KUNST!gronau bonn - Bonnticket
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20<br />
Kairo 678<br />
auseinandersetzen, dass die patriarchalisch<br />
geprägte Gesellschaft solche Taten<br />
tabuisiert. Wer als weibliches Opfer<br />
trotzdem die Taten zur Sprache bringt,<br />
muss seinerseits mit Ächtung und Angriffen<br />
rechnen. Die kleine Angestellte<br />
Fayza wird tagtäglich von Sextätern im<br />
überfüllten Bus belästigt, bis sie ein<br />
Messer zückt. Seba stammt aus einer<br />
privilegierten Familie. Als sie nach einem<br />
Fußballmatch der Nationalmannschaft<br />
Opfer einer öffentlichen Vergewaltigung<br />
wird, rückt sogar ihr Ehemann<br />
von ihr ab. Seba macht den Fall<br />
nicht öffentlich, gründet aber eine<br />
Selbsthilfegruppe für Frauen und gibt<br />
fortan im Fernsehen Kurse zur Selbstverteidigung.<br />
Nur die Comedian Nelly<br />
beschließt, ihren Fall als erste Frau in<br />
der Geschichte des modernen Ägyptens<br />
vor Gericht zu bringen. „Kairo 678“<br />
basiert auf wahren Ereignissen, die der<br />
Regisseur in parallelen Handlungssträngen<br />
erzählt. Wohl um im eigenen<br />
Land nicht die männlichen Zuschauer<br />
zu vergraulen, wird den drei streitbaren<br />
Frauen ein machohafter, aber gutmütiger<br />
Kommissar entgegengestellt. Am<br />
Ende finden die drei Frauen gewaltlose<br />
Wege, um sich gegen Unrecht zur Wehr<br />
zu setzen. Ob dieser Film des „arabischen<br />
Frühlings“ nach dem Sieg der<br />
islamischen Fundamentalisten in Ägypten<br />
Früchte tragen wird, bleibt abzuwarten.<br />
-nr<br />
THE LIVERPOOL GOALIE<br />
Norwegen 2010, R: Arild Andresen<br />
D: Ask von der Hagen, Susanne<br />
Boucher, Mattis Asker<br />
Start: 15.3., Cinenova<br />
Drama Der 13-jährige Jo leidet unter<br />
der überzogenen Fürsorge seiner Mutter<br />
und dem Terror seines Klassenkameraden<br />
Tom. Für den Grobian muss der<br />
schmächtige Jo immer die Hausaufgaben<br />
machen, will er nicht verprügelt<br />
werden. Weil die Mutter nach dem Unfalltod<br />
des Vaters dem Jungen selbst<br />
das Fußballspielen verbietet aus Angst,<br />
er könnte sich verletzen, bleibt Jo nur<br />
das Sammeln von Fußballkarten, um<br />
mitreden zu können. Angst und Verdrängung,<br />
die sich in absurd übersteigerten<br />
Tag-Albträumen manifestieren,<br />
sind Jos ständige Begleiter, bis Mari<br />
auftaucht. Das neue Mädchen in der<br />
Klasse ist genauso klug wie Jo, bringt<br />
aber obendrein eine gehörige Menge<br />
an Mut und Selbstvertrauen mit, um<br />
sich allen Problemen zu stellen. Wenn<br />
Jos Traum, Maris Freund zu werden,<br />
in Erfüllung gehen soll, dann muss der<br />
Junge endlich über seinen Schatten<br />
springen. Theoretisch ist das Jo klar,<br />
nur mit der praktischen Umsetzung will<br />
es nicht so recht klappen. Auch „The<br />
Liverpool Goalie“ ist ein typisches Beispiel<br />
skandinavischer Kinokunst, die<br />
gerade für die Zielgruppe von Kindern<br />
und Jugendlichen frische und originelle<br />
Filme macht – ohne pädagogischen<br />
Zeigefinger – und dabei ihr Publikum<br />
ernst nimmt. So geht der visuell eigenwillig<br />
inszenierte Humor altersgemäß<br />
auch schon mal härtere Wege, wie auch<br />
bei den Themen der Teenager kindliche<br />
Sorgen und der Blick in verbotene Erwachsenenwelten<br />
wie selbstverständlich<br />
nebeneinander stehen. -nr<br />
ONCE UPON A TIME IN ANATOLIA<br />
Türkei 2011, R: Nuri Bilge Ceylan<br />
D: Yilmaz Erdogan, Muhammet Uzuner,<br />
Taner Birsel<br />
Start: 1.3., Filmhaus<br />
Drama Für einen Ortstermin in einem<br />
Mordfall reist der Staatsanwalt aus der<br />
Stadt ins abgelegene Hinterland Anatoliens.<br />
Mit im Tross sind ein Arzt, ein<br />
Gerichtsbeamter, ein Polizist und die<br />
beiden mutmaßlichen Mörder. Die zwei<br />
Männer sollen den Behörden die Stelle<br />
zeigen, wo sie das Opfer verscharrt haben.<br />
Die Suche gestaltet sich allerdings<br />
schwierig, denn der eine Täter erweist<br />
sich als kaum zurechnungsfähig, der<br />
andere als schweigsam. Nach mehreren<br />
erfolglosen Grabungen wird die Suche<br />
in der Nacht unterbrochen. Die Zeit<br />
des Wartens bis zum nächsten Morgen<br />
verbringt der kleine Trupp mit intensiven<br />
Gesprächen. Das melancholische<br />
Drama entfaltet im Konflikt der unterschiedlichen<br />
Figuren ein gesellschaftliches<br />
Panorama der heutigen Türkei<br />
zwischen Tradition und Moderne, Stadt<br />
und Land, Religion und Ratio. Den eigentlichen<br />
Mordfall muss sich der Zuschauer<br />
zwischen den tiefgründigen<br />
Diskursen selbst rekonstruieren. Ein<br />
mitunter sprödes, zweieinhalbstündiges<br />
Geduldspiel, das aber nicht nur inhaltlich,<br />
sondern auch in Sachen Bildgestaltung<br />
und Schauspielerführung überzeugt.<br />
-nr<br />
Ruhm<br />
RUHM<br />
D 2012, R: Isabel Kleefeld; D: Senta<br />
Berger, Heino Ferch, Stefan Kurt<br />
Start: 22.3., OFF-Broadway<br />
Drama Der biedere Elektroingenieur<br />
Joachim Ebling bekommt auf seinem<br />
neuen Handy erotische Anrufe, die offenbar<br />
für einen anderen bestimmt sind;<br />
dafür scheint der Filmstar Ralf Tanner<br />
plötzlich von der Mobilkommunikation<br />
ausgeschlossen zu sein. Er nutzt die<br />
Gelegenheit, um als sein eigenes Double<br />
unterzutauchen. Um fremde Identitäten<br />
geht es in dem lose verbundenen Episodenreigen,<br />
der auf Daniel Kehlmanns<br />
gleichnamigem Roman basiert. Wie<br />
schon im Buch mangelt es auch im<br />
Film den Figuren an Substanz. Einige,<br />
wie der larmoyante und egozentrische<br />
Schriftsteller Leo Richter, mäandern<br />
wischen Karikatur und Klischee, andere,<br />
wie die unscheinbare Krimiautorin Maria<br />
Rubinstein, lösen sich im Laufe der<br />
Handlung gleich selbst auf. Während<br />
der Roman zumindest bei der Erzählung<br />
der einzelnen Ereignisse noch mit einer<br />
gewissen literarischen Brillanz aufwarten<br />
kann, reihen sich in der Adaption<br />
nur noch banale Bilder aneinander. Besonders<br />
missglückt sind dabei die Abstecher<br />
ins dramatische und komische<br />
Fach. Die übers Handy kommunizierte<br />
Entführung und Ermordung von zwei<br />
Ärzten in Afrika verfängt ebenso wenig<br />
wie Senta Bergers Auftritt im Schweizer<br />
Sterbehilfeinstitut. Billig auch die<br />
Späße, die auf Kosten der Figur des<br />
Computernerds Mollwitts gemacht werden.<br />
Im Wirrwarr erdachter, erträumter<br />
und falscher Identitäten versinkt der<br />
Film in Plotspielereien, deren Wirkung<br />
viel zu schnell wieder verpufft. -nr<br />
SAFE HOUSE<br />
USA 2012, R: Daniel Espinosa<br />
D: Denzel Washington, Ryan Reynolds<br />
Start: 23.2., Cinedom, Rex,<br />
Metropolis (OV)<br />
Thriller Seit einem Jahr versauert der<br />
junge CIA-Agent Matt Weston (Ryan<br />
Reynolds) nun schon auf seiner Außenstelle<br />
in Südafrika, ohne eine Chance<br />
zu bekommen, sich für höhere Posten<br />
auszuzeichnen. Bis der Hüter des geheimen<br />
CIA-Quartiers in Kapstadt, einem<br />
sogenannten Safe House, gewichtigen<br />
Besuch bekommt. Eine Sonder-<br />
einheit soll in den Räumen den hochrangigen<br />
Verräter Tobin Frost (Denzel<br />
Washington) mit illegalen Foltermethoden<br />
zum Reden bringen. Frost hatte<br />
kurz zuvor eine Datei mit brisanten Informationen<br />
in seinen Besitz gebracht.<br />
Als kurz darauf das Safe House von<br />
Schwerbewaffneten überfallen wird und<br />
nur Weston und Frost fliehen können,<br />
ist der unerfahrene Agent plötzlich auf<br />
sich allein gestellt. Dabei sieht sich<br />
Weston nicht nur einem mit allen Wassern<br />
gewaschenen Profi gegenüber, sondern<br />
muss darüber hinaus befürchten,<br />
dass durch ein Leck in der CIA auch<br />
sein Leben in Gefahr ist. Bei seinem<br />
Hollywood-Debüt weiß der Schwede<br />
Daniel Espinosa mit kerniger Unterhaltung<br />
zu überzeugen. Zumal die beiden<br />
Stars Denzel Washington als abgebrühter<br />
Agent und Ryan Reynolds<br />
in der Rolle des dynamischen Lehrlings<br />
zwischen Psychoduellen und harter Action<br />
bestens harmonieren. Zu einem<br />
wirklich großen Film fehlt der Geschichte<br />
aus der schmutzigen Welt der<br />
Geheimdienste allerdings das letzte<br />
Quäntchen an Raffinesse und Konsequenz.<br />
-nr<br />
SERGEJ IN DER URNE<br />
D 2011, R: Boris Hars-Tschachotin<br />
Start: 23.2., Odeon<br />
Doku Das Leben seines Urgroßvaters<br />
Sergej Stepanowitsch Tschachotin<br />
(1883–1973) liest sich wie ein Abenteuerroman,<br />
und doch ist alles wahr.<br />
1902 beteiligt sich der junge Diplomatensohn<br />
als Student an einer Revolte<br />
gegen den Zaren und muss nach Italien<br />
fliehen, wo er 1908 mit knapper Not<br />
das berühmte Erbeben von Messina<br />
überlebt. 1913 kehrt er nach St. Petersburg<br />
zurück, wird erst begeisterter Anhänger<br />
der Revolution und dann ein<br />
entschiedener Gegner. Wieder bleibt<br />
nur das Exil, diesmal kommt er über<br />
Umwege nach Deutschland, wo er eine<br />
Forschungsstelle in Heidelberg bekommt.<br />
Hier erfindet der Mediziner<br />
und Biologe das Strahlenskalpell, eine<br />
Vorläufertechnologie der heutigen<br />
Krebsforschung und Gentechnik. Er<br />
wird berühmt, Mitarbeiter des Nobelpreisträgers<br />
Iwan Pawlow und Freund<br />
Albert Einsteins. Als überzeugter Sozialist<br />
kämpft er als einer der führenden<br />
Wahlkampfstrategen der SPD gegen