Beraten und Beschlossen - Ev.-luth. Kirchenkreis Göttingen
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5 | 2013 beraten & beschlossen Sonderausgabe<br />
9<br />
Eröffnung des 4. Landeskirchentages in Hannover 1933, der zwei Jahre später für illegal erklärt wurde.<br />
Landeskirchenräte übernahmen weitere<br />
Führungspositionen. Hahn rückte<br />
als Präsident auch an die Spitze des<br />
Landeskirchentages <strong>und</strong> schloss die<br />
erste Sitzung mit „Heil Hitler“ statt mit<br />
einem Gebet.<br />
Bis auf das Bischofsamt waren nun<br />
sämtliche Leitungsgremien in NS-<br />
Hand. Doch die entmachteten Mitglieder<br />
des Landeskirchenamtes <strong>und</strong> des<br />
früheren Kirchensenats blieben nicht<br />
untätig, sondern klagten vor Gericht<br />
gegen ihre Emeritierung. Und Landesbischof<br />
August Marahrens, anfangs<br />
noch unsicher, schwenkte immer<br />
stärker auf die Linie der konfessionellen<br />
Lutheraner ein, die den Kurs der „Deutschen<br />
Christen“ nicht mittragen wollten.<br />
Es kam zum offenen Machtkampf:<br />
Im Herbst 1934 forderte der Landesbischof<br />
demonstrativ alle Mitglieder des<br />
Landeskirchenamtes auf, sich seiner<br />
Führung zu unterstellen, gestützt auf<br />
eine Vollmacht aus dem Jahr 1933.<br />
Wer das ablehnte, wurde entlassen.<br />
Auch Hahn wurde so aus dem Landeskirchenamt<br />
entfernt. Er ging 1936<br />
als Pastor nach Thüringen.<br />
Kurz darauf löste Marahrens den Landeskirchentag<br />
auf, danach auch den<br />
Kirchensenat. Beide seien nicht legal<br />
zustandegekommen. Der Kirchensenat<br />
wiederum wehrte sich <strong>und</strong> versetzte<br />
seinerseits Marahrens in den Ruhestand<br />
– eine Pattsituation. Geklärt<br />
wurde sie im März 1935 durch das<br />
Oberlandesgericht Celle, das der Klage<br />
der entmachteten Mitglieder des Landeskirchenamtes<br />
recht gab. Der DCbeherrschte<br />
Kirchensenat <strong>und</strong> somit<br />
auch die „braune Synode“ seien illegal<br />
zustande gekommen, befanden die<br />
Richter.<br />
Alle Gesetze des 4. Landeskirchentages<br />
wurden rückwirkend für null <strong>und</strong><br />
nichtig erklärt. Gerhard Hahn hatte<br />
seine Befugnisse überschritten. „Man<br />
kann die Wirkung des Urteils für die<br />
Landeskirche kaum überschätzen“,<br />
sagt Hans Otte. Denn damit hatte das<br />
Gericht auch Marahrens bestätigt. „Der<br />
Bischof hatte 1935 noch das Gefühl, er<br />
lebe in einem Rechtsstaat.“ Laut Otte<br />
hat Marahrens noch lange geglaubt,<br />
dass der NS-Staat auf rechtsstaatliche<br />
Normen ansprechbar sei. Er habe deshalb<br />
bis Kriegsende zu keiner gr<strong>und</strong>legenden<br />
Kritik am System gef<strong>und</strong>en.<br />
Neue Wahlen zu einem Landeskirchentag<br />
hat es in der hannoverschen Landeskirche<br />
von da an im „Dritten Reich“<br />
nicht mehr gegeben. Marahrens leitete<br />
die Kirche allein. Erst 1946 kamen wieder<br />
Menschen zu einer neu begründeten<br />
„Synode“ zusammen. Bewusst<br />
wählte die Landeskirche für die Zusammenkunft<br />
wieder das alte griechische<br />
Wort. Von der Deutschtümelei hatte sie<br />
genug.