CCC - Das chaos Computer Buch
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<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
<strong>Das</strong> Chaos <strong>Computer</strong> <strong>Buch</strong><br />
Technologien als solche in Frage gestellt oder zumindest über deren<br />
Auswirkungen öffentlich nachgedacht. Ihr Verhältnis zu <strong>Computer</strong>n<br />
ist unkompliziert bis haarsträubend», meinten die <strong>Computer</strong>gegner<br />
resigniert. Tatsächlich saß der <strong>CCC</strong> zwischen den Stühlen: in Rechenzentren<br />
und <strong>Computer</strong>firmen als Einbrecher und Störenfriede berüchtigt,<br />
bei Linken als «Trüffelschweine der Elektronikindustrie»<br />
verachtet, die unbezahlte Entwicklungsarbeit leisteten.<br />
Wie reagierten die Hacker auf solche Vorwürfe? Sie hackten einfach<br />
weiter, munter drauflos. Doch es gab noch etwas anderes. Spielen,<br />
Hacken und Programme-Knacken war selbst den hartgesottenen<br />
<strong>Computer</strong>fans aus Hamburg auf die Dauer zu wenig. Es ging ja immer<br />
noch, wir erinnern uns, um die Mission: <strong>Das</strong> «neue Menschenrecht auf<br />
zumindest weltweiten, unbehinderten und nicht kontrollierbaren<br />
Informationsaustausch». <strong>Das</strong> sollte zunächst mal im eigenen Rahmen,<br />
in der <strong>Computer</strong>szene, verwirklicht werden. In mehreren Städten<br />
entstanden nach dem Vorbild des <strong>CCC</strong> Hackerclubs, die mit den<br />
Hamburgern über neueröffnete lokale und bundesweite Mailboxen in<br />
Kontakt standen. Andere Aktivitäten galten <strong>Computer</strong>konferenzen, bei<br />
denen an verschiedenen Orten - manchmal ging es bis in die USA -<br />
<strong>Computer</strong>fans zur gleichen Zeit vor ihren Terminals saßen und sich<br />
«unterhielten». Was man sich bei solchen Anlässen zu sagen hatte,<br />
war gar nicht so wichtig. Es genügte schon das Gefühl, « Pioniere in<br />
der Prärie des Informationszeitalters» (Peter Glaser) zu sein.<br />
Es gab aber auch noch handfestere Ansätze für einen «anderen Gebrauch<br />
von <strong>Computer</strong>n als den derzeit herrschenden», wie der <strong>CCC</strong><br />
ihn verstand: So etwa diskutierten nach Tschernobyl einige Chaos-<br />
Mitglieder in Robert Jungks Zukunftswerkstatt über den Aufbau eines<br />
Überwachungssystems für Atomkraftwerke. Mit kleinen<br />
Heimcomputern, so die Idee, könnte man ständig Meßdaten über die<br />
Radioaktivität in der Umgebung eilfies Kraftwerks erfassen und auswerten<br />
- unabhängig von der offiziellen Informationspolitik. Mehrere<br />
Umweltschutzgruppen haben diesen Gedanken mittlerweile in die<br />
Praxis umgesetzt.<br />
Verbündete suchte der Club bei Grünen und Alternativen -jenen<br />
Leuten also, für die der <strong>CCC</strong> eigentlich so eine Art Fünfte Kolonne<br />
von IBM zur Akzeptanzförderung der Neuen Medien war. Doch Ver-<br />
ständigungsschwierigkeiten blieben beim Aufeinandertreffen der<br />
beiden Kulturen nicht aus. Zum Beispiel als Mitglieder des Chaos<br />
<strong>Computer</strong> Clubs, zusammen mit dem Hamburger «Arbeitskreis Politischer<br />
<strong>Computer</strong>einsatz» (APOC), 1986 eine Studie für die Bundestagsfraktion<br />
der Grünen verfaßten. Für 38 ooo Mark Honorar sollten<br />
die unkonventionellen Unternehmensberater untersuchen, ob in der<br />
grünen Fraktion <strong>Computer</strong> «sozialverträglich» eingeführt werden<br />
können.<br />
Vier <strong>Buch</strong>staben hatten die Bonner Grünen nämlich in Verlegenheit<br />
gebracht: ISDN. In einem Modellversuch sollte im Bundestag die<br />
Einführung des «diensteintegrierenden digitalen Nachrichtennetzes»<br />
erprobt werden. So hatte es der Ältestenrat beschlossen - mit den<br />
Stimmen der etablierten Parteien. In der ersten Phase sollten So ausgewählte<br />
Bundestags-Angestellte und Volksvertreter mit <strong>Computer</strong>n<br />
ausgestattet werden. Bis 1990, so die Planung, sollten dann alle Angehörigen<br />
des Parlaments am ISDN-Einheitskabel hängen. Textverarbeitung,<br />
Datenbänke abfragen, elektronische Briefe ans Wahlkreisbüro<br />
verschicken, im Pressearchiv nachsehen, was Herbert Wehner über<br />
Rainer Barzel gesagt hatte - der persönliche Bundestags-<strong>Computer</strong><br />
sollte es möglich machen. Runde 120 Millionen Mark wollte man sich<br />
den Modellversuch kosten lassen - zum Wohl des Volkes versteht sich.<br />
Die Parlamentarier opferten sich ja nur als Versuchskarnickel, denn in<br />
nicht so ferner Zukunft wird die ganze Republik am ISDN-Netz<br />
hängen, wenn es nach den Vorstellungen des Postminister und der<br />
Elektronikindustrie geht.<br />
Die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD und FDP leckten sich ungeduldig<br />
die Finger nach den neuen Spielzeugen. Die Grünen befanden<br />
sich dagegen im Dilemma. «Immer wenn es Geld gibt», beschrieb<br />
ein Fraktionsmitarbeiter die Situation, «ist die Versuchung für Mandatsträger<br />
groß, es ja nicht verfallen zu lassen. » Die Staatsknete lockte<br />
also, außerdem gab es einen Geschäftsführer bei den Grünen, Michael<br />
Vesper, der unbedingt mit neuer Technik die Fraktionsarbeit effizienter<br />
machen wollte.<br />
Doch das Problem: Da gab es ja noch die grüne Basis, die eine<br />
<strong>Computer</strong>-Einführung beim grünen Establishment als Schlag ins Gesicht<br />
empfunden hätte. <strong>Computer</strong> galten bei alternativen Hardlinern<br />
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