pdf (1,7 MB) - Metro Group
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interview<br />
„Neutrale Bewertungen von<br />
Unternehmen sind ein richtiger Ansatz“<br />
Alke Boessiger (UNI Global Union) und Hans-Jürgen Matern<br />
(METRO GROUP) diskutieren, wie Arbeitsbedingungen, Sicherheit<br />
und Sozialstandards in Ländern wie Bangladesch verbessert<br />
werden können.<br />
Regierung. Theoretisch stimmt das.<br />
Aber man kann sich in Bangladesch<br />
nicht darauf verlassen. Die METRO<br />
hat mit ihrer Betreuung der Fabriken<br />
gezeigt, welchen Aufwand man<br />
betreiben muss. Der direkte Kontakt<br />
ist wichtig.<br />
Ist die METRO GROUP vorbildlich?<br />
Boessiger: Die Fabriken, aus denen die<br />
METRO GROUP Waren bezieht, sind nie<br />
in irgendwelche Unfälle verwickelt<br />
gewesen.<br />
Herr Matern, hat die METRO GROUP<br />
das neue Sicherheits- und Brandschutzabkommen<br />
unterzeichnet?<br />
Matern: Ja, nach einer Phase der<br />
Prüfung haben wir das getan. Die BSCI<br />
haben wir einst zusammen mit wenigen<br />
Unternehmen gegründet. Heute sind<br />
es 1.000 Firmen, die sich an den Regeln<br />
orientieren. Unsere Prüfer sind<br />
allerdings ausgebildet für Sozialstandards,<br />
keine Architekten.<br />
Und die Unternehmen haben sich dazu<br />
bekannt, weiter in Bangladesch produzieren<br />
lassen zu wollen.<br />
Warum betonen Sie das so?<br />
Boessiger: Etwa 80 bis 85 Prozent der<br />
Wirtschaft in Bangladesch bestehen<br />
aus der Textilindustrie. Über 80 Prozent<br />
der Beschäftigten sind Frauen, die ihre<br />
Familien alleine ernähren müssen.<br />
Nicht mehr dort zu produzieren<br />
würde den Menschen noch mehr<br />
schaden?<br />
Boessiger: Genau. Aber die Einkäufer<br />
müssen auch einen Preis zahlen, der<br />
es ermöglicht, die Renovierung der<br />
Gebäude zu finanzieren. Außerdem<br />
haben wir endlich die Position der<br />
Beschäftigten gestärkt.<br />
Was heißt das konkret?<br />
Boessiger: Die Arbeiter dürfen sich<br />
bislang nicht organisieren. Wenn sie<br />
zum Beispiel befürchten, dass ihnen<br />
die Fabrik über dem Kopf zusammenbricht,<br />
und sie das laut sagen, haben<br />
sie Angst, hinausgeworfen zu werden.<br />
Oder dass sie kein Geld bekommen,<br />
während die Fabrik renoviert wird.<br />
Deshalb sieht das Abkommen vor,<br />
dass die Gehälter für sechs Monate<br />
weitergezahlt werden.<br />
Wie kann die Politik in Bangladesch<br />
helfen?<br />
Matern: Ein Beispiel: Handel und<br />
Industrie führen derzeit Gespräche mit<br />
dem Auswärtigen Amt, wie die deutsche<br />
Botschaft dort aktiv werden kann.<br />
Näherinnen in einem bsci-zertifizierten Textilbetrieb in der Hafenstadt Chittagong (Bangladesch)<br />
<strong>Metro</strong> <strong>Group</strong> Handelsbrief:<br />
Warum stürzen in Bangladesch<br />
immer wieder Textilfabriken ein<br />
oder brennen ab? Beim Einsturz<br />
des „Rana Plaza“ sind im April über<br />
1.100 Menschen getötet und fast<br />
2.500 verletzt worden. Ein Jahr<br />
zuvor starben bei einem Feuer<br />
117 Menschen.<br />
Alke Boessiger: Wie vielerorts gibt<br />
es dort keine Sozialpartnerschaft.<br />
Die Regierung überprüft die Arbeitsbedingungen<br />
nicht. Hinzu kommen<br />
Korruption und der Preiskrieg bei<br />
Importwaren.<br />
Wie sind die Erfahrungen der<br />
meTRO GROUP in diesem Bereich?<br />
Hans-Jürgen Matern: Vor ein paar Jahren<br />
ging die gesamte Textilwirtschaft<br />
schlagartig von China nach Bangladesch.<br />
Dabei hat sich die Infrastruktur dort gar<br />
nicht entwickeln können. Wir waren zunächst<br />
davon angetan, deutlich geringere<br />
Importsteuern zahlen zu müssen,<br />
wenn wir Waren aus Bangladesch<br />
einführen. Doch seit den ersten Begehungen<br />
in dem, was dort Fabriken<br />
genannt wird, haben wir festgestellt,<br />
dass sie nicht unsere Ansprüche erfüllen.<br />
Wir entschieden relativ schnell, den<br />
Run nicht mitzumachen und den<br />
Großteil der Produktion in China zu<br />
lassen. Für jene 42 Fabriken, die es<br />
durch unser Prüfschema geschafft<br />
haben, beschäftigen wir 26 Mitarbeiter,<br />
die diese vor Ort intensiv betreuen.<br />
Frau Boessiger, reicht das, was der<br />
Handel tut?<br />
Boessiger: Allgemein reicht es nicht,<br />
das beweisen die Katastrophen. Ich<br />
sage dies aber nicht mit Bezug auf die<br />
METRO, die hatte mit dem Einsturz<br />
der Fabrik nichts zu tun. Wir kritisieren<br />
allerdings, dass die Unternehmensinitiative<br />
BSCI erklärt, Gebäude- und<br />
Feuersicherheit seien Aufgabe der<br />
Was prüfen sie?<br />
Matern: Neutrale Auditoren erkundigen<br />
sich nach der Wochenarbeitszeit,<br />
prüfen, ob es Kinderarbeit, Zwangsarbeit<br />
oder Ähnliches gibt. Die Kriterien<br />
basieren auf Regeln der Weltarbeitsorganisation<br />
ILO. Daraus ergeben sich<br />
Pläne, die die Fabrikbesitzer umsetzen.<br />
Das System hatte nie den Anspruch,<br />
sich mit Gebäudesicherheit zu befassen.<br />
Das muss jetzt nachgearbeitet<br />
werden. Wir haben allerdings schon<br />
immer Mitarbeiter für den Feuerschutz<br />
ausgebildet.<br />
Was hat man mit dem neuen<br />
Abkommen erreicht?<br />
Boessiger: Die Firmen haben sich<br />
verpflichtet, sich an den Kosten zu<br />
beteiligen, um Fabriken sicher zu<br />
machen. Feuerschutztüren müssen<br />
natürlich von den Fabriken bezahlt<br />
werden, denn die ziehen die Profite<br />
aus der Herstellung. Auch internationale<br />
Gewerkschaften haben es<br />
unterschrieben, das ist also keine<br />
einseitige Initiative der Wirtschaft.<br />
alke boessiger<br />
leiTerin Des BEREICHS<br />
HANDel BEI UNI GLOBAL UNION<br />
Alke Boessiger vertritt in dem internationalen<br />
Gewerkschaftsverband<br />
rund drei Millionen Mitglieder von<br />
Handelsgewerkschaften.<br />
hans-jürgen mATern<br />
Vice President CorPOrATe<br />
SusTAinability und<br />
RegulATOry AFFAirs<br />
Der Ingenieur ist bereits seit 1990<br />
in leitenden Positionen im Unternehmen<br />
tätig und verantwortlich für<br />
Nachhaltigkeit und Regulierungen.<br />
Und der Verbraucher?<br />
Boessiger: Unternehmen, die das<br />
Abkommen unterschrieben haben,<br />
sollten es in den Mittelpunkt ihrer<br />
Werbung stellen, wenn wir alle Fabriken<br />
inspiziert haben. Das würde bei<br />
den Kunden große Resonanz finden.<br />
Wenn die Fabriken sicher wären und<br />
die Beschäftigten von ihrer Arbeit leben<br />
könnten, wäre eine Jeans lediglich<br />
zehn Cent teurer als heute.<br />
Matern: Wir tun dem Verbraucher<br />
unrecht, wenn wir sagen: Du hast eine<br />
Mitschuld. Denn Bangladesch ist kein<br />
Problem von Billigmarken, es produziert<br />
durchaus auch teure Waren.<br />
Wie erfahre ich als Verbraucher,<br />
welche Produkte unter ordentlichen<br />
Bedingungen hergestellt wurden?<br />
Matern: Wenn neutrale Bewertungen<br />
der Unternehmen helfen, dass der<br />
Verbraucher sich entscheidet, ob<br />
er bei METRO ein T-Shirt kauft oder<br />
woanders, wäre das ein richtiger<br />
Ansatz.<br />
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