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Recht und Steuern im Gas- und Wasserfach Wettbewerbsrecht (Vorschau)

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He raus ge ge ben vom Bun des ver band der<br />

Energie- <strong>und</strong> Was ser wirt schaft e.V.<br />

45. Jahrgang · Nr. 9/10 · September/Oktober 2014<br />

<strong>und</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong><br />

Was ser fach<br />

<strong>Recht</strong>sprechung<br />

<strong>Wettbewerbsrecht</strong><br />

Zur Haftung des Geschäftsführer für Wettbewerbsverstöße<br />

BGH Urteil vom 18.06.2014, 1 Z R 242/12<br />

Leitsätze<br />

1. Der Geschäftsführer haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen<br />

der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn<br />

er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die<br />

Wettbewerbsverstöße aufgr<strong>und</strong> einer nach allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen<br />

des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern<br />

müssen.<br />

2. Allein die Organstellung <strong>und</strong> die allgemeine Verantwortlichkeit<br />

für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des<br />

Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße<br />

der Gesellschaft zu verhindern.<br />

3. Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich aufgr<strong>und</strong> einer<br />

eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf<br />

<strong>Recht</strong>sverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk<br />

gesetzt hat.<br />

Tatbestand<br />

Die Klägerin ist ein <strong>Gas</strong>versorgungsunternehmen, das Verbraucher<br />

mit Erdgas beliefert. Der Beklagte zu 2 ist alleiniger Geschäftsführer<br />

der <strong>im</strong> Ausgangsverfahren ebenfalls beklagten R. GmbH (<strong>im</strong> Folgenden<br />

Beklagte zu 1). Diese vertrieb <strong>im</strong> Jahr 2009 <strong>im</strong> Auftrag der e.<br />

GmbH, eines Wettbewerbers der Klägerin, <strong>Gas</strong>lieferverträge <strong>und</strong><br />

beauftragte hierzu selbständige Handelsvertreter, die den Vertrieb<br />

ihrerseits durch eigene Mitarbeiter oder Dritte <strong>im</strong> Wege der Haustürwerbung<br />

durchführten. Die Klägerin hat behauptet, die bei der<br />

Haustürwerbung eingesetzten Werber hätten versucht, Verbraucher<br />

mit unzutreffenden <strong>und</strong> irreführenden Angaben zur Kündigung<br />

ihrer <strong>Gas</strong>lieferverträge mit der Klägerin <strong>und</strong> zum Abschluss neuer<br />

Verträge mit der e. GmbH zu bewegen. Sie meint, neben der Beklagten<br />

zu 1 hafte auch der Beklagte zu 2 persönlich, da er von den<br />

Verstößen Kenntnis gehabt <strong>und</strong> seinen Betrieb jedenfalls nicht so<br />

organisiert habe, dass er die Einhaltung von <strong>Recht</strong>svorschriften habe<br />

sicherstellen können.<br />

Das Landgericht hat die Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln<br />

verurteilt, es zu unterlassen, <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />

dem Vertrieb von <strong>Gas</strong>lieferverträgen gegenüber Verbrauchern zu<br />

behaupten,<br />

1. ihre Mitarbeiter (i) kämen <strong>im</strong> Auftrag der Klägerin <strong>und</strong>/oder (ii)<br />

es bestehe sonst eine rechtliche oder geschäftliche Verbindung zwischen<br />

der e. GmbH <strong>und</strong> der Klägerin <strong>und</strong>/oder (iii) die Klägerin <strong>und</strong><br />

die V. AG würden zusammengelegt;<br />

2. <strong>im</strong> Zusammenhang mit einer Behauptung nach Nr. 1 zu behaupten,<br />

für den Wechsel von G.-K<strong>und</strong>en zur e. GmbH gebe es Gutschriften<br />

oder Preisreduzierungen;<br />

3. <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem Wechsel von K<strong>und</strong>en der Klägerin<br />

zur e. GmbH den Eindruck zu erwecken, es handele sich nicht um<br />

einen Lieferantenwechsel.<br />

Außerdem hat das Landgericht die Beklagten zur Auskunft verurteilt<br />

<strong>und</strong> ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt. (…)<br />

Entscheidungsgründe<br />

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stünden<br />

gegen den Beklagten zu 2 weder ein Unterlassungsanspruch nach § 8<br />

Abs. 1 <strong>und</strong> 3 Nr. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 UWG noch die darauf bezogenen<br />

Folgeansprüche zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:<br />

Der Beklagte zu 2 hafte unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr<br />

weder als Störer noch als Täter. Die Klägerin habe nicht<br />

substantiiert vorgetragen, wann <strong>und</strong> auf welche Weise er Kenntnis<br />

von ihren Vorwürfen erlangt habe. Eine Haftung ergebe sich auch<br />

nicht wegen eines pflichtwidrigen Unterlassens. Eine wettbewerbsrechtliche<br />

Verkehrspflicht, durch geeignete Maßnahmen falsche<br />

oder irreführende Darstellungen der eingesetzten Werber zu unterbinden,<br />

treffe zwar die Beklagte zu 1 als Unternehmensträgerin,<br />

nicht aber den Beklagten zu 2 als deren Geschäftsführer. Dieser sei<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nur der Gesellschaft <strong>und</strong> nicht Dritten gegenüber<br />

verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig<br />

verhalte. Es lägen auch keine Anhaltspunkte vor, aus denen sich eine<br />

persönliche wettbewerbsrechtliche Haftung ergeben könne, da der<br />

Beklagte zu 2 nicht zu erkennen gegeben habe, gegenüber den Mitbewerbern<br />

seiner Auftraggeber persönlich die Verantwortung für ein<br />

wettbewerbskonformes Verhalten übernehmen zu wollen. Ebenso<br />

wenig hafte er wegen eines Organisationsverschuldens. Die Haftung<br />

für Organisationsmängel treffe pr<strong>im</strong>är die Gesellschaft. Soweit<br />

daneben eine Eigenhaftung des Geschäftsführers überhaupt in<br />

Betracht komme, lägen jedenfalls <strong>im</strong> Streitfall keine derart gewichtigen<br />

Umstände <strong>und</strong> <strong>Recht</strong>sverletzungen vor, die eine persönliche<br />

Erfolgsabwendungspflicht des Beklagten zu 2 begründen könnten.<br />

Die Auslagerung des Direktvertriebs auf selbständige Dritte, die<br />

provisionsabhängig Haustürwerbung betrieben, begründe ebenfalls<br />

keine erhöhte Gefahr für die Begehung von Wettbewerbsverstößen.<br />

Auch unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr bestehe<br />

kein Unterlassungsanspruch, da keine Anhaltspunkte für ein künftiges<br />

rechtswidriges Verhalten des Beklagten zu 2 vorlägen, nachdem<br />

die durch ihn vertretene Beklagte zu 1 die Unlauterkeit der angegriffenen<br />

Behauptungen nicht in Abrede gestellt <strong>und</strong> ihre Unterlassungsverpflichtung<br />

durch Verzicht auf <strong>Recht</strong>smittel gegen das erstinstanzliche<br />

Urteil anerkannt habe.<br />

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen<br />

Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine persönliche Haftung des<br />

Beklagten zu 2 für Wettbewerbsverstöße der von ihm vertretenen<br />

Gesellschaft zu <strong>Recht</strong> verneint.<br />

1. Zutreffend <strong>und</strong> von der Revision unbeanstandet ist das Berufungsgericht<br />

davon ausgegangen, dass eine Haftung des Beklagten<br />

zu 2 als Störer <strong>im</strong> Zusammenhang mit den Wettbewerbsverstößen<br />

der Beklagten zu 1 nicht in Betracht kommt. Als Störer kann nach<br />

der <strong>Recht</strong>sprechung des Senats bei der Verletzung absoluter <strong>Recht</strong>e<br />

auf Unterlassung in Anspruch genommen werden wer – ohne Täter<br />

oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich <strong>und</strong>


34 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014<br />

adäquat kausal zur Verletzung des geschützten <strong>Recht</strong>sguts beiträgt<br />

(st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 80/12,<br />

GRUR 2013, 1030 Rn. 30 = WRP 2013, 1348 – File-Hosting-<br />

Dienst, mwN). Für Fälle des sogenannten Verhaltensunrechts, um<br />

die es bei Wettbewerbsverstößen geht <strong>und</strong> in denen keine Verletzung<br />

eines absoluten <strong>Recht</strong>s in Rede steht, kann die Passivlegit<strong>im</strong>ation<br />

nach der neueren Senatsrechtsprechung dagegen allein nach den<br />

deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft <strong>und</strong> Teilnahme<br />

begründet werden (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 – I ZR 139/08,<br />

GRUR 2011, 152 Rn. 48 = WRP 2011, 223 – Kinderhochstühle <strong>im</strong><br />

Internet I; Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 54/11. GRUR 2013, 301<br />

Rn. 49 = WRP 2013, 491 – Solarinitiative).<br />

2. Auch soweit das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten zu<br />

2 als Täter für die mit den Klageanträgen zu I 1 bis 3 beanstandeten<br />

Wettbewerbsverstöße verneint hat, hält das Berufungsurteil rechtlicher<br />

Nachprüfung stand.<br />

a) Die Frage, ob sich jemand als Täter (oder Teilnehmer) in einer die<br />

zivilrechtliche Haftung begründenden Weise an der deliktischen<br />

Handlung eines Dritten – hier an den falschen oder irreführenden<br />

Darstellungen der <strong>im</strong> Auftrag der Beklagten zu 1 handelnden Werber<br />

– beteiligt hat, beurteilt sich nach den <strong>im</strong> Strafrecht entwickelten<br />

<strong>Recht</strong>sgr<strong>und</strong>sätzen (BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 – Kinderhochstühle<br />

<strong>im</strong> Internet I; BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 – I ZR 159/10,<br />

GRUR 2011, 1018 Rn. 24 = WRP 2011, 1469 – Automobil-Onlinebörse).<br />

Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst<br />

oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft<br />

erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes<br />

<strong>und</strong> gewolltes Zusammenwirken (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB).<br />

b) Der Geschäftsführer haftet für einen Wettbewerbsverstoß der von<br />

ihm vertretenen Gesellschaft, wenn er die <strong>Recht</strong>sverletzung selbst<br />

begangen oder in Auftrag gegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 19.<br />

Juni 1963 – Ib ZR 15/62, GRUR 1964, 88, 89 – Verona-Gerät; Urteil<br />

vom 23. Mai 1985 – I ZR 18/83, GRUR 1985, 1063, 1064 = WRP<br />

1985, 694 – Landesinnungsmeister). Im Streitfall steht ein solches<br />

Verhalten des Beklagten zu 2 nicht in Rede.<br />

c) Nach der bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung haftet der Geschäftsführer<br />

darüber hinaus allerdings auch dann für Wettbewerbsverstöße der<br />

Gesellschaft, wenn er von ihnen Kenntnis hatte <strong>und</strong> es unterlassen<br />

hat, sie zu verhindern (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. September<br />

1985 – I ZR 86/83, GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; Urteil vom<br />

9. Juni 2005 – I ZR 279/02, GRUR 2005, 1061, 1064 = WRP 2005,<br />

1501 – Telefonische Gewinnauskunft). Diese <strong>Recht</strong>sprechung, in der<br />

nicht daran angeknüpft wird, dass der gesetzliche Vertreter der juristischen<br />

Person das wettbewerbswidrige Verhalten selbst veranlasst<br />

hat, hat ihre ursprüngliche Gr<strong>und</strong>lage in der Störerhaftung (vgl.<br />

BGH, GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; BGH, Urteil vom 15.<br />

Januar 2009 – I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rn. 14 f. <strong>und</strong> 18 = WRP<br />

2009, 1139 – Cybersky). Nach Aufgabe der Störerhaftung <strong>im</strong> Lauterkeitsrecht<br />

kann an der bisherigen <strong>Recht</strong>sprechung in dieser Allgemeinheit<br />

nicht mehr festgehalten werden.<br />

aa) Ein Unterlassen kann positivem Tun nur gleichgestellt werden,<br />

wenn der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der tatbestandliche<br />

Erfolg nicht eintritt, <strong>und</strong> das Unterlassen der Verwirklichung<br />

des gesetzlichen Tatbestands durch ein Tun entspricht. Erforderlich<br />

ist eine Garantenstellung des Täters, die ihn verpflichtet, den deliktischen<br />

Erfolg abzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember<br />

1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297, 303; Urteil vom 10. Juli 2012<br />

– VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 Rn. 18). Eine Garantenstellung<br />

kann sich aus vorhergehendem gefährdenden Tun (Ingerenz),<br />

Gesetz, Vertrag oder der Inanspruchnahme von Vertrauen ergeben<br />

(vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2000 – I ZR 67/98, GRUR 2001, 82,<br />

83 = WRP 2000, 1263 – Neu in Bielefeld I; Urteil vom 12. Januar<br />

2010 – 1 StR 272/09, NJW 2010, 1087 Rn. 58; vgl. auch Köhler in<br />

Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 2.16; Hühner, GRUR-<br />

Prax 2013, 459, 460 f.). Sie muss gegenüber dem außenstehenden<br />

Dritten bestehen, der aus der Verletzung der Pflicht zur Erfolgsabwendung<br />

Ansprüche herleitet (vgl. BGHZ 109, 297, 303; 194, 26 Rn.<br />

20).<br />

bb) Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere<br />

Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft<br />

besteht danach nur, wenn er daran entweder durch positives Tun<br />

beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgr<strong>und</strong> einer<br />

nach allgemeinen Gr<strong>und</strong>sätzen des Deliktsrechts begründeten<br />

Garantenstellung hätte verhindern müssen. Es kann deshalb dahinstehen,<br />

ob entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts anzunehmen<br />

ist, dass der Beklagte zu 2 Kenntnis jedenfalls von einem Teil der<br />

beanstandeten Werbebehauptungen hatte, wofür insbesondere das<br />

von der Beklagten zu 1 für die Haustürwerber bereitgestellte Formular<br />

„Missverständnisse vermeiden“ sprechen könnte.<br />

d) Nach diesen Gr<strong>und</strong>sätzen kommt <strong>im</strong> Streitfall eine persönliche<br />

Haftung des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer nicht in Betracht.<br />

aa) Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen<br />

scheidet als haftungsbegründender Umstand aus.<br />

Erforderlich ist vielmehr gr<strong>und</strong>sätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß<br />

auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild<br />

<strong>und</strong> mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer<br />

anzulasten ist. So liegt es etwa bei der rechtsverletzenden<br />

Benutzung einer best<strong>im</strong>mten Firmierung <strong>und</strong> dem allgemeinen<br />

Werbeauftritt eines Unternehmens, über die typischerweise auf<br />

Geschäftsführungsebene entschieden wird. Dementsprechend hat<br />

der Senat ohne weiteres eine Haftung der vertretungsberechtigten<br />

Organe einer juristischen Person für das allgemeine Konzept einer<br />

K<strong>und</strong>enwerbung eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 30.<br />

Juni 2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 1, 32 = WRP 2012,<br />

194 – Branchenbuch Berg), für den Inhalt einer Presseerklärung<br />

eines Unternehmens, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kam<br />

(vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011,<br />

1043 Rn. 5, 70 = WRP 2011, 1454 – TÜV II) <strong>und</strong> für den allgemeinen<br />

Internetauftritt des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 19.<br />

April 2012 – I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rn. 2, 36 = WRP 2012,<br />

1392 – Pelikan) bejaht.<br />

bb) Erlangt der Geschäftsführer lediglich Kenntnis davon, dass bei<br />

der unter seiner Leitung stehenden Geschäftstätigkeit Wettbewerbsverstöße<br />

begangen werden oder ihre Begehung bevorsteht, trifft ihn<br />

persönlich regelmäßig auch keine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht<br />

<strong>im</strong> Verhältnis zu außenstehenden Dritten, eine (weitere)<br />

Verletzung durch das <strong>Wettbewerbsrecht</strong> geschützter Interessen von<br />

Marktteilnehmern zu verhindern.<br />

(1) Der Haftung wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen<br />

Verkehrspflicht liegt der Gedanke zugr<strong>und</strong>e, dass derjenige, der in<br />

seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder<br />

andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen <strong>und</strong> Vorkehrungen<br />

treffen muss, die zur Abwendung der Dritten daraus drohenden<br />

Gefahren notwendig sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 51 –<br />

Solarinitiative). Im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern<br />

von Internethandelsplattformen für rechtsverletzende fremde<br />

Inhalte konkretisiert sich die wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht<br />

als Prüfpflicht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04,<br />

BGHZ 173, 188 Rn. 22, 36 – Jugendgefährdende Medien bei eBay;<br />

Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 13 –<br />

Sommer unseres Lebens). Die Haftung wegen Verletzung wettbewerbsrechtlicher<br />

Verkehrspflichten ist aber nicht auf die Verletzung<br />

von Prüfpflichten beschränkt (vgl. auch Bergmann/Goldmann in<br />

Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 81). <strong>Wettbewerbsrecht</strong>liche<br />

Verkehrspflichten können sich ebenso als Überwachungs- <strong>und</strong> Eingreifpflichten<br />

konkretisieren (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm,<br />

UWG aaO § 8 Rn. 2.10). Solche Verkehrspflichten können auch das<br />

Organ einer Gesellschaft treffen. Sie stellen sich als Garantenpflicht<br />

aus vorangegangenem gefahrbegründenden Verhalten dar (vgl.<br />

BGH, GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; Urteil vom 28 Juni<br />

2007 – I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Rn. 21 = WRP 2008, 220 –<br />

Telefonaktion). Verstößt das Organ einer juristischen Person, das in<br />

seiner beruflichen Tätigkeit nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1<br />

Nr. 6 UWG als Unternehmer <strong>im</strong> Sinne des Lauterkeitsrechts behandelt<br />

wird, gegenüber Verbrauchern gegen eine wettbewerbliche Verkehrspflicht,<br />

so entspricht sein Handeln nicht den Erfordernissen<br />

fachlicher Sorgfalt (§ 3 Abs. 2 UWG). Im Verhältnis zu anderen<br />

Marktteilnehmern handelt das Organmitglied unlauter gemäß § 3


<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014 35<br />

Abs. 1 UWG (vgl. Bergmann/Goldmann in Harte/Henning aaO § 8<br />

Rn. 83 f.; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn. 2.8).<br />

(2) Allein die Organstellung <strong>und</strong> die allgemeine Verantwortlichkeit<br />

für den Geschäftsbetrieb begründen aber keine Verpflichtung des<br />

Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße<br />

der Gesellschaft zu verhindern (aA Bergmann/Goldmann<br />

in Harte/Henning aaO § 8 Rn. 118). Die nach § 43 Abs. 1 GmbHG<br />

<strong>und</strong> § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG dem Geschäftsführer einer GmbH <strong>und</strong><br />

den Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft obliegende<br />

Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung umfasst zwar auch<br />

die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass <strong>Recht</strong>sverletzungen – wie<br />

etwa Wettbewerbsverstöße – unterbleiben Diese Pflicht besteht aber<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich nur gegenüber der Gesellschaft <strong>und</strong> nicht auch <strong>im</strong><br />

Verhältnis zu außenstehenden Dritten (vgl BGHZ 109, 297, 303;<br />

BGH, Urteil vom 13. April 1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366,<br />

375; BGHZ 194, 26 Rn. 22 f.). Es kann zudem nicht außer Betracht<br />

bleiben, dass dem Geschäftsführer <strong>im</strong> Fall einer generellen Haftung<br />

für Wettbewerbsverstöße ein kaum kalkulierbares Risiko auferlegt<br />

würde (vgl. BGH, GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen).<br />

(3) Eine Erfolgsabwendungspflicht des Geschäftsführers kann sich<br />

zwar in begrenztem Umfang aufgr<strong>und</strong> besonderer Umstände ergeben<br />

(BGHZ 109, 297, 303; 125, 366, 375; 194, 26 Rn. 24; BGH,<br />

Urteil vom 28 April 2008 – II ZR 264/06, BGHZ 176, 204 Rn. 38;<br />

MünchKomm.GmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 339, 350; Haas/Ziemons<br />

in Michalski, GmbHG. 2. Aufl., § 43 Rn. 343 ff.; Zöllner/Noack in<br />

Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 43 Rn. 77 f.). Die Revision<br />

meint dazu, der Beklagte zu 2 hafte aufgr<strong>und</strong> einer Verkehrspflichtverletzung,<br />

weil er in seiner Rolle als organschaftlicher Vertreter der<br />

Beklagten zu 1 durch eine unzureichende Betriebsorganisation eine<br />

gesteigerte Gefahr für die Begehung massenhafter, systematischer<br />

sowie grober Wettbewerbsverstoße geschaffen oder diese jedenfalls<br />

begünstigt habe.<br />

Die Revision macht damit aber allein Umstände geltend, die die<br />

Pflicht des Beklagten zu 2 betreffen, den von ihm vertretenen Betrieb<br />

in einer Weise zu organisieren, die es ihm ermöglicht, die Einhaltung<br />

der Regeln des lauteren Wettbewerbs sicherzustellen. Damit kann sie<br />

keinen Erfolg haben. Der Beklagte zu 2 haftet Dritten – wie dargelegt<br />

(Rn. 23) – nicht schon allein aufgr<strong>und</strong> seiner der Gesellschaft<br />

gegenüber bestehenden Verpflichtung, ein rechtmäßiges Verhalten<br />

der Gesellschaft sicherzustellen<br />

(4) Die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht <strong>im</strong><br />

Zusammenhang mit der Organisation der von ihm vertretenen<br />

Gesellschaft ist allerdings zu erwägen, wenn der Geschäftsführer<br />

sich bewusst der Möglichkeit entzieht, überhaupt Kenntnis von<br />

etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von<br />

ihm beauftragter Drittunternehmen zu nehmen <strong>und</strong> dementsprechend<br />

Einfluss zu ihrer Verhinderung ausüben zu können. In der<br />

<strong>Recht</strong>sprechung ist dies angenommen worden, wenn ein Geschäftsführer<br />

sich dauerhaft <strong>im</strong> Ausland aufhält (vgl. OLG Nürnberg,<br />

GRUR 1983, 595; OLG Hamburg. GRUR-RR 2002. 240, 243;<br />

GRUR-RR 2006, 182, 183). So liegt der Fall hier indes nicht. Dass<br />

die in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße räumlich entfernt vom<br />

Geschäftssitz der Beklagten zu 1, an dem der Beklagte zu 2 seine<br />

Geschäftsführertätigkeit ausübt, begangen wurden, rechtfertigt entgegen<br />

der Ansicht der Revision nicht die Annahme, dieser habe<br />

bewusst davon abgesehen. sich die Möglichkeit vorzubehalten, die<br />

<strong>im</strong> Außendienst tätigen Werber zu kontrollieren <strong>und</strong> Einfluss auf sie<br />

auszuüben.<br />

(5) Anders als die Revision meint, kann auch nicht angenommen<br />

werden, dass der Beklage zu 2 sich durch die Auslagerung der Haustürwerbung<br />

auf Dritte bewusst der Möglichkeit begeben hat, durch<br />

direkte arbeitsrechtliche Weisungen <strong>und</strong> enge Kontrollen Wettbewerbsverstöße<br />

der Werber von vornherein zu unterbinden oder<br />

unverzüglich abzustellen.<br />

Die gegenteilige Ansicht der Revision hätte zur Folge, dass mit jeder<br />

Beauftragung eines Subunternehmers die wettbewerbsrechtliche<br />

Verkehrspflicht verb<strong>und</strong>en wäre, für die Einhaltung der Wettbewerbsvorschriften<br />

durch die Mitarbeiter der Subunternehmer zu<br />

sorgen. Das kann aber schon deshalb nicht angenommen werden,<br />

weil die Auslagerung von Tätigkeiten auf andere Unternehmen eine<br />

wettbewerbsrechtlich gr<strong>und</strong>sätzlich unbedenkliche Unternehmensentscheidung<br />

ist, die nicht per se als Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße<br />

angesehen werden kann. Dass der Beklagte zu 2<br />

Unternehmen mit der Durchführung der Vertriebstätigkeit beauftragt<br />

hat, bei denen er von vornherein mit Wettbewerbsverstößen<br />

hätte rechnen müssen, ist weder festgestellt noch vorgetragen worden.<br />

(6) Auch die Aufnahme der Direktvertriebstätigkeit für die e. GmbH<br />

als solche begründet keine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht<br />

des Beklagten zu 2. Die <strong>im</strong> Auftrag der Beklagten zu 1 betriebene<br />

Haustürwerbung war gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig. Anders als für die Prüfung<br />

einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht der Beklagten zu<br />

1 ist es für die Frage, ob der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer persönlich<br />

haftet, dann unerheblich, ob Haustürwerbung allgemein<br />

oder jedenfalls – wie die Revision behauptet – <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit der Vermittlung von <strong>Gas</strong>lieferverträgen eine für Wettbewerbsverstöße<br />

besonders anfällige Vertriebsform ist. Eine zur persönlichen<br />

Haftung des Geschäftsfuhrers führende Gefahrenlage ist in der<br />

Aufnahme oder Ausübung einer legalen Geschäftstätigkeit als solcher<br />

nicht zu sehen. Denn bei der Frage, ob wettbewerbsrechtliche<br />

Verkehrspflichten des Geschäftsführers in Betracht kommen, sind<br />

die gesellschaftsrechtlichen Haftungsgr<strong>und</strong>sätze, die vorstehend<br />

dargestellt sind, zu berücksichtigen (oben Rn. 23 f.). <strong>Wettbewerbsrecht</strong>liche<br />

Verkehrspflichten des Organs einer Gesellschaft können<br />

daher nicht in einem weiten, die Haftungsschranken des Gesellschaftsrechts<br />

durchbrechenden Umfang, sondern nur bei Hinzutreten<br />

besonderer Umstände angenommen werden, die über die allgemeine<br />

Verantwortlichkeit für die Betriebsorganisation hinausgehen<br />

(vgl. Götting, GRUR 1994, 6, 12; Keller, GmbHR 2005, 1235,<br />

1241 f.; Messer in Festschrift Ullmann, 2006, S. 769, 778 f.).<br />

(7) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, rechtfertigt<br />

auch die weitgehend erfolgsabhängige Bezahlung der Werber<br />

keine abweichende Beurteilung. Dabei handelt es sich um ein übliches<br />

<strong>und</strong> verbreitetes Mittel zur Motivation von Vertriebsmitarbeitern.<br />

Es ist weder für sich allein noch in Kombination mit anderen<br />

zulässigen Instrumenten des Waren- <strong>und</strong> Dienstleistungsabsatzes<br />

geeignet, eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht des Geschäftsführers<br />

aufgr<strong>und</strong> vorangegangenen gefährdenden Tuns zu begründen.<br />

(8) Allerdings haftet der Geschäftsführer persönlich aufgr<strong>und</strong> einer<br />

eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf<br />

<strong>Recht</strong>sverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk<br />

gesetzt hat (vgl. BGH, GRUR 2009, 841 Rn. 21 f. – Cybersky).<br />

Dafür bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte.<br />

cc) Eine Garantenstellung <strong>und</strong> damit die Haftung eines Gesellschaftsorgans<br />

kann auch dadurch begründet werden, dass es über<br />

seine ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten hinaus<br />

eine weitere Erfolgsabwendungspflicht Dritten gegenüber persönlich<br />

übernommen hat (vgl. BGHZ 194, 26 Rn. 26; Götting, GRUR 1994,<br />

6, 12). Daran wird es indes bei Wettbewerbsverstößen regelmäßig<br />

fehlen, da die Parteien <strong>im</strong> Vorfeld eines Verstoßes vielfach nicht<br />

miteinander in Kontakt oder in einer Geschäftsbeziehung stehen,<br />

aus der heraus das Organ einer Gesellschaft ein besonderes, unter<br />

Umständen haftungsbegründendes Vertrauen erzeugen könnte. Das<br />

Berufungsgericht hat insoweit ohne <strong>Recht</strong>sfehler angenommen, der<br />

Beklagte zu 2 habe nicht zu erkennen gegeben, gegenüber der Klägerin<br />

persönlich die Verantwortung für den Schutz eines lauteren<br />

Wettbewerbs übernehmen zu wollen. Diese Beurteilung greift die<br />

Revision nicht an.<br />

e) Eine Gehilfenhaftung des Beklagten zu 2 kommt ebenfalls nicht<br />

in Betracht. Er hat die beanstandeten unlauteren Wettbewerbshandlungen<br />

nicht durch positives Tun unterstützt. Eine Beihilfe durch<br />

Unterlassen scheidet schon deshalb aus, weil es jedenfalls an der<br />

dafür erforderlichen <strong>Recht</strong>spflicht des Beklagten zu 2 zur Erfolgsabwendung<br />

fehlt (vgl. BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 34 – Kinderhochstühle<br />

<strong>im</strong> Internet I).


36 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014<br />

f) Das Berufungsgericht hat zu <strong>Recht</strong> auch eine Haftung des Beklagten<br />

zu 2 unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr verneint.<br />

Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch<br />

setzt voraus, dass ernsthafte <strong>und</strong> greifbare tatsächliche<br />

Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret drohende<br />

<strong>Recht</strong>sverletzung bestehen. (…) RA Annett Heublein, BDEW<br />

<strong>Recht</strong> der Wasserversorgung – Baukostenzuschüsse<br />

Zur Geltendmachung eines weiteren Baukostenzuschusses<br />

bei Altlanlagen<br />

OLG Köln, Urteil vom 1. April 2014, 3 U 166/13<br />

Leitsätze (nicht amtlich)<br />

1) § 9 Abs. 5 AVBWasserV besagt, dass bei der Herstellung eines<br />

Anschlusses an eine Verteilungsanlage, die vor dem 1.1.1981 errichtet<br />

worden oder mit deren Errichtung vor diesem Zeitpunkt begonnen<br />

worden ist, abweichend von den § 9 Abs. 1 bis 3 AVBWasserV ein<br />

Baukostenzuschuss nach Maßgabe der für die Anlage bisher verwendeten<br />

Berechnungsmaßstäbe verlangt werden kann.<br />

2) § 9 Abs. 5 AVBWasserV betrifft nicht den Fall der Erhebung eines<br />

weiteren Baukostenzuschusses; § 9 Abs. 5 Satz 1 AVBWasserV<br />

spricht von der „Herstellung“ eines Anschlusses an eine Verteilungsanlage<br />

<strong>und</strong> regelt damit nicht die Erhebung eines weiteren Baukostenzuschusses<br />

nach bereits erfolgter Herstellung des Anschlusses.<br />

Gründe<br />

I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, der Eigentümer der B.<br />

ist <strong>und</strong> der von der Klägerin Wasser bezieht, die Zahlung eines weiteren<br />

Baukostenzuschusses gemäß Ziff. 3.2.2 ihrer Versorgungsbedingungen.<br />

Zur Begründung beruft sie sich darauf, dass der Beklagte<br />

sein Gr<strong>und</strong>stück zwischenzeitlich nicht mehr rein landwirtschaftlich<br />

nutzt, sondern seit etwa 15 Jahren gewerblich für Veranstaltungen<br />

<strong>und</strong> saisonale <strong>Gas</strong>tronomie. Der Umfang der gewerblichen Nutzung<br />

der Gr<strong>und</strong>stücksfläche ist sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher<br />

Hinsicht streitig; streitig ist ebenso, ob die Versorgungsbedingungen<br />

der Klägerin in den Versorgungsvertrag mit dem Beklagten einbezogen<br />

sind.<br />

Mit Urteil vom 01.08.2013 hat das Landgericht die Klage abgewiesen.<br />

Zur Begründung hat es ausgeführt, die maßgebliche Regelung<br />

in den Versorgungsbedingungen der Klägerin (Ziff. 3.2.2), auf welche<br />

die Klägerin ihren Anspruch stütze, sei unwirksam, so dass die<br />

Frage der Einbeziehung dieser Bedingungen in den Vertrag mit dem<br />

Beklagten dahinstehen könne. Nach § 9 Abs. 4 AVBWasserV könne<br />

ein weiterer Baukostenzuschuss für ein bereits angeschlossenes<br />

Gr<strong>und</strong>stück gr<strong>und</strong>sätzlich nur verlangt werden, wenn der Anschlussnehmer<br />

seine Leistungsanforderungen wesentlich erhöhe. Dem trage<br />

Ziff. 3.2.2 in keiner Weise Rechnung, denn diese Best<strong>im</strong>mung stelle<br />

allein auf die Nutzungsänderung <strong>und</strong> nicht auf eine Erhöhung der<br />

Leistungsanforderungen ab. Abgesehen davon werde in keiner Weise<br />

dargelegt, aufgr<strong>und</strong> welcher Parameter sich der Preis von 2,50 €/<br />

Quadratmeter (Ziff. 3.1.1) ergebe. Ein Anspruch der Klägerin folge<br />

auch nicht aus § 9 Abs. 5 AVBWasserV, denn der hier vorliegende<br />

Fall werde allein von § 9 Abs. 4 AVBWasserV geregelt. Auch diese<br />

Norm gewähre allerdings keinen Anspruch, denn die Klägerin habe<br />

keine Umstände aufgezeigt, aufgr<strong>und</strong> derer angenommen werden<br />

könne, dass der Beklagte infolge der Änderung der Nutzungsart<br />

seine Leistungsanforderungen wesentlich erhöht habe.<br />

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, das Landgericht habe<br />

die Systematik des § 9 AVBWasserV verkannt. (…)<br />

II. 1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg; der<br />

Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.<br />

a) Auf Ziff. 3.2.2 ihrer Versorgungsbedingungen (nach dieser Vorschrift<br />

kann die Klägerin einen weiteren Baukostenzuschuss fordern,<br />

wenn die Fläche eines bereits angeschlossenen Gr<strong>und</strong>stücks<br />

ganz oder teilweise [ab 40 %) durch eine gewerbliche oder industrielle<br />

Nutzung geändert wird] kann die Klägerin den geltend gemachten<br />

Anspruch bereits deshalb nicht stützen, weil diese Regelung<br />

unwirksam ist. Zu <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> mit zutreffender Begründung, auf die<br />

der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug n<strong>im</strong>mt, ist<br />

die Kammer in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen,<br />

dass die Regelung in Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen<br />

der Klägerin den wesentlichen Gr<strong>und</strong>gedanken des § 9 Abs. 4 AVB-<br />

WasserV (nach dieser Regelung kann ein weiterer Baukostenzuschuss<br />

nur gefordert werden, wenn der Anschlussnehmer seine<br />

Leistungsanforderungen wesentlich erhöht) widerspricht <strong>und</strong> sie aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners<br />

gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam ist.<br />

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die vom Landgericht<br />

herangezogene Vorschrift des § 9 Abs. 4 AVBWasserV finde nach § 9<br />

Abs. 5 AVBWasserV in Bezug auf sogenannte Altanlagen, die vor<br />

dem 1.1.1981 errichtet worden seien, keine Anwendung, vermag der<br />

Senat dem nicht zu folgen.<br />

Unter welchen Voraussetzungen <strong>und</strong> nach welchen Maßstäben das<br />

Wasserversorgungsunternehmen berechtigt ist, von dem Anschlussnehmer<br />

einen Baukostenzuschuss zu verlangen, ist in § 9 AVBWasserV<br />

normiert; dabei regeln die Abs. 1 bis 3 dieser Vorschrift den bei<br />

Erstanschluss zu leistenden Zuschuss; Abs. 4 regelt, dass die Erhebung<br />

eines weiteren – nach den Abs. 2 <strong>und</strong> 3 zu bemessenden – Baukostenzuschusses<br />

nur verlangt werden darf, wenn der Anschlussnehmer<br />

seine Leistungsanforderungen wesentlich erhöht.<br />

§ 9 Abs. 5 AVBWasserV besagt, dass bei der Herstellung eines<br />

Anschlusses an eine Verteilungsanlage, die vor dem 1.1.1981 errichtet<br />

worden oder mit deren Errichtung vor diesem Zeitpunkt begonnen<br />

worden ist, abweichend von den Abs. 1 bis 3 ein Baukostenzuschuss<br />

nach Maßgabe der für die Anlage bisher verwendeten Berechnungsmaßstäbe<br />

verlangt werden kann.<br />

Bereits nach dem Wortlaut der Norm betrifft § 9 Abs. 5 AVBWasserV<br />

damit nicht den – hier gegebenen – Fall der Erhebung eines<br />

weiteren Baukostenzuschusses: § 9 Abs. 5 Satz 1 AVBWasserV<br />

spricht von der „Herstellung“ eines Anschlusses an eine Verteilungsanlage<br />

<strong>und</strong> regelt damit nicht die Erhebung eines weiteren Baukostenzuschusses<br />

nach bereits erfolgter Herstellung des Anschlusses.<br />

Damit in Einklang steht, dass § 9 Abs. 5 AVBWasserV den vorstehenden<br />

Absatz 4, der die Erhebung eines weiteren Baukostenzuschusses<br />

regelt, gerade nicht ausn<strong>im</strong>mt, er vielmehr nur eine Abweichung<br />

von den Regelungen vorsieht, die die Erhebung eines Baukostenzuschusses<br />

bei Erstanschluss vorsehen (Abs. 1 bis 3).<br />

Soweit in der Literatur von Morell eine erweiternde Auslegung des<br />

§ 9 Abs. 5 AVBWasserV dahingehend befürwortet wird, dass hinsichtlich<br />

Altanlagen auch die Vorschrift des § 9 Abs. 4 AVBWasserV<br />

keine Anwendung finden soll, ein weiterer Baukostenzuschuss vielmehr<br />

unabhängig von den Voraussetzungen dieser Norm möglich<br />

sein soll (in diesem Fall würde die Regelung in Ziff. 3.2.2 der Versorgungsbedingungen<br />

keinen gr<strong>und</strong>sätzlichen Bedenken unterliegen),<br />

vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. So ist bereits die für<br />

eine erweiternde Auslegung erforderliche Regelungslücke nicht zu<br />

erkennen, denn der Verordnungsgeber hat – wie vorstehend dargelegt<br />

– in § 9 Abs. 5 AVBWasserV ausdrücklich eine Sonderregelung<br />

für den Anschluss an Altanlagen getroffen, die sich aber nach dem<br />

klaren Wortlaut der Norm darauf beschränkt, dass abweichend von<br />

den Bemessungsregeln, die in § 9 Abs. 1–3 AVBWasserV für den<br />

Anschluss an neue Anlagen zwingend vorgeschrieben sind, bei Altanlagen<br />

die seinerzeit maßgeblichen Bemessungsgr<strong>und</strong>lagen weiter<br />

verwendet werden können. Von dem in Abs. 4 normierten Gr<strong>und</strong>satz,<br />

nach welchem ein weiterer Baukostenzuschuss nur verlangt<br />

werden kann, wenn der Anschlussnehmer seine Leistungsanforderung<br />

wesentlich erhöht, macht § 9 Abs. 5 AVBWasserV hingegen<br />

gerade keine Ausnahme. Hätte der Verordnungsgeber auch diese<br />

Vorschrift abbedingen wollen, hätte nichts näher gelegen, als dies in<br />

Abs. 5 dadurch festzuschreiben, dass nicht lediglich die Abs. 1–3,<br />

sondern die Abs. 1–4 erwähnt werden. Auch das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Wirtschaft hat sich – was die Auslegung der ähnlich gelagerten<br />

Vorschrift des § 9 Abs. 4 AVBEIt anbelangt -mangels Vorliegens


<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014 37<br />

einer Regelungslücke für eine am Wortlaut der Norm orientierte<br />

Auslegung ausgesprochen (vgl. dazu Antoni, RdE 1983, 2 ff.).<br />

Entgegen der Auffassung von Morell lassen sich auch Sinn <strong>und</strong><br />

Zweck der Regelung nicht für die von ihm <strong>und</strong> der Klägerin favorisierte<br />

Auslegung anführen.<br />

Ziel der Verordnungsgebers war es, dem Versorgungsunternehmen<br />

die Möglichkeit zu geben, die Finanzierung von Altanlagen auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der bisherigen Baukostenzuschussregelung fortzusetzen.<br />

Diesem Ziel aber wird durch die Regelung des § 9 Abs. 5 AVBWasserV<br />

hinreichend Rechnung getragen, denn diese Regelung ermöglicht<br />

abweichend von den zwindenden Berechungsvorgaben für den<br />

Anschluss an Neuanlagen ein Rückgriff auf die alten Berechnungsmaßstäbe.<br />

Soweit sich Morell (a.a.O. S. 28 Fn. 97) für seine Auffassung, nach<br />

welcher die Erhebung eines weiteren Baukostenzuschusses bei Altanlagen<br />

unabhängig von den Voraussetzungen des § 9 Abs. 4 AVB-<br />

WasserV möglich sein soll, unter anderem auf eine Entscheidung<br />

des OLG Schleswig aus dem Jahre 1986 (RdE 1986, 164) stützt,<br />

verkennt er, dass sich diese Entscheidung allein mit dem Erstanschlusss<br />

an eine Altanlage zu zahlenden Baukostenzuschuss befasst.<br />

So führt das OLG Schleswig ausdrücklich aus, § 9 Abs, 3 AVBEltV,<br />

der die Vorraussetzungen regele, unter denen ein weiterer Baukostenzuschuss<br />

verlangt werden könne, sei nicht einschlägig, da die<br />

erstmalige Zahlung eines Baukostenzuschusses verlangt werde. Der<br />

Hinweis auf die Vorschrift des § 9 Abs. 3 AVBEltV verdeutlicht<br />

zudem, dass der Senat – hätte die Zahlung eines weiteren Baukostenzuschusses<br />

in Rede gestanden – offenk<strong>und</strong>ig auf diese vom Regelungsgehalt<br />

§ 9 Abs. 4 AVBWasserV weitgehend entsprechende<br />

Vorschrift zurückgegriffen <strong>und</strong> sich damit – anders als von Morell<br />

vertreten – gerade dagegen ausgesprochen hätte, einen weiteren Baukostenzuschuss<br />

bei Altanlagen unabhängig von den in § 9 Abs. 3<br />

AVBEltV normierten Vorraussetzungen zuzubilligen.<br />

b) Die Klägerin könnte damit – worauf bereits die Kammer hingewiesen<br />

hat – einen weiteren Baukostenzuschuss nur bei Vorliegen der<br />

Vorraussetzungen des § 9 Abs. 4 AVBWasserV verlangen. Zu einer<br />

mit der Nutzungsänderung einhergehenden wesentlichen Erhöhung<br />

der Leistungsanforderungen hat die Klägerin allerdings weder erstinstanzlich<br />

noch <strong>im</strong> Berufungsverfahren vorgetragen.<br />

<br />

RAin Dr. Sabine Wrede, BDEW<br />

Wasserwirtschaftsrecht<br />

Zur Gr<strong>und</strong>preiserhebung <strong>im</strong> Falle unterschiedlicher<br />

Berechnungsmodelle<br />

LG Cottbus, Urteil vom 30.05.2014, Az. 4 O 221/10<br />

Leitsatz (nicht amtlich)<br />

Sofern der Wasserversorger regelt, dass – anders als bei Tarifk<strong>und</strong>en<br />

– <strong>im</strong> Falle einer gewerblichen Gr<strong>und</strong>stücksnutzung für die Erhebung<br />

der Gr<strong>und</strong>gebühr auf die Nennbelastung des jeweiligen Wasserzählers<br />

abgestellt werden soll, findet diese Best<strong>im</strong>mung auch dann<br />

Anwendung, wenn das Gr<strong>und</strong>stück zunächst zwar gewerbsmäßig<br />

vermietet, <strong>im</strong> weiteren aber zum Zwecke des Wohnens genutzt wird.<br />

Tatbestand<br />

Die Parteien streiten darüber, mit welchem Maßstab für die Wasserversorgung<br />

die Beklagte zur Zahlung der Gr<strong>und</strong>gebühr heranzuziehen<br />

ist.<br />

Bei dem Kläger handelt es sich um einen Wasser- <strong>und</strong> Abwasserzweckverband,<br />

zu welchem sich einzelne Städte <strong>und</strong> Gemeinden zur<br />

Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Wasserversorgung <strong>und</strong><br />

die Abwasserbeseitigung zusammengeschlossen haben.<br />

Es steht <strong>im</strong> Organisationsermessen des Einrichtungsträgers, ob er<br />

anstelle von Nutzungsgebühren für die Trinkwasserversorgung privatrechtliche<br />

Entgelte fordert.<br />

Nach § 8 der Wasserversorgungssatzung des Klägers hat sich dieser<br />

für ein privatrechtlich organisiertes Trinkwasserversorgungsverhältnis<br />

entschieden. Durch die Entnahme des Trinkwassers ist zwischen<br />

den Parteien ein Wasserversorgungsvertrag zu Stande gekommen.<br />

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Wohnungsgenossenschaft,<br />

die nach Maßgabe von § 17 Abs. 2 GenG als Kaufmann i.S.d. Handelsgesetzbuches<br />

gilt. (…)<br />

Der Gewerbebetrieb der Beklagten besteht darin, Wohnungen zu<br />

vermieten. Sie nutzt ihr Gr<strong>und</strong>stück nicht zu Wohnzwecken, sondern<br />

allein zu gewerblichen Zwecken.<br />

Die Beklagte hat in einer ersten Änderungssatzung <strong>im</strong> Jahre 2010<br />

gemäß der Anlage A für den Zeitraum ab 1. April 2010 beschlossen,<br />

die Gr<strong>und</strong>preiserhebung für das zu Wohnzwecken genutzte Gr<strong>und</strong>stück<br />

nach der Anzahl der Wohneinheiten <strong>und</strong> für gewerblich oder<br />

sonstige Benutzung differenziert nach der Wasserzählergröße zu<br />

erheben.<br />

Für den Zeitraum zuvor ist die Beklagte nach der Nennbelastung<br />

des jeweiligen Wasserzählers für die Berechnung der Gr<strong>und</strong>gebühr<br />

herangezogen worden. Bezüglich der Einzelheiten der jeweiligen<br />

Satzungsänderung wird auf die Anlagen K 1 verwiesen.<br />

Der Kläger berechnet seit dem 1. April 2010 der Beklagten für die<br />

von ihr vermietete Wohneinheit pro WE einen Gr<strong>und</strong>preis von 84,00<br />

Euro.<br />

Die Beklagte hat sich zunächst geweigert, dem Kläger die erheblichen<br />

Mehrkosten nach der Umstellung der Berechnung für den<br />

Gr<strong>und</strong>preis zu zahlen.<br />

Zur Vermeidung einer Versorgungssperre hat die Beklagte dem Kläger<br />

zwischenzeitlich unter dem Vorbehalt der Rückforderung den<br />

zwischen den Parteien streitigen Betrag bezahlt.<br />

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei entsprechend der von ihr<br />

vermieteten Wohneinheit zur Zahlung des Gr<strong>und</strong>preises pro Wohneinheit<br />

verpflichtet. (…)<br />

Entscheidungsgründe<br />

Die Klage ist nicht begründet.<br />

Der Kläger kann von der Beklagten nicht die Bezahlung des Gr<strong>und</strong>preises<br />

für die Lieferung von Wasser gemäß der geänderten Satzung<br />

ab dem 1. April 2010 auf der Gr<strong>und</strong>lage einer Wohneinheit mit<br />

einem Betrag von jeweils 84,00 Euro jährlich verlangen.<br />

Die insoweit von dem Kläger herangezogene Satzung ist in diesem<br />

Punkt nicht eindeutig <strong>und</strong> lässt verschiedene Deutungen zu, so dass<br />

in Anwendung von § 305 c Abs. 2 BGB die sich insoweit ergebenden<br />

Zweifel zu Lasten des Klägers gehen.<br />

Der Kläger unterscheidet entsprechend der Best<strong>im</strong>mungen in der<br />

von ihm erlassenen Satzung, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen<br />

zu werten sind, bezüglich der Berechnung der Gr<strong>und</strong>gebühr<br />

nach Gr<strong>und</strong>stücken, die zu Wohnzwecken oder für gewerbliche oder<br />

sonstige Benutzung verwendet werden. In einer zweiten Änderungssatzung<br />

ist diese Differenzierung vorgenommen für zu Wohnzwecken<br />

genutzte Gr<strong>und</strong>stücke, für gewerblich oder sonstige Anschlüsse<br />

<strong>und</strong> für sowohl zu Wohnzwecken als auch zu gewerblichen oder<br />

sonstigen Zwecken genutzte Gr<strong>und</strong>stücke.<br />

Wenn der Kläger nun – wie er vorträgt – der Beklagten die Gr<strong>und</strong>gebühr<br />

für zu Wohnzwecken genutzte Gr<strong>und</strong>stücke mit jeweils 84,00<br />

Eure pro Wohneinheit jährlich in Berechnung stellen will, kommt es<br />

entscheidend darauf an, wie die Beklagte ihre Gr<strong>und</strong>stücke nutzt.<br />

Gemäß der Wasserversorgungssatzung des Klägers sind jeweils die<br />

Gr<strong>und</strong>stückseigentümer <strong>und</strong> alle Benutzer der Gr<strong>und</strong>stücke verpflichtet.<br />

Hier ist jetzt darauf abzustellen, wie die Beklagte das<br />

Gr<strong>und</strong>stück nutzt.<br />

Unstreitig ist die Beklagte zunächst erst einmal gewerblich tätig.<br />

Die gewerbliche Tätigkeit der Beklagten besteht zwar in der Vermietung<br />

von Wohnungen.<br />

Damit ist ihr aber noch nicht zuzuordnen, dass sie das Gr<strong>und</strong>stück<br />

zu Wohnzwecken nutzt.


38 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014<br />

Vielmehr ist hier maßgeblich allein zunächst die gewerbliche Tätigkeit<br />

der Beklagten.<br />

Diese steht <strong>im</strong> Vordergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> ist maßgeblich für die Einordnung<br />

der Beklagten in das Satzungswerk des Klägers.<br />

Der Kläger hat in seiner Satzung ausdrücklich die gewerbliche<br />

Gr<strong>und</strong>stücksnutzung geregelt <strong>und</strong> diesbezüglich für die Erhebung<br />

der Gr<strong>und</strong>gebühr auf die Nennbelastung des jeweiligen Wasserzählers<br />

abgestellt. Gemäß der Best<strong>im</strong>mung in der Satzung sind dann<br />

auch die Gr<strong>und</strong>gebühren für die Beklagte entsprechend dieser<br />

Best<strong>im</strong>mung zu berechnen.<br />

Soweit der Kläger darauf verweist, dass hier auch eine andere Auslegung<br />

maßgeblich ist, nämlich allein die Best<strong>im</strong>mung, zu welchen<br />

Zwecken das Gr<strong>und</strong>stück benutzt wird, nämlich zum Zwecke des<br />

Wohnens, mag es sein, dass diese Deutung ebenfalls zulässig ist.<br />

Soweit sich die jeweiligen Auffassungen des Klägers <strong>und</strong> der Beklagten<br />

gleichrangig für möglich gegenüberstehen, sind in Anwendung<br />

des § 305 c BGB die Zweifel zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen<br />

mit der Folge, dass der günstigere Maßstab für die Berechnung<br />

des Gr<strong>und</strong>preises für die Beklagte maßgeblich ist.<br />

Soweit sich der Kläger auf Urteile der 1. Zivilkammer des Landgerichts<br />

Cottbus bezieht, so ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei<br />

nicht um Entscheidungen zu einer gewerblichen Vermietung handelte.<br />

Auch in den übrigen von dem Kläger herangezogenen Entscheidungen<br />

mag zwar eine gewerbliche Vermietung betroffen gewesen sein.<br />

Jedoch ist nicht erkennbar <strong>und</strong> vorgetragen, in welchem Umfang die<br />

jeweiligen Satzungsbest<strong>im</strong>mungen den hier zu beurteilenden maßgeblichen<br />

Satzungen entsprechen.<br />

Hier hätte es vielmehr der Kläger in der Hand gehabt, durch eine<br />

entsprechende satzungsrechtliche Regelung die notwendige Klarheit<br />

in dem Berechnungssystem herzustellen.<br />

Die gewerbliche Vermietung der Beklagten war auch <strong>im</strong> Zeitpunkt<br />

der Satzungsfassung nicht unbekannt. (…)<br />

<br />

RAin Dr. Sabine Wrede, BDEW<br />

Haftungsrecht<br />

Zur Produkthaftung für kurzzeitige Überspannungsschäden<br />

(Transiente Überspannung)<br />

Schlichtungsstelle Energie, Empfehlung vom 24.10.2013,<br />

3732/12<br />

Leitsätze (nicht amtlich)<br />

1. Transiente Überspannungen, die be<strong>im</strong> notwendigen Wiederhochfahren<br />

der Stromversorgung entstehen können, stellen keine Pflichtverletzung<br />

des Netzbetreibers dar.<br />

2. Die Nichtlieferung von Strom ist kein Fall, der unter das Produkthaftungsgesetz<br />

fällt, da eine Nichtlieferung begrifflich ein „fehlerhaftes<br />

Produkt“ ausschließt.<br />

3. Bei transienten Überspannungen, die be<strong>im</strong> Wiedereinschalten der<br />

Stromversorgung aufgr<strong>und</strong> physikalischer Gegebenheiten regelmäßig<br />

auftreten, kommt das Produkthaftungsgesetz nicht zur Anwendung,<br />

da es sich nicht um einen Produktfehler handelt. Haushaltsgeräte<br />

müssen nach der DIN EN 60664.1:2007 „Isolationskoordination<br />

für elektrische Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen“<br />

derart beschaffen sein, dass sie entsprechend kurzeitigen Spannungen<br />

bis 2.500 Volt standhalten.<br />

Schlichtungsempfehlung<br />

Die Beteiligten streiten über die Schadensersatzpflicht der Beschwerdegegnerin<br />

nach einer Versorgungsunterbrechung <strong>im</strong> Stromnetz der<br />

Beschwerdegegnerin.<br />

Am 20. Februar 2012 kam es <strong>im</strong> Ortsbereich des Beschwerdeführers<br />

zu einer technischen Kabelstörung, wodurch es zu einer Einschränkung<br />

in der Stromversorgung des Beschwerdeführers kam. Durch<br />

den dadurch bedingten Stromausfall bzw. die be<strong>im</strong> Wiederhochfahren<br />

ausgelösten Spannungsspitzen der Stromversorgung wurde der<br />

Computer des Beschwerdeführers beschädigt <strong>und</strong> ließ sich nicht<br />

mehr benutzen. Nach erfolglosen Reparaturversuchen musste sich<br />

der Beschwerdeführer einen neuen Computer kaufen, wodurch ihm<br />

zusammen mit den Reparaturarbeiten ein Kostenaufwand von<br />

831,98 Euro entstand.<br />

Diesen Schaden machte der Beschwerdeführer bei der Beschwerdegegnerin<br />

als Netzbetreiber geltend. Diese lehnte eine Schadensregulierung<br />

jedoch mit Hinweis auf § 18 der Verordnung über Allgemeine<br />

Bedingungen für den Netzanschluss <strong>und</strong> dessen Nutzung für die<br />

Elektrizitätsversorgung in Niederspannung (NAV) ab.<br />

Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Beschwerdegegnerin<br />

für eine lückenlose Stromversorgung sorgen müsse <strong>und</strong> als Netzbetreiber<br />

gemäß § 18 NAV für Schäden haften muss, die bei Störungen<br />

in der Anschlussnutzung entstünden.<br />

Die Beschwerdegegnerin ist der Ansicht, dass die Schlichtungsstelle<br />

Energie hier unzuständig sei, da es um eine Frage der Anschlussnutzung<br />

gehe, aber nicht um eine Frage des Anschlusses an das Versorgungsnetz,<br />

wie es § 111b Abs. 1 S. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)<br />

i. V. m. § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle voraussetze.<br />

Des Weiteren trägt sie vor, es habe sich bei der Störung um einen<br />

plötzlichen, nicht vorhersehbaren Ausfall eines Mittelspannungskabels<br />

ohne fremde Einwirkung gehandelt. Dadurch sei es zu einer<br />

Schutzauslösung <strong>und</strong> einer damit einhergehenden Ausschaltung <strong>im</strong><br />

anliegenden Umschaltwerk gekommen. Eine Ermittlung der Ursache<br />

des Kabelausfalls sei aufgr<strong>und</strong> des vorgef<strong>und</strong>enen Schadensbildes<br />

nicht möglich. Eine solche technische Störung könne be<strong>im</strong><br />

Betrieb elektrischer Anlagen auftreten <strong>und</strong> sei gerade be<strong>im</strong> hochtechnischen<br />

System des Leitungsnetzes mit seiner weitgehenden<br />

Vermaschung system<strong>im</strong>manent. Ein Netzbetreiber könne nicht ständig<br />

alle seine technischen Anlagen wie die Erdkabel kontrollieren.<br />

Da in diesem Fall eine technische Störung <strong>und</strong> weder eine Verursachung<br />

noch ein Verschulden der Beschwerdegegnerin vorgelegen<br />

habe, sei eine Haftung für den Schaden des Beschwerdeführers ausgeschlossen.<br />

In einer späteren Stellungnahme teilte die Beschwerdegegnerin noch<br />

mit, dass die Ab- <strong>und</strong> Zuschaltung nach den gebotenen Regeln der<br />

Technik ausgeführt worden seien, eine Fehlhandlung (Fehlschaltung)<br />

sei nicht feststellbar, was auch dokumentiert worden sei. Es<br />

habe dabei keine Unregelmäßigkeiten gegeben, die den angezeigten<br />

Schaden hätten verursachen dürfen Es bestehe zwar die Möglichkeit,<br />

dass die betriebsbedingten Schalthandlungen transiente Überspannungen<br />

verursacht hätten, wodurch kurzzeitige Spannungsspitzen<br />

erreicht werden können. Dies sei aber physikalisch bedingt <strong>und</strong><br />

daher unvermeidlich. Darum müssten die angeschlossenen Geräte<br />

so ausgelegt sein, dass sie von den üblicherweise zu erwartenden<br />

Überspannungen nicht beschädigt oder zerstört würden.<br />

Nach hiesiger Ansicht ist das Verfahren zulässig. Der Beschwerdeführer<br />

rügt, dass ihm durch das Unterbrechen bzw. Wiederhochfahren<br />

der Stromversorgung ein Schaden entstanden sei. Die Schlichtungsstelle<br />

Energie ist gemäß § 111b Abs. 1 S. 1 EnWG zuständig bei<br />

Streitigkeiten über den Anschluss an das Versorgungsnetz, die<br />

Belieferung mit Energie sowie die Messung der Energie. Zwar ist<br />

dort nicht ausdrücklich auch die Anschlussnutzung erwähnt. Nach<br />

der Gesetzesbegründung bezieht sich der Anwendungsbereich aber<br />

auf die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Verbrauchern <strong>und</strong><br />

Energieversorgungsunternehmen nach § 3 Nummer 18 EnWG, die<br />

aufgr<strong>und</strong> Vertrag oder aufgr<strong>und</strong> des Energiewirtschaftsgesetzes<br />

sowie auf dieser Gr<strong>und</strong>lage ergangener Verordnungen zustande<br />

kommen. Die Beschwerdegegnerin ist ein Netzbetreiber, welche in<br />

§ 3 Nummer 18 EnWG explizit erwähnt werden. Die streitgegenständliche<br />

Frage betrifft vorliegend das Anschlussnutzungsverhältnis,<br />

welches als gesetzliches Schuldverhältnis nach § 3 NAV zustande<br />

kommt (Danner/Theobald-Hartmann, 75. EL, § 3 NAV, Rn. 10). Die<br />

NAV wiederum ist eine Verordnung, welche auf Gr<strong>und</strong>lage des § 18<br />

Abs. 3 des EnWG ergangen ist. Dementsprechend ist die Schlichtungsstelle<br />

Energie nach der Gesetzesbegründung auch für


<strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014 39<br />

Beschwerden <strong>im</strong> Rahmen des Anschlussnutzungsverhältnisses zwischen<br />

Verbrauchern <strong>und</strong> Netzbetreibern, wie die streitgegenständliche<br />

Beschwerde, zuständig.<br />

Die Beschwerde ist nach hiesiger Ansicht allerdings unbegründet;<br />

dem Beschwerdeführer steht kein Schadenersatzanspruch gegen die<br />

Beschwerdegegnerin zu.<br />

Der Beschwerdeführer hätte einen Schadenersatzanspruch aus § 280<br />

BGB in Verbindung mit dem Anschlussnutzungsverhältnis <strong>im</strong> Sinne<br />

von § 3 NAV oder aus § 823 BGB, wenn die Beschwerdegegnerin ihre<br />

vertraglichen oder durch eine <strong>Recht</strong>snorm gesetzten Pflichten verletzt<br />

hätte <strong>und</strong> dem Beschwerdeführer dadurch ein Schaden entstanden<br />

wäre. In einem solchem Fall wird nach § 18 NAV, welcher keine<br />

eigenständige Anspruchsgr<strong>und</strong>lage darstellt (Schneider/Theobaldde<br />

Wyl, <strong>Recht</strong> der Energiewirtschaft, 3. Auflage, § 16, Rn. 71; Berl-<br />

KommEnR-Boesche, 2. Auflage, Anhang zu § 18 EnWG, § 18 NAV/<br />

NDAV, Rn. 8), ein Verschulden des Netzbetreibers für Schäden, die<br />

ein Anschlussnutzer durch Unterbrechung oder durch Unregelmäßigkeiten<br />

in der Anschlussnutzung erleidet, vermutet. Eine Versorgungsunterbrechung<br />

stellt eine Unterbrechung der Anschlussnutzung<br />

dar, eine Überspannung als Spannungsschwankung gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

eine Unregelmäßigkeit in der Anschlussnutzung <strong>im</strong> Sinne des<br />

§ 18 NAV (vgl. die Gesetzesbegründung für die NAV, BR-DRS<br />

367/06, S. 56 sowie Danner/Theobald, Stand der 55. EL von Januar<br />

2007, § 18 NAV, Rn. 21). Für einen Schadensersatzanspruch müsste<br />

dem Beschwerdeführer durch diese ein Schaden entstanden sein.<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich trägt der vermeintlich Geschädigte – hier der<br />

Beschwerdeführer – sowohl für die Art als auch für den Umfang des<br />

ihm nach seinem Vorbringen entstandenen Schadens die Beweislast,<br />

da nach ständig herrschender <strong>Recht</strong>sprechung der Nachweis des<br />

Haftungsgr<strong>und</strong>es, d. h. des Zusammenhangs zwischen dem schädigenden<br />

Verhalten <strong>und</strong> der <strong>Recht</strong>sgutverletzung (sogenannte haftungsbegründende<br />

Kausalität), den strengen Anforderungen des<br />

§ 286 Zivilprozessordnung (ZPO) unterliegt. Für die Überzeugung<br />

der Schlichtungsstelle ist ein für das praktische Leben brauchbarer<br />

Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, erforderlich<br />

(vgl. AG Brandenburg, Urteil vom 23. Mai 2011 Az.. 34 C 124/10<br />

mit Verweis auf AG Plettenberg, Urteil vom 16. Oktober 2009, Az:<br />

1 C 455/08). Zu den von dem Beschwerdeführer somit zu erbringenden<br />

Beweisen gehören dementsprechend sowohl der Nachweis der<br />

Verursachung als auch der Höhe des konkreten Schadens. Beides hat<br />

der Beschwerdeführer nach einem für das praktische Leben brauchbaren<br />

Grad von Gewissheit dargelegt. Von der Beschwerdegegnerin<br />

wurde die Höhe des geltend gemachten Schadens nicht bestritten<br />

<strong>und</strong> das Vorliegen einer Stromunterbrechung zur streitgegenständlichen<br />

Zeit sogar bestätigt. Auch wurde von ihr weder bestritten. dass<br />

die Stromunterbrechung, noch dass das Wiederhochfahren der<br />

Stromversorgung den Schaden des Beschwerdeführers ausgelöst hat.<br />

Es wurde nur vorgetragen, dass allenfalls kurzzeitige Spannungsspitzen<br />

erreicht worden seien. Folglich muss diesseits davon ausgegangen<br />

werden, dass der Schaden des Beschwerdeführers in der von ihm<br />

dargelegten Höhe durch die Stromunterbrechung <strong>und</strong>/oder die kurzzeitige<br />

Überspannung be<strong>im</strong> Wiederhochfahren entstanden ist.<br />

Ob darüber hinaus eine sowohl für einen Schadensersatz nach § 280<br />

BGB als auch nach § 823 BGB notwendige Pflichtverletzung der<br />

Beschwerdegegnerin vorliegt, ist jedoch fraglich. (…)<br />

Dies kann in diesem Fall jedoch dahinstehen, da die Beschwerdegegnerin<br />

vorliegend jedenfalls die Verschuldensvermutung des § 18 NAV<br />

widerlegt hat. Denn sie hat glaubhaft dargelegt, es habe sich bei der<br />

Störung um einen plötzlichen, nicht vorhersehbaren Ausfall eines<br />

Mittelspannungskabels ohne fremde Einwirkung gehandelt, welcher<br />

es zu einer Schutzauslösung <strong>und</strong> damit einhergehenden Ausschaltung<br />

<strong>im</strong> anliegenden Umschaltwerk geführt habe. Eine solche technische<br />

Störung könne be<strong>im</strong> Betrieb elektrischer Anlagen auftreten<br />

<strong>und</strong> sei gerade be<strong>im</strong> hochtechnischen System des Leitungsnetzes<br />

system<strong>im</strong>manent. Ein Netzbetreiber könne nicht ständig alle seine<br />

technischen Anlagen wie die Erdkabel kontrollieren. All dies hat sie<br />

plausibel dargelegt <strong>und</strong> es wurde vom Beschwerdeführer nicht<br />

bestritten. Somit muss diesseits davon ausgegangen werden, dass die<br />

Stromunterbrechung durch einen nicht vorhersehbaren <strong>und</strong> auch<br />

nicht zu vermeidenden Schaden an einem Erdkabel ausgelöst wurde.<br />

Weitere Entlastungsbeweise oder Darlegungen für das Widerlegen<br />

des Verschuldens sind aus hiesiger Sicht nicht notwendig. Es hätte<br />

vielmehr dem Beschwerdeführer oblegen, diese Ausführungen zu<br />

widerlegen, was er nicht getan hat. Aufgr<strong>und</strong> des somit fehlenden<br />

Verschuldens kann daher bezüglich des Stromausfalls, unabhängig<br />

von der Frage einer eventuellen Pflichtverletzung der Beschwerdegegnerin,<br />

kein Schadenersatzanspruch aus dem Netzanschlussverhältnis<br />

oder aus § 823 BGB hergeleitet werden.<br />

Auch aufgr<strong>und</strong> der Überspannung, die nach dem Vortrag des<br />

Beschwerdeführers ebenfalls eine Ursache für den ihm entstandenen<br />

Schaden sein könnte, hat der Beschwerdeführer keinen Schadensersatzanspruch<br />

gegenüber der Beschwerdegegnerin. Hier scheitert der<br />

Anspruch bereits am Vorliegen einer Pflichtverletzung.<br />

Bei allen auf einen Leistungserfolg gerichteten Pflichten stellt bereits<br />

der Nichteintritt des Leistungserfolgs eine Pflichtverletzung dar<br />

(siehe oben). Nach § 16 Abs. 3 S. 1 NAV, der den Leistungserfolg<br />

eines Netzbetreibers für die Nutzung <strong>im</strong> Niederspannungsbereich<br />

bezüglich der Spannung definiert, hat der Netzbetreiber Spannung<br />

<strong>und</strong> Frequenz „möglichst gleichbleibend” zu halten. Bei einem Netzbetreiber<br />

können somit Spannungsschwankungen eine Pflichtverletzung<br />

bzw. vorwerfbare Verletzungshandlung sein (siehe Schneider/<br />

Theobald-de Wyl, <strong>Recht</strong> der Energiewirtschaft, 3 Auflage, § 16, Rn.<br />

71). Allerdings stellen kurzzeitige, sog. transiente Überspannungen<br />

keine Pflichtverletzung des Netzbetreibers dar (vgl. AG Plauen,<br />

Urteil v. 24. Februar 2010, 7 C 1025/09). Denn transiente Überspannungen,<br />

die eine Dauer von einigen Millisek<strong>und</strong>en bis zu weniger als<br />

einer Mikrosek<strong>und</strong>e haben, treten be<strong>im</strong> Wiedereinschalten der<br />

Stromversorgung regelmäßig auf <strong>und</strong> sind nicht genau vorhersehbar<br />

(siehe DIN EN 50160:2010 + Cor.: 2010 ,,Merkmale der Spannung<br />

in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen“, Deutsche Fassung,<br />

Ziffern 1.2 i. V. m. 3.22, 4.1 <strong>und</strong> 4.3.3). Da solche kurzzeitigen Überspannungen,<br />

die physikalisch bedingt be<strong>im</strong> Wiederhochfahren der<br />

Stromversorgung unabwendbar sind, somit vom Netzbetreiber auch<br />

nicht vermieden werden können (so auch AG Plauen, Urteil v. 24.<br />

Februar 2010, 7 C 1025/09), kann ein Netzbetreiber durch ihr Entstehen<br />

auch nicht gegen seine Pflicht aus § 16 Abs. 3 S. 1 NAV verstoßen,<br />

die Spannung „möglichst gleichbleibend” zu haben. Wenn<br />

der Netzbetreiber in diesen Fällen alles ihm dazu Mögliche untern<strong>im</strong>mt,<br />

um den Strom unter konstanter Spannung wieder hochzufahren,<br />

so hat er die Spannung auch „möglichst gleichbleibend”<br />

gehalten. Etwas Unmögliches kann von ihm nicht verlangt werden<br />

<strong>und</strong> wird vom ihm nach § 16 Abs. 3 S. 1 NAV auch gerade nicht<br />

verlangt. Für diese Ansicht spricht auch die Tatsache, dass alle in<br />

der Europäischen Union vertriebenen Haushaltsgeräte solchen transienten<br />

Überspannungen bis zu einem Wert von 2.500 Volt standhalten<br />

müssen (siehe DIN EN 60664:12007 Isolationskoordination für<br />

elektrische Betriebsmittel in Niederspannungsanlagen Deutsche<br />

Fassung, Ziffern 3.9.2 i. V. m. 4.3.3.2.2, 4.3.3.3 <strong>und</strong> Anhang F,<br />

Tabelle F.1). Dementsprechend stellen transiente Überspannungen,<br />

die be<strong>im</strong> notwendigen Wiederhochfahren der Stromversorgung entstehen,<br />

keine Pflichtverletzung des Netzbetreibers dar.<br />

Anders kann dies jedoch bei länger andauernden Spannungsschwankungen<br />

sein, die beispielsweise durch das nicht ordnungsgemäße<br />

Zuschalten der Stromversorgung entstehen können. Ob es vorliegend<br />

allenfalls zu einer solchen transienten Überspannung kam, wie<br />

von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, oder zu einer länger<br />

andauernden Überspannung, ist zwar nicht abschließend geklärt.<br />

Allerdings hat der Beschwerdeführer weder vorgetragen noch nachgewiesen,<br />

dass es zu einer mehr als kurzzeitigen Überspannung<br />

gekommen ist. Auch der den Computer des Beschwerdeführers<br />

begutachtende Techniker gab nur an, dass die Schäden durch einen<br />

Stromausfall <strong>und</strong>/oder eine „Überspannung bei der Wiederzuschaltung<br />

der Stromversorgung” hervorgerufen worden seien, was dafür<br />

spricht, dass es nur zu den (üblichen) transienten Spannungsspitzen<br />

be<strong>im</strong> Wiederhochfahren kam. Die Beschwerdegegnerin hat dagegen<br />

jedoch vorgetragen, die Ab- <strong>und</strong> Zuschaltung seien nach den gebotenen<br />

Regeln der Technik ausgeführt worden, wodurch möglicherweise<br />

kurzzeitige Spannungsspitzen aufgetreten seien; darüber hinaus<br />

habe es keine Unregelmäßigkeiten gegeben. Dies ist vom<br />

Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Insofern muss diesseits


40 <strong>Recht</strong> <strong>und</strong> <strong>Steuern</strong> <strong>im</strong> <strong>Gas</strong>- <strong>und</strong> <strong>Wasserfach</strong> 2014<br />

davon ausgegangen werden, dass die Zuschaltung ordnungsgemäß<br />

ausgeführt worden ist <strong>und</strong> es somit allenfalls zu einer transienten<br />

Überspannung kam, welche wie oben dargelegt keine Pflichtverletzung<br />

der Beschwerdegegnerin darstellt. Aufgr<strong>und</strong> des Fehlens einer<br />

Pflichtverletzung kann somit bezüglich des Wiederhochfahrens der<br />

Stromversorgung kein Schadenersatzanspruch aus dem Netzanschlussverhältnis<br />

oder aus § 823 BGB hergeleitet werden.<br />

Ein zumindest teilweiser Schadensersatzanspruch könnte dem<br />

Beschwerdeführer noch gemäß § 1 Abs 1 S. 1 des Gesetzes über die<br />

Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz – Prod-<br />

HaftG) zustehen. Danach hat der Hersteller <strong>im</strong> Falle von Fehlern<br />

seines Produktes, wenn diese eine Sachbeschädigung hervorrufen,<br />

dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.<br />

Im Gegensatz zu den §§ 280 <strong>und</strong> 823 BGB ist die Haftung hier verschuldensunabhängig<br />

(Klein, BB 1991, 917, 918), eine Pflichtverletzung<br />

ist nicht vorausgesetzt.<br />

Bezüglich des Stromausfalls ist ein denkbarer Schadensersatzanspruch<br />

nach dem Produkthaftungsgesetz jedoch ausgeschlossen.<br />

Denn die Nichtlieferung von Strom kann nicht als Produktfehler <strong>im</strong><br />

Sinne des § 3 ProdHaftG angesehen werden, weil es hier bereits<br />

begrifflich an einem Produkt fehlt, das fehlerhaft sein könnte (OLG<br />

Zweibrücken, Urteil vom 13. Juni 1995, 8 U 8/92; MüKo-Wagner, 4.<br />

Auflage, § 4 ProdHaftG, Rn. 12; Palandt-Sprau, 73. Auflage, § 2<br />

ProdHaftG, Rn. 1; Klein, BB 1991, 917, 920; Staudinger-Oechsler,<br />

Neubearbeitung von 2009, § 2 ProdHaftG, Rn. 45 mit Nachweisen<br />

auf eine abweichende Mindermeinung), folglich ist das Produkthaftungsgesetz<br />

für bei Stromunterbrechungen gar nicht einschlägig.<br />

Anders sieht es aber bezogen auf die (transiente) Überspannung aus.<br />

Allerdings müssten für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch<br />

die anderen <strong>im</strong> Produkthaftungsgesetz genannten Voraussetzungen<br />

vorliegen. Es muss sich be<strong>im</strong> Strom also um ein Produkt <strong>im</strong><br />

Sinne des Produkthaftungsgesetzes handeln, der Netzbetreiber muss<br />

der Produzent sein <strong>und</strong> es muss ein entsprechender Fehler des Produktes<br />

vorliegen.<br />

Strom ist ein Produkt <strong>im</strong> Sinne des Produkthaftungsgesetzes, wie<br />

sich ausdrücklich aus § 2 ProdHaftG ergibt. Fraglich ist aber, ob ein<br />

Netzbetreiber Hersteller des Stroms <strong>im</strong> Sinne des § 4 ProdHaftG ist.<br />

Ein Versorgungsunternehmen ist dann als Hersteller des § 4 Abs 1<br />

ProdHaftG zu sehen, wenn der gelieferte Stoff von dem Unternehmen<br />

verändert wird, um die Weiterleitung an den Endabnehmer zu<br />

ermöglichen, etwa durch Transformation von Elektrizität auf eine<br />

andere Spannungsebene (MüKo-Wagner, 4. Auflage, § 4 ProdHaftG,<br />

Rn. 12; Klein, BB 1991, 917, 921). Die Beschwerdegegnerin transformiert<br />

als Netzbetreiberin den Strom in einen für den Endverbraucher<br />

nutzbaren Niederspannungsbereich, somit ist sie Hersteller <strong>im</strong><br />

Sinne des § 4 ProdHaftG (so <strong>im</strong> Ergebnis wohl auch Schneider/<br />

Theobald-de Wyl, <strong>Recht</strong> der Energiewirtschaft, 3. Auflage, § 16, Rn.<br />

87; a. A. LG Berlin, Urteil v. 21. Dezember 2012, 55 S 157/11, allerdings<br />

mit der nicht nachvollziehbaren Begründung, dass der Kraftwerksbetreiber<br />

Hersteller sei, obwohl es nach § 5 S. 1 ProdHaftG<br />

auch mehrere Hersteller geben kann). Auch scheitert eine Haftung<br />

des Netzbetreibers nach dem Produkthaftungsgesetz nicht an dem<br />

Ausschlussgr<strong>und</strong> des § 1 Abs. 2 Nr. 1 ProdHaftG, da der Prozess des<br />

lnverkehrbringens erst mit der Weiterleitung des Stroms an dem<br />

Hausanschluss abgeschlossen ist (Klein, BB 1991, 917, 923; siehe<br />

auch MüKo-Wagner, 4. Auflage, § 2 ProdHaftG, Rn. 3).<br />

Entscheidend ist nun, ob ein Fehler <strong>im</strong> Sinne des § 3 ProdHaftG<br />

vorlag. Bei Elektrizität kann <strong>im</strong> Falle von Frequenz- <strong>und</strong> Spannungsschwankungen<br />

ein Fehler <strong>im</strong> Sinne des Produkthaftungsgesetzes<br />

vorliegen (Kullmann, 6. Auflage, § 2 ProdHaftG, Rn. 5; Staudinger-Oechsler,<br />

Neubearbeitung von 2009, § 2 ProdHaftG, Rn. 45; v.<br />

Westphalen, Produkthaftungshandbuch, 3. Auflage, § 55, Rn. 9;<br />

Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz <strong>und</strong> EG-Produkthaftungsrichtlinie,<br />

2. Auflage, Art. 6, Rn. 26; Palandt-Sprau, 71. Auflage,<br />

§ 2 ProdHaftG, Rn. 1; Klein, BB 1991, 917, 920). Fraglich ist,<br />

wann dies konkret anzunehmen ist. Nach § 3 Abs. 1 ProdHaftG hat<br />

ein Produkt einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die<br />

unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet<br />

werden kann. Schwankungen der Stromstärke oder Spannung sind<br />

dann als Fehler anzusehen <strong>und</strong> erfüllen somit nicht die nach § 3 Abs.<br />

1 ProdHaftG relevanten Sicherheitserwartungen, wenn sie über die<br />

ublichen Schwankungen hinausgehen (Danner/Theobald, Stand der<br />

55. EL von Januar 2007, § 16 NAV, Rn. 9; vgl. Taschner/Frietsch,<br />

Produkthaftungsgesetz <strong>und</strong> EG-Produkthaftungsrichtlinie, 2. Auflage,<br />

Art. 6, Rn. 26; siehe auch Schneider/Theobald-de Wyl, <strong>Recht</strong><br />

der Energiewirtschaft, 3. Auflage, § 16, Rn. 86). Diese nach § 3 Abs.<br />

1 ProdHaftG relevanten Sicherheitserwartungen bzw. die Üblichkeit<br />

der Stromeigenschaften werden durch die NAV konkretisiert (vgl.<br />

Staudinger-Oechsler, Neubearbeitung von 2009, § 2 ProdHaftG, Rn.<br />

49 sowie Klein, BB 1991, 917, 920). In § 16 Abs. 3 S. 1, 2 NAV ist<br />

geregelt, dass der Netzbetreiber Spannung <strong>und</strong> Frequenz möglichst<br />

gleichbleibend zu halten hat, so dass allgemein übliche Verbrauchsgeräte<br />

<strong>und</strong> Stromerzeugungsanlagen einwandfrei betrieben werden<br />

können. Der Spielraum ist überschritten, wenn Spannungs- oder<br />

Frequenzschwankungen über diejenigen Grenzen hinausgehen, die<br />

<strong>im</strong> Rahmen des Toleranzbereiches der Sicherheitsnormen für einen<br />

einwandfreien Betrieb der Verbrauchsgeräte vorgesehen sind (Danner/Theobald,<br />

Stand der 55. EL von Januar 2007, § 16 NAV, Rn. 9).<br />

Laut der einschlägigen DIN EN 50160:2010 + Cor.: 2010 „Merkmale<br />

der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen“<br />

treten transiente Überspannungen be<strong>im</strong> Wiedereinschalten der<br />

Stromversorgung aufgr<strong>und</strong> physikalischer Begebenheiten regelmäßig<br />

auf (siehe oben), weswegen Haushaltsgeräte nach der DIN EN<br />

60664.1:2007 „Isolationskoordination für elektrische Betriebsmittel<br />

in Niederspannungsanlagen“ derart beschaffen sein müssen, dass sie<br />

entsprechenden kurzeitigen Spannungen bis 2.500 Volt standhalten<br />

(siehe oben). Folglich liegen diese transienten Überspannungen <strong>im</strong><br />

Rahmen des Toleranzbereichs der relevanten Sicherheitsnormen.<br />

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beschwerdegegnerin hat es<br />

darüber hinaus gehende Spannungsschwankungen nicht gegeben<br />

(siehe oben). Demnach stellen die in diesem Fall vorgetragenen <strong>und</strong><br />

unbestritten gebliebenen Spannungsschwankungen keinen Produktfehler<br />

<strong>im</strong> Sinne des Produkthaftungsgesetzes dar, so dass der<br />

Beschwerdeführer auch auf der Gr<strong>und</strong>lage des Produkthaftungsgesetzes<br />

keinen Schadensersatzanspruch gegenüber der Beschwerdegegnerin<br />

geltend machen kann.<br />

Unter Abwägung der vorgetragenen Meinungen <strong>und</strong> der Würdigung<br />

der <strong>Recht</strong>slage wird daher empfohlen, dass sich die Beteiligten wie<br />

folgt einigen:<br />

Es besteht keine Schadenersatzpflicht der Beschwerdegegnerin<br />

gegenüber dem Beschwerdeführer.<br />

<br />

RA Annett Heublein, BDEW<br />

DIV Deutscher In dust rie ver lag GmbH, Arnulfstraße 124, 80636 Mün chen.<br />

Prin ted in Ger ma ny.<br />

Bei la ge zu gwf-<strong>Gas</strong> | Erd gas <strong>und</strong> gwf-Was ser | Ab was ser 155 (2014) Heft 9–10.<br />

R + S er scheint als Teil des gwf je den zwei ten Mo nat. Wei te re Ein zel hef te kön nen vom Ver lag be zo gen wer den. Be zugs preis: Ein zel heft Euro 11,50,<br />

Jah res abon ne ment Euro 78,– incl. Mehr wert steu er zu züg lich Ver sand spe sen.<br />

Schriftleitung: <strong>Recht</strong>s an wäl tin An nett He ub lein, An schrift: BDEW B<strong>und</strong>esverband der Energie- <strong>und</strong> Was ser wirt schaft e. V., Rein hardtstraße 32,<br />

D-10117 Berlin.

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