ARCHITEKTUR UND VERBRECHEN KÃNSTLICH - Bund ...
ARCHITEKTUR UND VERBRECHEN KÃNSTLICH - Bund ...
ARCHITEKTUR UND VERBRECHEN KÃNSTLICH - Bund ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Festzustellen ist, dass Gebäude oder Bauten<br />
jeglicher Typologie nicht selbstständig aus<br />
sich heraus wachsen – bis heute jedenfalls<br />
noch nicht – und von jeher einem Prozess<br />
der Herstellung unterliegen, der von geistiger<br />
Leistung geprägt wird. Aber baut die Natur<br />
nicht auch Gehäuse kluger Art, oder bauen<br />
Lebewesen verschiedenster Spezies nicht auch<br />
Nester, Behausungen, Netze oder vieles mehr,<br />
was wir als intelligent bezeichnen? Ist es dann<br />
nicht naheliegend, den Gegensatz natürlich<br />
und künstlich als lebensfördernde Notwendigkeit<br />
und komfortable Verfügbarkeit von<br />
Ressourcen zu interpretieren?<br />
Subsumiert der Begriff Kunst eine individuelle<br />
Interpretation der Erfahrung menschlicher<br />
Existenz, dann steht die Künstlichkeit dagegen<br />
als Ausdruck einer scheinbar entbehrlichen<br />
Kontrolle im Raum unbegrenzter Möglichkeit,<br />
in dem der Fortschrittsglaube das Natürliche<br />
dominiert. Dumm wäre es daraus den Schluss<br />
zu ziehen, dass die Natur ihre Grenzen habe,<br />
wir dagegen als intelligente Wesen im Grenzenlosen<br />
schadlos wirken könnten.<br />
Werfen wir zunächst einen Blick in die Evolutionsgeschichte.<br />
Gilles Deleuze beginnt seine<br />
Betrachtungen dazu im Nomadischen, quasi<br />
dem Ortsindifferenten, und setzt dafür den<br />
Begriff vom „glatten Raum“. Dem Auftreten des sesshaft gewordenen<br />
Menschen ordnet er aufgrund der Spuren des sichtbaren<br />
Wirkens einen „gekerbten Raum“ zu. In diesen Metaphern von<br />
Deleuze identifizieren wir eine Entwicklung vom Natürlichen zum<br />
zunehmend Künstlichen. Es ist unverkennbar, dass im „glatten<br />
Raum“, als Metapher für das Natürliche gesetzt, sich höhere Ordnung,<br />
Gleichmäßigkeit und Konstanz verankern lassen, obwohl<br />
dennoch entscheidende historische Veränderungen ausgelöst<br />
werden. Der „gekerbte Raum“ dagegen wird durch das ständige<br />
Einwirken des sesshaften Menschen variabel, unregelmäßig, nicht<br />
festgelegt und so zum offenen Spielfeld des Künstlichen, schließlich<br />
zur Bühne des Exzessiven.<br />
In der ständig zunehmenden Vermischung beider Erscheinungen,<br />
sozusagen im Werden und Vergehen, vom Wandel der Natur<br />
zur Kultur und schließlich zur Apokalypse Zivilisation und zurück,<br />
bestimmt sich ihre jeweilige Existenz. Trotz dieses simultanen<br />
Zusammenhangs – „der glatte Raum wird unaufhörlich in einen<br />
gekerbten Raum überführt; der gekerbte Raum wird ständig umgekrempelt<br />
und in einen glatten Raum zurückverwandelt“ – werden<br />
wechselnde historische Räume nie in ihrer Unterscheidbarkeit<br />
aufgelöst. Unsere heutige Wahrnehmung zeigt uns somit eine<br />
Welt, die sich weniger als ein durch die Zeit entwickelndes großes<br />
Ganzes erfahren lässt, sondern eher als ein Netz, das seine Punkte<br />
immer neu verknüpft. Deleuze sieht demnach unsere Welt „… zwischen<br />
den anhänglichen Nachfahren der Zeit und den hartnäckigen<br />
Bewohnern des Raumes …“, als eine Art Konfiguration, in der sich<br />
das „nebeneinandergestellte, einander entgegengesetzte, ineinander<br />
enthaltene“ zwischen dem „was man die Zeit und was man<br />
die Geschichte nennt“ darstellt. In dieser Verknüpfung gewinnt das<br />
7