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Interview mit Robert Schweizer in den Wiler Nachrichten vom 22 ...

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<strong>Wiler</strong> <strong>Nachrichten</strong>, <strong>22</strong>. November 2012 Thema der Woche Seite 3<br />

Als Sadisten die K<strong>in</strong>der quälten<br />

FISCHINGEN Es war Sadismus pur und die K<strong>in</strong>der waren ihnen hilflos ausgeliefert –e<strong>in</strong> damaliges Opfer berichtet <strong>in</strong> später Aufarbeitung<br />

Es ist nicht die Absicht, die<br />

momentane oder frühereLeitung<br />

des KlostersFisch<strong>in</strong>gen zu<br />

desavouieren, wie von dort<br />

kolportiert. Wohl aber wird<br />

e<strong>in</strong>em k<strong>in</strong>dlichen Opfer aus<br />

dunkler Zeit e<strong>in</strong>e Stimme gegeben.<br />

Es spricht Rudolf<br />

<strong>Schweizer</strong>, der zwischen 1947<br />

und 1953 die Hölle erlebte.<br />

Herr <strong>Schweizer</strong>, Sie kamen als<br />

K<strong>in</strong>d <strong>in</strong>s «Kloster Fisch<strong>in</strong>gen», wie<br />

alt waren Sie da, wo waren Ihre Eltern<br />

und wer brachte Sie h<strong>in</strong>?<br />

Ich kam als 9-Jähriger dorth<strong>in</strong>, als<br />

me<strong>in</strong>e Mutter starb und Vater, e<strong>in</strong><br />

Auslandschweizer, sich von mir<br />

abwandte. Über die Gründe dazu<br />

schweige ich. Es platzierte mich die<br />

«Pro Juventute». In der Zeit starb<br />

me<strong>in</strong> Vater, der lange Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

deutschen «KZ» vegetierte.<br />

Die Wirrungen der damaligen Zeit<br />

schufen solche Konstellationen.<br />

Wie erlebten Sie die erste Zeit im<br />

Heim <strong>in</strong> Fisch<strong>in</strong>gen?<br />

Davon bekam ich zu Beg<strong>in</strong>n wenig<br />

<strong>mit</strong>, <strong>den</strong>n ich hatte schwere Tuberkulose,<br />

e<strong>in</strong> häufiges Lei<strong>den</strong> damals.<br />

Erst nach Genesung, nahm<br />

ich wahr, woich gestrandet war.<br />

Gestrandet kl<strong>in</strong>gt ungut?<br />

Es war ungut! Zuvor verfrachteten<br />

sie mich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Heim <strong>in</strong> Wildhaus<br />

im Toggenburg. Später zu e<strong>in</strong>em<br />

Bauer <strong>in</strong>s Luzernische. Da wurde<br />

ich gut behandelt und war todunglücklich,<br />

als man mich ihm wegnahm,<br />

um nach Fisch<strong>in</strong>gen zu gelangen.<br />

Me<strong>in</strong>e Lei<strong>den</strong>szeit begann.<br />

Was geschah genau?<br />

Ich hatte e<strong>in</strong>en beh<strong>in</strong>dern<strong>den</strong><br />

Klumpfuss und war so ständigem<br />

SpottderMitschülerausgesetzt.Ich<br />

verstummte gänzlich, wohl als Folge<br />

all der Herumschubserei und<br />

ohne B<strong>in</strong>dung zu e<strong>in</strong>em Menschen,<br />

der mich mochte oder gar<br />

liebte.<br />

Wann begann die Lei<strong>den</strong>szeit?<br />

(Er lacht bitter auf) Mit dem E<strong>in</strong>tritt.<br />

Da war e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terner Lehrer,<br />

der Böhi hiess, der hasste mich sofort,<br />

nannte mich «Sauschwob».<br />

Wohl weil me<strong>in</strong> Vater Auslandschweizer<br />

war. Erschlug mich regelmässig,<br />

er brauchte dazu ke<strong>in</strong>en<br />

Grund!<br />

Schritt <strong>vom</strong> Kloster niemand e<strong>in</strong>?<br />

Fragen Sie mich das im Ernst? Es<br />

kümmerte die Patres nicht, wer<br />

wen schlug, wie oft und warum. Sie<br />

prügelten ja selber <strong>in</strong> sadistischer<br />

Lust <strong>mit</strong>. Es kam vor, dass K<strong>in</strong>der<br />

unkontrolliert <strong>in</strong> ihre Kleidung ur<strong>in</strong>ierten,<br />

wenn e<strong>in</strong> Lehrer oder Pater<br />

<strong>den</strong>selben Raum betrat.<br />

So entsetzlich war die Furcht?<br />

Ja, bei manchen reichte es, die<br />

Stimme e<strong>in</strong>es der Sadisten zu hören<br />

und sie wur<strong>den</strong> nass im Schritt.<br />

Ist Ihnen e<strong>in</strong> Tätername geläufig?<br />

Ja, da gab es e<strong>in</strong>en Pater Benno,<br />

wir nannten ihn wegen se<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen<br />

Körpergrösse <strong>den</strong> «Stöpsel».<br />

Se<strong>in</strong>e Brutalität war monströs.<br />

Er schlug ohne Anlass, aus purer<br />

Lust an unserer Qual.<br />

Wie hiess der damalige Leiter <strong>mit</strong><br />

Bild: Charly Pichler<br />

Die Narbe über se<strong>in</strong>em rechten Auge schlug ihm e<strong>in</strong> Lehrer des Klosters, da war er<br />

10 Jahre alt.<br />

Vor- und Nachnamen?<br />

Glauben Sie <strong>den</strong>n, die hätten sich<br />

uns K<strong>in</strong>dern <strong>mit</strong> Familiennamen<br />

vorgestellt? Der Direktor hiess Pater<br />

Paul, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derschänder und<br />

Päderast. Er verführte uns nicht,<br />

er nahm uns <strong>mit</strong> Gewalt.<br />

Wie g<strong>in</strong>g er vor, um sich die K<strong>in</strong>der<br />

gefügig zu machen?<br />

Er kam nachts <strong>in</strong> <strong>den</strong> Schlafsaal.<br />

Patrouillierte <strong>mit</strong> se<strong>in</strong>em scharfen<br />

Schäferhund durch die Bettreihen.<br />

Die Angst liess uns erstarren.<br />

Jeder hoffte, er würde an se<strong>in</strong>em<br />

Bett vorüber gehen.<br />

Und wenn er es nicht tat?<br />

Dann setzte er sich an <strong>den</strong> Bettrand<br />

und griff wortlos zu. Wersich<br />

sträubte, wurde geschlagen oder<br />

<strong>mit</strong> dem Hund bedroht.<br />

Der Hund aufs K<strong>in</strong>d gehetzt?<br />

Bei Widerstand flüsterte er: «Soll<br />

ich <strong>den</strong> Hund auf dich hetzen?» Bei<br />

mir tat er es. Das Tier biss mich...!<br />

(Die Redaktion: Es geschieht Berührendes.<br />

Der alte Mann, als K<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> Fisch<strong>in</strong>gen von Menschen, deren<br />

Obhut er anvertraut war, geschlagen,<br />

missbraucht, gedemütigt<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Masse, mehr als e<strong>in</strong>e<br />

Menschenseele ertragen kann, beg<strong>in</strong>nt<br />

zu we<strong>in</strong>en. M<strong>in</strong>utenlang<br />

kann er nicht weitersprechen)<br />

Haben Sie auch e<strong>in</strong>e schöne Er<strong>in</strong>nerung<br />

an jene Zeit?<br />

Ja! Da gab es e<strong>in</strong>e Schwester Maria,<br />

was sie uns als Gnade erwies,<br />

war für uns K<strong>in</strong>der wunderbar!<br />

Inwiefern, was tat sie <strong>den</strong>n?<br />

Sie war unsere gute Seele. Half und<br />

l<strong>in</strong>derte Schmerzen, wo sie konnte.<br />

Wir verehrten sie, so machtlos<br />

sie auch war <strong>in</strong> ihrem Bemühen,<br />

unsere Qualen zu l<strong>in</strong>dern.<br />

E<strong>in</strong> authentisches Beispiel...<br />

Im Sommer mussten wir auf umliegen<strong>den</strong><br />

Bauernhöfen arbeiten.<br />

Dabei zwang man uns, barfuss über<br />

abgeerntete Stoppelfelder zu laufen.<br />

Nur die K<strong>in</strong>der der Bauern trugen<br />

Schuhe. Die scharfen Stoppeln<br />

schnitten uns tief <strong>in</strong>s Fleisch.<br />

Unsere Fusssohlen troffen vor Blut,<br />

manche brachen auf dem Feld<br />

schreiend zusammen.<br />

Was tat Schwester Maria?<br />

Sie schlich abends heimlich zu uns,<br />

salbte geschun<strong>den</strong>e Füsse, we<strong>in</strong>te,<br />

sodass wir sie trösten mussten.<br />

Stammt die Narbe über Ihrem<br />

rechten Auge aus damaliger Zeit?<br />

Ja, das tat «Pater Stöpsel». Ich hatte<br />

im Unterricht gesprochen. Er<br />

sagte «Sauschwob» und schlug zu.<br />

Die Stelle an der Stirn platzte, ich<br />

wurde ohnmächtig und da die<br />

Wunde nicht behandelt oder genäht<br />

wurde, blieb eben die Narbe.<br />

Was empf<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie, wenn Menschen<br />

heutiger Zeit sagen, all dies<br />

sei nie passiert?<br />

Dawe<strong>in</strong>eichvorKummerundZorn.<br />

Es ist passiert und alle schauten tatenlos<br />

zu. Die Verantwortlichen der<br />

Ämter unternahmen nichts und die<br />

Bauern nutzten uns gna<strong>den</strong>los für<br />

<strong>den</strong> Frondienst aus. Wer heute abstreitet,<br />

was da geschah, <strong>den</strong> nenne<br />

ich e<strong>in</strong>en grossen Lügner und e<strong>in</strong>en<br />

bitterbösen Menschen!<br />

Haben Sie je für e<strong>in</strong>e staatliche<br />

Wiedergutmachung gekämpft?<br />

Aber wozu <strong>den</strong>n? Schauen Sie sich<br />

doch um und hören Sie genau h<strong>in</strong>,<br />

was jenen widerfährt, die sich heute<br />

für damaliges Geschehen wehren<br />

oder Wiedergutmachung wollen.<br />

Sie wer<strong>den</strong> im besten Falle negiert,<br />

meist aber verhöhnt, verspottet,<br />

als Lügner gebrandmarkt<br />

und ihnen wer<strong>den</strong> unlautere Motive<br />

wie Geldgier unterschoben.<br />

Geldgier als hauptsächlicher Vorwurf<br />

für all die erlittene Qual?<br />

Ja, im S<strong>in</strong>ne, wir wollten nur f<strong>in</strong>anziellen<br />

Vorteil aus e<strong>in</strong>em Geschehen<br />

ziehen, das ke<strong>in</strong>eswegs je<br />

so schlimm gewesen se<strong>in</strong> soll, wie<br />

von uns Opfern dargestellt.<br />

Immerh<strong>in</strong> reagierte der heutige<br />

Engelberger Abt Christian Meyer<br />

äusserst betroffen, als man ihn<br />

über die Taten der damaligen,<br />

hauptsächlich als Täter agieren<strong>den</strong><br />

Patres <strong>in</strong>formierte. Er sagte<br />

wörtlich: «Das tut sehr weh!»<br />

Se<strong>in</strong> Mitgefühl <strong>mit</strong> <strong>den</strong> k<strong>in</strong>dlichen<br />

Opfern jener Zeit ehrt ihn, doch<br />

Gutes erwächst uns daraus nicht.<br />

Immer noch wer<strong>den</strong> wir verfemt<br />

und als Lügner abgestempelt.<br />

Können Sie je vergessen, was<br />

menschliche Grausamkeit tat?<br />

Nie! Dies werde ich <strong>mit</strong> mir tragen,<br />

bisansEnde me<strong>in</strong>er Tage.Me<strong>in</strong><br />

Mitgefühl gilt allen, die me<strong>in</strong><br />

Schicksal teilten. Das Wissen und<br />

die Er<strong>in</strong>nerung daran, wird unauslöschlich<br />

<strong>in</strong> mir se<strong>in</strong>.<br />

Verzeihen Sie <strong>den</strong> Tätern?<br />

Es heisst, man habe nur dann jemandem<br />

verziehen, wenn man für<br />

ihn betet. Ne<strong>in</strong>, beten kann ich<br />

noch nicht für sie...!<br />

Charly Pichler<br />

pic@zehnder.ch<br />

Wie f<strong>in</strong><strong>den</strong> Sie regionale Gewerbeausstellungen?<br />

Peter Jenzer, Eschlikon Kathr<strong>in</strong> und Ursula Hohl, Flawil Erika Schoch <strong>mit</strong> Ronja, Wil Remy Klaus, <strong>in</strong> Wil getroffen Nad<strong>in</strong>e Lorenz, Wil<br />

Lisa Müssig, <strong>in</strong> Wil getroffen<br />

«Mit dem Rückgang von Regionalmessen<br />

geht e<strong>in</strong>e Tradition zu Ende.<br />

Dies wohl, weil Kaufhäuser ihr<br />

Angebot anpassen und die Nachfrage<br />

nach Messen nicht mehr besteht.<br />

Ausserdem s<strong>in</strong>d die hohen<br />

Kosten für die Aussteller abschreckend.<br />

Früher <strong>mit</strong> unseren K<strong>in</strong>dern<br />

besuchten wir oft Messen, dies<br />

hat sich geändert.»<br />

«Wir besuchten die Riga, was spannend<br />

war. Nebst dem E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong><br />

Firmen, erhält man <strong>den</strong> Überblick<br />

von Produkten für Haus und Garten.<br />

Ansonsten s<strong>in</strong>d wir ke<strong>in</strong>e Messegänger.<br />

Wir <strong>den</strong>ken, der Rückgang<br />

von Ausstellungen kann auf<br />

Zusammenschlüsse von Firmen<br />

zurückgeführt wer<strong>den</strong>, dadurch<br />

gibt es auch weniger Aussteller.»<br />

«Die Wufa haben wir auch schon<br />

besucht. Früher, als diese <strong>in</strong> der<br />

Altstadt durchgeführt wurde, arbeitete<br />

ich am Stand e<strong>in</strong>er Bäckerei.<br />

Das fand ich spannend und abwechslungsreich.<br />

Die Absage der<br />

RegioMäss f<strong>in</strong>de ich schade, aber<br />

der Rückgang lässt sich aufgrund<br />

der wirtschaftlichen Lage vieler<br />

Gewerbler wohl kaum aufhalten.»<br />

«Ich habe wenig Interesse an regionalen<br />

«Die Wufa fand ich immer sehr <strong>in</strong>-<br />

Gewerbemessen. Daher teressant, da sich <strong>den</strong> Ausstellern<br />

kann ich auch die Unternehmer die Chance bietet, sich zu zeigen<br />

verstehen. Die hohen Kosten für und die Besucher gemütlich etwas<br />

<strong>den</strong> Stand und das Personal führen<br />

unternehmen können. Da<strong>mit</strong> Mestreiber.<br />

zum Rückgang der Standbesen<br />

auch weiterh<strong>in</strong> Zukunft hät-<br />

Allerd<strong>in</strong>gs glaube ich, dass ten, sollten die Leute nicht nur <strong>mit</strong><br />

auch <strong>in</strong> Zukunft Messen stattf<strong>in</strong><strong>den</strong>,<br />

dem Geld <strong>in</strong> der Tasche durch eiform<br />

<strong>den</strong>n als Präsentationsplattne<br />

Ausstellung gehen, dies ist nicht<br />

wirken die Messen gut.» das Ziel e<strong>in</strong>er Ausstellung.»<br />

Für Sie war unterwegs: Tamara Barbi und Franziska Werz

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