Mit Solidarökonomie gegen die Wirtschaftskrise
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Artikel und<br />
Aufsätze<br />
<strong>Mit</strong> <strong>Solidarökonomie</strong><br />
<strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Wirtschaftskrise</strong><br />
Zusammenfassung eines Vortrages<br />
von Dr. Markus Schlagnitweit (KSÖ)<br />
4020 Linz, Kapuzinerstraße 84<br />
Tel.: ++43(0)732/76 10 DW 3631 oder 3641<br />
E-Mail: mensch-arbeit@dioezese-linz.at<br />
KAB und Betriebsseelsorge OÖ<br />
www.mensch-arbeit.at
<strong>Mit</strong> <strong>Solidarökonomie</strong><br />
<strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Wirtschaftskrise</strong><br />
Zusammenfassung eines Vortrages von Markus Schlagnitweit<br />
(KSÖ), Quelle: www.kathpress.at, 2010-09-03<br />
2<br />
Aus der globalen <strong>Wirtschaftskrise</strong> wurden bisher nicht annähernd<br />
<strong>die</strong> entsprechenden Lehren gezogen, um vom Fokus auf Einzelund<br />
Gruppeninteressen hin zu mehr Gemeinwohlorientierung<br />
zu gelangen: Wie der Theologe und Wirtschaftswissenschafter<br />
Markus Schlagnitweit am Donnerstag im „Kathpress“-Interview<br />
unterstrich, gelte es <strong>die</strong> vielfältigen Formen einer „<strong>Solidarökonomie</strong>“<br />
zu fördern, um in Richtung mehr Gerechtigkeit <strong>gegen</strong>zusteuern.<br />
In der Zivilgesellschaft tue sich hier bereits viel, doch<br />
das zunehmende Unbehagen an einer Art des Wirtschaftens, <strong>die</strong><br />
im Herbst 2008 in eine weltweite Sackgasse führte, habe sich<br />
noch nicht in den Führungsetagen von Großkonzernen niedergeschlagen,<br />
so Schlagnitweit.<br />
Der langjährige <strong>Mit</strong>arbeiter der Katholischen Sozialakademie<br />
(ksoe) referierte bei den <strong>die</strong>sjährigen Theologischen Sommertagen<br />
des Katholischen Bildungswerkes der Erzdiözese Wien.<br />
Die Tagung vom 30. August bis 1. September in Groß-Enzersdorf<br />
stand unter dem Motto „Kooperation statt Konkurrenz. Solidarisches<br />
Wirtschaften als Antwort auf Finanz- und <strong>Wirtschaftskrise</strong>“.<br />
Katholische Soziallehre Ausgangspunkt für Korrektur<br />
Nach den Worten Schlagnitweits wäre <strong>die</strong> katholische Soziallehre<br />
ein bestens geeigneter Ausgangspunkt für eine Korrektur bestehender<br />
Einseitigkeiten. Seien vor der politischen „Wende“ des<br />
Jahres 1989 angesichts der kommunistischen Planwirtschaft<br />
noch <strong>die</strong> Soziallehre-Prinzipien Personalität und Subsidiarität<br />
zu kurz gekommen, so kämen seither tendenziell <strong>die</strong> Grundsätze<br />
Solidarität und Gemeinwohl unter <strong>die</strong> Räder. Initiativen wie<br />
Regionalwährungen und Tauschkreise, Volksküchen und Vertriebsgenossenschaften<br />
würden hier im Kleinen <strong>die</strong> richtigen Akzente<br />
setzen, konkretisierte Schlagnitweit solidarökonomische<br />
Ansätze.
Kirche könne mehr tun<br />
Auch <strong>die</strong> Kirche könne durchaus mehr tun als sich auf moralische<br />
Appelle beschränken: Schlagnitweit wies auf den oberösterreichischen<br />
Diakon Carlo Neuhuber hin, der fast zinslose Kredite für<br />
Kleingewerbetreibende ausgehandelt habe. Lohnenswert wäre<br />
laut dem ksoe-Experten auch das Wiederbeleben des genossenschaftlichen<br />
Gedankens im Bankenwesen, das geschichtlich eng<br />
mit kirchennahen Trägern verbunden sei.<br />
„Wir befinden uns in einer Dauerkrise“<br />
Dass <strong>die</strong> <strong>Wirtschaftskrise</strong> nicht mit herkömmlichen Wirtschaftskonzepten<br />
überwunden werden kann, betonte auch der Wirtschaftsethiker<br />
und Ordinarius am Institut für internationales Management<br />
der Universität Graz, Prof. Bernhard Mark-Ungericht, in<br />
seinem Vortrag. Es brauche neue Alternativen von Kooperation.<br />
Denn in den vergangenen 30 Jahren habe sich <strong>die</strong> öffentliche<br />
Wahrnehmung dahingehend verschoben, als ob Wettbewerb alleiniger<br />
Zweck allen Wirtschaftens sei, kritisierte Mark-Ungericht.<br />
Trotz aller Dramatik sei es auch noch nicht zu Systemkorrekturen<br />
gekommen. Dass <strong>die</strong> nächste <strong>Wirtschaftskrise</strong> deshalb<br />
schon vorprogrammiert ist, könne man freilich auch nicht sagen,<br />
denn: „Letztlich befinden wir uns in einer Dauerkrise.“<br />
3<br />
Das den kapitalistischen Theorien zugrundeliegende Menschenbild<br />
des „Homo Oeconomicus“, dem es ohne Rücksicht auf andere<br />
nur um den eigenen maximalen Nutzen und Profit geht, sei<br />
grundlegend falsch, so Mark-Ungericht. Das würden auch neueste<br />
Ansätze in der neurobiologischen Forschung zeigen. Ständiger<br />
Wettbewerb und Konkurrenz mache psychisch krank. Der<br />
Mensch sei von seinem Wesen her vielmehr auf Gemeinschaft<br />
ausgerichtet.<br />
Scharf kritisierte der Wirtschaftsethiker auch <strong>die</strong> Ausbildung der<br />
wirtschaftlichen Führungsschicht. Ethischen Fragestellungen<br />
werde in der universitären Ausbildung noch viel zu wenig Beachtung<br />
geschenkt. Mark-Ungericht verwies auf Stu<strong>die</strong>n, wonach am<br />
Beginn der universitären Ausbildung alle Studenten in etwa das<br />
gleiche Wertesystem hätten. Schon nach zwei Semestern würde<br />
sich <strong>die</strong>ses aber bei vielen Wirtschaftsstudenten teils drastisch<br />
verändern.
Kapitalismus am Ende<br />
Der Grazer Wirtschaftsethiker verwies auf den US-amerikanischen<br />
Sozialwissenschaftler Immanuel Wallerstein, der ungefähr<br />
für das Jahr 2030 das Ende des kapitalistischen Wirtschaftssystems<br />
vorausgesagt habe. Mark-Ungericht: „Wachstum<br />
ist eine Grundvoraussetzung des kapitalistischen Systems. Aber<br />
irgendwann sind <strong>die</strong> objektiven Grenzen erreicht, können Natur<br />
und Menschen nicht mehr ausgebeutet werden.“ Wallerstein<br />
habe im übrigen auch schon in den 1970er Jahren das Ende des<br />
Ostblocks in rund 20 Jahren vorausgesagt; wobei er das kommunistische<br />
Wirtschaftssystem allerdings als schwächste Stelle<br />
des kapitalistischen Weltsystems verstanden hätte.<br />
4<br />
Es brauche endlich ein neues gesellschaftliches Bewusstsein,<br />
so Mark-Ungericht, „dass es so nicht weitergehen kann“. Die<br />
Entwicklung wirtschaftlicher Alternativen seien das Gebot der<br />
Stunde. Modelle solidarischen Wirtschaftens seien notwendig,<br />
„möglicherweise auch lokale Währungssysteme oder Modelle<br />
von Selbstversorgung mit Lebensmittel“. Es gehe dabei nicht so<br />
sehr um Verzicht, sondern um <strong>die</strong> Etablierung eines neuen alternativen<br />
Lebensstils, erläuterte der Wirtschaftsethiker. Die Zivilgesellschaft<br />
und gerade auch <strong>die</strong> Kirchen könnten hier wertvolle<br />
Impulse geben.<br />
Astrid Hafner, Soziologin und Lateinamerika-Expertin, berichtete im Rahmen<br />
der Tagung über <strong>die</strong> Erfolgsgeschichte des baskischen Genossenschaftsnetzwerkes<br />
Mondragon, das einst von fünf Arbeitern und einem Priester initiiert<br />
wurde und heute 100.000 Beschäftigte zählt.<br />
http://www.dioezese-linz.at/redaktion/index.php?action_new=Lesen&Article_<br />
ID=55499<br />
Bildnachweis:<br />
Stephanie Hofschlaeger /<br />
www.pixelio.de