NEISSE-ECHO - Guben
NEISSE-ECHO - Guben
NEISSE-ECHO - Guben
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Guben</strong> - 2 -<br />
Nr. 3/2012<br />
Woidke verspricht beim Stadtforum längeren Einsatz der zusätzlichen Polizeikräfte<br />
Im deutsch-polnischen Grenzgebiet<br />
beeinträchtigen Eigentumsdelikte<br />
das Sicherheitsempfinden<br />
der Menschen und<br />
verursachen auch im Bereich<br />
der Wirtschaft einen erheblichen<br />
Schaden. Deshalb galt<br />
es, beim 6. Stadtforum <strong>Guben</strong><br />
- Gubin am 10. Februar 2012<br />
in der Aula der Europaschule<br />
mögliche und nötige Konsequenzen<br />
und Sicherheitsstrategien<br />
zu diskutieren.<br />
Der brandenburgische Innenminister<br />
Dr. Dietmar Woidke<br />
zeigte Verständnis für die<br />
Betroffenen und gab zu: „Die<br />
grenzüberschreitende Kriminalität<br />
stellt uns vor große<br />
Herausforderungen.“ Er kündigte<br />
an, so lange zusätzliche<br />
Polizeikräfte im Grenzbereich<br />
einzusetzen, wie es für nötig<br />
erachtet wird, ohne dem eine<br />
zeitliche Begrenzung zu setzen.<br />
Woidke versicherte, dass<br />
das Polizeipräsidium seit längerer<br />
Zeit an der Eindämmung<br />
der Kriminalität im grenznahen<br />
Bereich arbeitet. Als Beispiele<br />
nannte er die 308 zusätzlichen<br />
Polizeibeamten, die seit Anfang<br />
Januar in <strong>Guben</strong> im Einsatz<br />
sind, die Besondere Aufbauorganisation<br />
(BAO) Grenze<br />
zur Ermittlung von Schwerpunkten<br />
zur wirksamen Bekämpfung<br />
und verstärkte Polizeieinsätze.<br />
Außerdem gebe<br />
es Sicherheitspartnerschaften<br />
der Polizei, beispielsweise mit<br />
den Handwerks- und Industrie-<br />
und Handelskammern. Mit<br />
den polnischen Sicherheitsbehörden<br />
steht die deutsche<br />
Seite stetig im Gespräch, auch<br />
wenn die Kommunikation<br />
nach Woidkes Meinung noch<br />
ausbaufähig ist.<br />
Er machte darauf aufmerksam,<br />
dass die Maßnahmen<br />
nicht über Nacht zur Stärkung<br />
des Sicherheitsgefühls<br />
der Menschen führen können,<br />
aber hart an diesem Ziel gearbeitet<br />
werde. Er bat um die<br />
Unterstützung jedes einzelnen,<br />
es den Tätern so schwer<br />
wie möglich zu machen und<br />
Diebstählen vorzubeugen.<br />
Auf eine konkrete Anfrage hin<br />
sicherte Dr. Dietmar Woidke<br />
zu, dass Zollbeamte noch vor<br />
dem Sommer mit einer Eilzuständigkeit<br />
ausgestattet werden,<br />
also auch festgestellte<br />
Täter festhalten dürfen, bis die<br />
Polizei eintrifft.<br />
Der stellvertretende Bürgermeister<br />
der Stadt <strong>Guben</strong>, Fred<br />
Mahro, machte auf die vielen<br />
grenzübergreifenden Projekte<br />
aufmerksam, die ohne die<br />
Öffnung der Grenze zwischen<br />
Deutschland und Polen nicht<br />
möglich wären. Sanktionen<br />
wie die Kontrolle der Identität<br />
oder der Warenwirtschaft<br />
hält er für eine „Belastung<br />
unserer kommunalen Gemeinschaft.<br />
Jegliche Versuche, die<br />
den Schutz der körperlichen<br />
Unversehrtheit und des Eigentums<br />
infrage stellen oder<br />
beeinträchtigen, sind deshalb<br />
immer ein Angriff auf unser<br />
bürgerschaftliches Miteinander<br />
und können in keiner Weise<br />
toleriert werden.“<br />
Eine Gemeinschaft der Städte<br />
und Gemeinden auf deutscher<br />
und polnischer Seite, die ständige<br />
Kommunikation, analoge<br />
Voraussetzungen für ein gemeinschaftliches<br />
Handeln, Sicherheitspartnerschaften<br />
und<br />
eine ausreichende Straßenbeleuchtung<br />
hält er für unerlässlich<br />
im Kampf gegen „Störenfriede“.<br />
Wichtig sei auch ein<br />
offener Umgang mit dem Problem,<br />
das „Verschweigen und<br />
Verniedlichen“ bringe nichts.<br />
Fred Mahro ist erfreut darüber,<br />
dass das Verhältnis zwischen<br />
Deutschland und Polen in den<br />
vergangenen Jahren vor allem<br />
auf menschlicher Ebene<br />
große Fortschritte gemacht<br />
hat, denn nicht nur die Politik,<br />
sondern auch die Menschen<br />
auf beiden Seiten der Neiße<br />
sind es, die das alltägliche Leben<br />
miteinander gestalten. Er<br />
bedankte sich bei Dr. Dietmar<br />
Woidke für die Zusage, die zusätzlichen<br />
Polizeikräfte so lange<br />
wie nötig in der Region zu<br />
belassen.<br />
Der Bürgermeister der Stadt<br />
Gubin, Bart?omiej Bartczak,<br />
hat an der <strong>Guben</strong>er Europaschule<br />
Abitur gemacht und<br />
sieht sich selbst als „Produkt<br />
der deutsch-polnischen Zusammenarbeit“,<br />
wie es der<br />
ehemalige Spree-Neiße-Landrat<br />
Dieter Friese einmal zu ihm<br />
gesagt hatte. Die Bekämpfung<br />
der Grenzkriminalität sieht<br />
er als gemeinsame Aufgabe,<br />
denn „den Ärger haben wir ja<br />
auch gemeinsam“. Er bat alle<br />
Anwesenden, alles dafür zu<br />
tun, dass das Leben an der<br />
Grenze sicherer und besser<br />
wird und „unsere Kinder hier in<br />
der Region bleiben“.<br />
Uwe Schulz, Leiter des Fachbereiches<br />
für Ordnung und Sicherheit<br />
bei der Stadt <strong>Guben</strong>,<br />
und Krzysztof Dubert, Leiter<br />
der Stadtwache Gubin, gaben<br />
einen Überblick über die Situation<br />
vor Ort. Uniformierte<br />
Mitarbeiter laufen auf beiden<br />
Seiten Streife, nehmen Beschwerden<br />
jeder Art entgegen<br />
und unterstützen durch ihre<br />
Präsenz die Polizei bei ihrer<br />
Arbeit. Uwe Schulz schätzt<br />
jedoch ein, dass die Kontrolldichte<br />
zu gering ist, um effektiv<br />
Diebstähle und Kriminalität<br />
zu verhindern. Geprüft werde<br />
derzeit die Zusammenstellung<br />
eines Präventionsbeirates.<br />
Die Zusammenarbeit beider<br />
Institutionen umfasst vor allem<br />
gemeinsame Streifen bei Veranstaltungen<br />
und Feierlichkeiten<br />
beider Städte und regelmäßige<br />
Treffen, bei denen die<br />
wichtigsten Sicherheitsprobleme<br />
in beiden Städten ausgetauscht<br />
werden. Als weitere<br />
Anlaufstelle neben den beiden<br />
Stadtwachen dient der grenzüberschreitendeInformationspunkt<br />
von Bundespolizei und<br />
Gubiner Stadtwache direkt an<br />
der großen Neißebrücke.<br />
Marcin Jablonski, Wojewode<br />
der Wojewodschaft Lubuskie<br />
in Polen, betonte, dass Grenzkriminalität<br />
auf beiden Seiten<br />
ein Problem ist und deutsche<br />
und polnische Täter involviert<br />
sind. Also müssten auch beide<br />
Seiten gemeinsam an der<br />
Lösung des Problems arbeiten.<br />
Die Berichte in den deutschen<br />
Medien zum Anstieg<br />
der Grenzkriminalität und den<br />
Ursachen hält er zum Teil für<br />
übertrieben und voreilig. Laut<br />
den Erfahrungen der polnischen<br />
Behörden ist das so<br />
auch nicht nachweisbar.<br />
Als Hauptpunkte der bestehendengrenzüberschreitenden<br />
Zusammenarbeit nannte<br />
und lobte er vor allem die<br />
Kooperation bei Hochwasser,<br />
Katastrophen und Notfällen -<br />
beispielsweise die Lieferung<br />
von 600.000 Sandsäcken von<br />
Brandenburg an Lubuskie<br />
beim letzten Hochwasser. Eine<br />
große Bedeutung auf diesem<br />
Gebiet misst er auch den Freiwilligen<br />
Feuerwehren und dem<br />
Technischen Hilfswerk auf beiden<br />
Seiten bei. Die deutschpolnischenKommunikationsstrukturen<br />
funktionieren<br />
seiner Meinung nach bereits<br />
sehr gut. Er vertraut darauf,<br />
dass die Zusammenarbeit<br />
und Absicherung auch bei der<br />
Fußball-Europameisterschaft<br />
2012 gut laufen werden.<br />
Sven Bogacz, Leiter der Polizeidirektion<br />
Süd in Brandenburg,<br />
differenziert zwischen<br />
grenzüberschreitender Kriminalität<br />
(international organisierter<br />
Rauschgifthandel,<br />
Menschenhandel, organisierte<br />
Kriminalität) und Grenzkriminalität<br />
(Gewaltstraftaten, Eigentumsdelikte<br />
wie im gesamten<br />
Bundesgebiet). Letztere<br />
ist im Grenzbereich aber zum<br />
Teil auch grenzüberschreitend.<br />
Jeder dieser beiden Bereiche<br />
müsse anders bekämpft werden.<br />
Im Bereich der Grenzkriminalität<br />
wird vor allem präventiv gearbeitet:<br />
durch Polizeipräsenz,<br />
Aufklärung der Menschen, Sicherheitspartnerschaften<br />
mit<br />
Schulen o.ä. und die Zusammenarbeit<br />
mit der polnischen<br />
Polizei (gemeinsame Streifen,<br />
Informationsaustausch). Bei<br />
Wohnungs- und Bungaloweinbrüchen<br />
seien durch den<br />
Einsatz der zusätzlichen Polizeikräfte<br />
in den vergangenen<br />
Wochen bereits Erfolge zu verzeichnen.<br />
In der Diskussion wurde deutlich,<br />
dass auch die Arbeit von<br />
Vereinen mit Jugendlichen<br />
und Familien Einfluss auf die<br />
Gesellschaft und damit auf die<br />
Sicherheit nimmt.<br />
Die Schließung der Grenze,<br />
so sagte es ein polnischer<br />
Teilnehmer, wäre eine Katastrophe.<br />
Wichtig in der grenzübergreifendenKommunikation<br />
und Arbeit seien nicht die<br />
Methoden, sondern die Ergebnisse.<br />
Ein deutscher Versicherungsvertreter<br />
berichtete von einem<br />
Anstieg von Schadensfällen<br />
vor allem bei den Fahrraddiebstählen<br />
und äußerte die Hoffnung,<br />
dass diese Zahl nicht<br />
noch weiter ansteigt. Die Polizei<br />
bestätigt diesen Trend und<br />
hofft, dass die Gegenmaßnahmen<br />
greifen.