03.02.2015 Aufrufe

ganz Ohr

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Inhalt<br />

Geleitworte 6<br />

Geleitwort I – Bernhard Silaschi 6<br />

Geleitwort II – Hans-Ulrich Nonnenmann 7<br />

Einleitung 8<br />

Karl-Heinz Saretzki 8<br />

Praktische Hinweise 10<br />

Irmgard Eismann 10<br />

Predigten zu biblischen Geschichten 13<br />

Von der Macht der Musik –<br />

David spielt für Saul (1. Samuel 16) 14<br />

Die Stillung des Sturmes –<br />

Fürchtet euch nicht! (Matthäus 14) 24<br />

Der Fischzug des Petrus –<br />

Aber auf Dein Wort (Lukas 5) 32<br />

Das vierfache Ackerfeld –<br />

Aller guten Dinge sind VIER (Lukas 8) 38<br />

Gottesdienst-Entwurf: Zachäus –<br />

Heute ist diesem Haus Heil widerfahren (Lukas 19) 43<br />

4


Liedpredigten 55<br />

Von guten Mächten wunderbar geborgen – EG 65 56<br />

Allein Gott in der Höh sei Ehr – EG 179 65<br />

Du meine Seele, singe – EG 302 72<br />

Lobe den Herren, den mächtigen König – EG 316/317 81<br />

Nun freut euch, lieben Christen g‘mein – EG 341 89<br />

Vertraut den neuen Wegen – EG 395 95<br />

Jesu, meine Freude – EG 396 102<br />

Geh aus, mein Herz, und suche Freud – EG 503 110<br />

Themenpredigten 119<br />

Meine Zeit in Gottes Händen 120<br />

Albrecht Dürer – Pfeiffer und Trommler (Musik als Therapie) 129<br />

Abend und Morgen – Tod und Auferstehung 136<br />

Du sollst dir kein Bildnis machen – Das Zweite Gebot 146<br />

Gottesdienst-Entwürfe 157<br />

Lieder von Frauen im evangelischen Gesangbuch<br />

(Dichterinnen und Melodieschöpferinnen) 158<br />

Martin Luther – Vorschlag zur Gestaltung eines Gottesdienstes,<br />

einer Bläserfeierstunde, einer Abendmusik<br />

(Sätze von Johann Sebastian Bach) 167<br />

Nun freut euch, lieben Christen g‘mein<br />

(Martin Luther, Musik und Reformation) 177<br />

Der Autor 190<br />

Karl-Heinz Saretzki 190<br />

Inhalt | 5


Geleitwort I<br />

„… <strong>ganz</strong> <strong>Ohr</strong>”, das heißt doch wohl: unbedingte Hingabe und Konzentration<br />

auf das Wesentliche. Verkündigung, ob musikalisch oder im Wort,<br />

kommt ohne das vertiefte Hören, die Konzentration auf das, „was uns<br />

unbedingt angeht” (Tillich), nicht aus. Die reformatorische Entdeckung<br />

der Rechtfertigung aus dem Glauben ist ohne das unverstellte Hören<br />

auf das eine Wort Gottes nicht denkbar. „Ad fontes” – zurück zu den<br />

Quellen, darin liegt eine Bewegung der unbedingten Hingabe, in der es<br />

gilt, Gottes Sprache zu lernen: Allein Christus, allein die Schrift, allein der<br />

Glaube, werden so zur Quelle, für die wir <strong>ganz</strong> <strong>Ohr</strong> sein sollen. Solche<br />

Hingabe erschließt die geistgewirkten Charismen, um Gaben und Talente<br />

verantwortlich als Zeugnis je eigener Berufung aus der Taufe zu leben.<br />

Predigt und Musik ergänzen und befruchten einander dabei in wunderbarer<br />

Weise, erreichen Geist und Sinn, Herz und Seele, berühren<br />

die kognitive und affektive Seite unserer menschlichen Existenz, eben<br />

den <strong>ganz</strong>en Menschen. Martin Luther, Paul Gerhardt – als exemplarische<br />

Vertreter der „großen Wolke der Zeugen” – waren zutiefst von<br />

dieser Geschwisterschaft von Theologie und Musik überzeugt, lebten<br />

und belebten diese in, mit und durch ihre Lied- und Tondichtungen. Die<br />

christliche Botschaft lebt ja von dieser inspirierenden Wechselbeziehung;<br />

jenseits aller Konfessionsgrenzen ist diese Beziehung ein starkes<br />

evangelisches Erbe, ohne das die Kirche geistlich verarmt wäre.<br />

Der Verfasser der vorliegenden Gottesdienstsammlung pflegt diese Geschwisterschaft<br />

von Musik und Predigt auf geradezu ideale Weise. Das<br />

Geschehen der Verkündigung wird in Wort und Musik erläutert und<br />

vertieft. Es verstärkt so das spirituelle Erleben der Frohen Botschaft.<br />

Es bleibt zu wünschen, dass diese segensreiche Sammlung viele eifrige<br />

Nutzer findet, damit sich auch hierdurch die Empfehlung Martin Luthers<br />

mit Blick auf die Heilige Schrift erfüllt: „Es ist mit ihr wie mit einem<br />

Kräutlein: je mehr man es reibt, desto mehr duftet es.”<br />

Pfarrer Bernhard Silaschi<br />

Leitender Obmann des Evangelischen Posaunendienstes in Deutschland<br />

6


Geleitwort II<br />

Im Zentrum der Arbeit eines Posaunenchores steht der Gottesdienst.<br />

Ihn als Bläser regelmäßig mitzugestalten und mitzufeiern, ist ein tiefes<br />

inneres Anliegen, viele Chorleiter und Bläser werden diese Meinung<br />

teilen. Ein solches Selbstverständnis erhöht den Anspruch ans eigene<br />

Tun: Die Musik des Posaunenchores soll nicht oberflächlich schmücken,<br />

sondern integrativer Bestandteil des Gottesdienstes sein und das Gottesdienstgeschehen<br />

mit den charakteristischen Mitteln der Musik bereichern.<br />

Das Jahr 2012 ist in der Württembergischen Landeskirche als „Jahr des<br />

Gottesdienstes” ausgerufen. Dies fordert dazu heraus, über die eigene<br />

Praxis der Gottesdienstmitgestaltung nachzudenken und auch Schritte<br />

in Neuland zu wagen.<br />

„… <strong>ganz</strong> <strong>Ohr</strong>” ist kein Lesebuch (obwohl auch dies lohnend ist), sondern<br />

ein Arbeitsbuch. Wir Chorleiter können mit unseren Bläsern einen<br />

der hier abgedruckten Gottesdienstentwürfe vorbereiten und mit der<br />

Gemeinde feiern. Werden wir offene <strong>Ohr</strong>en bei unseren Pfarrern finden<br />

Trauen wir uns hervor aus der „Musikerecke” und vor den Altar<br />

oder sogar die Kanzel<br />

Wer Karl-Heinz Saretzki einmal erlebt hat, wie er einen seiner Gottesdienste<br />

mit hoher Beteiligung des Posaunenchors gehalten hat,<br />

der wird sich mit großer Freude daran erinnern. Wir haben jetzt die<br />

Gelegenheit, es selbst zu wagen. Ich möchte uns allen Mut dazu<br />

machen!<br />

KMD Hans-Ulrich Nonnenmann<br />

Landesposaunenwart im Evangelischen Jugendwerk in Württemberg<br />

Geleitworte | 7


Einleitung<br />

Kirchenmusik, das Musizieren mit Sängern oder Instrumentalisten, im<br />

Chor oder solistisch, vokal oder instrumental, von Vorspielen, Choralsätzen<br />

und Motetten, ist nicht nur eine adäquate Möglichkeit, sondern<br />

auch ein wichtiger Teil von Verkündigung der Frohen Botschaft von<br />

Jesus Christus. Kirchenmusik in den vielfältigen Stilen und Spielarten<br />

kann und will die Texte unterstützen, kann Aussagen verstärken, nachmalen,<br />

Stimmungen und Assoziationen wecken, Hintergründe und Verborgenes<br />

sicht- und hörbar machen.<br />

In Gottesdiensten, in denen die Kirchenmusik neben dem gesprochenen<br />

Wort gleichrangig steht, wird auch die Gemeinde durch ihre Antwort<br />

mit dem Singen von Liedern stärker in die Verkündigung und auch das<br />

Bekenntnis einbezogen. Der Duktus der Gottesdienste wird durch aktives<br />

eigenes Singen intensiver aufgenommen. Das gilt vor allen Dingen bei<br />

Gottesdiensten mit „Lied-Predigten”. Darüber hinaus werden die Liedtexte<br />

und Melodien durch Literatur mit Vor-, Zwischen- und Nachspielen<br />

alter Meister und zeitgenössischer Komponisten weiter entfaltet.<br />

Die Sammlung „... <strong>ganz</strong> <strong>Ohr</strong> – Gottesdienste mit Wort und Musik” bietet<br />

zwanzig Gottesdienste mit erweiterter musikalischer Gestaltungen an.<br />

Es handelt sich um Gottesdienste und Predigten, die ich in meinem Amt<br />

als Landesposaunenwart an vielen Stellen mehrfach mit kleinen und<br />

großen Blechbläsergruppen bei speziellen Bläsergottesdiensten und<br />

Kreis- bzw. Bezirksposaunentagen erprobt und erfolgreich gestaltet<br />

habe. Immer wurden die Posaunenchor-Bläser aktiv durch ihr vielfältiges<br />

Musizieren in die Verkündigung mit einbezogen.<br />

Das positive Echo in den Gemeinden durch Pfarrer, Kirchenmusiker und<br />

Gemeindeglieder auf diese „besonderen” Gottesdienstangebote hat<br />

mir Mut gemacht, immer nach neuen Möglichkeiten des musikalischen<br />

Einsatzes zu suchen. So entstanden neben den „Lied-Predigten” auch<br />

musikalisch gestaltete Predigten zu „Biblischen Geschichten” und zu<br />

Themen wie „Zeit”, „Musik als Therapie” oder zum „Zweiten Gebot – Du<br />

sollst dir kein Bildnis machen”.<br />

8


Daneben sind es auch Gesamt-Entwürfe für Gottesdienste mit speziellen<br />

Themen wie „Frauen im Gesangbuch – Dichterinnen und Melodieschöpferinnen”<br />

oder „Martin Luther – Musik und Reformation”, in<br />

denen meist alle liturgischen Stücke des Gottesdienstes durch ausgewählte<br />

zusätzliche Literatur ergänzt werden.<br />

Die Sammlung „... <strong>ganz</strong> <strong>Ohr</strong> – Gottesdienste mit Wort und Musik” wendet<br />

sich nicht nur an Posaunenchöre und ihre Leiter, sondern auch an<br />

Pfarrer, Gemeindediakone und andere Verantwortliche in den Gemeinden,<br />

die an einer kreativen, lebendigen Gestaltung von Gottesdiensten,<br />

Abendmusiken oder Gemeindeveranstaltungen interessiert sind. Für die<br />

enge und konsequente Verbindung von „Wort und Musik” finden sich<br />

hier variable Vorschläge. Natürlich lassen sich manche Choralsätze und<br />

Bläserstücke austauschen und den eigenen konkreten Gegebenheiten<br />

anpassen. Dabei sollte der im Zusammenhang vorgesehene Charakter<br />

allerdings erhalten bleiben.<br />

Karl-Heinz Saretzki<br />

Bochum, im Dezember 2011<br />

Einleitung | 9


Predigten<br />

zu biblischen Geschichten


Nachfolge, Ermutigung<br />

Das vierfache Ackerfeld –<br />

Aller guten Dinge sind VIER<br />

Lukas 8, 4–15<br />

Liebe Gemeinde,<br />

liebe Freundinnen und Freunde der Kirchenmusik,<br />

liebe Bläserinnen und Bläser!<br />

Heute möchte ich uns eines der schönsten Gleichnisse auslegen, in denen<br />

uns Jesus die gute Nachricht vom Reich Gottes, vom Himmelreich,<br />

anschaulich vor Augen stellt. Es ist das Gleichnis vom Sämann und vom<br />

vierfachen Ackerfeld. Es ist ein Gleichnis, das ein Geheimnis erklärt. Jesus<br />

sagt zu Anfang seiner Geschichte: Ihr sollt die Geheimnisse des Himmelreichs<br />

verstehen. Denn wer da hat und versteht, dem wird gegeben,<br />

dass er die Fülle hat. Wer es aber nicht versteht, dem wird auch noch<br />

das genommen, was er hat. Darum rede ich zu euch mit Gleichnissen.<br />

Denn es gibt Viele, die sehen mit sehenden Augen nichts und hören mit<br />

hörenden <strong>Ohr</strong>en nichts und verstehen nichts. Aber selig sind die, die mit<br />

den Augen sehen und die, die mit den <strong>Ohr</strong>en hören. Und Jesus mahnt:<br />

Wer <strong>Ohr</strong>en hat zu hören, der höre!<br />

Menuett für 4 Stimmen von Johann Joseph Fux<br />

(Bläserheft für Kirchentage II; Strube;<br />

oder: Johann Joseph Fux, Suiten und Tanzsätze, Bärenreiter)<br />

Das Gleichnis vom Sämann greift die alltäglichen, alljährlichen, immer<br />

wiederkehrenden Arbeiten auf und verarbeitet sie: Jedes Jahr zieht der<br />

Bauer im Frühjahr auf seinen Acker und sät seine Saat aus. Und Jahr<br />

für Jahr geschieht mit der Saat das gleiche:<br />

38


Ein Teil fällt auf fest getretene Stellen, auf Wege und Pfade, die quer<br />

durch den Acker führen: die Vögel kommen und picken sie weg. Vergebliche<br />

Mühe. Schade um die Saat. Da wächst keine Frucht heran.<br />

Ein anderer Teil der Saat fällt auf Boden, der nicht sehr tief ist, unter<br />

dem das Felsgestein fast bis an die Oberfläche reicht. Da kann die Saat<br />

nicht tief genug Wurzel fassen und sich nicht genug Kraft und Saft<br />

aus dem Boden holen. Wenn sie aufgegangen ist – und sie geht dort<br />

besonders schnell auf – verdorrt sie.<br />

Wieder: alle Mühe war vergeblich. Wieder: schade um die gute Saat.<br />

Wieder: keine Frucht. Jetzt wird es schon ärgerlich!<br />

Ein dritter Teil fällt dahin, wo auch schon unmerklich und noch unentdeckt<br />

die Saat von Dornensträuchern hingefallen ist. Wenn an diesen<br />

Stellen die Saat des Bauern aufgeht, wird sie von den Dornensträuchern<br />

erstickt. Das ist nämlich oft so: Dornensträucher wachsen sehr<br />

viel schneller und auch höher als andere Pflanzen. Zum dritten Mal:<br />

vergeblich ausgesät. Zum dritten Mal: kein Lohn für all die Mühe. Zum<br />

dritten Mal: keine Frucht. Da müsste der Sämann resigniert die Arbeit<br />

hinwerfen. Es hat offensichtlich keinen Sinn zu säen bei so viel Misserfolg.<br />

Ein dreifacher Misserfolg!<br />

Aber der Bauer macht weiter. Und wir erfahren auch, warum er es<br />

trotzdem tut – immer wieder, jedes Jahr, ein <strong>ganz</strong>es Leben lang. Der<br />

Bauer weiß nämlich schon vorher, wie es ausgeht. Er kennt sein Land,<br />

er kennt den Boden. Die Beschaffenheit seines Bodens ist so und nicht<br />

anders, sie ist nicht zu ändern. Er weiß: Ein Teil der Saat wird jedes<br />

Mal von den Vögeln weggefressen, ein Teil verdorrt, ein Teil erstickt.<br />

Das alles lässt sich nicht vermeiden und nicht verhindern. Jedoch der<br />

Bauer weiß: Es gibt auch guten Boden mittendrin. Auf diesem guten<br />

Boden wächst viel gute Frucht heran. Am Ende manchmal dreißigfache,<br />

manchmal sechzigfache, manchmal sogar hundertfache Frucht. Weil<br />

das so ist, weil der Bauer das weiß und immer daran denkt, verzweifelt<br />

er nicht trotz des großen dreifachen Misserfolgs. Der Bauer sieht von<br />

Anfang an und mittendrin darüber hinweg. Er sieht auf das Ende, auf<br />

die reiche Ernte, jedes Jahr. Er denkt und arbeitet von diesem reichen<br />

Ende her und auf dieses Ende hin. Das gibt ihm Kraft für seine Arbeit,<br />

jedes Jahr neu.<br />

Predigten zu biblischen Geschichten | 39


Mir nach, spricht Christus, unser Held<br />

Satz für 5 Stimmen von Johann Hermann Schein<br />

(Neues Posaunenbuch 1, Nr. 169, Gütersloher Verlagshaus)<br />

Liebe Gemeinde, liebe Bläserinnen und Bläser!<br />

Eigentlich braucht man dieses Gleichnis nicht mehr zu übertragen. Eigentlich<br />

genügt es schon, es so zu sagen, wie es Jesus sagt, denn: Wer<br />

<strong>Ohr</strong>en hat zum Hören – und die hat jeder – der höre selbst heraus, was<br />

ihm dies Gleichnis sagt. Mir sagt es dieses, und bitte vergleicht es mit<br />

dem, was ihr heraushört:<br />

Ja, so ist es. Ja, so ist das im Leben. So ist es auch in deinem Leben. So<br />

erging es, so ergeht es dir: Da wird so viele gute Saat für dich auf deinem<br />

Lebensboden – und auch Saat von dir selber – ausgesät, und dann erlebst<br />

du immer wieder solche Misserfolge wie der Sämann im Gleichnis.<br />

Ein Teil von all dem Guten, das dir widerfahren ist und widerfährt und<br />

das du selbst aussäst, wird dir von anderen Menschen einfach weggepickt.<br />

Schon in der Schule gibt es solche Menschen, die das tun. Und<br />

im Beruf ist das genauso. Das gilt auch für die Mitarbeit in der Kirche,<br />

an vielen Stellen innerhalb der Kirche, auch bei den Posaunenchören.<br />

Es gibt Menschen, die sind wie Vögel. Sie lauern darauf, dass sie ernten<br />

können, wo sie selber nicht gesät haben. Sie gucken ab, sie nutzen<br />

aus, sie reißen an sich, sie verwerten für sich selber das, was andere<br />

erarbeitet haben. Sie schnappen dem anderen die Erfolge vor der Nase<br />

weg. Und man kann nichts dagegen machen. Man muss damit leben.<br />

Ein zweiter Teil von dem, was Gutes in uns angelegt ist und von uns angelegt<br />

wird, gerade das, was so schnell und so schön wächst, so erfolgversprechend<br />

ist, über das man sich so freut: es verdorrt. Es stellt sich<br />

bald heraus: Der Boden in mir selber oder bei den anderen war nicht<br />

tief genug, war felsig, war harter Untergrund. Wir sind oft zu hart und<br />

zu verhärtet. Irgendetwas hat uns hart gemacht im Leben, da sind wir<br />

schroff und abweisend gewesen und geworden. Ja, da waren wir uns<br />

selbst im Weg. Da haben wir selbst auf unserer eigenen Saat herum<br />

getrampelt. Da konnte selbst die beste Saat, die beste Tat, das liebste<br />

40


Wort, nicht Wurzel fassen. Ja, das ist schon traurig. Das ist doppelt<br />

ärgerlich, wenn so viel Gutes, das an uns geschieht und das wir tun,<br />

<strong>ganz</strong> einfach abprallt und nichts daraus wird. Aber, sagt das Gleichnis,<br />

damit musst du, damit muss man, damit kann man leben.<br />

Und ein dritter Teil der guten Saat, der Saat des Guten, ein dritter<br />

Teil wird einfach überwachsen von den Dornen unseres Lebens, von<br />

den dornigen Erfahrungen. Von alledem, was uns an tödlicher Not und<br />

wirklichem Tod begegnet. Wir brauchen nur zurückzublättern in unserer<br />

Lebensgeschichte. Wir brauchen nur die Zeitung aufzuschlagen, nur<br />

am Fernsehapparat den Einschaltknopf zu drücken, um zu lesen und<br />

zu sehen, wie es da an Bösem nur so wuchert, wie uns da die Not und<br />

Angst vor die Füße gelegt wird. Da wagt das Gute gar nicht standzuhalten.<br />

Da kann das bisschen Gute, das wir selber tun, da kommen die<br />

paar guten Körner unserer Liebe nicht dagegen an. Da wird die Saat<br />

des Wortes Gottes einfach überwuchert. Das ist schrecklich. So viele<br />

Misserfolge, so viele Enttäuschungen, so viel Bitteres im Leben – bei<br />

uns und bei den anderen – da könnte man das Heulen kriegen, da<br />

könnte man verzweifeln und resignieren, wenn das alles wäre.<br />

Welt ade, ich bin dein müde<br />

Satz für 6 Stimmen Johann Rosenmüller<br />

(Neues Posaunenbuch 1, Nr. 193, Gütersloher Verlagshaus;<br />

oder: Posaunenklänge, Nr. 195, buch+musik, Stuttgart)<br />

Jesus sagt mir mit dem Gleichnis: Das ist noch nicht alles. Alle guten<br />

Dinge sind vier. Du musst immer an den unentwegten Sämann denken.<br />

Du musst immer an den vierfachen Acker denken. Du darfst nie<br />

vergessen, dass es in dir selber und in anderen auch guten Boden gibt.<br />

Die gute Saat, die Saat des Guten, die auf diesen guten Boden fällt, die<br />

bringt viel Frucht. Du musst bei allem, was dir weggepickt wird, und bei<br />

allem, was in dir verdorrt, du musst bei allem, was in dir überwuchert<br />

wird, an diesen guten Boden in dir denken.<br />

Bei dem einen ist es eine dreißigfache Frucht. Ich bitte euch: Das ist<br />

zehnmal mehr als die aufgezählten Misserfolge! Bei dem anderen ist es<br />

eine sechzigfache Frucht. Und manchmal bei dem dritten ist es sogar<br />

Predigten zu biblischen Geschichten | 41


eine hundertfache Frucht. Bedenkt: Ein gutes Wort bringt hundert gute<br />

Worte zurück. Ein Lächeln bringt hundertfaches Lachen.<br />

Wer nur die Misserfolge seines Lebens sieht und auf die Enttäuschungen,<br />

die er an sich und mit anderen erlebt hat, der ist nicht realistisch.<br />

Der bringt sich, wenn er resigniert, um seine reiche Frucht. Der aber, so<br />

sagt Jesus, der aber ist im Reich Gottes realistisch, der wie der Sämann<br />

um den Boden seines Lebens und des Lebens weiß. Der ist realistisch,<br />

der weiß, dass dieser Boden vierfach ist. Der ist wie jener, der auf das<br />

Ende sieht, das uns lehrt: Es gibt eine reiche Ernte.<br />

Und der Friede Gottes,<br />

der höher ist als all unsere Vernunft,<br />

der bewahre eure Herzen und Sinne<br />

in Christus Jesus.<br />

Amen.<br />

Meinen Jesum lass ich nicht<br />

Choralvorspiel von Burghard Schloemann<br />

(101 Bläservorspiele zum EG, buch+musik, Stuttgart)<br />

Alternative leichte Orgelsätze<br />

Zu „Mir nach, spricht Christus, unser Held”<br />

und zur Melodie „Mach’s mit mir, Gott, nach deiner Güt”:<br />

Choralvorspiele zum EG, Band 5 und 6, Bärenreiter;<br />

Choralvorspiele, Band 1, Bärenreiter 1223.<br />

Zu „Meinen Jesum lass ich nicht”:<br />

Choralvorspiele zum EG, Band 5, Bärenreiter.<br />

Anstelle von „Welt ade, ich bin dein müde”<br />

z. B. ein Choralvorspiel zu „Valet will ich dir geben”<br />

in: Choralvorspiele zum EG, Band 6, Bärenreiter;<br />

oder: Choralvorspiele, Band 2, Bärenreiter 5482;<br />

oder ähnliche Choralbearbeitungen.<br />

42


Umkehr, Nachfolge<br />

Gottesdienst-Entwurf:<br />

Zachäus –<br />

Heute ist diesem Haus<br />

Heil widerfahren<br />

Lukas 19, 1–10<br />

Canzona für 5 Stimmen von Peter Philipps<br />

(Gloria 2007, Seite 28–30, Strube 2250)<br />

Begrüßung<br />

Kurzvita<br />

Notizen aus der Personalakte des Zollamtes<br />

über den Oberzöllner Zachäus:<br />

Zachäus ist Jude.<br />

Vor 15 Jahren zum Zoll gekommen.<br />

Von Gestalt kleinwüchsig – nicht größer als 1,50 m –<br />

fällt äußerlich überall auf.<br />

Ausbildungszeit in der römischen Wehrmacht;<br />

sehr fleißiger und strebsamer Schüler.<br />

Wollte stets der Erste und Beste sein,<br />

wollte mit seinen Leistungen die anderen immer übertreffen.<br />

Kletterte schnell die Berufsleiter hinauf,<br />

arbeitete sich an den anderen vorbei,<br />

wurde schließlich der Oberste der Zollbeamten in Jericho.<br />

Predigten zu biblischen Geschichten | 43


Liedpredigten


Lob und Dank<br />

Du meine Seele, singe<br />

EG 302<br />

Liebe Gemeinde,<br />

liebe Bläserinnen und Bläser!<br />

Halleluja! Lobe den Herrn, meine Seele!<br />

Das ist ein bekannter Aufruf – in hebräischer Sprache: „Halleluja”. Ins<br />

Deutsche übersetzt: „Lobe den Herrn, meine Seele”. Oder von Paul<br />

Gerhardt gedichtet: „Du meine Seele, singe”. – Dieser alte Aufruf aus<br />

den Psalmen war für Paul Gerhardt der Ausgang für ein geistliches<br />

Gedicht, welches, wie viele andere, als Kurzform seiner Predigten entstanden<br />

und in einer Gedicht-Sammlung erschienen ist. Der Titel lautet<br />

verkürzt:<br />

Geistliche Andachten von Paul Gerhardt … Auf alle Sonntage und<br />

gewisse Zeiten im Jahr gerichtet samt einer nützlichen Vorrede ...<br />

mit 6 Stimmen gedruckt ... und nebst einem Anhang etlicher auserlesener<br />

Gebete herausgegeben von Johann Georg Ebeling.<br />

Wer war dieser Paul Gerhardt, dem wir durch diese Sammlung so viele<br />

schöne Lieder verdanken 1607 in Gräfenhainichen bei Wittenberg<br />

geboren, hatte Paul Gerhardt eine schwere Kindheit. Mit 12 Jahren<br />

schon verlor er seinen Vater, mit 14 seine Mutter. Zusammen mit einem<br />

Bruder und zwei Schwestern wuchs er in einem fremden Haushalt auf.<br />

Mit 21 Jahren beginnt Gerhardt ein Theologiestudium in Wittenberg<br />

und wird nach Jahren als Hauslehrer dann 1643, also mit 35 Jahren,<br />

Pfarrer in Mittenwalde. Mit 48 Jahren heiratet er und hatte mit seiner<br />

15 Jahre jüngeren Frau fünf Kinder. Er wird die Familie bis auf einen<br />

Sohn in den folgenden Jahren wieder verlieren. 1657 bewirbt er sich als<br />

Pfarrer an die Nikolaikirche in Berlin und bleibt dort fast 10 Jahre. Als<br />

72


er sich aus Gewissensgründen nicht dem Kurfürsten unterwirft, wird er<br />

1667 seines Amtes enthoben. Erst 1669 bekommt er wieder eine Stelle<br />

in Lübben, wo er 1676 stirbt.<br />

Die ersten Jahre in Berlin waren die schönsten seiner Amtszeit. Es<br />

kam zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit seinen beiden Kantoren,<br />

zuerst mit Johann Crüger, danach mit dessen Nachfolger Johann<br />

Georg Ebeling, die beide auch schon vorher viele seiner Gedichte vertont<br />

hatten. Was heute an vielen Kirchen nur Wunschdenken ist, war<br />

dort herrliche Wirklichkeit: Pfarrer und Kirchenmusiker arbeiteten eng,<br />

freundschaftlich und erfolgreich zusammen und miteinander, einer<br />

unterstützte den anderen. So kümmern sich beide Kantoren fürsorglich<br />

und konsequent um die Predigtgedichte ihres etwas chaotischen<br />

Pfarrers, sammeln diese Gedichte in Gedichtbänden, schreiben sowohl<br />

Melodien als auch Sätze dazu und geben diese in Druck. Damit haben<br />

sie für die evangelische Kirche die Voraussetzung der Verbreitung der<br />

bis heute beliebtesten Lieder geschaffen, nämlich in dem bekanntesten<br />

Gesangbuch der damaligen Zeit, der<br />

Praxis pietatis melica – Das ist Übung der Gottseligkeit in christlichen<br />

und trostreichen Gesängen – auch zur Beförderung des sowohl<br />

Kirchen- als auch Privatgottesdienstes.<br />

In diesem Gesangbuch, das viele umfangreiche Auflagen erreicht hat,<br />

standen Paul Gerhardts „Geistliche Andachten zum Kirchenjahr”, insgesamt<br />

über 130 Gedichte. 26 Lieder davon stehen heute in unserem<br />

Evangelischen Gesangbuch und gründen ihre Beliebtheit auf eingängige<br />

Melodien und allgemein verständliche Texte.<br />

Die Lieder von Paul Gerhardt können uns das <strong>ganz</strong>e Kirchenjahr begleiten.<br />

Wenn ich jetzt einige Lieder aufzähle, werden viele überrascht<br />

sein, dass es gerade die Lieder sind, die den Älteren seit der Jugend<br />

her bekannt sind.<br />

Advent und Weihnachten: Wie soll ich dich empfangen; Fröhlich soll<br />

mein Herze springen;<br />

Passion und Ostern: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld; Auf, auf,<br />

mein Herz mit Freuden;<br />

Liedpredigten | 73


Lob und Danklieder: Ich singe dir mit Herz und Mund; Sollt ich meinem<br />

Gott nicht singen; Du meine Seele, singe;<br />

Vertrauen, Glaube und Zuversicht: Befiehl du deine Wege; Warum sollt<br />

ich mich denn grämen;<br />

Morgen und Abend: Die güldne Sonne; Nun ruhen alle Wälder;<br />

Natur: Geh aus, mein Herz und suche Freud.<br />

Was bedeutet uns heute Paul Gerhardt mit seinen Liedern<br />

Zusammenfassend kann ich schon jetzt –<br />

bevor wir näher darauf eingehen – sagen und feststellen:<br />

Er ist uns Vorbild für Gottvertrauen und Hoffnung,<br />

er ist uns Vorbild für eine bewusste Hinwendung zur Ewigkeit,<br />

er ist uns Vorbild für den Glauben an eine bessere Welt,<br />

er ist uns Vorbild für einen ehrlichen Pietismus<br />

als einer kindlichen unvoreingenommenen Gläubigkeit.<br />

Was ist das Besondere an den Liedern Paul Gerhardts<br />

Paul Gerhardt spricht vom „ich” und vom „du”. Es ist ein persönliches<br />

Bekenntnis, wenn immer wieder das „ich” etwas tun will und soll. Dabei<br />

geht es meistens um Loben und Danken, um Singen und Sagen.<br />

Wenn Paul Gerhardt mit diesem „ich” seine persönliche Aussage macht,<br />

so gibt er durch seine Gedichte und seine Lieder auch allen denen<br />

die Möglichkeit, eine persönliche Aussage zu machen, die das entsprechende<br />

Lied „nach”-singen. Der Sänger der Lieder nimmt dabei das<br />

„ich” für sich in Anspruch. So können die alten Strophen zu einem<br />

neuen und aktuellen Bekenntnis werden.<br />

Paul Gerhardt redet häufig vom „Herzen”. Das Herz ist für Paul Gerhardt<br />

ein zentraler Ort seines Lebens und Daseins, es ist der Ort seines Denkens<br />

und Fühlens. Dieses Herz soll springen, fröhlich sein und Freude<br />

haben. Dieses Herz soll sich aber auch in Trübsal, Angst und Not trösten<br />

lassen. Mit „Herz” meint Gerhardt seine Seele, sein Innerstes.<br />

Paul Gerhardt stellt Fragen. Die Fragen, die manchmal auch rhetorisch<br />

gemeint sind, geben Paul Gerhardt Gelegenheit, bei den Antworten<br />

weit auszuholen, um etwas Wichtiges deutlich zu machen. Mit den Fra-<br />

74


gen werden bestimmte Dinge und Vorgänge an- und abgefragt, Probleme<br />

sichtbar gemacht. Alle Fragen werden dann jeweils in den darauf<br />

folgenden Strophen mehr oder weniger ausführlich beantwortet.<br />

Paul Gerhardt fordert zu etwas auf. Paul Gerhardt fordert immer wieder<br />

dazu auf, nicht müde zu werden, sondern etwas zu tun, tätig zu werden<br />

und zu bleiben. Dabei geht es häufig darum, sich Gott, dem Herrn der<br />

Welt, dem Schöpfer, in allen Dingen anzuvertrauen, ihn zu lieben und<br />

ihn zu ehren, ihn zu loben und ihm zu danken. Die Aufforderungen<br />

richten sich an das Gegenüber, an die, denen Paul Gerhardt etwas von<br />

seinen eigenen Erfahrungen mitteilen möchte. Es sind aber auch Bitten<br />

und Aufforderungen an den Herrn, der ein fröhliches Herz geben oder<br />

ein Herz still werden lassen kann und soll.<br />

Paul Gerhardt ist „Singen” wichtig. Neben allen Fragen, Bitten und<br />

allgemeinen Aufforderungen steht vor allem immer wieder der Aufruf<br />

zum Lobpreis durch das Singen. Das Singen ist für Gerhardt ein wichtiges<br />

und angemessenes Antworten auf Gottes Güte und Bewahrung,<br />

auf seine Zuwendung und Liebe.<br />

Das Wort-Ton-Verhältnis von Text und Melodie:<br />

Die Texte von Paul Gerhardt und die dazu entstandenen Melodien der<br />

beiden Kantoren Johann Crüger und Johann Georg Ebeling stehen in<br />

einem besonders innigen und deutlichen Wort-Ton-Verhältnis. Dabei<br />

machen die Töne in bildhafter Weise den Text lebendig. Fröhlichkeit<br />

und Freude schwingen und tanzen in einem schnellen 3/4- oder 6/4<br />

Takt. Der Aufruf zum Singen manifestiert sich aus Tonreihen, die sich in<br />

Dreiklangsfanfaren aus der Tiefe in die Höhe emporschwingen.<br />

Vorspiel für 4 Stimmen, Walter Rein<br />

(Aus der Reihe „ Kantate”, Bärenreiter; nicht mehr lieferbar;<br />

alternativ: Hans Georg Bertram, Partita, Strube;<br />

Choralbearbeitungen für Bläser und Orgel von Jürgen Pfiester,<br />

Hartmut Bietz oder Ulrich Leykam bei Strube)<br />

Gemeinde: EG 302, 1+2<br />

(Posaunen-Choralbuch)<br />

Liedpredigten | 75


Was ist das für eine Melodie, die Träger dieses Lob-Gedichtes ist Es<br />

ist eine Melodie, die nicht ruhig dahin plätschert oder monoton wenige<br />

Töne umkreist, sondern diese Melodie entwickelt eine ungewöhnliche<br />

Dynamik. Es ist eine Melodie, die schwungvoll aus der Tiefe in<br />

die Höhe aufsteigt, eine Melodie, die einen riesigen Tonumfang hat,<br />

der größer und weitumspannender ist als die meisten bekannten Melodien.<br />

In einem markanten Drei- und Vierklangsmotiv steigt sie vom<br />

Grundton empor bis zur Oktave und noch 3 Töne darüber hinaus.<br />

Nach einer Wiederholung steigt sie dann im letzten Teil noch einen<br />

Ton höher und schafft damit einen Höhenrekord, was den Umfang<br />

eines Kirchenliedes betrifft.<br />

Die Melodie stammt von Johann Georg Ebeling um 1666, der seit<br />

1662 Kantor an der Nikolaikirche in Berlin als Nachfolger von Johann<br />

Crüger war. Alle Melodien von Johann Ebeling sind gekennzeichnet<br />

von einer schlichten liedhaften Prägung, mit einem zuweilen ungewöhnlich<br />

großen Tonraum, der für die Gemeinde bis an die Grenze<br />

der Singbarkeit geht. Entgegen vielen anderen Liedern, die von der<br />

Gemeinde als zu hoch und schwierig abgelehnt werden, scheint die<br />

singende Gemeinde bei diesem Lied bis heute keine Probleme zu haben.<br />

Zur Melodie und dem vierstimmigen Satz komponiert Ebeling<br />

zusätzlich zwei Solostimmen, die für Violinen gedacht und recht virtuos<br />

zu musizieren sind. Diese Besonderheit der Satzform hat er von<br />

Johann Crüger übernommen.<br />

Gemeinde: EG 302, 3+4<br />

(Posaunen-Choralbuch)<br />

Die acht Strophen des Liedes sind eine Nach- und Weiterdichtung von<br />

Psalm 146. Die Übersetzung von Martin Luther ist vielen bekannt.<br />

Wenn wir den Psalm jetzt lesen und hören, werden wir viele Worte und<br />

Formulierungen wiederfinden, die Paul Gerhardt aus dem Psalm in sein<br />

Lied übernommen hat. Es ist ein Hymnus, in dem Menschen vor langer<br />

Zeit ihre Erfahrungen mit Gott zusammengetragen, aufgeschrieben<br />

und gesungen haben:<br />

76


Halleluja!<br />

Lobe den Herrn, meine Seele.<br />

Ich will den Herrn loben, solange ich lebe<br />

und meinen Gott lobsingen, solange ich bin.<br />

Verlasset euch nicht auf Fürsten;<br />

sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.<br />

Denn des Menschen Geist muss davon,<br />

und er muss wieder zu Erde werden;<br />

dann sind verloren alle seine Pläne.<br />

Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist,<br />

der seine Hoffnung setzt auf den Herrn, seinen Gott,<br />

der Himmel und Erde gemacht hat,<br />

das Meer und alles, was darinnen ist.<br />

Der Treue hält ewiglich,<br />

der Recht schafft denen, die Gewalt leiden,<br />

der die Hungrigen speiset.<br />

Der Herr macht die Gefangenen frei.<br />

Der Herr macht die Blinden sehend.<br />

Der Herr richtet auf, die niedergeschlagen sind.<br />

Der Herr liebt die Gerechten.<br />

Der Herr behütet die Fremdlinge<br />

und erhält Waisen und Witwen.<br />

Aber die Gottlosen führt er in die Irre.<br />

Der Herr ist König ewiglich,<br />

dein Gott, Zion, für und für.<br />

Halleluja!<br />

(Psalm 146)<br />

Vorspiel für 4 Stimmen, Klaus Knigge<br />

(Choralgebundene Bläsermusiken aus:<br />

Lass dir unser Lob gefallen III, Teilausgabe, Strube 2194)<br />

Liedpredigten | 77


Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön.<br />

Paul Gerhardt fordert seine Seele auf:<br />

Du, meine Seele, fang an zu singen, wohlauf und singe schön.<br />

Stimme ein Lied an von den großen Wundertaten Gottes.<br />

Heute würde man es vielleicht so sagen:<br />

Hallo, meine Seele, hörst du mich Ich möchte, dass du singst.<br />

Ich möchte, dass wir zusammen ein Lied anstimmen. Was es zu besingen<br />

gibt Was der Grund des Singens ist Du sollst für den ein Lied<br />

singen, der alles geschaffen hat, was wir sind und was wir haben. Du<br />

sollst dem ein Lied singen, der alles in seiner Hand hält. Also wohlauf,<br />

meine Seele, sing!<br />

Aber du sollst nicht allein singen, meine Seele. Mein Geist und Sinn,<br />

mein Körper, meine Liebe und mein Wille sollen mitsingen. Wir tun uns<br />

zusammen und singen mit einer Stimme – unisono. Dann sprechen<br />

und singen wir zusammen. Das „ich” meint und steht für das „wir”: Ich<br />

will den Namen Gottes loben. Ich will besingen, was es auf der Erde<br />

zu bestaunen gibt. Und du, mein Herz, du singst mit. Ich will singen<br />

von dem, was wir alles erlebt haben. Und lasst uns dabei den Vorsatz<br />

haben, nicht nur heute zu singen und zu loben, sondern auch morgen<br />

und übermorgen, solange wir noch können, solange wir leben.<br />

Aber was ist, wenn es nichts zu singen gibt Was ist, wenn einem nicht<br />

zum Loben und Singen zumute ist Was ist, wenn du traurig oder betrübt,<br />

verzagt oder deprimiert bist Dann ist es nicht leicht zu singen.<br />

Gemeinde: EG 302, 5+6<br />

(Posaunen-Choralbuch)<br />

Der Text ist auf den ersten Blick ein Lied zum ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses,<br />

zum „Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer<br />

des Himmels und der Erde”. Aber der Blick geht weiter und schlägt<br />

auch die Brücke zum zweiten Artikel, wo wir glaubend bekennen: „Ich<br />

glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn”. Damit werden<br />

Psalm und Lied zu einem Christus-Bekenntnis, zu einem Bekenntnis an<br />

den Erlöser und Heiland der Welt. Jesus Christus ist der, den Gott auf<br />

die Erde gesandt hat, ist der, der den Menschen Heil gebracht hat und<br />

78


auch uns Heilung bringen will. Durch sein Leben zeigt Jesus von Nazareth,<br />

wie die Schöpfung Gottes erhalten werden kann.<br />

Wir wissen wenig über das Wesen Gottes, aber wir wissen, was er<br />

getan hat und tut. Das Lied zählt dann die Taten Gottes auf, die durch<br />

Gottes Sohn Jesus Christus geschehen sind: dazu gehören die Wundergeschichten,<br />

die wir aus den Evangelien kennen. Dieser Jesus hat<br />

Blinde sehend gemacht, hat Lahme wieder auf die Beine gebracht, hat<br />

Hungrige gespeist und satt gemacht, hat Gefangene befreit und sie in<br />

die Freiheit geführt, dieser Jesus hat Ausgestoßene wieder in die Gesellschaft<br />

geführt, er hat sogar Tote wieder zum Leben erweckt.<br />

Vorspiel für 4 Stimmen, Friedemann Schaber<br />

(Vorspiele für Bläser zum EG, Strube 2085)<br />

Mit diesem Lied singen wir ein persönliches Be-Kenntnis. Wir singen<br />

von dem, was wir erlebt und erfahren haben. Das Lied ist eine Möglichkeit,<br />

dieses Bekenntnis abzulegen mit anderen und vor anderen.<br />

Ich will den Herren loben, hier auf der Erde, hier in der Welt, hier an<br />

meinem Platz, an dem ich stehe und arbeite, hier an der Stelle, wo ich<br />

lebe. Ich will ihn herzlich loben, ich will Dank sagen für alles, was mir<br />

geschenkt wurde an Leben und Gesundheit, an Freude und Fröhlichkeit,<br />

an Gemeinschaft und Freundschaft.<br />

Und zuletzt wächst die Er-Kenntnis. Dabei erkennt ein Mensch seine<br />

Stellung zur Schöpfung und zum Schöpfer. Es ist einerseits die Erkenntnis<br />

der Größe Gottes und seiner Herrlichkeit. Es ist andererseits die<br />

Erkenntnis der eigenen Unwichtigkeit und Vergänglichkeit. Es ist die<br />

doppelte Erkenntnis dieser spannungsvollen Relation von Größe und<br />

Nichtigkeit, von Himmel und Erde, von Gott und Mensch.<br />

Deshalb bekenne ich mit Paul Gerhardt und singe:<br />

Eigentlich bin ich viel zu wenig, um dich zu rühmen. Denn ich bin wie<br />

eine Blume, die nur eine kurze Zeit blüht und dann verwelkt. Ich bin<br />

nur ein <strong>ganz</strong> kleines Körnchen Sand in der großen, weiten Wüste.<br />

Im gleichen Maße aber erkenne ich, wie wichtig mich Gott trotzdem<br />

nimmt. Das ist für mich wunderbar und schwer zu begreifen. Ich ver-<br />

Liedpredigten | 79


traue dennoch darauf. Im Vertrauen auf die Kindschaft und Zugehörigkeit<br />

zum Reich Gottes bleibt für jeden Menschen die Aufgabe des<br />

Lobens und Dankens.<br />

Darum: Du meine Seele, mein Herz und mein Geist, singt und stimmt<br />

ein Lied an, wohlauf, und singet schön, weil Christus mich erlöst hat,<br />

weil Christus mir eine Hoffnung gegeben hat, weil Christus immer bei<br />

mir sein will. Halleluja. Amen.<br />

Und der Friede Gottes,<br />

der höher ist als all unser Denken und Fühlen,<br />

der bewahre unsere Seele, unsere Herzen und Sinne<br />

in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.<br />

Gemeinde: EG 302, 7+8<br />

(Posaunen-Choralbuch)<br />

Weitere Bläsersätze und Vorspiele zu EG 302 (EKG 197)<br />

Ulrich Baudach, Lass dir unser Lob gefallen III, Strube;<br />

Walter Rein, Bläserheft für Kirchentage III, Strube;<br />

Herbert Peter, Johannes H. E. Koch, Bläservorspiele zum EKG,<br />

Merseburger.<br />

Alternative leichte Orgelsätze<br />

Vorspiele zu EG 302 in:<br />

Choralvorspiele zum EG, Band 4, Bärenreiter;<br />

„in Ewigkeit dich loben”, Breitkopf & Härtel;<br />

„hier preisen auf der Erd”, Breitkopf & Härtel;<br />

Neue Vorspiele und Intonationen zum EG Bayern, Strube.<br />

Vorspiel und Satz zu EG 302 von Markus Nickel in:<br />

E. und M. Nickel, Lasst uns miteinander, Strube.<br />

80

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!