Psychiatrische Soziologie als Klinische Soziologie - Institut für ...
Psychiatrische Soziologie als Klinische Soziologie - Institut für ...
Psychiatrische Soziologie als Klinische Soziologie - Institut für ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
23<br />
prozessen ist jedoch unverzichtbar. Zur Supervision gehört auch eine<br />
Analyse des therapeutischen Prozesses <strong>als</strong> Prozess der Begegnung, letztere<br />
wird daher zum Gegenstand der Rekonstruktion der Therapeut/Patient-Beziehung.<br />
Selbsterfahrung. Im Kontext der hier exemplarisch vorgestellten Therapieausbildung<br />
bedeutet Selbsterfahrung, dass die Kandidatinnen und<br />
Kandidaten ihren eigenen, familien- und individualgeschichtlichen Prozess<br />
der lebenspraktischen Dialektik von Autonomie und Heteronomie<br />
rekonstruieren. Ausgangspunkt dafür ist das eigene Genogramm des<br />
Ausbildungskandidaten/der Ausbildungskandidatin. Dieses wird im<br />
Vorfeld der für die Selbsterfahrung vorgesehenen Sitzung anhand eines<br />
Leitfadens (vgl. Welter-Enderlin und Hildenbrand 1996, S. 220-226) ü-<br />
ber mehrere Generationen hinweg erkundet und ausgearbeitet. Zusammen<br />
mit der Supervisionsgruppe, in der der Kandidat bzw. die Kandidatin<br />
zu diesem Zeitpunkt bereits seit 9 Monaten zusammen arbeitet<br />
(wodurch jenes Vertrauen entwickelt werden konnte, das für ein solches<br />
Unterfangen erforderlich ist), wird dieses Genogramm unter Anleitung<br />
und Moderation des Supervisors sequenzanalytisch erschlossen. Die<br />
latenten Sinnstrukturen der Herkunftsfamilie <strong>als</strong> Rahmen für die Identitätsbildung<br />
des Kandidaten bzw. der Kandidatin werden rekonstruiert,<br />
mit Geschichten, die in der Herkunftsfamilie erzählt werden, verbunden,<br />
typische Handlungs- und Orientierungsmuster so entdeckt und<br />
auf die aktuelle Lebens- und vor allem Arbeitssituation des Kandidaten/der<br />
Kandidatin bezogen. Letzterem dient eine mit dieser Familienrekonstruktion<br />
verbundene Fallsupervision.<br />
Solche Sitzungen fordern nicht nur die fallrekonstruktive Kompetenz<br />
des <strong>Klinische</strong>n Soziologen, sondern auch die Kompetenz, riskante Individual-<br />
und Gruppenprozesse wahrzunehmen und aufzugreifen. Denn<br />
bei der Rekonstruktion der eigenen Familiengeschichte sind mitunter<br />
kritische Passagen zu meistern. Dazu gehören: Bisher Idealisiertes wird<br />
entzaubert 20 , liebgewordene Deutungsmuster z. B. für Enttäuschungen<br />
in der Familien- und Lebensgeschichte werden in Frage gestellt; es stellt<br />
20 Beispiel: „In meiner Familie gab es immer starke Frauen“.