Höllische Weihnachten – düster-phantastische Erotik - Sieben Verlag
Höllische Weihnachten – düster-phantastische Erotik - Sieben Verlag
Höllische Weihnachten – düster-phantastische Erotik - Sieben Verlag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Ich rauche nicht. Ich trinke in Maßen. Ich treibe viel Sport und gehe<br />
regelmäßig zu den Vorsorgeterminen beim Arzt. Obwohl ich weiß,<br />
dass ich dem Tod damit nicht von der Sense springen kann, tue ich<br />
alles, um meinen Termin bei dem guten Mann soweit wie möglich<br />
nach hinten zu verschieben. Es ist nicht einfach mit der Angst zu leben.<br />
Aber ich habe mich arrangiert. Diazepam und Citalopram sind<br />
meine Freunde. Erlauben mir, ein einigermaßen normales Leben zu<br />
führen. Erfolg im Beruf, ein teures Auto, eine Penthouse-Wohnung<br />
mit Blick auf den Rhein. Das alles wäre ohne die Wirkung meiner<br />
weißen und gelben Helferlein nicht möglich.<br />
Es ist Heilig Abend und der rot-weiße Wahn hat die Stadt fest im<br />
Griff. <strong>Weihnachten</strong> ist nicht mein Ding. Zimt und Lebkuchen mag<br />
ich genauso wenig, wie Klöße und Rotkohl, aber ich mache gute<br />
Miene zum bösen Spiel, während ich inmitten der Verwandtschaft<br />
sitze. Der bittere Geruch des Rotkrauts vermischt sich mit dem<br />
Standard-Kernseifen-Duft der Wohnung meiner Mutter. Wie jedes<br />
Jahr hat sie den Platz an ihrer Seite frei gelassen. Dort, wo vor fünf<br />
Jahren noch mein Vater gesessen hat.<br />
Fibrosarkome. Eine seltene Hautkrebsform, die das Bindegewebe<br />
der Haut angreift. Stark metastasierend.<br />
Fünfundfünfzig ist mein Vater geworden, dann innerhalb von wenigen<br />
Monaten hat es ihn dahingerafft.<br />
Die Erinnerung schmerzt in doppelter Hinsicht.<br />
Der Tod eines Menschen, der einen sein Leben lang begleitet hat.<br />
Ein Spiegelbild der eigenen Sterblichkeit.<br />
Spiegel.<br />
Die Beerdigung meines Vaters vor fünf Jahren. Der Tag als die<br />
Angst das Ruder meines Lebens übernahm.<br />
Ich sah in den Spiegel und fragte mich, wie lange ich wohl noch zu<br />
leben habe. Erste graue Haare, erste Falten, erste Zeichen von Verfall.<br />
Die Augen gerötet, die Trauer ins Gesicht geschrieben. Durch<br />
die Milchglas besetzte Toilettentüre drang das stumpfe Geklapper<br />
von Geschirr, drangen gedämpfte Stimmen, drang der Geruch des<br />
Leichenschmauses.<br />
Mir drehte sich der Magen, und ich stützte mich am Waschtisch ab.<br />
7