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Leseprobe - Theologisches Studienjahr Jerusalem

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Einführung in Projekt und Thema 15<br />

miert, den man religionsgeschichtlich als »Zeit des Zweiten Tempels«<br />

bzw. als »Frühjudentum« bezeichnet. Die in den Chronikbüchern<br />

vorgenommene kulttheologische Neuformatierung national-religiöser<br />

Welt- und Selbstwahrnehmung hat nun freilich erhebliche Konsequenzen<br />

im Blick auf die Bewertung des israelitischen Königtums.<br />

Kulminiert die Geschichte Israels nämlich in der Errichtung des<br />

Tempels, so müssen sich die Könige des vormaligen Nord- und Südreiches<br />

an Salomo als dem Erbauer des Ersten Tempels, insbesondere<br />

aber an David als dessen Vordenker und Wegbereiter messen lassen.<br />

Wer unter ihnen dem exklusiven Jahwekult fördernd gegenüberstand,<br />

wird als gottgefällig beschrieben, und sein Königtum wird<br />

Bestand haben, partizipiert es doch am allein ewigen Königtum<br />

JHWHs; wer hingegen in dieser Hinsicht zu Zweifeln Anlaß gegeben<br />

haben mag, verfällt dem Verdikt der Chronisten.<br />

Genau hier erhebt sich jedoch die Frage, ob die chronistische Geschichtsschreibung<br />

als auf die Gegenwart bezogenes »bedeutungsstiftendes<br />

Ordnungshandeln […] im Modus vergangenheitsbezogenen<br />

Erzählens« 12 nicht als theologische Konstruktion von Geschichte anzusehen<br />

ist, der um der Rettung der Unverfügbarkeit Gottes willen<br />

kritisch zu begegnen sei. Den in Marburg lehrenden Bibliker KLAUS<br />

DORN interessiert vor allem diese Frage, weshalb er sich im Unterschied<br />

zu den kanonischen Exegesen von Neuhaus, Gruber und<br />

Steins auf die analytischen Methoden historischer Bibelforschung<br />

stützt, um den diachronen Sinn der von ihm untersuchten Texte zu<br />

eruieren. Anhand der gegenläufigen Geschichten um die Könige<br />

Joschija und Ahab geht Klaus Dorn der Frage nach, ob in theologisch<br />

imprägnierten Geschichtswerken wie denen der Deuteronomisten<br />

bzw. Chronisten tatsächlich die Wahrheit des Gottes Israels<br />

als des Schöpfers von Himmel und Erde an den Tag komme oder ob<br />

man es hier nicht doch zunächst und vor allem mit theokratisch voreingenommener<br />

Theologenrede zu tun habe. Was aber bedeutet<br />

dies für die theologische Gottrede als solche? Muß man zuletzt Gott<br />

als jenes Geheimnis nehmen, über das sich jenseits dessen, was Menschen<br />

intentional von ihm sagen zu dürfen vermeinen, nichts weiteres<br />

mehr sagen läßt? 13<br />

12<br />

13<br />

Knut BACKHAUS: Spielräume der Wahrheit: Zur Konstruktivität in der hellenistischreichsrömischen<br />

Geschichtsschreibung. In: Ders./Gerd Häfner: Historiographie und<br />

fiktionales Erzählen. Zur Konstruktivität in Geschichtstheorie und Exegese. Neukirchen-Vluyn<br />

(2007) 1–29, hier 4.<br />

Erinnert sei hier etwa an Walter BENJAMIN, der dieses Problem auf die aporetische<br />

Formel brachte: »Wahrheit tritt nie in eine Relation und insbesondere in keine intentionale.«<br />

(Ursprung des deutschen Trauerspiels. In: Gesammelte Schriften Bd. I/1.<br />

Frankfurt/M.: stw 931 [1991] 203–430, hier 216.)

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