Juni 2009 - die Apis
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GEMEINSCHAFT 6/<strong>2009</strong> 27<br />
begabt aufgefallen war und <strong>die</strong><br />
Aufnahmeprüfung (das bis heute<br />
übliche »Landexamen«) bestanden<br />
hatte, wurde Klosterschüler<br />
mit freier Kost, Unterkunft, Kleidung<br />
und Lehrmaterial. An der<br />
Spitze der neuen Bildungspyramide<br />
stand das ebenfalls neue<br />
»Stift« in Tübingen (1536 errichtet),<br />
von wo aus das Studium an<br />
der Landesuniversität begleitet<br />
wurde.<br />
Legendär: Biblische<br />
Bildung der Württemberger<br />
Die Bedeutung des völlig neu<br />
errichteten Bildungswesens für<br />
<strong>die</strong> Verankerung des evangelischen<br />
Glaubens in Württemberg<br />
kann gar nicht überschätzt werden:<br />
weil <strong>die</strong> Jugendlichen <strong>die</strong><br />
Bibel als Lern- und Lesebuch benutzten,<br />
sind ungezählte Ausdrücke<br />
aus der Luther-Bibel in den<br />
württembergischen Wortschatz<br />
aufgenommen worden, und <strong>die</strong><br />
Bibelkenntnisse der Württemberger<br />
waren bald legendär. Das<br />
nun wirklich fortschrittliche<br />
Schulsystem brachte bald eine<br />
erstaunliche Anzahl bedeutender<br />
Gelehrter von Weltrang hervor:<br />
Erinnert sei etwa an den Klosterschüler<br />
Johannes Kepler, der vor<br />
vier Jahrhunderten <strong>die</strong> Grundlagen<br />
für <strong>die</strong> Weltraumforschung<br />
von heute legte. Evangelische<br />
Klosterschüler und Stiftler waren<br />
auch <strong>die</strong> Theologen Andreae und<br />
Bengel, <strong>die</strong> Philosophen Hegel<br />
und Schelling, <strong>die</strong> Dichter Hölderlin<br />
und Mörike.<br />
Durch das gemeinsame Leben<br />
und Lernen entstand zudem eine<br />
einheitlich geprägte württembergische<br />
evangelische Pfarrer- und<br />
Beamtenschaft, <strong>die</strong> weit über das<br />
Land hinaus einen vorzüglichen<br />
Ruf genoss. Die württembergischen<br />
Pfarrer galten bald als <strong>die</strong><br />
besten im gesamten deutschsprachigen<br />
Raum. Der evangelische<br />
Die Württembergische Schulordnung<br />
von 1559: Das fortschrittliche<br />
Schulsystem brachte bald eine<br />
erstaunliche Anzahl bedeutender<br />
Gelehrter von Weltrang hervor.<br />
Musterstaat Württemberg war<br />
entstanden, der Himmel auf Erden.<br />
Der frühe Aufbau der württembergischenBildungspyramide<br />
war – wie sich im Rückblick<br />
zeigt – auch jene entscheidende<br />
Weichenstellung, <strong>die</strong> aus dem<br />
kleinen Württemberg das Volk<br />
der Dichter und Denker gemacht<br />
hat.<br />
Der Übergang Württembergs<br />
zur Reformation veränderte <strong>die</strong><br />
politischen Machtverhältnisse<br />
und wirkte über den oberdeutschen<br />
Raum hinaus: Das so entschieden<br />
umgestaltete Land wurde<br />
zum Wahrer der rechten<br />
(evangelischen) Lehre; ihm kam<br />
schon bald eine Führungsrolle<br />
unter den evangelischen Fürstentümern<br />
zu. So wurde vom kleinen<br />
Württemberg aus der einzige<br />
ernsthafte Versuch unternom-<br />
men, <strong>die</strong> Glaubensspaltung doch<br />
noch zu überwinden: Württembergische<br />
Theologen leiteten eine<br />
Delegation, <strong>die</strong> beim Konzil<br />
von Trient <strong>die</strong> evangelische Sache<br />
vertreten wollte. Dort übergaben<br />
sie eine zuvor mit Theologen<br />
des oberdeutschen Bereichs<br />
und der Pfalz ausgearbeitete Bekenntnisschrift.<br />
Die Delegation<br />
erhielt aber keine Gelegenheit,<br />
ihre Sache vorzutragen und zu<br />
erläutern; auch hat es nie eine<br />
katholische Erwiderung auf <strong>die</strong><br />
evangelische Bekenntnisschrift<br />
gegeben.<br />
Das Württembergische<br />
Glaubensbekenntnis<br />
Nachdem so <strong>die</strong> letzte Möglichkeit<br />
zur Verständigung ungenutzt<br />
geblieben war, traten <strong>die</strong><br />
Festschreibung des neuen Glaubens<br />
und seine Absicherung in<br />
den Vordergrund. Dazu trug bei,<br />
dass das kleine Württemberg<br />
ringsum von militant-altgläubigen<br />
Gebieten umgeben war und<br />
sich eigentlich ständig in seiner<br />
Existenz bedroht sah. Eben deshalb<br />
kam es früh zu einer Mehrfach-Identität:<br />
Man war Württemberger,<br />
und man war evangelisch.<br />
Schon 1565 – als der Vermittlungsversuch<br />
in Trient am<br />
Verhalten der katholischen Seite<br />
gescheitert war – wurde der neue<br />
Glaube im Land durch einen<br />
»Landtagsabschied« festgeschrieben<br />
und verfassungsrechtlich abgesichert.<br />
Die für das Konzil erarbeitete<br />
Bekenntnisschrift wurde<br />
zur »Confessio Wirtembergica«,<br />
einem württembergischen<br />
Glaubensbekenntnis, fortgeschrieben,<br />
<strong>die</strong> bis ins 18. Jahrhundert<br />
hinein von jedem Staatsund<br />
Kirchenbe<strong>die</strong>nsteten unterschriftlich<br />
anerkannt werden<br />
musste.<br />
Das Bewahren und Festschreiben<br />
der rechten Lehre ent-