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gefahrenmuster.7 schneearme bereiche in ... - Tyrolia-Verlag

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<strong>gefahrenmuster.7</strong><br />

<strong>schneearme</strong> <strong>bereiche</strong> <strong>in</strong><br />

schneereichen w<strong>in</strong>tern<br />

Jan Feb März<br />

In schneereichen W<strong>in</strong>tern passieren normalerweise deutlich weniger Law<strong>in</strong>enunfälle als <strong>in</strong><br />

<strong>schneearme</strong>n W<strong>in</strong>tern, weil der Schneedeckenaufbau im Allgeme<strong>in</strong>en günstiger ist. Dennoch<br />

beobachtet man auch <strong>in</strong> schneereichen W<strong>in</strong>tern regelmäßig das Phänomen, dass aufgrund<br />

vorherrschender Wetterlagen w<strong>in</strong>dexponierte Hänge relativ schneearm s<strong>in</strong>d. Dementsprechend<br />

ungünstiger gestaltet sich dort der Schneedeckenaufbau, und umso wahrsche<strong>in</strong>licher werden<br />

genau dort Law<strong>in</strong>en von W<strong>in</strong>tersportlern ausgelöst.<br />

N<br />

W<br />

3000 m<br />

2500 m<br />

2000 m<br />

1500 m<br />

1000 m<br />

O<br />

132 / 133 gm.7<br />

S


law<strong>in</strong>e mutterberger<br />

seespitze.<br />

Viel Pech ist beim Unfall unterhalb der Mutterberger Seespitze im Spiel. Nicht nur, weil der Auslösebereich<br />

extrem begrenzt war, sondern auch, weil die Überlebenswahrsche<strong>in</strong>lichkeit des total<br />

verschütteten W<strong>in</strong>tersportlers nicht besser hätte se<strong>in</strong> können: Die fünfköpfige, französische Tourengruppe<br />

bestand durchwegs aus Ärzten, e<strong>in</strong>er davon war Bergführer. Trotz ausgezeichneter<br />

Kameradenhilfe und optimaler Erste-Hilfe-Maßnahmen verstirbt der W<strong>in</strong>tersportler nach ca. zehnm<strong>in</strong>ütiger<br />

Verschüttungszeit.<br />

Verschüttungsstelle Sekundärlaw<strong>in</strong>e Auslösepunkt<br />

Unfallhergang<br />

Die durchwegs erfahrene, fünfköpfige Gruppe französischer Skitourengeher startet von der Amberger<br />

Hütte zur Tour auf die 3300 m hohe Mutterberger Seespitze. Dabei handelt es sich um e<strong>in</strong> während<br />

des W<strong>in</strong>ters selten begangenes, steiles bis extrem steiles Ziel. Problemlos erreicht die Gruppe den auf<br />

über 3000 m gelegenen Bockkogelferner, von wo die Route nun immer steiler zum Grat und anschließend<br />

zum Gipfel führt. Im extrem steilen Mittelteil ziehen sie kurzfristig ihre Skier aus und stapfen zu<br />

Fuß <strong>in</strong> Richtung Grat weiter. Kurz unterhalb des Grates – dort wo das Gelände wieder abflacht –<br />

schnallen die zwei Vordersten ihre Skier wieder an und lösen bald darauf unmittelbar vor ihnen e<strong>in</strong>e<br />

Schneebrettlaw<strong>in</strong>e aus, von der alle erfasst werden. Die zwei Vordersten können aus der Law<strong>in</strong>e ausfahren,<br />

die restlichen drei Personen kommen erst am Law<strong>in</strong>enkegel zu liegen. E<strong>in</strong>e Person wird total<br />

verschüttet und kommt dabei ums Leben.<br />

Wo Mutterberger Seespitze / Nördliche Stubaier Alpen / 3200 m / N-Hang / 44°<br />

Wer 5 beteiligte Personen / 1 getötete Person<br />

Wann 4. 4. 2006, 13:00 Uhr<br />

Law<strong>in</strong>e Schneebrettlaw<strong>in</strong>e (trocken) / L 400 m / B 100 m / Anriss 0,2–2 m / Verschüttung 0,5 m / 10 M<strong>in</strong>.<br />

Regional gültige Gefahrenstufe 2 (mäßig)<br />

Schlagzeile LLB Meist günstige (Touren-) Verhältnisse<br />

134 / 135 gm.7


Im schneereichen W<strong>in</strong>ter 05/06 müssen häufig Hausdächer abgeschaufelt werden, während <strong>in</strong><br />

w<strong>in</strong>dbee<strong>in</strong>flussten Gebieten (wie am Anriss der Unfalllaw<strong>in</strong>e) wenig Schnee liegt.<br />

Analyse<br />

Wetter und Schneedecke. Bei diesem Unfall übt das kürzlich vorangegangene Wetter ke<strong>in</strong>erlei E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die Law<strong>in</strong>enauslösung aus. Vielmehr gilt es, den Blick weit zurück, nämlich auf den W<strong>in</strong>terbeg<strong>in</strong>n<br />

zu richten. Schon im September sowie Anfang Oktober 2005 schneit es immer wieder auf<br />

Tirols Bergen. Danach stellt sich e<strong>in</strong>e lange Schönwetterperiode e<strong>in</strong>. Ab Mitte November heißt es<br />

dann <strong>in</strong> ganz Tirol: W<strong>in</strong>terstart! In Summe handelt es sich um e<strong>in</strong>en „kernigen W<strong>in</strong>ter“, der e<strong>in</strong>ige<br />

Rekorde bricht: Noch nie gab es an so vielen Tagen <strong>in</strong> Innsbruck bzw. <strong>in</strong> vielen Tälern Tirols e<strong>in</strong>e geschlossene<br />

Schneedecke: Schnee liegt ab Mitte November 2005 und schmilzt erst Mitte März 2006<br />

ab. So etwas ist nur bei unterdurchschnittlichen Temperaturen möglich. Überdurchschnittlich h<strong>in</strong>gegen<br />

präsentieren sich die Neuschneesummen, <strong>in</strong>sbesondere im Norden und Osten Nordtirols. Dort<br />

müssen u. a. Hausdächer aufgrund zu großer Schneelasten freigeschaufelt werden.<br />

Verschüttungsstelle<br />

E<strong>in</strong>e der Ursachen dieses Law<strong>in</strong>enunglücks liegt im bodennahen Schwimmschneefundament, welches<br />

sich <strong>in</strong> dieser Höhenlage <strong>in</strong>sbesondere im Oktober, spätestens jedoch bis Mitte Dezember gebildet<br />

hat. Diese Schwachschicht hat zum Unfallzeitpunkt <strong>in</strong> weiten Teilen Tirols meist ke<strong>in</strong>e Bedeutung,<br />

weil sie typischerweise – als Ergebnis des schneereichen W<strong>in</strong>ters – tief unterhalb der Schneeoberfläche<br />

begraben liegt. E<strong>in</strong>e unmittelbare Störung durch die Zusatzbelastung e<strong>in</strong>es W<strong>in</strong>tersportlers ist<br />

an solchen Stellen nicht möglich. Dennoch: Als sich die W<strong>in</strong>tersportler dem Grat nähern, nimmt die<br />

136 / 137 gm.7


gm.7 erkennen<br />

Schneearme Stellen lassen sich <strong>in</strong> schneereichen W<strong>in</strong>tern <strong>in</strong> der Regel meist recht gut<br />

erkennen. Häufig handelt es sich dabei um kammnahes Steilgelände. Regelmäßig beobachtet<br />

man davon betroffene Hänge aber auch <strong>in</strong> Bereichen, die dem W<strong>in</strong>d vermehrt ausgesetzt<br />

s<strong>in</strong>d. Nicht selten f<strong>in</strong>det sich dieses gm deshalb <strong>in</strong> Tirol – entsprechend den NW-Wetterlagen<br />

– <strong>in</strong> sehr steilen NW- bis W-Hängen.<br />

E<strong>in</strong>en klaren H<strong>in</strong>weis auf <strong>schneearme</strong> Bereiche liefern immer auch vermehrt aus der Schneedecke<br />

herausragende Ste<strong>in</strong>e bzw. Felsblöcke <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Exposition, während sich die<br />

anderen Expositionen tief w<strong>in</strong>terlich verschneit präsentieren.<br />

ca. 35°<br />

Profilstandort<br />

ca. 30°<br />

Auslösepunkt<br />

ca. 40°<br />

Schneemächtigkeit durch den <strong>in</strong> Kammnähe wirkenden Kanalisationseffekt des W<strong>in</strong>des ab. Die<br />

Schwachschicht bef<strong>in</strong>det sich damit nur mehr 0,5 m, teilweise noch weniger tief unter der Schneeoberfläche.<br />

Dort, im etwa 30° steilen, kammnahen Gelände, passiert dann auch die Law<strong>in</strong>enauslösung<br />

durch die zwei vordersten W<strong>in</strong>tersportler. Der Bruch <strong>in</strong>nerhalb der Schwachschicht pflanzt sich von<br />

dieser Stelle fort. Die Folge: E<strong>in</strong> Großteil der Steilflanke geht als Schneebrettlaw<strong>in</strong>e ab. Interessant ist<br />

noch, dass sich der Bruch <strong>in</strong>nerhalb der Schwachschicht wohl durch die enorme Zusatzbelastung der<br />

abgehenden Law<strong>in</strong>e weiter fortpflanzt und <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>e Sekundärlaw<strong>in</strong>e mit Anrissmächtigkeiten von<br />

bis zu 3 m abgeht.<br />

ca. 45°<br />

Law<strong>in</strong>en. Am Unfalltag muss primär mit recht harmlosen Lockerschneelaw<strong>in</strong>en aus extrem steilem,<br />

vorwiegend sonnenexponierten Gelände gerechnet werden, weil es am Vortag unter wenig W<strong>in</strong>de<strong>in</strong>fluss<br />

um 10 cm geschneit hat. Offensichtliche Anhaltspunkte für e<strong>in</strong>e Gefährdung durch Schneebrettlaw<strong>in</strong>en<br />

gibt es nicht. Bekannt ist allerd<strong>in</strong>gs die bodennahe Problemschicht vom Frühw<strong>in</strong>ter, die auch<br />

im Law<strong>in</strong>enlagebericht entsprechend erwähnt wird.<br />

ca. 40°<br />

Gelände. Es handelt sich um extrem steiles Gelände, welches den W<strong>in</strong>ter über nur vere<strong>in</strong>zelt begangen<br />

wird – beide Faktoren gelten als ungünstige Kriterien. Entscheidend ist jedoch die Kanalisierung<br />

des W<strong>in</strong>des im Kammbereich, die dadurch bed<strong>in</strong>gte Schneeverfrachtung und <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>e weniger<br />

mächtige, erhöht störanfällige Schneedecke. <br />

ca. 35°<br />

138 / 139 gm.7


h<strong>in</strong>tergrundwissen<br />

<strong>schneearme</strong> <strong>bereiche</strong> <strong>in</strong><br />

schneereichen w<strong>in</strong>tern.<br />

gm.7 def<strong>in</strong>ition<br />

Kritisch s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> schneereichen W<strong>in</strong>tern vor allem die Übergänge von schneereichen <strong>in</strong> <strong>schneearme</strong><br />

Bereiche. Falls nämlich e<strong>in</strong>e störanfällige Schwachschicht <strong>in</strong>nerhalb der Schneedecke<br />

e<strong>in</strong>gelagert ist, kann diese an <strong>schneearme</strong>n Stellen leichter durch Zusatzbelastung gestört<br />

werden als <strong>in</strong> schneereichen Bereichen.<br />

Tückisch an dieser Situation ist, dass unerfahrene W<strong>in</strong>tersportler dazu neigen, aus R<strong>in</strong>nen oder Mulden<br />

verme<strong>in</strong>tlich sichere Bereiche anzusteuern: die Rand<strong>bereiche</strong>, herausragende Felsen, Kuppen<br />

oder Ähnliches. Gerade <strong>in</strong> der Nähe dieser Bereiche nimmt die Schneehöhe oft markant ab, Schwachschichten<br />

s<strong>in</strong>d nur dünn überdeckt, Law<strong>in</strong>en können daher relativ leicht ausgelöst werden. Schneereiche<br />

W<strong>in</strong>ter gelten im Allgeme<strong>in</strong>en als law<strong>in</strong>ensicherer als <strong>schneearme</strong> (mit Ausnahme von extrem<br />

schneereichen W<strong>in</strong>tern wie etwa 98/99). Der Grund dafür liegt vor allem im stabileren Schneedeckenaufbau:<br />

Bei großen Schneehöhen ist der Temperaturgradient <strong>in</strong>nerhalb der Schneedecke ger<strong>in</strong>ger,<br />

was die aufbauende Umwandlung verzögert.<br />

Zudem hat immer wieder auftretender Neuschneezuwachs <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>en günstigen E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die Schneedeckenstabilität: Zum e<strong>in</strong>en kommt es <strong>in</strong> <strong>in</strong>stabilen Bereichen zu Selbstauslösungen<br />

von Law<strong>in</strong>en, was die Law<strong>in</strong>ensituation anschließend wieder entspannt. Zum anderen führt<br />

Neuschneezuwachs <strong>in</strong> stabileren Bereichen durch das Zusatzgewicht der neu auflastenden Schneemengen<br />

zu e<strong>in</strong>er Setzung und damit Verfestigung der Schneedecke.<br />

Zusatzbelastung<br />

Wichtig im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e Law<strong>in</strong>enauslösung s<strong>in</strong>d natürlich Art und Größe der Störung, die auf die<br />

Schneedecke e<strong>in</strong>wirkt. Die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft der europäischen Law<strong>in</strong>enwarndienste unterscheidet<br />

hier zwischen großer und ger<strong>in</strong>ger Zusatzbelastung. Diese E<strong>in</strong>teilung basiert auf groben Richt-<br />

140 / 141 gm.7


An Stellen mit ger<strong>in</strong>ger Überdeckung e<strong>in</strong>er Schwachschicht (A) kann e<strong>in</strong> W<strong>in</strong>tersportler e<strong>in</strong>e<br />

Law<strong>in</strong>e auslösen, bei genügend viel Schnee darüber (B) ist das nicht mehr möglich.<br />

E<strong>in</strong> Sturz gilt als große Zusatzbelastung – ca. 10x das Eigengewicht des Stürzenden.<br />

werten, weil e<strong>in</strong>e exakte Angabe, ab wann e<strong>in</strong>e Law<strong>in</strong>enauslösung wirklich möglich ist, naturgemäß<br />

nicht getroffen werden kann. Als grobe Faustregel gilt: Das Verwenden von Skiern, Snowboards oder<br />

Schneeschuhen reduziert die Belastung (weniger Druck aufgrund größerer Fläche, mögliche<br />

Schwachschichten werden nicht so leicht erreicht) genauso wie Entlastungsabstände im Aufstieg<br />

bzw. beim e<strong>in</strong>zelnen Abfahren. Das heißt: E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Alp<strong>in</strong>ist im Aufstieg ohne Ski stört die Schneedecke<br />

mehr als e<strong>in</strong>e Gruppe von Skitourengehern mit Entlastungsabständen und e<strong>in</strong> stürzender Skifahrer<br />

belastet die Schneedecke wesentlich stärker als mehrere stehende!<br />

E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Skifahrer oder Snowboarder kann die Schneedecke aufgrund se<strong>in</strong>es Gewichtes nur bis<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gewisse Tiefe bee<strong>in</strong>flussen bzw. stören: Bei weichem Schnee liegt diese Tiefe bei etwa 80–100<br />

cm, bei gut gebundenem Schnee (Triebschnee) dr<strong>in</strong>gt die Störung aber kaum mehr als 50 cm tief e<strong>in</strong>.<br />

Zusätzlich ist zu beachten, dass bei oberflächlich hartem Schnee die Zusatzbelastung durch e<strong>in</strong>en<br />

W<strong>in</strong>tersportler auf e<strong>in</strong>e größere Fläche verteilt wird und damit nur wenig <strong>in</strong> tiefere Schichten vordr<strong>in</strong>gt.<br />

Ist die obere Schneeschicht weich, dr<strong>in</strong>gt die Störung zwar tiefer e<strong>in</strong>, wirkt aber weniger auf<br />

die Fläche. Das heißt, wenn ausreichend gebundener Schnee über e<strong>in</strong>er Schwachschicht lagert (z. B.<br />

<strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>er Mulde), dann kann e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner W<strong>in</strong>tersportler diese Schwachschicht kaum stören.<br />

Wenn aber zum Rand der Mulde h<strong>in</strong> oder im Übergang zu e<strong>in</strong>er abgewehten Kuppe, nur noch wenig<br />

Schnee die Schwachschicht überdeckt, wird diese gestört, und es kann <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>e Law<strong>in</strong>e ausgelöst<br />

werden! <br />

große Zusatzbelastung<br />

zwei oder mehrere Skifahrer/Snowboarder etc. ohne Entlastungsabstände<br />

Pistenfahrzeug, Schneefeldsprengung<br />

auch e<strong>in</strong>zelner Fußgänger/Alp<strong>in</strong>ist<br />

ger<strong>in</strong>ge Zusatzbelastung<br />

e<strong>in</strong>zelner Skifahrer oder Snowboarder, sanft schw<strong>in</strong>gend, nicht stürzend<br />

Gruppe mit Entlastungsabständen (m<strong>in</strong>destens 10 m)<br />

Schneeschuhgeher<br />

142 / 143 gm.7


law<strong>in</strong>e reither spitze.<br />

E<strong>in</strong>fahrtsspur<br />

Aufstiegsspur<br />

Law<strong>in</strong>e. Die Reither Spitze zählt zu den Hausbergen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heimischen Bergrettungsmannes. Ohne<br />

Probleme gelangt er auf die im oberen Teil extrem steile Reither Spitze. Am Gipfel trifft er auf e<strong>in</strong>en<br />

weiteren E<strong>in</strong>heimischen, mit dem er über die geplante Abfahrtsroute spricht. Der Bergrettungsmann<br />

fährt als Erster <strong>in</strong> den Hang e<strong>in</strong>, während ihn der andere Skitourengeher vom Gipfel aus beobachtet.<br />

Nach mehreren kurzen Schwüngen setzt der Bergrettungsmann <strong>in</strong> der Gipfelflanke zu e<strong>in</strong>em großen<br />

Rechtsschwung <strong>in</strong> Richtung Reither Kar an und löst dabei e<strong>in</strong>e große Schneebrettlaw<strong>in</strong>e aus. Er wird<br />

knapp 1000 m über teilweise felsiges Gelände mitgerissen und erleidet tödliche Verletzungen. Aufgrund<br />

herausragender Kleidungsteile kann er rasch vom alarmierten Rettungshubschrauber geortet<br />

und anschließend mittels Tau nach Seefeld geflogen werden.<br />

große Wechten<br />

vermutlicher Auslösepunkt<br />

Kurzanalyse. Die Aufstiegs- und Abfahrtsroute s<strong>in</strong>d ähnlich. Unterschiedlich ist die Belastung, die der<br />

W<strong>in</strong>tersportler auf die Schneedecke ausübt. Bei der Abfahrt ist diese aufgrund der sportlichen, impulsartigen<br />

Fahrweise höher als während des Aufstiegs. Der Unfallhang ist Richtung Westen ausgerichtet.<br />

Dort liegt durch die seit 6. 2. andauernden, sehr neuschneereichen NW-Staulagen deutlich<br />

weniger Schnee als <strong>in</strong> den angrenzenden Hangrichtungen. Dies hat mit dem kräftigen W<strong>in</strong>de<strong>in</strong>fluss<br />

aus westlichen Richtungen zu tun, welcher den Schnee entsprechend verfrachtete. Gut zu erkennen<br />

ist dies u. a. an den großen Wechten, die sich am Grat bildeten. Im Unfallhang f<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong>ige<br />

„Nester“ mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gmächtigen, <strong>in</strong> Bodennähe aus Schwimmschnee aufgebauten Schneeschicht.<br />

Dort wird der Bruch <strong>in</strong>itiiert und die gesamte schneebedeckte Flanke <strong>in</strong> Bewegung gesetzt. <br />

Wo Reither Spitze / Westliche Nordalpen / 2350 m / W-Hang / 40–45°<br />

Wer 1 beteiligte Person / 1 getötete Person<br />

Wann 22. 3. 2009, 14:00 Uhr<br />

Law<strong>in</strong>e Schneebrettlaw<strong>in</strong>e (trocken) / L 1200 m / B 80 m / Anriss 0,2–1,5 m / Verschüttung 0,3 m / 30 M<strong>in</strong>.<br />

Regional gültige Gefahrenstufe 2 (mäßig)<br />

Schlagzeile LLB Verbreitet mäßige Law<strong>in</strong>engefahr – Achtung auf tageszeitlichen Anstieg!<br />

144 / 145 gm.7


law<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>er kaserer.<br />

Kle<strong>in</strong>er Kaserer<br />

abgebrochene Wechte<br />

1 Person kann<br />

ausfahren<br />

Sammelpunkt<br />

Law<strong>in</strong>e. E<strong>in</strong>e achtköpfige Tourengruppe wählt am 22. 4. 2006 e<strong>in</strong> für diese Zeit durchwegs übliches<br />

Tourenziel auf den Kle<strong>in</strong>en Kaserer. Sie starten um 7:00 Uhr vom Schmirntal und gelangen problemlos<br />

auf den Gipfel. Vom Gipfel aus beobachten sie zwei Südtiroler Skitourengeher, die über die extrem<br />

steile Nordflanke abfahren. Die Gruppe wählt jedoch die objektiv sicherere Route entlang der Aufstiegsspur.<br />

Vom Skidepot fahren sie <strong>in</strong> großen Abständen über e<strong>in</strong>en anfangs nur mäßig steilen Rücken bis<br />

zu e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Hangverflachung. Als bereits vier Tourenteilnehmer am Sammelpunkt warten, hören<br />

sie e<strong>in</strong>en lauten Knall. In Folge löst sich e<strong>in</strong>e gewaltige Schneebrettlaw<strong>in</strong>e, die sich unmittelbar vor<br />

ihrem Standplatz teilt. Die anderen Personen werden erfasst. E<strong>in</strong>er kann gerade noch rechtzeitig ausfahren,<br />

die anderen werden über felsdurchsetztes Gelände mitgerissen. E<strong>in</strong>e Person stirbt aufgrund der<br />

schweren Verletzungen am Unfallort, die anderen ziehen sich schwere Verletzungen zu.<br />

Aufstiegsspur<br />

Absturz von 3 Personen<br />

Kurzanalyse. Es kommen zwei mögliche Ursachen für die Law<strong>in</strong>enauslösung <strong>in</strong> Frage: die Auslösung<br />

durch die Tourenteilnehmer im Bereich des mäßig steilen, relativ <strong>schneearme</strong>n Rückens oder aber der<br />

zufällige Bruch der angrenzenden Wechte, die den Law<strong>in</strong>enabgang <strong>in</strong>itiiert. Wahrsche<strong>in</strong>licher dürften<br />

die W<strong>in</strong>tersportler die Law<strong>in</strong>e im Bereich des <strong>schneearme</strong>n, während des W<strong>in</strong>ters ständig vom W<strong>in</strong>d<br />

bee<strong>in</strong>flussten Rückens (während e<strong>in</strong>es sehr schneereichen W<strong>in</strong>ters) ausgelöst haben. Bei dem von<br />

uns aufgenommenen Schneeprofil erkennt man dort e<strong>in</strong>e ausgeprägte, jedoch nicht überall schlecht<br />

verbundene Schwimmschneeschicht. Von e<strong>in</strong>er superschwachen Zone dürfte sich nach der Belastung<br />

der Riss fortgepflanzt haben und <strong>in</strong> Folge die Law<strong>in</strong>e samt der Wechte abgegangen se<strong>in</strong>. <br />

Wo Kle<strong>in</strong>er Kaserer / Zillertaler Alpen / 2950 m / N-Hang / 30°–45°<br />

Wer 8 beteiligte Personen / 2 verletzte Personen / 1 getötete Person<br />

Wann 22. 4. 2006, 11:00 Uhr<br />

Law<strong>in</strong>e Schneebrettlaw<strong>in</strong>e (trocken) / L 800 m / B 150 m / Anriss 0,3–1 m / Verschüttung 0,3 m / 30 M<strong>in</strong>.<br />

Regional gültige Gefahrenstufe 1 (ger<strong>in</strong>g) – 2 (mäßig)<br />

Schlagzeile LLB Am Vormittag allgeme<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ge Gefahr – tageszeitlicher Anstieg<br />

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