REGIONAL-ANZEIGER, Juni-Juli '07 [pdf] - Ev. Kirchenkreis ...
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<strong>REGIONAL</strong>-<strong>ANZEIGER</strong><br />
Der längste Tag<br />
Am 21. <strong>Juni</strong>, 20.06 MESZ ist es soweit: Die<br />
Sonne erreicht in diesem Jahr ihren nördlichsten<br />
Stand – 23,4 Grad nördliche Breite. Genau auf<br />
diesen Moment fällt 2007 der kalendarische<br />
Sommerbeginn. Das spektakuläre Naturschauspiel<br />
des längsten Tages und der kürzesten<br />
Nacht hat die Menschen zu allen Zeiten bewegt.<br />
Die Sommersonnenwende ist einer<br />
der ältesten Feiertage der<br />
Menschheit und in vielen antiken<br />
Kulturen belegt. Unsere direkten<br />
heidnischen Vorfahren feierten<br />
die Sommersonnwende zwölf<br />
Tage lang. Für Menschen, deren<br />
Existenz unmittelbar von Naturerscheinungen<br />
abhing, war das<br />
die sorgloseste Zeit des Jahres.<br />
Die Sommersonnenwende war<br />
für die alten Germanen ein Fest<br />
der Freude und des Dankes. Es<br />
Johannes der Täufer<br />
Buntglasf. in der Michaeliskirche<br />
gab reichlich Starkbier – oft mit Kräutern versetzt<br />
wegen der aphrodisierenden Wirkung.<br />
Freudenfeuer wurden umtanzt und übersprungen.<br />
Liebesschwüre verschenkt. Allem Anschein<br />
nach war viel Raum für Erotik, Lust und Leidenschaft.<br />
In vorwissenschaftlicher Zeit wurden<br />
Naturerscheinungen mythologisch gedeutet: Die<br />
Erdgöttin war „schwanger“ mit den Früchten<br />
des Feldes. Bilwis – Priester – die dem germanischen<br />
Gott Baldur dienten – segneten die Felder.<br />
Baldur, der Gott des Lichtes und der<br />
Schönheit, wird ausgerechnet an dem Tag, an<br />
dem er am unverwundbarsten scheint, am längsten<br />
Tag des Jahres, ermordet.<br />
Auf diese Legenden und dieses Brauchtum stießen<br />
die christlichen Missionare, die von Irland<br />
und Britannien aus den europäischen Kontinent<br />
missionierten. Aus dem Sonnenwendfest wurde<br />
der Johannistag, Gedenktag der Geburt Johannes<br />
des Täufers. Das Datum des Festes errechnet<br />
sich nach dem Lukasevangelium Kapitel 1<br />
Vers 26 und 36 – 6 Monate vor der Geburt Jesu.<br />
In unmittelbarer Nähe zum Sonnenwendtermin<br />
wurde schon bald der Täuferspruch auf den<br />
kommenden Christus bezogen: „Er muss wachsen,<br />
ich aber muss abnehmen.“ (Johannesevangelium<br />
Kapitel 3 Vers 30). Johannes, nach biblischem<br />
Zeugnis der Sohn von Zacharias und Elisabeth,<br />
ist allem Anschein nach eine historische<br />
Figur. Neben den biblischen Quellen, berichtet<br />
auch der jüdischen Geschichtsschreiber Flavius<br />
Josephus von ihm. Sein öffentliches Wirken begann<br />
demnach um das Jahr 29/30 n. Chr. Der<br />
Inhalt seiner Predigt hatte eine deutliche ethische<br />
Dimension: Er verlangte von seinen Zeitgenossen<br />
eine konkrete Veränderung<br />
ihres Handelns(Lk 3,10-14).<br />
Er taufte die Menschen, die sich<br />
aufgrund seiner Predigt bekehrten<br />
und zuvor öffentlich ihre<br />
Sünden bekannt hatten im Jordan.<br />
Von der Taufe Jesu durch<br />
Johannes berichtet Lukas 3,21ff.<br />
Das Anliegen des Täufers war es,<br />
die Ankunft des Messias vorzubereiten.<br />
Die Taufe als Zeichen<br />
der „geistlich moralischen“ Wende<br />
des Volkes. Mit seiner Kritik<br />
an den Zuständen seiner Zeit, mit seiner Ablehnung<br />
des romtreuen jüdischen Vasallenkönig<br />
Herodes Antipas und mit seiner großen Anhängerschar<br />
wurde er bald zu einer Gefahr für die<br />
damals Mächtigen. Wahrscheinlich im Spätsommer<br />
des Jahres 35 n. Chr. wurde er in der Festung<br />
Machaerus am Toten Meer hingerichtet.<br />
Im Heiligenkalender gilt der 29. August als sein<br />
Todestag. Bedeutender aber ist sein Geburtstag,<br />
der 24. <strong>Juni</strong>. Die Vornamen Johannes, Johanna,<br />
Hans (dt. „Gott ist gnädig“) sind bis heute überaus<br />
populär und sind ein Beleg für die Beliebtheit<br />
des Heiligen. Im Volksaberglauben haben<br />
sich viele Bräuche erhalten, die mit dem Johannistag<br />
in Verbindung stehen und die auf seine<br />
vorchristlichen Wurzeln hinweisen. Mädchen<br />
binden sich Kränze aus sieben verschiedenen<br />
Blumen oder neun verschiedenen Wildkräutern,<br />
die bei der Suche nach dem rechten Mann fürs<br />
Leben helfen. Wünsche beim Sprung über das<br />
Johannisfeuer erfüllen sich. Das Johannisfeuer<br />
selbst schützt gegen Hagelschlag. Am Johannistag<br />
sind die Johannisbeeren reif. Johanniskraut<br />
gedeiht und Johanniskäfer krabbeln. Spargel und<br />
Rhabarber werden bis Johanni geerntet. Und<br />
nicht zu vergessen die alte Bauernregel: „Wenn<br />
die Johanniswürmer glänzen, darfst Du richten<br />
Deine Sensen.“ ( Th.Fr. )