meine Frau und meine Kinder überzeugen!<br />

Meine Beziehung zu Deutschland, die hege ich<br />

schon lange Zeit. Und weißt du, die ersten, die kamen,<br />

um meine Konzerte zu besuchen, die haben heute bereits<br />

Enkelkinder. Da kommen zwei Fans, die sitzen in<br />

der ersten Reihe. Die kommen zu mir backstage und<br />

sagen: „Al, unsere Oma liebt dich wirklich heiß und innig!<br />

Es ist ihr einfach ein Bedürfnis, heute hier zu sein<br />

und ‚Hallo’ zu sagen. Wir sollen dich von ihr grüßen!“<br />

Das waren die Enkelkinder deren Großeltern mich vor<br />

über 30 Jahren im Onkel Pö und bei den <strong>Jazz</strong>tagen gesehen<br />

hatten. Eine andere Sache zwischen mir und<br />

Deutschland ist natürlich die Bigband! Um darüber zu<br />

reden bräuchten wir allein schon zwei Stunden: ich, die<br />

NDR Bigband und Joe Sample.<br />

Al, inwiefern belohnt dich deine Musik heute? Ist der<br />

Lohn, den du heute erhältst ein anderer als vor 30<br />

Jahren?<br />

Es ist genau der gleiche wie früher. Vielleicht hat er an<br />

Intensität gewonnen. Das Verlangen, Spaß zu haben<br />

und Leute lächeln zu sehen und lachen zu hören und<br />

mit mir zu singen, aufzustehen und „Zugabe“ zu rufen.


Das ist das Wundervollste auf der Welt. Das sage ich<br />

dir. Es gibt nichts Wichtigeres. Und nun erzähle ich mal<br />

ein nettes Geheimnis. Es ist ja nichts, was ich entdeckt<br />

hätte: Menschen, die lächeln fühlen sich besser, ihr<br />

Geist ist offen, sie haben das Gefühl, dass die Welt ein<br />

wunderbarer Ort ist. Und wenn du Menschen dabei<br />

helfen kannst, dann hilfst du ihnen, Glück und Freude<br />

zu erfahren. Und das heilt!<br />

Du hast vor etwa 10 Jahren ein Fernseh-Interview mit<br />

eben diesen Worten beendet.<br />

vor, über die du mit mir reden möchtest und ich<br />

wünschte mir so sehr, ich könnte diesen kreativen Moment<br />

in eine Flasche füllen und andere könnten diese<br />

Flasche öffnen und austrinken. Das ist überhaupt das<br />

Schönste, was es gibt, kreativ zu sein. Manchmal ist es<br />

eine Skulptur, ich bin kein Bildhauer und ich male auch<br />

nicht, aber Maler, Bildhauer und Romanautoren, Dichter,<br />

Songschreiber und Komponisten. Sie alle erschaffen<br />

etwas, wo vorher nichts war. Und das gibt uns Gott,<br />

durch seine schöpferische Kraft. Das ist eine einmalige<br />

Sache.<br />

Kreativität als Schlüssel für persönliche Erfüllung?<br />

Pflanze ein paar Samen! Beobachte, wie sie heranwachsen.<br />

Lege einen kleinen Garten an. Stell' deine<br />

Möbel um. Du wirst sehen: Das ist viel besser jetzt. Sei<br />

kreativ, schaffe etwas Neues und anderes, hier und<br />

jetzt. Und das ist so, weil du den Raum und die Elemente<br />

berührt und etwas verändert hast. Toll.<br />

Wohin wird dich deine Kreativität zukünftig führen?<br />

Hast du Pläne oder geschieht alles eher von Tag zu<br />

Tag?<br />

Es geschieht immer von Tag zu Tag, sogar was deine<br />

Träume angeht. So bewegt man sich fort. Aber, ich denke,<br />

ich schaue mich mal um nach einer neuen Sache,<br />

die ich angehen könnte. Wenn du mich vor einem Jahr<br />

gefragt hättest, hätte ich geantwortet, ich will eine CD<br />

mit einem Orchester machen. Das habe ich getan, mit<br />

dem Metropole Orchester. Nun, das ist ein <strong>Jazz</strong>-Orchester.<br />

Vielleicht ist da noch ein Ding, und zwar mit einem<br />

Sinfonie-Orchester. Ich würde noch gern eine CD mit<br />

einem Sinfonie-Orchester machen. Da ist eine Musik,<br />

die „Air“ von Bach. Kennst du Bachs „Air“ auf der G-<br />

Saite (beginnt die Melodie zu summen)?<br />

Eins der schönsten Beispiele deutscher Barockmusik.<br />

Weißt du was „Chuzpe“ bedeutet? Ich denke, ich sollte<br />

nicht so anmaßend werden und versuchen, einen Text<br />

für dieses Bach-Stück zu schreiben!<br />

Wenn es einer hinbekommt, dann Al Jarreau!<br />

Seit 10 Jahren... ach seit 15 Jahren ist der Text fertig. Er<br />

ist schon geschrieben! Ich denke, wenn ich es jemals<br />

herausbringen sollte, wird es euch gefallen.<br />

Bitte warte nicht zu lange damit. Lass uns kurz über<br />

Liedertexte sprechen. Für einige Texte hast du recht<br />

lange gebraucht, bevor sie dann endgültig fertig waren.<br />

Das trifft auch für „Something you said“, deine<br />

Version des Weather-Report-Klassikers „A remark you<br />

made“, zu?<br />

Ja, das stimmt. Für den Text habe ich 18 Monate gebraucht.<br />

Ich habe damals Joe Zawinul angerufen und<br />

ihm gesagt: „Joe, ich schicke dir meinen Text und du<br />

sagst mir, was du davon hältst.“ Ich hatte es einfach<br />

nicht drauf, ihn direkt zu fragen, ob es für ihn ok sei,<br />

wenn ich meinen Text so singen würde. Joe sagte „Hey<br />

Mann, der Song ist doch komplett“. Da musste ich<br />

mich erst mal setzen. Er hatte ja recht. Das Stück<br />

brauchte keinen Text. Du setzt dich hin, hörst Wayne<br />

Shorter, Jaco Pastorius und Joe Zawinul und merkst:<br />

dem Stück fehlt nichts. Weißt du, es ist ein wenig so,<br />

wie wenn man einen Pfad betritt, den nicht einmal Engel<br />

zu betreten wagen, wenn man beginnt, Texte für<br />

solche Musik wie Bachs „Air“ zu schreiben, oder auch<br />

für „Mornin’“! Jay Graydon und David Foster haben<br />

dieses kostbare Lied geschrieben. Ich hörte es mir an<br />

und wusste: Ich muss einfach einen Text dazu schreiben!<br />

Und da war er auch schon da.<br />

Sagt dir der Bach Choral „Jesu bleibet meine Freude“<br />

etwas?<br />

Nicht der Name, aber ich weiß, wovon du sprichst. Lass<br />

mich einen Moment überlegen. Ich glaube, es war<br />

1975 oder 1978, da habe ich zum ersten Mal Elton<br />

Johns „Your song“ mit dieser Bach-Melodie beendet.<br />

Und ich tue es noch heute, jedes Mal, wenn ich das<br />

Stück bringe.<br />

Text: Peter Kolb · Fotos: Hans-Joachim Maquet<br />

Weißt du, ich habe ja einen kirchlichen Hintergrund.<br />

Ich habe schon als kleiner Junge oft beim Gesang in<br />

der Kirche in den Gesichtern der Menschen gelesen.<br />

Ich hatte das Gefühl, dass sie etwas Heilendes erfahren.<br />

Da war ich 5 Jahre alt. Da habe ich zum ersten Mal<br />

diese Verbindung gespürt, zwischen dem Gesang und<br />

einem offenen Geist. Ich sang ja selbst in der Kirche.<br />

Und eines Tages sangen wir im Rahmen eines kleinen<br />

Gartenkonzerts. Der Eintritt kostete einen Dollar. Wir<br />

sammelten also auch ein wenig Geld für meine kleine<br />

Kirche. Und wir brachten sogar ein Klavier mit in den<br />

Garten. Und dann kamen all die Damen nach dem Gottesdienst<br />

zu mir, zwickten mich in die Wange und sagten<br />

„Ach, Du kleiner, goldiger, du“ und zwickten mich<br />

erneut bis ich blaue Flecken im Gesicht bekam. Und sie<br />

sagten „Du hast so wundervoll gesungen!“ O, Mann,<br />

das berührt ein junges Herz! Da habe ich zu mir gesagt,<br />

wie schön muss es für andere sein, so zu empfinden,<br />

wenn sie mich singen hören. Charlie Chaplin, ein<br />

begnadeter Komiker. Er hat das Stück „Smile“ geschrieben.<br />

Charlie Chaplin, er hat auch über das Lachen<br />

geschrieben und dass es heilende Kräfte besitzt.<br />

Er hatte Recht. Und ich habe da etwas von ihm mitbekommen.<br />

Wenn das alles stimmt und ich denke es stimmt, dann<br />

solltest du selbst dein bester Arzt sein!<br />

Ach, mir geht es eigentlich ganz gut. Ich habe von Geburt<br />

an ein paar Probleme mit den Koronargefäßen.<br />

Aber ich habe ein Team von 15 Ärzten, die ich alle anrufen<br />

kann, wenn ich Hilfe brauche. Aber es geht mir<br />

wirklich gut und das verdanke ich zumindest zum Teil<br />

meiner Musik.<br />

Das ist nachvollziehbar.<br />

Was wir jetzt gerade im Moment tun, ist stärkend und<br />

kraftvoll. Und wir tun es als Menschen. Wir erschaffen<br />

gerade etwas, das noch nicht da war, bevor wir anfingen<br />

uns zu unterhalten. Ich singe ein Lied, schreibe einen<br />

Song. Du schreibst ein Interview, bereitest Fragen<br />

5/13 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 11


D<br />

20 <strong>Jazz</strong> <strong>Podium</strong> 5/13<br />

Das World Percussion Ensemble<br />

und das gemeinsame Erbe<br />

ie Musik bringt nicht nur drei, sondern sogar<br />

vier Kontinente zusammen. Die Zusammenarbeit<br />

des Pianisten und Initiators Walter Lang mit den<br />

drei Perkussionisten Takuya Taniguchi aus Japan, Marco<br />

Lobo aus Brasilien und Njamy Sitson aus Kamerun<br />

sowie dem Bassisten Sven Faller vereint im World Percussion<br />

Ensemble Impulse und Impressionen aus den<br />

Herkunftsländern der Beteiligten in einer sehr kompakten,<br />

kongruenten, kohärenten Art und Weise. Die „exotischen“,<br />

weltmusikalischen und jazzigen Elemente<br />

werden im „Common Heritage“ wesentlich von zwei<br />

Komponenten zusammengehalten: Dem unwiderstehlichen<br />

rhythmischen Drive auf der einen und der Melodiösität<br />

auf der anderen Seite. Piano und Singstimmen<br />

harmonieren in perfekter Reibung und Ergänzung mit<br />

Percussion und Bass. Dabei entsteht eine gleichermaßen<br />

temperamentvolle und innige weltmusikalische<br />

Mischung, wie sie bislang – auch Dank der Japan-Connection<br />

– so noch nicht zu hören war.<br />

Zustande gekommen ist die Band auf Initiative von<br />

Walter Lang: „Ich spiele seit ungefähr neun Jahren mit<br />

Takuya Taniguchi im Duo ‚Yuujou‘ zusammen, lange<br />

Zeit auch schon mit Njamy Sitson im Trio ‚Daktarimba‘<br />

mit Wolfgang Lackerschmid, und seit vier Jahren mit<br />

Marco Lobo in seiner Band ‚Marco Lobo e Convidados‘.<br />

Irgendwann habe ich davon geträumt, diese drei<br />

Perkussionisten zusammenzubringen, und habe das<br />

Gerold Merkle von Jawo Records vorgeschlagen. Der<br />

war sofort Feuer und Flamme. Als ich dann die Musiker<br />

gefragt habe, waren die auch sofort begeistert. Wir haben<br />

uns in München zu einer Probe getroffen und das<br />

hat unmittelbar funktioniert. Sie haben sich von Anfang<br />

an gemocht und hatten auch sofort großen musikalischen<br />

Respekt füreinander. Jeder hat seine Rhythmen<br />

vorgestellt, und die andern fanden das ganz<br />

einfach klasse. So war das von Anfang an ein gutes<br />

Miteinander. Meine Idee war ohnehin, dass wir hier<br />

kein Varieteprogramm machen, in dem sich jeder vorstellt,<br />

sondern dass immer jeder mitspielt und sich in<br />

das Land des anderen begibt. Das heißt: Wenn wir ein<br />

Stück von Marco spielen, dann spielt jeder brasilianische<br />

Rhythmen, wenn wir ein Stück von Takuya spielen,<br />

japanische Volksmusik. Das gilt analog für die afrikanischen<br />

Stücke von Njamy.“<br />

Die Musik klingt tatsächlich sehr integrativ, entspricht<br />

insofern ganz der Idee des musical directors am Piano:<br />

„Natürlich sind Afrika und Bahia, wo Marco herkommt,<br />

sehr nah beieinander. Der Einfluss Afrikas in<br />

Bahia ist enorm groß. Die japanischen Sachen waren<br />

für uns am ehesten fremd. Aber jeder spielte sich in<br />

diese Stimmung hinein.“ Vor allem die japanischen<br />

Stücke stellten eine Herausforderung an Harmonisierung<br />

und Arrangement dar. „Die beiden Folksongs waren<br />

eigentlich schon so, da habe ich gar nicht so viel<br />

harmonisiert. Die habe ich im Prinzip so gelassen, wie<br />

sie sind. Takuyas Stück ‚Homura Kei To‘ habe ich allerdings<br />

tatsächlich harmonisiert und arrangiert.“ Seit<br />

1991 spielt Walter Lang regelmäßig in Japan. Daher<br />

kennt er die Musik dort inzwischen recht gut. „Ich interessiere<br />

mich auf meinen Tourneen immer für die<br />

Musik des jeweiligen Landes. Ich habe viel japanische<br />

Musik gehört, viel darüber gelernt und finde diesen<br />

modalen Klang sehr faszinierend. Wenn ich das höre,<br />

werde ich förmlich nach Japan hingebeamt. Ich liebe<br />

das.“<br />

Neben den weltmusikalischen Aspekten steckt in der<br />

Musik eine Menge romantische Tradition. Nicht von<br />

ungefähr hat Walter Lang vor wenigen Jahren eine CD<br />

mit Kompositionen Robert Schumanns eingespielt.<br />

Ganz bewusst ergänzt er seinen klassischen und jazzigen<br />

Background durch seine Mitspieler: „Wenn man<br />

den Namen hört ‚World Percussion Ensemble‘, dann<br />

denkt man vielleicht: Das sind ein paar Trommler, die<br />

die ganze Zeit trommeln. Durch den Gesang bekommt<br />

das Ganze allerdings eine ganz andere Qualität. Der<br />

Gesang ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Bandsounds.<br />

Live kommt das noch mehr zum Ausdruck,<br />

weil Njamy oft vorn steht und die Stücke als Sänger<br />

performed. Njamy ist für uns so wichtig, weil er diese<br />

wunderschöne Stimme hat, und oft mit Falsett-Stimme<br />

singt. Dadurch gibt er den Stücken sehr viel Wärme<br />

und lyrische Tiefe mit. Takuya hat dagegen eine sehr<br />

starke, archaische Stimme.“<br />

Überhaupt gibt der Japaner der Band ein ganz besonderes<br />

Gepräge. „Was interessant ist, wenn man die<br />

Band live erlebt: Der Exot der Band ist Takuya, die Leute<br />

lieben ihn. Er ist so ein Gesamtkunstwerk, mit einer<br />

sehr starken physischen Präsenz. Als ich ihn zum ersten<br />

Mal erlebt habe, in einem Konzert mit seinem<br />

Bruder und seiner Schwester, war das Konzert nicht<br />

nur musikalisch, sondern in jeder Bewegung einstudiert,<br />

das war wie im Theater. Ein großer Teil seiner Arbeit<br />

ist auch die physische Ausbildung. Er hat eine<br />

enorme Kraft. Es ist eine echte Schau.“<br />

Selbstverständlich lebt die Musik des World Percussion<br />

Ensemble ganz intensiv von ihrer rhythmischen Qualität.<br />

„Marco ist der absolute Motor der Band, unglaublich<br />

dynamisch. Er hält alles zusammen, ist extrem<br />

wichtig für die Band, auch wenn er, außer in einem<br />

großen Solo Feature, nicht vordergründig auffällt.“<br />

Auch durch Sven Faller kommt jede Menge Drive in die<br />

Musik. „Sven ist natürlich ein fantastischer Kontrabassist.<br />

Aber mit den japanischen Trommeln ergab sich<br />

eine derart starke klangliche Überlappung, dass der<br />

Kontrabass hier keine Chance hat, zumindest in den<br />

meisten Stücken. Die Frequenzen überlagern sich einfach<br />

zu stark. Der Kontrabass wird einfach zugedeckt.<br />

Also musste der E-Bass her, den Sven auch herausragend<br />

beherrscht, der im übrigen einfach auch sehr gut<br />

zur Musik passt. Ich habe eigens ein Stück für ihn geschrieben:<br />

‚Marcos dream‘. Das spielt er einfach<br />

traumhaft. Sven und Marco sind ein exzellentes Rhythmusteam.“<br />

Die CD enthält Studio- und am Ende Live-Aufnahmen.<br />

„Wir haben bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen<br />

einen Tag lang im Konzertsaal aufgenommen. Das sind<br />

die so genannten Studioaufnahmen. Am nächsten Tag<br />

haben wir auf der gleichen Bühne das Konzert gespielt.<br />

Natürlich haben die Live-Aufnahmen eine andere<br />

Energie. Dafür sind die Studioaufnahmen ein bisschen<br />

tighter und dichter. Deshalb haben wir uns<br />

entschlossen, beides mit auf die CD zu nehmen.“ Wobei<br />

die CD nur ein Schritt auf dem gemeinsamen Weg<br />

ist. Denn: „Wir wollen und werden die Musik natürlich<br />

in den Ländern spielen, wo die Musiker herkommen.<br />

Und wir sind erst am Anfang.“<br />

Text: Tobias Böcker · Foto: Christian Melzer<br />

CD: World Percussion Ensemble „Common Heritage”,<br />

Jawo Records JAW 015

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