Fotografie – Bildungsmedium und Forschungsperspektive
Fotografie – Bildungsmedium und Forschungsperspektive
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Damit kann <strong>Fotografie</strong>ren in besonderer Weise auch in den Kontext interkultureller<br />
Zielsetzungen gestellt werden:<br />
• Fremde Welten erschliessen: <strong>Fotografie</strong>ren ermöglicht, sich tastend unbekannten<br />
Welten anzunähern, fremde Lebensräume aktiv <strong>und</strong> kreativ anzueignen<br />
<strong>und</strong> mit den Menschen in Kontakt zu treten (vgl. Holzbrecher 2007). Wer fotografiert,<br />
geht aufmerksamer durch die Welt, beobachtet Dinge <strong>und</strong> Menschen<br />
in ihrer Umgebung nicht nur statisch, sondern entwickelt ein Auge für die «richtigen<br />
Augenblick», indem bewusst mit Möglichkeiten gespielt wird, wie sich<br />
eine Person in der avisierten Situation verhalten könnte. Die fotografische Aufmerksamkeitshaltung<br />
ermöglicht, aus der alltäglichen «Blindheit» herauszutreten<br />
<strong>und</strong> bewusster Kontakt aufzunehmen, sich in Situationen <strong>und</strong> Menschen<br />
hinein zu versetzen <strong>und</strong> «fotogene Momente» vorherzusehen. Damit ermöglicht<br />
<strong>Fotografie</strong> auch die Reflexion der eigenen Wahrnehmungsmuster («wer<br />
bin ich, dass ich dies so sehe?»). In fremdkulturellen Kontexten gilt es zu lernen,<br />
mit Unsicherheit umzugehen, <strong>Fotografie</strong>r-Tabus zu beachten <strong>und</strong> auf Fremde<br />
zuzugehen, wenn man ein Foto machen will. <strong>Fotografie</strong>ren ermöglicht dieses<br />
Lehr-Lernziel in einer Weise, dass die Arbeit an neuen Wahrnehmungs- <strong>und</strong><br />
Deutungsmustern als kreativer <strong>und</strong> motivierender Suchprozess erfahren werden<br />
kann. Oliver Piontek zeigt exemplarisch in einem «London-Projekt» (2006,<br />
148 ff.), wie <strong>Fotografie</strong> zu einem zentralen Medium des Englischunterrichts <strong>und</strong><br />
des Schüleraustauschs wird, etwa über die Methode des Fototagebuchs.<br />
• Geschichten erzählen: Das Kriterium, ein Foto solle «eine Geschichte erzählen»,<br />
kann als ein wichtiges Kriterium eines «guten Fotos» gelten. Für John<br />
Berger <strong>und</strong> Jean Mohr ist <strong>Fotografie</strong>ren «eine andere Art zu erzählen» (Berger<br />
u. Mohr 2006). Bereits erwähnt wurde die Möglichkeit, die in einem Foto<br />
«eingefrorene» Situation in eine denkbare Handlung aufzulösen (vgl. Sprech-/<br />
Schreibanlass). Didaktisch sehr produktiv sind für alle Altersstufen auch Fotostories<br />
(vgl. Hornar 2006), Fotoromane oder -reportagen.<br />
• Bedeutsames bewahren: Ein Lerntagebuch in Textform hat seine spezifischen<br />
Stärken, in einem visuellen Tagebuch kann festgehalten werden, worüber man<br />
(noch) nicht schreiben kann, weil die Vorstellungsbilder noch diffus <strong>und</strong> mehrdeutig<br />
sind <strong>und</strong> noch nicht «auf den Begriff gebracht» werden können. Ein<br />
solches Offenhalten von Deutungen mittels eines Fotos bietet ein spezifisches<br />
Potenzial, weil in niedrigschwelliger Art <strong>und</strong> Weise etwas zum Ausdruck gebracht<br />
oder Beziehungen hergestellt werden können.<br />
• Beziehungen herstellen: Das kann sich auf die im Foto dargestellten Objekte<br />
<strong>und</strong> Personen beziehen: Durch den Rahmen des Fotos werden Beziehungen<br />
suggeriert, <strong>–</strong> was dazu einlädt, damit zu spielen <strong>und</strong> Kompositionen etwa mit<br />
«unsinnigen» Objekten <strong>und</strong> Personen zu gestalten. Eine hohe fotografische<br />
Kompetenz erwirbt, wem es gelingt, Blickbeziehungen der dargestellten Per-<br />
Alfred Holzbrecher www.medienpaed.com > 28.5.2013<br />
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