lesen - Bundeskoordination Frauengesundheit
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Wie aus Ohnmacht Stärke wird<br />
Sprechen gegen Scham und Schuldgefühle<br />
Eine Umfrage des Bremer Instituts für Präventionsforschung<br />
und Sozialmedizin ergab, dass jede<br />
sechste Frau körperliche Gewalt erlebt hat, jede<br />
zehnte sexuelle Gewalt, jede zwanzigste beide<br />
Formen. Körperliche Gewalt gegenüber Frauen ist<br />
zudem meist mit verbalen Bedrohungen verbunden.<br />
Bei einer repräsentativen Umfrage des Kriminologischen<br />
Forschungsinstituts Niedersachsen gaben<br />
8,5 Prozent aller Frauen an, nach dem 18. Lebensjahr<br />
vergewaltigt worden zu sein, davon zwei Drittel in<br />
der Familie, vor allem vom Ehemann oder Lebenspartner.<br />
Fast die Hälfte der Betroffenen verheimlichte<br />
bis zum Zeitpunkt der Befragung aus Angst,<br />
Scham und Schuldgefühlen ihre Erlebnisse.<br />
Jüngere und gut ausgebildete Frauen sprachen<br />
eher über ihre Erfahrungen und nahmen gezielter<br />
Hilfe in Anspruch – vor allem, wenn der Täter ein<br />
Fremder und sein Angriff weniger schwer war. Je<br />
länger Frauen schweigen, desto gravierender die<br />
Folgen.<br />
Etwa 50 Prozent der Frauen, die als Prostituierte<br />
arbeiten, kennen körperliche und sexuelle Gewalt<br />
aus ihrer Kindheit und Jugend. Später wird die<br />
Hälfte von ihnen Opfer gewalttätiger Freier und<br />
Zuhälter.<br />
Gewalt ist keine Privatsache<br />
Es gibt über 400 Frauenhäuser in der Bundesrepublik.<br />
Enge Räume, knappe Finanzen und eine<br />
schlechte Personalausstattung erschweren oftmals,<br />
dass Frauen angemessen versorgt werden. Außerdem<br />
fehlen Mittel für die Supervision. Neben<br />
Frauenhäusern existieren Notrufprojekte und<br />
Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch.<br />
»Nach Schätzung der Bundesregierung suchen<br />
jährlich ca. 45 000 Frauen in einem Frauenhaus<br />
Schutz vor weiteren Mißhandlungen ... Die Forschung<br />
im In- und Ausland belegt einhellig, daß Frauen im<br />
besonderen Maße von gesteigerter Gewalt bedroht<br />
sind, wenn sie sich nach außen wenden oder versuchen,<br />
sich von dem Mann zu trennen, und daß sie<br />
nach einer Trennung oder Scheidung oft jahrelang<br />
verfolgt, überwacht und terrorisiert werden.«<br />
<strong>Frauengesundheit</strong>sbericht 2001<br />
Seite 259<br />
»Er schien so nett zu sein. Doch nachdem wir verheiratet waren, änderte er sich total. Ich<br />
sollte nur noch für ihn und die Kinder da sein. Er verbot mir, mich mit Freundinnen zu<br />
treffen, an Ausgehen war gar nicht mehr zu denken, und wenn er nach Hause kam und ich<br />
saß zufällig mit einer Nachbarin beim Kaffeetrinken, dann machte er mir schlimmste<br />
Vorwürfe und beschimpfte mich. Manchmal hat er mich auch geschlagen. Ich war mit den<br />
Nerven völlig fertig. Es hat sich dann immer schlimmer entwickelt. Ich durfte nicht telefonieren<br />
und bin am Ende nicht mal mehr allein einkaufen gegangen, sondern immer nur<br />
mit ihm. Er hat mir auch kein Geld mehr gegeben, ich war völlig abhängig. Irgendwann war<br />
mir so schlecht, dass ich zur Ärztin gegangen bin und alles erzählt hab‘. Die hat mir gesagt,<br />
dass es Frauenhäuser gibt, und dann bin ich eines Tages da hin. Ich bin aber wieder zurück<br />
zu ihm, weil er versprochen hat, es würde alles anders, aber so war es ja nicht. Jetzt bin ich<br />
das sechste Mal im Frauenhaus, und diesmal geh ich nicht zurück.« Margret H., 32<br />
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