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heruntergeladen - Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg

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| Im Gespräch<br />

Mit Jens Möllmann ist sie sich e<strong>in</strong>ig,<br />

dass die religiösen Rituale dabei sehr<br />

hilfreich se<strong>in</strong> könnten, „da können wir<br />

vom Katholizismus etwas lernen“, räumt<br />

der Pfarrer se<strong>in</strong>. Das Sechs-Wochen-Amt<br />

und die Jahresfeier böten gute Gelegenheiten,<br />

des Verstorbenen zu gedenken<br />

und sich geme<strong>in</strong>sam an Erlebtes zu er<strong>in</strong>nern.<br />

Ähnliche Rituale gebe es <strong>in</strong> vielen<br />

anderen Religionen und seien auch<br />

psychologisch zu erklären, sagt Cordula<br />

Caspary: 40 Tage brauche der Menschen<br />

<strong>in</strong> aller Regel, um solche gravierenden<br />

Erlebnisse zu verarbeiten.<br />

Wichtig sei möglichst viel Zeit, auch da<br />

s<strong>in</strong>d sich Möllmann und Caspary e<strong>in</strong>ig.<br />

Für e<strong>in</strong>en Pfarrer setze das voraus, dass<br />

er nicht zu viele Beerdigungen habe, also<br />

e<strong>in</strong>e nicht zu große Geme<strong>in</strong>de. Und er<br />

wünschte sich Bestattungen möglichst<br />

samstags, weil sich dann die Trauergäste<br />

mehr Zeit nähmen, so Möllmann. Hier<br />

hakt Renate Lohmann e<strong>in</strong>: „Es wird<br />

ohneh<strong>in</strong> viel zu schnell bestattet, oft<br />

schon nach drei, vier Tagen.“ Oft werde<br />

der Bestatter schon gerufen, wenn der<br />

Angehörige gerade den letzten Atemzug<br />

getan habe, gerade so, als ob man sich<br />

etwas Unangenehmem entledigen wolle.<br />

Manchen möge das recht se<strong>in</strong>, „e<strong>in</strong>ige<br />

brauchen es vielleicht“, sagt die Hospizdienstmitarbeiter<strong>in</strong>,<br />

nötig aber sei es<br />

nicht. Aus der Erfahrung berichtet sie von<br />

e<strong>in</strong>er Frau, die unmittelbar nach dem Tod<br />

ihres Mannes nicht mehr <strong>in</strong> der Wohnung<br />

bleiben wollte, und von e<strong>in</strong>er anderen<br />

Frau, die noch e<strong>in</strong>e letzte Nacht mit ihrem<br />

verstorbenen Mann im geme<strong>in</strong>samen<br />

Bett verbr<strong>in</strong>gen wollte und konnte.<br />

„Es ist hilfreich, sich die Zeit zu nehmen,<br />

die jeder braucht“, br<strong>in</strong>gt es Renate Lohmann<br />

auf den Punkt. Sie habe es als hilfreich<br />

erlebt, dass die Angehörigen e<strong>in</strong>zeln<br />

von dem Verstorbenen, der im Nebenzimmer<br />

aufgebahrt war, Abschied nehmen<br />

konnten. „Das macht es zwar nicht leichter,<br />

sorgt aber für schöne Bilder der Er<strong>in</strong>nerung<br />

an die Trauer.“ In dieser schweren<br />

Zeit des Abschieds müssten „Trittste<strong>in</strong>e“<br />

für das Weiterleben gelegt werden, nicht<br />

„Stolperste<strong>in</strong>e“. Denn Bilder von e<strong>in</strong>em<br />

Abtransport im Z<strong>in</strong>ksarg oder gar Plastiksack<br />

brennen sich im Kopf als verstörend<br />

fest. „Das geht gar nicht!“, ruft Cordula<br />

Caspary fast entsetzt aus. Sie br<strong>in</strong>ge immer<br />

e<strong>in</strong>en Holzsarg mit, und nur, wenn<br />

das Treppenhaus zu eng sei, werde der<br />

Verstorbene auf e<strong>in</strong>er Trage aus dem<br />

Haus gebracht; aber „Reißverschluss über<br />

den Kopf – das ist ja furchtbar!“ Renate<br />

Lohmann er<strong>in</strong>nert daran, dass Bestatter<br />

Dienstleister seien und die Wünsche<br />

der Familie berücksichtigen müssten. In<br />

jüngster Zeit spüre sie e<strong>in</strong> Umdenken: „Es<br />

wird erkannt, wie heilsam e<strong>in</strong> gestalteter<br />

Abschied se<strong>in</strong> kann.“ Auch <strong>in</strong> den Krankenhäusern<br />

gebe es meist Abschiedsräume<br />

statt weiß gefliester Keller.<br />

„Gehen Sie mit Verstorbenen so um, als<br />

seien sie lebende Menschen“, rät Cordula<br />

Caspary. E<strong>in</strong> Leichnam sei weder e<strong>in</strong><br />

„Fleischklops“, noch seien Handschuhe<br />

und Mundschutz nötig, um sich ihm zu<br />

nähern. Und sie gehe auf den Toten zu<br />

wie auf e<strong>in</strong>en Lebenden: „Ich klopfe an<br />

und sage beim Öffnen der Tür: ‚Herr X,<br />

Ihre Tochter ist da...’. Das setzt sich fest<br />

und schlägt e<strong>in</strong>e Brücke zu den Angehörigen“,<br />

ist die Bestatter<strong>in</strong> überzeugt.<br />

Für sie ende weder das Sterben noch die<br />

Sterbegleitung mit der amtlichen Bestätigung<br />

des Todes. „Ich glaube an e<strong>in</strong>e<br />

Restwahrsche<strong>in</strong>lichkeit, dass Verstorbene<br />

noch auf Atmosphärisches reagieren.“<br />

Deshalb sorge sie dafür, dass Verstorbene<br />

noch e<strong>in</strong>mal ihr Parfum oder Rasierwasser<br />

aufgelegt bekommen oder dass ihre<br />

Liebl<strong>in</strong>gsmusik zu hören ist.<br />

„Ich b<strong>in</strong> auch e<strong>in</strong>e Verfechter<strong>in</strong> der<br />

Aussegnung“, sagt Cordula Caspary und<br />

ergreift die Hand von Pfarrer Möllmann.<br />

„Das Innehalten im Gebet hat etwas sehr<br />

Tröstliches.“ Als junger Pfarrer <strong>in</strong> der<br />

Wesermarsch habe er e<strong>in</strong>e Aussegnung<br />

zum ersten Mal bei e<strong>in</strong>er Vertretung<br />

übernehmen müssen. „Ich war e<strong>in</strong> wenig<br />

bange, aber h<strong>in</strong>terher fand ich es sehr<br />

s<strong>in</strong>nvoll.“ Lange habe er mit sich gerungen,<br />

das „<strong>in</strong> paradisum“ zu sprechen;<br />

heute könne er auf „durchweg positives<br />

Feedback“ auf diesen late<strong>in</strong>ischen Hymnus<br />

zurückblicken. Er sorge für „heilsame<br />

Bilder“, wie sie sich auch die Hospizdienstmitarbeiter<strong>in</strong><br />

und die Bestatter<strong>in</strong><br />

von e<strong>in</strong>er Beerdigung erhoffen.<br />

Zu den „schönen Bildern“ mit heilsamer<br />

Wirkung gehörten auch so überraschende<br />

D<strong>in</strong>ge wie etwa Seifenblasen, sagt<br />

Cordula Caspary. Schon auf mittelalterlichen<br />

Puttendarstellungen seien sie zu<br />

sehen. Und ebenfalls e<strong>in</strong>e alte Tradition<br />

sei, auf Gräber Erdbeeren zu pflanzen.<br />

Renate Lohmann betont <strong>in</strong> diesem Zu-<br />

Cordula Caspary,<br />

Bestatter<strong>in</strong> aus Bremen<br />

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