13.11.2012 Aufrufe

Zeitschrift - Kommunalverlag

Zeitschrift - Kommunalverlag

Zeitschrift - Kommunalverlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Umlagezahlungen an den Zweckverband Tierkörperbeseitigung Rheinland-Pfalz rechtswidrig<br />

Kommunale Pflichtaufgaben und europäisches Beihilfenrecht<br />

Von Dr. Nicolas Sonder, KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft, Nürnberg<br />

Die Europäische Kommission hat mit ihrem Beschluss vom<br />

25.04.2012 (Beschluss der Kommission v. 25.04.2012,<br />

C(2012) 2557 endg.) entschieden, dass der Zweckverband<br />

Tierkörperbeseitigung Rheinland-Pfalz (im Folgenden „ZT“)<br />

öffentliche Zuwendungen in Höhe von rund 30 Mio. EUR,<br />

welche ZT in Form von Umlagezahlungen von seinen Mitgliedern<br />

gewährt wurden, an die Bundesrepublik Deutschland<br />

zurückzahlen muss. Grund dafür war, dass die Kommission<br />

die Umlagezahlungen als rechtswidrige Beihilfen i.S.d. Art.<br />

107 I AEUV einstufte. Damit ist die Brüsseler Behörde in einen<br />

Bereich vorgestoßen, den viele Kommunen bisher scheinbar<br />

von den Regelungen des europäischen Beihilfenrechts ausgenommen<br />

sehen wollten: den der kommunalen Pflichtaufgaben.<br />

Zu Beginn ist ein Blick auf den rechtlichen Rahmen zu werfen,<br />

welcher für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich<br />

war. Nach Art. 107 I AEUV sind staatliche oder aus staatlichen<br />

Mitteln gewährte Beihilfen, die durch die Begünstigung<br />

bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb<br />

verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie<br />

den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen<br />

grundsätzlich verboten. Es handelt sich dabei um ein Verbot<br />

mit Erlaubnisvorbehalt, sprich die Kommission kann Beihilfen<br />

nach ihrer Notifizierung (Anmeldung) genehmigen. Besondere<br />

Regelungen gelten allerdings für Unternehmen, welche<br />

einen Ausgleich für die Erbringung gemeinwirtschaftlicher<br />

Verpflichtungen im Zusammenhang mit sog. Dienstleistungen<br />

von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (im Folgenden<br />

„DAWI“) erbringen. Zu den DAWI zählen beispielsweise die<br />

Energieversorgung, die Wasserversorgung, Verkehrsdienstleistungen,<br />

Telekommunikationsdienstleistungen, Universaldienste<br />

(Post) oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit<br />

der Sicherstellung des Gesundheitsschutzes. Der EuGH hat<br />

in seinem „AltmarkTrans“ – Urteil (EuGH AltmarkTrans Rs-<br />

280/00, Slg. 2003, I-7747) eine Begünstigung i.S.d. Art. 107<br />

I AEUV im Falle von Ausgleichszahlungen für die Erbringung<br />

gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen verneint, wenn folgende<br />

vier Kriterien erfüllt sind:<br />

– Das Unternehmen muss tatsächlich mit der Erfüllung<br />

gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein und<br />

diese Verpflichtungen müssen in einem Betrauungsakt klar<br />

definiert sein<br />

– Die Parameter, anhand welcher der Ausgleich berechnet<br />

wird, müssen vorab objektiv und transparent aufgestellt<br />

sein<br />

– Der Ausgleich darf nicht über das hinausgehen, was<br />

erforderlich ist, um die durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen<br />

Verpflichtung entstandenen Belastungen<br />

auszugleichen (Verbot der Überkompensation)<br />

– Wird kein transparentes und nicht-diskriminierendes Vergabeverfahren<br />

durchgeführt, ist die Höhe des Ausgleichs<br />

mittels einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die einem<br />

durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen durch die<br />

Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter<br />

Berücksichtigung der Einnahmen und eines angemessenen<br />

Gewinns entstehen würden.<br />

Die Lösung des EuGH auf der „Tatbestandsebene“ wurde auf<br />

Grund der erheblichen Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang<br />

mit der Anwendung des vierten Kriteriums in der Vergangenheit<br />

immer wieder kritisiert, weshalb die Kommission<br />

im Jahr 2005 ein ergänzendes Legislativpaket („Monti“ – Pa-<br />

ket) verabschiedete, welches wiederum aus mehreren einzelnen<br />

Regelwerken bestand. Das „Monti“ – Paket wurde Ende<br />

2011 durch das sog. „Almunia“ – Paket ersetzt, welches die<br />

Inhalte des „Monti“ – Pakets weiter vereinfachen sollte. Nach<br />

dem „Almunia“ – Paket (wie auch bereits nach dem „Monti<br />

– Paket) können Ausgleichszahlungen für die Erbringung<br />

gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auf der „Rechtfertigungsebene“<br />

nach Art. 106 II AEUV mit dem Binnenmarkt<br />

vereinbar sein, auch ohne dass das vierte „Altmark“ – Kriterium<br />

erfüllt ist. Dieses Kriterium ist auf der Rechtfertigungsebene<br />

also entfallen.<br />

Die Entscheidung der Kommission<br />

Auf den o.g. rechtlichen Rahmen stützte sich auch der vorliegend<br />

zu besprechende Beschluss der Kommission. Die<br />

Umlagezahlungen an ZT konnten weder auf der Tatbestandseben<br />

des Art. 107 I AEUV noch auf der Rechtfertigungsebene<br />

des Art. 106 II AEUV den Vorgaben von Kommission und<br />

EuGH gerecht werden. Damit hat sich die Kommission gegen<br />

die Auffassung des Bundesverwaltungsgericht gestellt,<br />

welches in seinem Urteil vom 16.12.2010 (BVerwG, Urteil v.<br />

16.12.20120, Az.: 3 C 44.09) die Umlagezahlungen an ZT<br />

noch als beihilfenrechtskonform angesehen hatte.<br />

ZT wurde 1979 als Körperschaft öffentlichen Rechts gegründet<br />

und erbringt in Rheinland-Pfalz seitdem auf Grundlage<br />

von § 2 seiner Verbandsordnung i.V.m. § 3 TierNebG Dienstleistungen<br />

für die Tierkörperbeseitigung und die Entsorgung<br />

von Schlachtabfällen. Hierzu zählt auch das Vorhalten einer<br />

Seuchenreserve für den Seuchenfall. ZT entsorgt dabei Material<br />

der Kategorien 1-3 i.S.d. Verordnung über Hygienevorschriften<br />

für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte<br />

tierische Nebenprodukte (VO EG/1069/2009), wobei das<br />

Material der Kategorien 1-2 risikoreicher als das Material der<br />

Kategorie 3 gilt und deshalb nach der Verordnung besondere<br />

Kontrollvorschriften einzuhalten sind. Es handelt sich bei der<br />

Entsorgung von Material der Kategorie 1 und 2 insofern auch<br />

um eine kommunale Pflichtaufgabe.<br />

ZT erhielt in der Zeit von 1979 bis 2011 von seinen Mitgliedern<br />

(überwiegend Kommunen im Land Rheinland-Pfalz)<br />

jährliche Zahlungen von rund 2,25 Mio. EUR als Ausgleich<br />

für seine Verluste; insgesamt betrugen die Umlagezahlungen<br />

für diesen Zeitraum über 66 Mio. Euro. Die Kommission bezweifelte<br />

bereits, ob im vorliegenden Fall die Vorhaltung einer<br />

Seuchenreserve als DAWI angesehen werden kann, da nach<br />

der Rechtsprechung des EuGH und nach dem in Art. 191<br />

AEUV normierten Verursacherprinzip sämtliche Kosten für die<br />

Tierkörperbeseitigung von den Verursachern (z. B. Landwirte<br />

und Schlachthöfe) zu tragen seien. Laut der Kommission ergeben<br />

die im Verfahren zur Verfügung stehenden Gutachten<br />

zudem, dass ZT keine Ausgleichszahlungen erhalten darf, da<br />

ihm aufgrund seiner ausreichenden Reservekapazitäten für<br />

Seuchenfälle keine zusätzlichen Kosten für die Erbringung einer<br />

gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung entstehen. So stellte<br />

die Kommission in ihrer eingehenden Untersuchung fest,<br />

dass ZT keine zusätzlichen Kosten für die Vorhaltung der Reservekapazitäten<br />

anfallen, weil er in Krisenzeiten auf normalerweise<br />

nicht genutzte Kapazitäten (nachts, Wochenenden)<br />

zurückgreifen kann. Daher gelangte die Kommission zu dem<br />

Ergebnis, dass die jährlichen Ausgleichszahlungen für die<br />

Kommunalwirtschaft 08/2012 541

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!