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TAGUNGSBAND<br />

Klimaschutzkongress NRW<br />

Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />

22. Mai 2002, Düsseldorf, Hotel Nikko<br />

Ministerium für<br />

Wirtschaft und<br />

Mittelstand,<br />

Energie und<br />

Verkehr<br />

des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen


Impressum<br />

Veranstalter und Herausgeber<br />

Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie<br />

und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

Landesinitiative Zukunftsenergien NRW<br />

Redaktion und Gesamtverantwortung<br />

EUtech Energie + Umwelt, Technik + Management, Aachen<br />

Martin Kruska<br />

Gestaltung<br />

Brants-Design Alsdorf<br />

Marina Brants<br />

Druck<br />

Richard Thierbach, Mühlheim a.d. Ruhr<br />

Düsseldorf, im Mai 2002<br />

Der <strong>Tagungsband</strong> enthält die schriftlichen Beiträge der Referenten des<br />

Klimaschutzkongresses NRW am 22. Mai 2002 in Düsseldorf. Die einzelnen<br />

Beiträge geben die auf persönlichen Erkenntnissen beruhenden Ansichten<br />

und Erfahrungen der Vortragenden wieder.


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Tagungsband</strong><br />

Klimaschutzkongress NRW<br />

Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />

3 Plenarteil<br />

3 Ernst Schwanhold:<br />

Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen<br />

8 Dr. Gerhard Berz:<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels durch anthropogene Einflüsse<br />

17 Ministerialrat Franzjosef Schafhausen:<br />

Status der internationalen Verhandlungen im Klimaschutz –<br />

Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

44 Dr. Joachim Ehrenberg:<br />

Der EU Richtlinienvorschlag zum Emissionshandel im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

52 Dr. Henning Rentz:<br />

Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

57 Prof. Dr. Dieter Ameling:<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

68 Dr. Martin Schneider:<br />

Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

76 Workshop I<br />

Chancen und Risiken der Wirtschaft in NRW durch den Emissionshandel<br />

Moderation: Ministerialrat Franzjosef Schafhausen<br />

77 Dr. Hermann E. Ott:<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden umweltpolitischen<br />

und umweltrechtlichen Instrumentariums<br />

85 Dr. Jürgen Engelhard:<br />

Die Bedeutung des Emissionshandels für Kraftwerksbetreiber<br />

90 Dr. Karlheinz Berg:<br />

Emissionshandel in der Praxis<br />

92 Dr. Jochen Rudolph:<br />

Der Emissionshandel aus Sicht der Chemischen Industrie<br />

96 Workshop II<br />

Technologieexport durch flexible Instrumente:<br />

neue Chancen für die Wirtschaft in NRW<br />

Moderation: Dr. Gerhard Sohn<br />

97 Dr. Thomas Kreuder:<br />

Beitrag moderner Bergbautechnologie zum Klimaschutz<br />

1


<strong>Tagungsband</strong><br />

Klimaschutzkongress NRW<br />

Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />

104 Heinrich Lohmann:<br />

Perspektiven für den Ausbau erneuerbarer Energien durch flexible Instrumente<br />

114 Klaus Dieter Rennert:<br />

Neue Impulse für den Kraftwerksbau<br />

122 Workshop III<br />

Unterstützung der marktorientierten Instrumente durch öffentliche Institutionen<br />

Moderation: Delia Villagrasa<br />

123 Regierungsdirektor Rüdiger Schweer:<br />

Der "Hessen-Tender" – Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative<br />

für den Kauf von Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

128 Dr. Klaus Oppermann:<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

140 Holger Liptow:<br />

Bereit für den CDM – Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzungen für<br />

CDM-Projekte in Entwicklungsländern<br />

152 Podiumsdiskussion:<br />

Die Zukunft für marktorientierten Klimaschutz in NRW – Chancen, Risiken und<br />

Handlungsbedarf für das Bundesland und seine Wirtschaft<br />

Moderation: Michael Grytz<br />

Teilnehmer:<br />

Berthold Bonekamp<br />

Dr. Joachim Ehrenberg<br />

Staatssekretär Jörg Hennerkes<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Delia Villagrasa<br />

153 Anhang:<br />

154 Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der internationalen Kooperation im Klimaschutz<br />

164 Kurzbiografien<br />

aller Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der Podiumsdiskussion<br />

166 Glossar<br />

2


Plenarteil<br />

Klimaschutz in NRW<br />

Ernst Schwanhold<br />

Minister für Wirtschaft und Mittelstand,<br />

Energie und Verkehr des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Nordrhein-Westfalen hat als wichtigste Industrie- und Energieregion Deutschlands im<br />

September des vergangenen Jahres das Klimaschutzkonzept NRW vorgelegt um die<br />

Bereitschaft deutlich zu machen, einen Beitrag zu den gemeinsamen Anstrengungen<br />

zum Klimaschutz in Europa leisten zu wollen.<br />

Im Klimaschutzkonzept NRW konnte die Landesregierung aufzeigen, dass die quantifizierbaren<br />

Klimaschutzmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen auf der Berechnungsgrundlage<br />

des Bundes-Klimaprogramms ein Minderungspotenzial von über 30 Millionen Tonnen<br />

Kohlendioxid (CO 2 ) jährlich aufweist. Dies entspricht etwa der Hälfte der von der<br />

Bundesregierung für das gesamte Bundesgebiet festgestellten Minderungsdeckungslücke<br />

in Höhe von 50 bis 70 Millionen Tonnen CO 2 im Jahr 2005. Die Landesregierung<br />

will im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Voraussetzungen dafür schaffen, einen Großteil<br />

dieser bedeutenden Potenziale in den nächsten Jahren zu erschließen.<br />

Gegenwärtig wird auf europäischer Ebene – aber auch innerhalb der EU-Mitgliedstaaten<br />

– intensiv über den Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission vom 23. Oktober<br />

2001 zu einem Emissionszertifikats-Handelssystem diskutiert. Wegen der zu erwartenden<br />

Auswirkungen in wichtigen industriellen und energiewirtschaftlichen Sektoren befassen<br />

wir uns in Nordrhein-Westfalen gezielt mit den Konsequenzen eines solchen Handelssystems.<br />

Vor dem Hintergrund der nordrhein-westfälischen Interessenlage, aber auch der erheblichen<br />

Anstrengungen, die Nordrhein-Westfalen im Interesse der Umsetzung des<br />

nationalen Klimaschutzprogramms der Bundesregierung unternimmt, möchte ich<br />

meine Position zu dem gegenwärtigen Richtlinien-Vorschlag darlegen:<br />

Kernelement des Vorschlags, der in den Mitgliedstaaten ab dem 1. Januar 2005 umgesetzt<br />

werden soll, ist, dass die Mitgliedstaaten den Anlagebetreibern CO 2 -Obergrenzen<br />

für bestimmte energieintensive Industrieanlagen auferlegen müssen. Anschließend haben<br />

die jeweiligen Unternehmen das Recht, mit CO 2 -Zertifikaten national und grenzüberschreitend<br />

innerhalb der EU zu handeln.<br />

Das Kyoto-Protokoll wollte durch die Instrumente Joint Implementation (JI), Clean Development<br />

Mechanism (CDM) und Emissions Trading (ET) auf der Ebene der Unterzeichnerländer<br />

ein Höchstmaß an Flexibilität erreichen, damit durch umfassende Einbeziehung<br />

aller Treibhausgase, aller Regionen und aller Emittenten, eine möglichst kostengünstige<br />

Reduktion ermöglicht wird. Die Wahl der Maßnahmen und Instrumente zur Erreichung<br />

der jeweiligen Treibhausgas-Reduktionsverpflichtungen gemäß dem Kyoto-Protokoll lag<br />

in der Entscheidungsfreiheit der Unterzeichnerländer.<br />

3


Plenarteil<br />

Klimaschutz in NRW<br />

Ernst Schwanhold<br />

Der Vorschlag der EU-Kommission wird diesem flexiblen Ansatz bisher nicht gerecht. Er<br />

nutzt und erweitert nicht die Handlungsalternativen, sondern schränkt sie ein; an einen<br />

Handel zwischen den Staaten ist nicht mehr gedacht. Vielmehr sollen lediglich bestimmte<br />

energieintensive Unternehmen mit nur innerhalb der EU handelbaren Emission-<br />

Caps belegt werden. Hierdurch werden jedoch die Möglichkeiten einer Kosteneffizienz<br />

der Treibhausgasreduktion innerhalb der EU erheblich reduziert. Die einbezogenen Unternehmen<br />

werden zugleich in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit und in ihren<br />

Wachstumschancen beschränkt. Kurz gefasst: Der Entwurf der EU-Kommission bringt<br />

Einschränkungen statt Flexibilisierung.<br />

Zu meiner grundsätzlich kritischen Haltung trägt vor allem bei, dass das von der Kommission<br />

vorgeschlagene Handelssystem auf die EU-Mitgliedstaaten beschränkt wird.<br />

Außerdem werden durch den Emissionshandel, so wie er jetzt von der Kommission<br />

geplant ist, nur wenige Branchen erfasst und damit auch weniger als 40 % der europäischen<br />

Treibhausgasemissionen. Der Richtlinien-Vorschlag trifft auf Verbrennungsprozesse<br />

in der Energiewirtschaft sowie in energieintensiven Industrieanlagen zu und<br />

bezieht zunächst allein die Emissionen an CO 2 ein. Das belastet die Energieträger<br />

Braun- und Steinkohle und begünstigt den Einsatz von Erdgas. Bezieht man die Methanverluste<br />

und den Energiebedarf für die Förderung und den Transport von Erdgas einerseits<br />

und Braun- und Steinkohle andererseits bei der Stromerzeugung in modernen<br />

Kraftwerken mit ein, gleichen sich deren äquivalente CO 2 -Emissionen und damit die<br />

Treibhausgas-Emissionsbilanz stark an. Eine seriöse Treibhausgas-Emissionsbilanz<br />

muss deshalb die äquivalenten CO 2 -Emissionen aller Energieträger berücksichtigen.<br />

Mithin soll die leicht erfassbare energieintensive Industrie, die im Vergleich zu anderen<br />

Sektoren und gerade in Deutschland bereits erhebliche Treibhausgasreduktionen erreicht<br />

hat, auch zukünftig den Löwenanteil der Treibhausgasreduktionen erbringen. Die<br />

Beschränkung des Emissionshandels auf die EU und auf CO 2 bevorteilt dadurch insbesondere<br />

den Erdgasimport – und, nebenbei bemerkt, auch die Kernenergie bzw. importierten<br />

Kernenergiestrom – zu Lasten der heimischen Kohle und damit zu Lasten der<br />

Versorgungssicherheit. Schließlich wird es durch die zu erwartende Erhöhung des Energiepreisniveaus<br />

eine Produktions- und Arbeitsplatzverlagerung energieintensiver Unternehmen<br />

in Drittländer geben. Gleichzeitig würde z.B. dem Import von weniger umweltfreundlich<br />

erzeugtem Kohlestrom aus Osteuropa Vorschub geleistet werden. Auf diese<br />

Zusammenhänge hat auch das (Zwischen-) Gutachten von RWI, Essen, und AGEP,<br />

Münster, vom 14.02.2002 hingewiesen.<br />

Die unterschiedlichen Adressaten des Emissionszertifikats-Handelssystems (Unternehmen)<br />

und des für die EU vereinbarten Burden-Sharing (Mitgliedstaaten) führt zu Widersprüchen,<br />

die von der Kommission noch aufgelöst werden müssen. Die Auflösung dieser<br />

Widersprüche wird den Mitgliedstaaten allein überlassen, ebenso wie die Regelungen<br />

des für die Auswirkungen eines Emissionszertifikats-Handelssystems entscheidenden<br />

4


Klimaschutz in NRW<br />

Zuteilungsverfahrens der Emissionsrechte. Die Frage der Festlegung von Gesamtmengen<br />

der Emissionsberechtigungen für die von dem Richtlinien-Vorschlag erfassten Anlagen<br />

und auch der Zuteilung und Verknappung der Emissionsberechtigungen in Bezug auf<br />

die einzelne Anlage, ist mit vielen ungeklärten Umsetzungsproblemen verbunden. Dies<br />

gilt nicht nur in Bezug auf das bestehende deutsche Anlagenrecht, sondern auch in verfassungsrechtlicher<br />

Hinsicht.<br />

Anders als im Kyoto-Protokoll und dem danach folgenden EU-Burden-Sharing ist vorgesehen,<br />

dass seit 1990 bereits erbrachte CO 2 -Reduktionsvorleistungen nicht mehr anerkannt<br />

und quasi entwertet werden. Damit würden diejenigen Unternehmen der Energiewirtschaft,<br />

die ihre Anlagen mit großem Investitionsaufwand bereits in den letzten Jahren,<br />

also vor dem Beginn des Emissionszertifikathandels, energietechnisch optimiert<br />

haben, benachteiligt, denn sie könnten für diese Maßnahmen keine CO 2 -Gutschriften<br />

erhalten. Ab 2005 würden diesen Unternehmen CO 2 -Einsparpotenziale und damit<br />

potenzielle CO 2 -Zertifikate für den zukünftigen Handel fehlen. Hingegen würden diejenigen<br />

Unternehmen auch in anderen EU-Mitgliedsländern, die bis dahin solche Anstrengungen<br />

unterlassen haben, begünstigt. Für Verbesserungsmaßnahmen, die sie erst nach dem<br />

1. Januar 2005 durchführen, würden sie mit handelbaren Zertifikaten belohnt.<br />

Auch könnten den neu errichteten, energieintensiven Unternehmen in den neuen Bundesländern<br />

keine Gutschriften für eingesparte CO 2 -Emissionen seit 1990 zugeteilt werden,<br />

weil diese Unternehmen damals noch nicht existiert haben. Hier sind Verrechnungen<br />

mit der Vorgängergesellschaft, der Treuhand, erforderlich. In keinem Fall darf jedoch<br />

die Verrechnung zu Lasten von Dritt-Unternehmen gehen.<br />

Um die bereits erbrachten CO 2 -Reduktionsvorleistungen der deutschen Industrie und<br />

dadurch gerade auch im EU-Vergleich relativ höheren weiteren Reduktionskosten angemessen<br />

zu würdigen, ist es zur Vermeidung einer Diskriminierung im EU-Wettbewerb<br />

unverzichtbar, das Jahr 1990 als Basisjahr für die Zuteilung von Emissionsberechtigungen<br />

im nationalen Allokationsplan zu Grunde zu legen.<br />

Nach den Grundsätzen des Kyoto-Protokolls können Emissionsreduktionen, die durch<br />

gemeinsame Klimaschutzprojekte zwischen Industrieländern (Joint Implementation, JI)<br />

oder zwischen Industrie- und Entwicklungsländern (Clean Development Mechanism,<br />

CDM) erreicht werden, zu projektbezogenen Gutschriften führen. Danach können EU-<br />

Unternehmen, die ihre CO 2 -Minderungspotenziale, z. B. durch Kraftwerkserneuerung in<br />

Nicht-EU-Industrie- oder in Entwicklungsländern einsetzen, bei diesen Investitionen in<br />

den Genuss von JI- oder CDM-CO 2 -Gutschriften kommen. Der Richtlinien-Vorschlag der<br />

Kommission sieht die Einbeziehung solcher Gutschriften nicht vor. Emissionsreduktionsgutschriften<br />

im Sinne des Kyoto-Protokolls müssen daher in den Geltungsbereich des<br />

Richtlinien-Entwurfs einbezogen werden.<br />

5


Plenarteil<br />

Klimaschutz in NRW<br />

Ernst Schwanhold<br />

Zusätzlich sollten auch nationale JI-Maßnahmen zur weiteren Förderung des Klimaschutzes<br />

genutzt werden. Damit könnten Preisanreize für Klimaschutz-Fördermaßnahmen<br />

objektiviert werden, z. B. bei Kraft-Wärme-Kopplung, Solartechnik und Windkraftwerken.<br />

Das schließt nicht aus, dass die öffentliche Hand für derartige Fördermaßnahmen weitere<br />

Anreize gibt, die über dem Marktpreis für handelbare CO 2 -Zertifikate liegen. Die Nutzung<br />

nationaler JI-Maßnahmen sollte zur Förderung des Klimaschutzes in einem überarbeiteten<br />

Richtlinien-Entwurf ebenfalls berücksichtigt werden.<br />

Ein speziell deutsches Problem resultiert daraus, dass die aus einem Emissionszertifikats-Handelssystem<br />

zu erwartenden finanziellen Belastungen additiv zu bestehenden<br />

nationalen Instrumenten (z.B. Ökosteuer, EEG, KWKG) wirken würden und damit naturgemäß<br />

den internationalen Wettbewerb verzerren. Die kostenrelevante Wirkung bestehender<br />

Instrumente muss bei der Einführung des Emissionszertifikats-Handelssystems<br />

für die betroffenen Unternehmen ganz oder zum Teil entfallen. Ansonsten müssten die<br />

Unternehmen zweimal zahlen: für das Recht, CO 2 auszustoßen (Erwerb von Emissionsberechtigungen)<br />

und für die Energie, die sie dafür benötigen (z.B. Ökosteuer). Übermäßige<br />

Belastungen der in den Emissionshandel einbezogenen Unternehmen und<br />

Branchen müssen auch im Vergleich zu anderen Bereichen der Wirtschaft vermieden<br />

werden.<br />

Ein weiteres Problem durch das vorgesehene Emissionszertifikats-Handelssystem sehe<br />

ich in Bezug auf das in Deutschland bestehende System der Branchen-Selbstverpflichtungen<br />

zum Klimaschutz, dem der Gedanke der Solidargemeinschaft als Geschäftsgrundlage<br />

zugrunde liegt. Treibhausgas-Reduzierungen einzelner Branchenunternehmen<br />

werden danach der gesamten Branche zugerechnet. Eine solche Zurechnung wäre<br />

aber unmöglich, wenn ein Branchenunternehmen CO 2 -Reduktionen bzw. dadurch frei<br />

werdende CO 2 -Zertifikate an Unternehmen außerhalb der Branche oder in einem anderen<br />

EU-Mitgliedstaat verkaufen würde. Berechtigter der CO 2 -Reduktionen wäre dann ein<br />

Unternehmen außerhalb der nationalen Selbstverpflichtung. Ein Emissionszertifikats-<br />

Handelssystem auf Ebene der Unternehmen ist mit einer nationalen Branchen-Selbstverpflichtung<br />

schwerlich vereinbar. Es war allgemein anerkanntes Verständnis bei allen<br />

bisher eingegangenen Selbstverpflichtungen, dass die Unternehmen selbst darüber befinden,<br />

in welcher Form sie den zugesagten Beitrag zum Klimaschutz erreichen. Wenn<br />

in Deutschland ein verpflichtendes Emissionshandelssystem eingeführt wird, läuft die<br />

Politik Gefahr, dass sich die Unternehmen an ihre sich selbst auferlegten Zusagen nicht<br />

mehr gebunden fühlen.<br />

Die von dem Richtlinien-Vorschlag bezweckte Reduzierung von Treibhausgasemissionen<br />

ließe sich zudem nur erreichen, wenn die Kohle als Energieträger zugunsten anderer<br />

Energieträger wie Erdgas und importiertem Kernenergiestrom stark zurückgedrängt<br />

würde. Die Richtlinie würde danach den deutschen Energiemix zu Lasten der Kohle als<br />

6


Klimaschutz in NRW<br />

Energieträger massiv beeinflussen. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls für diejenigen<br />

Mitgliedstaaten, die, wie Deutschland, in erheblichem Maße auf Kohle als Träger der<br />

nationalen Energieversorgung zurückgreifen, davon auszugehen, dass der Richtlinien-<br />

Vorschlag ihre Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Energieträgern – zumindest<br />

faktisch – grundlegend einschränkt und die Versorgungssicherheit vernachlässigt. Auch<br />

dies kann aus unserer Sicht nicht akzeptiert werden.<br />

Für die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine Richtlinie über ein System für den Handel<br />

mit Treibhausgasemissionsberechtigungen zu erlassen ist, ist das Maß der Beeinflussung<br />

der nationalen Energiepolitik entscheidend. Nr. 1.1 der Begründung des Richtlinien-Vorschlags<br />

nennt als Rechtsgrundlage Art. 175 Abs. 1 EGV. Unserer Auffassung<br />

nach ist aber Art. 175 Abs. 2 EGV als die speziellere Vorschrift heranzuziehen, weil hier<br />

die Wahl Deutschlands zwischen verschiedenen Energieträgern und die allgemeine<br />

Struktur seiner Energieversorgung erheblich berührt werden. Wie schon ausgeführt werden<br />

Strom aus Erdgas und aus Kernenergie einseitig bevorzugt. Art. 175 Abs. 2 EGV<br />

sieht aber, im Gegensatz zum ersten Absatz, in diesen Fällen die einstimmige Beschlussfassung<br />

im Rat vor. Nach meiner Auffassung darf der Rat daher die Richtlinie über ein<br />

System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen nur einstimmig verabschieden.<br />

Soweit meine Auffassung zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission. Um aber Missverständnisse<br />

zu vermeiden: Es geht mir nicht darum, das Instrument des Emissionshandels<br />

generell abzulehnen, denn es hat ja durchaus marktwirtschaftliche Aspekte, die<br />

allemal besser sind, als regulatorische Ansätze. Wir müssen aber die Ziele und die Instrumente<br />

des Klimaschutzes auseinander halten. Wenn ein Staat in der Lage ist, die<br />

von ihm eingegangenen Verpflichtungen zur Treibhausgasreduzierung in anderer Weise,<br />

d.h. mit anderen Instrumenten sicherzustellen, muss er auch die Freiheit haben, auf<br />

das Instrument des Emissionshandels ggf. ganz zu verzichten. Wir müssen im Übrigen<br />

darauf achten, dass andere Staaten ihren Verpflichtungen in gleicher Weise so vorbildlich<br />

nachkommen wie Deutschland dies tut.<br />

Ich freue mich, dass wir für den Klimaschutzkongress NRW namhafte Referenten gewinnen<br />

konnten, die praxisnah ein Bewusstsein dafür schaffen werden, welche Anforderungen<br />

in den nächsten Jahren auf die Unternehmen zukommen können und welche Chancen<br />

und Risiken sich dadurch für sie eröffnen.<br />

Ich wünsche den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den Referenten einen<br />

fruchtbaren Gedankenaustausch und anregende Diskussionen.<br />

7


Plenarteil<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

Fachbereichsleiter GeoRisikoForschung,<br />

Münchener Rückversicherungs-<br />

Gesellschaft, München<br />

Zusammenfassung<br />

Naturkatastrophen verursachen weltweit immer größere Schäden. Seit den 60er<br />

Jahren sind die Häufigkeit großer Naturkatastrophen auf etwa das Dreifache,<br />

die volkswirtschaftlichen Schäden – schon inflationsbereinigt – auf das Achtfache<br />

und die versicherten Schäden sogar auf das Vierzehnfache gestiegen. Als<br />

Hauptursachen sind die zunehmende Verstädterung, die Besiedelung und<br />

Industrialisierung hochexponierter Regionen, die Verwundbarkeit moderner<br />

Technologien und auch die anthropogenen Umweltveränderungen anzusehen.<br />

Besonderen Grund zur Sorge geben die Abschätzungen künftiger Schadenpotenziale,<br />

die bei einer Reihe realistischer Katastrophenszenarien bisher ungekannte<br />

Ausmaße erreichen.<br />

Die Versicherungswirtschaft bietet trotz dieser ungünstigen Schadentrends ein<br />

breites Spektrum von Deckungen gegen Elementarschäden an; sie versucht<br />

gleichzeitig, ihre Kunden zu verstärkter Schadenvorsorge zu motivieren. Außerdem<br />

unternimmt sie große Anstrengungen, ihre eigenen Schadenpotenziale<br />

durch den Einsatz moderner geowissenschaftlicher Methoden zu ermitteln.<br />

Nach wie vor problematisch ist die Abschätzung der Folgen künftiger Klimaänderungen<br />

für die Häufigkeit und Intensität atmosphärischer Extremereignisse,<br />

auch wenn sich die Indizien für bereits heute signifikante Einflüsse häufen.<br />

Vorwort<br />

Die Versicherungswirtschaft reagiert seit etwa Anfang der 80er Jahre zunehmend beunruhigt<br />

auf die rapide steigenden Schadenbelastungen aus Naturkatastrophen. Die Tatsache,<br />

dass über zwei Drittel dieser Schäden von atmosphärischen Extremereignissen<br />

wie Stürmen, Überschwemmungen und Unwettern verursacht wurden, nährt den Verdacht,<br />

dass die weltweit beobachteten Umwelt- und Klimaveränderungen maßgeblich<br />

zu dem Katastrophentrend beitragen. Auch wenn die wissenschaftliche Absicherung<br />

dieses Zusammenhangs noch aussteht, so stehen die Plausibilität und gleichzeitig auch<br />

die Brisanz dieser Vermutung außer Frage. Wirtschaft und Politik müssen deshalb entsprechend<br />

dem Vorsorgeprinzip eine weitere Verschärfung der Katastrophenentwicklung<br />

als Folge der erwarteten Klimaveränderungen in ihre Überlegungen einbeziehen<br />

und den Kosten wirkungsvoller Vermeidungsstrategien gegenüberstellen.<br />

8


Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Katastrophentrends<br />

Die Schadenbelastungen aus Naturkatastrophen haben, gerade in den letzten Jahren<br />

und gerade für die Versicherungswirtschaft, dramatische Ausmaße angenommen. Tab. 1<br />

zeigt alle Naturkatastrophen der letzten Jahrzehnte, die die Versicherungswirtschaft<br />

mehr als eine Milliarde US-Dollar gekostet haben.<br />

Vor 1987 hat diesen Wert ein einziges Ereignis, der Hurrikan "Alicia" 1983, erreicht, seit<br />

1987 aber insgesamt 33 Ereignisse, davon allein 31 seit 1990! Der Hurrikan "Andrew"<br />

Tabelle 1<br />

Chronologische Liste der Naturkatastrophen mit versicherten Schäden von 1 Mrd. US $ und mehr<br />

Rang Jahr Ereignis Region versicherte Schäden volkswirtschaftliche Schäden<br />

(Mio. US$) (Mio. US$)<br />

27 1983 Hurrikan "Alicia" USA 1,275 3,000<br />

29 1987 Wintersturm Westeuropa 3,100 3,700<br />

6 1989 Hurrikan "Hugo" Karibik, USA 4,500 9,000<br />

5 1990 Wintersturm "Daria" Europa 5,100 6,800<br />

26 1990 Wintersturm "Herta" Europa 1,300 1,950<br />

14 1990 Wintersturm "Vivian" Europa 2,100 3,250<br />

25 1990 Wintersturm "Wiebke" Europa 1,300 2,250<br />

4 1991 Taifun "Mireille" Japan 5,400 10,000<br />

19 1991 Waldbrand "Oakland fire" USA 1,750 2,000<br />

1 1992 Hurrikan "Andrew" USA 17,000 30,000<br />

20 1992 Hurrikan "Iniki" Hawaii 1,650 3,000<br />

18 1993 Schneesturm USA 1,750 5,000<br />

34 1993 Überschwemmung USA 1,000 16,000<br />

2 1994 Erdbeben USA 15,300 44,000<br />

10 1995 Erdbeben Japan 3,000 100,000<br />

29 1995 Hagel USA 1,135 2,000<br />

22 1995 Hurrikan "Luis" Karibik 1,500 2,500<br />

15 1995 Hurrikan "Opal" USA 2,100 3,000<br />

21 1996 Hurrikan "Fran" USA 1,600 5,200<br />

28 1998 Eissturm Kanada, USA 1,200 2,500<br />

33 1998 Überschwemmungen China 1,000 30,000<br />

24 1998 Hagel, Unwetter USA 1,350 1,800<br />

7 1998 Hurrikan "Georges" Karibik, USA 4,000 10,000<br />

30 1999 Hagelsturm Australien 1,100 1,500<br />

23 1999 Tornados USA 1,485 2,000<br />

13 1999 Hurrikan "Floyd" USA 2,200 4,500<br />

8 1999 Taifun "Bart" Japan 3,500 5,000<br />

16 1999 Wintersturm "Anatol" Europa 2,350 2,900<br />

3 1999 Wintersturm "Lothar" Europa 5,900 11,500<br />

12 1999 Wintersturm "Martin" Europa 2,500 4,000<br />

32 2000 Taifun "Saomai" Japan 1,050 1,500<br />

31 2000 Überschwemmungen Großbritannien 1,090 1,500<br />

17 2001 Hagel, Unwetter USA 1,900 2,500<br />

11 2001 Hurrikan "Allison" USA 3,500 6,000<br />

9


Plenarteil<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

bildet dabei den absoluten Spitzenreiter mit versicherten Schäden von rund 17 Milliarden<br />

Dollar, die allerdings noch ein Mehrfaches höher gewesen wären, wenn "Andrew"<br />

statt eines "double miss" zwei Volltreffer in Miami und New Orleans gelandet hätte.<br />

Nicht viel anders war es auch bei dem Erdbeben 1994 in Kalifornien, das ebenfalls den<br />

Großraum Los Angeles nur am Rande betroffen hatte und deshalb trotz versicherter<br />

Schäden von mehr als fünfzehn Milliarden Dollar nur als "Warnschuss" oder bestenfalls<br />

als "Streifschuss" gelten kann, ebenso wie bei dem Erdbeben 1995 in Kobe/Japan. Diese<br />

beiden Erdbeben sind die einzigen Katastrophen in der Liste, die ihren Ursprungnicht<br />

in der Atmosphäre hatten.<br />

Abbildungen 1a + 1b<br />

Der Verlauf großer Naturkatastrophen<br />

Große Naturkatastrophen 1950 - 2001<br />

seit 1950 (Abb. 1a + 1b) zeigt den drastischen<br />

Anstieg der Katastrophenschäden<br />

in den letzten Jahren sehr deutlich – eine<br />

Entwicklung, die schon in einigen Jahren<br />

jährliche Schadenbelastungen in der<br />

Größenordnung von 100 Milliarden Dollar<br />

(in heutigen Werten) zur Norm werden<br />

lassen wird. Die inflationsbereinigte Zunahme<br />

gegenüber den 60er Jahren, die<br />

noch in den 80er Jahren das Dreifache für<br />

die volkswirtschaftlichen und das Vierfache<br />

für die versicherten Schäden betrug,<br />

ist inzwischen – also für die letzten 10<br />

Jahre – auf das Achtfache bzw. das Vierzehnfache<br />

hochgeschnellt (Tab. 2). Diese<br />

Volkswirtschaftliche/versicherte Schäden mit Trends<br />

Angaben beziehen sich auf so genannte<br />

"große" Naturkatastrophen; die übrigen<br />

Elementarschadenereignisse, von denen<br />

die Münchener Rück jährlich etwa 600-850<br />

aus aller Welt erfasst, erhöhen das Gesamtschadenvolumen<br />

im Durchschnitt auf<br />

rund das Doppelte (Münchener Rück,<br />

2001).<br />

Seit den 60er Jahren haben die großen Naturkatastrophen sowohl nach<br />

Anzahl als auch nach volkswirtschaftlichen und versicherten Schäden (hier<br />

bereits inflationsbereinigt) deutlich zugenommen.<br />

Diese Schadenzunahme wird zweifellos zu<br />

einem großen, ja dominierenden Teil von<br />

steigenden Werten bzw. versicherten Haftungen,<br />

insbesondere auch in stark exponierten<br />

Großstadt-Regionen, verursacht.<br />

Außerdem zeigt sich immer wieder bei<br />

10


Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Naturkatastrophen, dass die Schadenanfälligkeit von Bauwerken und Infrastrukturen<br />

trotz aller Bauvorschriften und technischen Weiterentwicklungen eher größer als kleiner<br />

geworden ist. Hurrikan "Andrew" und die Erdbeben in Kalifornien und Japan belegen<br />

dies ganz deutlich (Münchener Rück, 1999 a).<br />

Große Naturkatastrophen 1950 - 2001 - Dekadenvergleich<br />

Tabelle 2<br />

Dekade Dekade Dekade Dekade Dekade letzte 10 Faktor<br />

1950 -1959 1960 -1969 1970 - 1979 1980 - 89 1990 - 99 1992 - 2001 letzte 10:60er<br />

Anzahl 20 27 47 63 89 78 2,9<br />

volkswirtschaftl.<br />

Schäden<br />

42,2 75,5 136,1 211,3 652,3 579,9 7,7<br />

versicherte<br />

Schäden<br />

0 7,2 12,4 26,4 123,2 103,7 14,3<br />

Schäden in Mrd. US $ (in Werten von 2001)<br />

NatCatSERVICE<br />

Anzahl volkswirtschaftliche und versicherte Schäden<br />

großer Naturkatastrophen pro Jahrzehnt seit 1950<br />

Klimaänderung<br />

Gleichzeitig haben sich aber die Indizien verstärkt, dass die sich abzeichnende Klimaänderung<br />

Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen gewinnt. Da<br />

sind einerseits die großen Sturmkatastrophen der letzten Zeit, die fast jedes Jahr für<br />

neue Schadenrekorde sorgten, und andererseits die zahllosen Überschwemmungs-, Unwetter-,<br />

Dürre- und Waldbrandkatastrophen, die heute häufiger als jemals zuvor aufzutreten<br />

scheinen.<br />

Der dritte Status-Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (2001) misst<br />

dem Zusammenhang zwischen der globalen Erwärmung und der Häufung bzw. Intensivierung<br />

atmosphärischer Extremereignisse besondere Bedeutung bei. Tatsächlich ergeben<br />

die Analysen von Beobachtungsreihen ebenso wie die Modellrechnungen zahlreiche<br />

neue Hinweise darauf, dass sich die Eintrittswahrscheinlichkeiten für Extremwerte verschiedener<br />

meteorologischer Größen bereits deutlich geändert haben oder noch ändern<br />

werden. Nachstehend einige Beispiele:<br />

Beispiel 1. Die erwartete weitere Zunahme der Durchschnittstemperaturen lässt die<br />

Wahrscheinlichkeit von Temperaturhöchstwerten außerordentlich stark ansteigen. So<br />

folgt aus einem Anstieg der mittleren Sommertemperaturen in Mittelengland um 1,6 °C,<br />

der dort bis etwa 2050 eintreten soll, dass ein Hitzesommer wie 1995 – nach der Temperaturverteilung<br />

1961-90 ein 75-Jahre-Ereignis, das die Versicherer Hunderte von<br />

11


Plenarteil<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

Abbildung 2<br />

Wahrscheinlichkeitszunahme für Extremwerte<br />

Beispiel:<br />

Sommertemperaturen<br />

in Mittelengland<br />

1695<br />

1816<br />

1961 – 1990<br />

T=15,3°C<br />

2050s<br />

T=16,9°C<br />

1975<br />

1983<br />

1995<br />

1826<br />

1976<br />

T=1,6°C<br />

Faktor 25<br />

Millionen £ an Gebäudeschäden durch<br />

Bodensenkungen kostete – dann durchschnittlich<br />

einmal in drei Jahren stattfinden<br />

wird (Abb. 2). In ähnlicher Weise<br />

ergibt sich aus der Temperaturreihe von<br />

Berlin, dass die höchste im letzten Jahrhundert<br />

beobachtete Temperatur (39 °C)<br />

Ende dieses Jahrhunderts eine fast<br />

zehnmal höhere Überschreitenswahrscheinlichkeit<br />

haben wird. Auf die damit<br />

verbundenen Hitzewellen sind wir<br />

heute noch in keiner Weise vorbereitet,<br />

so dass erhebliche Probleme bzw. Anpassungskosten<br />

zu erwarten sind.<br />

Quelle: Climate Change Impacts UK 1996<br />

Eine moderate Verschiebung der Häufigkeitsverteilung einer Beobachtungsgröße Beispiel 2. In Mitteleuropa sind die Winter<br />

in den letzten Jahrzehnten deutlich<br />

(hier der mittleren Sommertemperaturen in Mittelengland) führt zu einer drastischen<br />

Erhöhung der Überschreitungswahrscheinlichkeiten von Extremwerten<br />

wärmer und feuchter, die Sommer trockener<br />

geworden. Im Winter fällt mehr<br />

(hier der Faktor 25 für den bisher außergewöhnlichen Temperaturwert von 17,3 ° C<br />

bei einem erwarteten Anstieg um 1,6 ° C bis zur Mitte des Jahrhunderts).<br />

Niederschlag als Regen statt als Schnee<br />

und fließt größtenteils oberflächlich<br />

ab, so dass die Abflussmengen zunehmen, wie die Messreihen aus dem Einzugsbereich<br />

des Rheins belegen. Eine holländische Studie sagt eine erhebliche Zunahme der Überschreitenswahrscheinlichkeit<br />

kritischer Niederschlagsmengen vorher (Reuvekamp &<br />

Klein Tank, 1996).<br />

Die Erwärmung erhöht generell auch die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf<br />

und damit die Niederschlagspotenziale. Zusammen mit verstärkten Konvektionsprozessen<br />

führt dies zu häufigeren und extremeren Starkregenereignissen, die heute schon für<br />

einen Großteil der Überschwemmungsschäden verantwortlich sind.<br />

Beispiel 3. Die milderen Winter, wie sie in Mitteleuropa inzwischen typisch geworden<br />

sind, lassen die Schneeflächen, über denen sich früher stabile Kältehochs als Barriere<br />

gegen die aus dem Atlantik heranziehenden Sturmtiefs bildeten, schrumpfen. Die Barriere<br />

ist deshalb häufig schwach oder nach Osten verschoben, so dass verheerende<br />

Orkanserien wie 1990 und 1999 nicht mehr als seltene Ausnahmeerscheinungen gelten<br />

können (Abb. 3). In den Windregistrierungen repräsentativer deutscher Wetterstationen<br />

zeigt sich in den letzten Jahrzehnten eine deutliche Zunahme der Zahl der Sturmtage.<br />

Noch nicht endgültig bestätigt ist ein im Nordatlantik beobachteter Trend zu häufigeren<br />

und extremeren Sturmtiefs, also eine Zunahme der Sturmaktivität selbst. Ebenso umstritten<br />

bzw. widersprüchlich sind die bisherigen Befunde zum Zusammenhang zwischen<br />

Erwärmung und tropischer Wirbelsturmaktivität, was vor allem mit Blick auf den<br />

12


Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

erwarteten Meeresspiegelanstieg für viele dichtbevölkerte Küstenregionen und Inselstaaten<br />

zu einer Frage des Überlebens werden könnte.<br />

Vor dem düsteren Hintergrund dieser befürchteten Veränderungen ist die entscheidende<br />

Frage nicht, ob und wann die anthropogene Klimaänderung endgültig beweisbar sein<br />

wird, sondern ob die bisherigen Klimadaten bzw. die Klimamodellrechnungen ausreichende<br />

Anhaltspunkte liefern können, die künftigen Veränderungen sinnvoll abzuschätzen<br />

und die richtigen Anpassungs- und Vermeidungsstrategien rechtzeitig zu entwickeln.<br />

Das Irrtumsrisiko wird auf absehbare<br />

Abbildung 3<br />

Zeit groß bleiben; um so wichtiger,<br />

Typische Zugbahnen von Sturmtiefs in kalten und milden Wintern<br />

dass die Strategien selbstanpassungsfähig<br />

sind und an den zu vermeidenden<br />

Schäden gemessen werden. Von vornherein<br />

erfolgreich sind so genannte "noregret"-<br />

bzw. "win-win"-Strategien, wie –<br />

z.B. die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs<br />

bei Automobilen und Flugzeugen<br />

oder ganz generell die Verringerung<br />

des Energieverbrauchs, da sie,<br />

selbst wenn die Klimarelevanz geringer<br />

als vermutet sein sollte, in jedem Fall<br />

Normale Sturmbahnen<br />

winterlicher Sturmtiefs<br />

zu wünschenswerten Einsparungen<br />

Zugbahnen der<br />

(auch in finanzieller Hinsicht) führen<br />

Winterstürme 1990<br />

Sa/El 04.93 - Source: Dronia, 1991<br />

und darüber hinaus geeignet sind, das<br />

Verantwortungsbewusstsein der Industrieländer<br />

gegenüber der Dritten Welt<br />

Während kalte Winter mit einer ausgedehnten Schneedecke über Mittel- und<br />

Osteuropa in der Regel von einem stabilen Kältehoch geprägt sind, das wie eine<br />

Barriere gegen die vom Nordatlantik heranziehenden Sturmtiefs wirkt, war in<br />

zu demonstrieren.<br />

den seit Beginn der 80er Jahren außergewöhnlich milden Wintern das Kältehoch<br />

meist nur schwach ausgeprägt bzw. weit nach Osten verschoben, so dass die<br />

Naturkatastrophen in Deutschland<br />

Sturmtiefs "freie Bahn" hatten und häufig tief nach Mitteleuropa vordringen<br />

konnten. Milde Winter bedeuten auch für die Zukunft eine erhöhte Sturmgefahr,<br />

Elementarschäden stammen in Deutschland<br />

zu einem stark überwiegenden dem Nordatlantik.<br />

möglicherweise zusätzlich verschärft durch eine verstärkte Sturmaktivität über<br />

Teil von atmosphärischen Extremereignissen.<br />

Hier stehen die Stürme sowohl<br />

bei der Zahl der Schadenereignisse und der Toten als auch bei den volkswirtschaftlichen<br />

und – ganz besonders – den versicherten Schäden mit Abstand an erster Stelle,<br />

gefolgt von den Überschwemmungen, den sonstigen Naturkatastrophen (u.a. Winterschäden,<br />

Waldbrand, Erdrutsch) und schließlich den hier nur selten schadenträchtigen<br />

Erdbeben. So lag im Zeitraum 1970 – 2001 der Anteil der Sturm- und Hagelereignisse<br />

bei 64 % aller 524 registrierten Katastrophen, bei 71 % der immerhin 692 Katastrophentoten,<br />

bei 73 % der 18 Mrd. e volkswirtschaftlichen Gesamtschäden und bei sogar<br />

86 % der 7 Mrd. e versicherten Schäden aus Naturkatastrophen (s. Abb.4). Entsprechend<br />

gering fallen die Anteile der anderen Katastrophentypen aus.<br />

13


Plenarteil<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

Naturkatastrophen in Deutschland 1970 - 2001<br />

Sturm<br />

Hagel<br />

Überschwemmung<br />

Erdbeben<br />

Sonstiges<br />

(u.a. Lawinen,<br />

Winterschäden,<br />

Waldbrände)<br />

Die in Deutschland im Zeitraum ab<br />

1970 beobachteten Naturkatastrophen<br />

werden von Sturmereignissen dominiert,<br />

sowohl bezüglich Anzahl und<br />

Todesopfern als auch bezüglich der<br />

volkswirtschaftlichen und – am stärksten<br />

– der versicherten Schäden.<br />

Abbildung 4<br />

Anzahl der Ereignisse (524) Todesopfer (692)<br />

volkswirtschaftliche* Schäden<br />

(18 Mrd Euro)<br />

*Originalschäden – Stand: 1. März 2002<br />

versicherte* Schäden<br />

(7 Mrd Euro)<br />

Natürlich ist ein Zeitraum von 30 Jahren<br />

nicht ausreichend, um ein wirklich repräsentatives<br />

Bild von der Katastrophengefährdung<br />

in Deutschland zu vermitteln,<br />

aber der gewählte Zeitabschnitt kann im<br />

Hinblick auf die beobachteten Naturkatastrophen<br />

als durchaus typisch gelten und<br />

er belegt gleichzeitig, dass sich selbst in<br />

wenigen Jahrzenten wesentliche Einflussgrößen<br />

stark verändern können und so<br />

den Vergleich über längere Zeitabschnitte<br />

problematisch erscheinen lassen. Andererseits<br />

dürften die in Deutschland gefundenen<br />

Gefährdungsverhältnisse näherungsweise<br />

auch noch für die meisten Nachbarländer<br />

charakteristisch sein.<br />

Das Bild ändert sich deutlich, wenn man die Schadenpotenziale extremer Naturkatastrophen<br />

betrachtet, bei denen man u.a. auch ein weitgehendes Versagen der bautechnischen<br />

und organisatorischen Vorsorgemaßnahmen befürchten muss. Hier rücken<br />

dann Ereignisse in den Vordergrund, die zwar nur eine sehr kleine Eintrittswahrscheinlichkeit<br />

aufweisen, wie z. B. starke Erdbeben oder extreme Sturmfluten, aber bei einem<br />

"Volltreffer" in einer dichtbesiedelten Region außerordentlich hohe Schadenbelastungen<br />

auslösen können. Entsprechende Abschätzungen (s. Tab. 3) zeigen, dass auch in Deutschland,<br />

trotz der im weltweiten Vergleich eher mäßigen Gefährdung, Katastrophenschäden<br />

denkbar sind, die sich durchaus mit einigen der bekannten Katastrophenszenarien aus<br />

anderen Ländern messen können.<br />

Versicherungsaspekte<br />

Versicherung als wichtiger Bestandteil der privaten, betrieblichen und öffentlichen Risikovorsorge<br />

hat vor allem zum Ziel, das finanzielle Ruinrisiko des Versicherungsnehmers<br />

zu minimieren. Dies gilt auch – in vielen Ländern ganz besonders – für die Naturgefahren,<br />

die in einem Großteil der heute angebotenen Versicherungsprodukte gedeckt werden.<br />

In Regionen wie Mitteleuropa, wo die von den Naturgefahren ausgehenden Risiken im<br />

allgemeinen moderat sind, stellen die entsprechenden Versicherungsverträge eher einen<br />

Schutz vor den häufigen Klein- oder Bagatellschäden dar als vor den existenzbedrohenden,<br />

aber seltenen Großschäden. Der Versicherungsnehmer sieht diese Art von Versicherungsschutz<br />

deshalb oft als eine Art "Sparkasse" an, in die er nicht nur regelmäßig<br />

Beiträge entrichtet, sondern aus der er ebenso mehr oder weniger regelmäßig Auszah-<br />

14


Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

lungen erwarten kann. Der Gedanke der Risikovorsorge und damit auch das Interesse<br />

an einer echten Risikominderung werden dadurch in den Hintergrund gedrängt, sie können<br />

aber durch eine geeignete Gestaltung des Versicherungsschutzes, wie z. B. durch<br />

die Einführung substanzieller Selbstbeteiligungen und ihre Abstufung nach Gefährdung<br />

und Schadenanfälligkeit, wachgehalten werden.<br />

So kommt es z. B. bei der Deckung von Überschwemmungsschäden darauf an, die meist<br />

sehr kleinräumigen und gleichzeitig sehr großen Gefährdungsunterschiede richtig zu erfassen<br />

und zu bewerten sowie daraus die geeigneten Konsequenzen für die Gestaltung<br />

des Versicherungsschutzes zu ziehen. Dabei greifen die Versicherer heute mehr als je<br />

zuvor auf geowissenschaftliche Untersuchungsmethoden (insbesondere Geographische<br />

Informationssysteme) zurück und schlagen bautechnische Schadenminderungsmaßnahmen<br />

vor.<br />

Tabelle 3<br />

Die Versicherungswirtschaft hat eine Reihe von Instrumenten<br />

entwickelt, die – wenn richtig und selektiv<br />

Wahrschl. Marktschäden bei Katastrophenszenarien<br />

angewendet<br />

– eine Eingrenzung und Beherrschung des Katastrophenrisikos<br />

erlauben. Dank eines immer ausgeklügelteren<br />

globalen Risikomanagements scheint sie gut für<br />

den Ernstfall vorbereitet zu sein und auch die Katastrophenprobleme<br />

der Zukunft meistern zu können. Dabei<br />

kann sie z. B. auch aktiv zu einem nachhaltigen Klimaschutz<br />

beitragen, indem sie ihren finanziellen und politischen<br />

Einfluss, ihre Motivierungsinstrumente und ihre eigenen<br />

Umweltschutzpotenziale nützt, um die möglichen<br />

negativen Auswirkungen der sich abzeichnenden Klimaänderung<br />

– im eigenen Interesse – möglichst gering<br />

zu halten.<br />

Aus der Sicht des Rückversicherers, aber auch aus gesamtwirtschaftlicher<br />

und politischer Sicht, gefährden die<br />

aus Stürmen und anderen extremen Naturereignissen zu<br />

erwartenden Größtschadenpotenziale die nachhaltige Entwicklung<br />

in vielen Regionen. Auch in Mitteleuropa liegen die möglichen Schadensummen<br />

in Größenordnungen, die eine umfassende Risiko-Partnerschaft, d.h. eine ausgewogene<br />

Risikobeteiligung, der Versicherungsnehmer, der Erst- und Rückversicherungsmärkte<br />

und im Notfall auch des Staates erforderlich machen. Hierfür finden sich in Europa eine<br />

Reihe unterschiedlicher Ansätze, die eine adäquate finanzielle Absicherung von Bevölkerung<br />

und Wirtschaft gegen die größten zu erwartenden Schadenbelastungen sicherstellen.<br />

Szenario Wiederkehrperiode Marktschaden<br />

1x in ...Jahren (in Mrd. Euro)<br />

Sturm USA 100 40<br />

Erdbeben USA 100 20<br />

1000 80<br />

Sturm Europa 100 20<br />

Sturm Japan 100 15<br />

Erdbeben Japan 100 7<br />

1000 45<br />

Deutschland<br />

Sturm 100 5<br />

Hagel 100 3<br />

Überschwemmung 100 3<br />

Erdbeben 100 3<br />

1000 15<br />

Einige Größtschaden-<br />

Szenarien für<br />

Naturkatastrophen in<br />

Deutschland und<br />

anderen Ländern.<br />

15


Plenarteil<br />

Wirtschaftliche Effekte des Klimawandels<br />

durch anthropogene Einflüsse<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

Resümee<br />

Häufigkeit und Schadenausmaß großer Naturkatastrophen werden auch in Zukunft<br />

weltweit drastisch zunehmen. Die sich abzeichnende Erwärmung der Erdatmosphäre<br />

und die daraus resultierende Intensivierung der Sturm- und Niederschlagsprozesse sowie<br />

der Anstieg des Meeresspiegels werden diesen Trend erheblich verstärken, wenn<br />

nicht rasch einschneidende Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden.<br />

Die Versicherungswirtschaft muss sich in ihrem eigenen Interesse maßgeblich an den<br />

Vorsorgemaßnahmen beteiligen, um die Deckung von Elementarschäden auf Dauer gewährleisten<br />

zu können. Durch eine geeignete Gestaltung der Versicherungsprodukte<br />

kann sie die Versicherungsnehmer, aber auch die Behörden zur Schadenvorsorge motivieren<br />

und gleichzeitig ihr eigenes Schadenpotenzial und damit einhergehende Kapazitätsprobleme<br />

verringern.<br />

Literatur<br />

Berz, G., 1999:<br />

Naturkatastrophen an der Wende zum<br />

nächsten Jahrhundert – Trends, Schadenpotentiale<br />

und Handlungsoptionen der<br />

Versicherungswirtschaft Zeitschrift für die<br />

gesamte Versicherungswissenschaft 2/3,<br />

1999; S. 427 - 442<br />

Intergovernmental Panel on Climate<br />

Change, 2001: Third Assessment Report.<br />

Cambridge University Press, Cambridge.<br />

Münchener Rück, 1997 a:<br />

Überschwemmung und Versicherung. 79 S.<br />

Münchener Rück, 1997 b:<br />

Treibhaus Erde – Die Extreme nehmen zu.<br />

Topics, S. 13 – 15.<br />

Münchener Rück, 1999 a:<br />

Topics 2000 – Jahrtausendrückblick<br />

Naturkatastrophen. 126 S.<br />

Münchener Rück, 1999 b: Naturkatastrophen<br />

in Deutschland. 100 S.<br />

Münchener Rück, 2001:<br />

Topics - Jahresrückblick Naturkatastrophen<br />

2000. 56 S.<br />

Reuvekamp, A. & A. Klein Tank, 1996:<br />

Probability Estimates of Extreme Winter<br />

Rainfall in a Changing Climate.<br />

Climate Change 30, S. 8 – 10.<br />

16


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Ministerialrat Franzjosef Schafhausen<br />

Leiter der Arbeitsgruppe ZII6<br />

Bundesministerium für Umwelt,<br />

Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

Die in diesem Jahrhundert beobachtete globale Erwärmung wird auf eine Verstärkung<br />

des natürlichen Treibhauseffektes, verursacht durch das Freisetzen klimawirksamer Gase<br />

– aufgrund menschliche Aktivitäten – zurückgeführt.<br />

Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC = Intergovernmental<br />

Panel on Climate Change) kam schon in seinem zweiten Bericht im Jahre 1996 zu folgendem<br />

Ergebnis: "Die Abwägung der wissenschaftlichen Erkenntnisse legt einen erkennbaren<br />

menschlichen Einfluss auf das globale Klima nahe. Die bisher beobachteten durchschnittlichen<br />

globalen Temperaturerhöhungen von 0,3 bis 0,6º C in den letzten 100 Jahren<br />

sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht völlig auf natürliche Ursachen zurückzuführen."<br />

In seinem dritten Sachstandsbericht macht IPCC deutlich, dass die wissenschaftlichen<br />

Erkenntnisse weiter zugenommen haben und dass sich die Hinweise darauf verdichten,<br />

dass menschliche Aktivitäten die Ursache für bereits erkennbare Veränderungen des<br />

globalen Klimas sind.<br />

Im Falle einer globalen Klimaänderung wird das Schadensausmaß sehr hoch sein. Es<br />

wäre daher grob fahrlässig, dieser Erkenntnis nicht durch vorsorgendes Handeln so früh<br />

wie möglich Rechnung zu tragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst bei Stabilisierung<br />

der globalen Emissionen auf dem derzeitigen Niveau die Konzentration von CO 2<br />

und anderen Treibhausgasen (THG) weiter ansteigen wird und sich das Klima trotz aktiver<br />

Gegenmaßnahmen weiter verändern würde.<br />

Um die atmosphärische Konzentration und damit die Klimaänderungen auf ein vertretbares<br />

Niveau zu stabilisieren, wäre eine Minderung der weltweiten Treibhausgasemissionen<br />

auf etwa die Hälfte des heutigen Wertes bis zur zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts<br />

erforderlich.<br />

Vor dem Hintergrund der zunehmenden wissenschaftlichen Gewissheit über die Veränderung<br />

des globalen Klimas durch menschliche Aktivitäten und zusätzlich forciert durch<br />

die Notwendigkeit zum sparsamen Umgang mit endlichen Rohstoffen sowie weitere<br />

Fortschritte beim traditionellen Umweltschutz hat die Bundesregierung bereits sehr<br />

frühzeitig mit der politischen Aufarbeitung des Problems begonnen und seit Anfang<br />

1990 ein umfassendes Klimaschutzprogramm erarbeitet und die institutionellen Vorkehrungen<br />

für die Bewältigung einer solchen Querschnittsaufgabe geschaffen. Dieses<br />

Programm des Bundes wird mittlerweile wirksam ergänzt durch Programme der Länder<br />

sowie der Städte und Gemeinden. Komplettiert wird das Bild durch Aktivitäten der Umwelt-<br />

und Verbraucherverbände, der Wirtschaft, der Gewerkschaften und anderer gesellschaftlich<br />

relevanter Gruppen.<br />

17


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Von Beginn an hat die Bundesregierung allerdings darauf hingewiesen, dass die anspruchsvolle<br />

und übergreifende deutsche Klimaschutzpolitik alleine nicht in der Lage<br />

ist, das globale Problem zu lösen Wirksamer Klimaschutz erfordert vielmehr weltweit<br />

abgestimmte Anstrengungen.<br />

Mit der 1994 in Kraft getretenen Klimarahmenkonvention und dem 1997 verabschiedeten<br />

Kyoto-Protokoll existieren belastbare Grundlagen für ein weltweit koordiniertes Vorgehen.<br />

Angesichts ihres hohen Anteils an den Treibhausgasemissionen (rund 75 % der gegenwärtigen<br />

Treibhausgasemissionen stammen aus den Industrieländern) sowie ihres technischen<br />

und wirtschaftlichen Entwicklungsstandes sind die Industriestaaten auch über<br />

das Jahr 2012 hinaus besonders gefordert.<br />

Die Frage nach den Auswirkungen einer konsequenten Klimaschutzpolitik auf die deutsche<br />

Wirtschaft allein auf die internationale Dimension zu beschränken wäre verkürzt<br />

und falsch. Die Betrachtung muss sich vielmehr auf alle Ebenen – die internationale wie<br />

die europäische und die nationale – richten.<br />

A. Die deutsche Klimaschutzpolitik zwischen 1990 und 2002<br />

Der Startschuss für die Entwicklung und Umsetzung des Klimaschutzprogramms der<br />

Bundesregierung fiel am 15. Januar 1990 vor dem Hintergrund der Ende der achtziger<br />

Jahre im wissenschaftlichen Raum mehr und mehr geführten Diskussionen über Ursachen<br />

und Wirkungen des globalen Treibhauseffekts sowie dem lauter werdenden Ruf<br />

nach wirksamen Maßnahmen zur Bekämpfung dieses globalen Umweltproblems. Dieser<br />

Prozess führte in Deutschland im Jahre 1987 dazu, dass der Deutsche Bundestag<br />

eine Enquête-Kommission zum Thema "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" einrichtete,<br />

die in ihrem ersten Bericht feststellte: "Menschliche Eingriffe in die Natur sind<br />

auch zu einer Bedrohung der Erdatmosphäre geworden und gefährden das Leben auf<br />

der Erde."* Die Aufbruchstimmung gegen Ende der achtziger Jahre bereitete schließlich<br />

den Boden für nationale, europäische und internationale Beschlüsse, die bis heute<br />

nachwirken.<br />

* Deutscher Bundestag (Hrsg.), Schutz der Erdatmosphäre:<br />

Eine internationale Herausforderung; Zwischenbericht der<br />

Enquête-Kommission des 11. Deutschen Bundestages<br />

"Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre", 5/88,<br />

Bonn 1988; S. 22<br />

Nach sehr intensiven und meist kontroversen Diskussionen innerhalb<br />

der Bundesregierung konnte das Bundesumweltministerium dem Kabinett<br />

am 13. Juni 1990 erste Empfehlungen vorlegen, mit denen die<br />

späteren Zielsetzungen und Strukturen vorgeprägt wurden.<br />

Dem Grundsatzbeschluss folgten bis heute fünf<br />

Berichte der Interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion" und sechs Beschlüsse der Bundesregierung:<br />

• 7. November 1990 (Erster Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />

• 11. Dezember 1991 (Zweiter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />

• 29. September 1994 (Dritter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />

• 6. November 1997 (Vierter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />

18


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Struktur der Interministeriellen Arbeitsgruppe “CO 2 -Reduktion”<br />

Abbildung 1<br />

Interministerielle Arbeitsgruppe “CO 2 -Reduktion” (“IMA CO 2 -Reduktion”) – Vorsitz: Bundesumweltministerium<br />

Arbeitskreis I<br />

Energieversorgung<br />

(Vorsitz BMWI)<br />

Arbeitskreis II<br />

Verkehr<br />

(Vorsitz BMVBW)<br />

Arbeitskreis III<br />

Gebäudebereich<br />

(Vorsitz BMVBW)<br />

Arbeitskreis IV<br />

Neue Technologien<br />

(Vorsitz BMWI)<br />

Arbeitskreis V<br />

Land- und Forstwirtschaft<br />

(Vorsitz BMVEL)<br />

Arbeitskreis VI<br />

Emissionsinventare<br />

(Vorsitz BMU)<br />

• 26. Juli 2000 (Zwischenbericht zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung)<br />

• 18. Oktober 2000 (Fünfter Bericht der "IMA CO 2 -Reduktion")<br />

Im Verlauf dieser Schar von Klimaschutzbeschlüssen, die sich bis zum November 1990<br />

an der Bundesrepublik Deutschland vor der Vereinigung orientierten und danach ihre<br />

Betrachtung auf das ehemalige Gebiet der DDR ausweitete, wurde ein mittlerweile umfassendes<br />

Konzept mit sehr anspruchsvollen Zielsetzungen geschaffen. International<br />

stellt dieses Programm nicht nur eines der ersten politischen Programme zur Bekämpfung<br />

des Treibhauseffekts dar, sondern ist wohl auch das ambitionierteste.<br />

1. Ansatzpunkte<br />

Bereits am 13. Juni 1990 waren die zentralen technischen Ansatzpunkte für das Klimaschutzprogramm<br />

der Bundesregierung identifiziert worden:<br />

• "Energieeinsparung und rationelle Energienutzung auf der Angebots- und Nachfrageseite<br />

bilden einen Schwerpunkt einer nachhaltig wirksamen Politik zur Verminderung<br />

von CO 2 -Emissionen und weiterer energiebedingter Treibhausgase.<br />

• Der Beitrag der bereits heute genutzten Energiequellen muss so umweltverträglich<br />

wie möglich erbracht werden.<br />

• Das längerfristig wirtschaftliche Potential der erneuerbaren Energien soll im Hinblick<br />

auf deren Lösungsbeitrag so rasch wie möglich erschlossen werden." *<br />

Bis auf die Tatsache, dass der zweite Anstrich durch die "Vereinbarung<br />

über die geordnete Beendigung der Nutzung der<br />

Kernenergie in Deutschland"** präzisiert wurde, sind dies auch<br />

heute noch die Ansatzpunkte für die Klimaschutzpolitik der<br />

Bundesregierung.<br />

* Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

(Hrsg.), Beschluss der Bundesregierung vom 11. Dezember 1991:<br />

Verminderung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in der Bundesrepublik<br />

Deutschland, Bonn 1. Auflage Januar 1992, S. 84<br />

** Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

(Hrsg.), Vereinbarung über die geordnete Beendigung der Nutzung<br />

der Kernenergie in Deutschland vom 14. Juni 2000, Berlin<br />

19


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Der bis heute noch weitgehend gültige Arbeitsauftrag ist zudem wie folgt konditioniert:<br />

* Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

(Hrsg.), Beschluss der Bundesregierung vom<br />

11. Dezember 1991: Verminderung der energiebedingten<br />

CO 2 -Emissionen in der Bundesrepublik Deutschland,<br />

Bonn 1. Auflage Januar 1992, S. 85<br />

"Dabei ist zu prüfen,<br />

• mit welcher Kombination von ordnungsrechtlichen und ökonomischen Instrumenten<br />

unter besonderer Berücksichtigung einer CO 2 -Abgabe oder -steuer, diese Maßnahmen<br />

umgesetzt werden können, wobei marktwirtschaftliche Instrumente Vorrang<br />

haben,<br />

• welche gesamtwirtschaftlichen und sozialpolitischen Konsequenzen mit den Maßnahmen<br />

verbunden sind,<br />

• welche Prioritäten sich auf der Basis von Kosten-Nutzen-Abschätzungen ergeben,<br />

• mit welchen Implementationszeiträumen unter Berücksichtigung z.B. der Altersstruktur<br />

vorhandener Anlagen, der vorhandenen Produktionskapazitäten im produzierenden<br />

Gewerbe sowie administrativer und verhaltensbedingter<br />

Hemmnisse zu rechnen ist,<br />

• welche Interdependenzen und Zielkonflikte zwischen den Bereichen<br />

und mit anderen Politikbereichen auftreten können,<br />

• welche Maßnahmen der internationalen Abstimmung bedürfen."*<br />

Die Arbeiten zur Entwicklung des deutschen Klimaschutzprogramms gingen systematisch<br />

wie folgt vor:<br />

• Bestandsaufnahme (Ermittlung der herrschenden Strukturen und Rahmenbedingungen)<br />

• Identifizierung der physikalischen, technischen und wirtschaftlichen Potenziale<br />

und Optionen,<br />

• Identifizierung von Hemmnissen (administrative, informatorische, organisatorische,<br />

institutionelle, rechtliche und wirtschaftliche Barrieren),<br />

• Analyse der verfügbaren Maßnahmen zur Beseitigung bzw. Reduzierung der identifizierten<br />

Hemmnisse,<br />

• Gestaltung eines Programms und Beschreibung der einzusetzenden Maßnahmen,<br />

• politische Umsetzung des definierten Maßnahmenbündels,<br />

• Überprüfung und ggfs. Modifizierung des eingesetzten Maßnahmenbündels.<br />

Bei dieser Vorgehensweise wurde sehr schnell klar, dass<br />

• es kein instrumentelles Patentrezept zur Lösung des globalen Klimaschutzproblems<br />

gab. Vielmehr zeichnete sich sehr schnell ab, dass das Klimaschutzprogramm<br />

sowohl ordnungsrechtliche Anforderungen als auch ökonomische Anreize<br />

und flankierende Maßnahmen wie Information und Beratung sowie Aus- und Fortbildung<br />

enthalten würde. Im letzten Jahrzehnt hat sich hieraus ein interdependentes,<br />

vielfältiges und sehr komplexes Maßnahmenbündel entwickelt, das Schritt für<br />

Schritt umgesetzt wird.<br />

20


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

• es nicht allein Aufgabe der Bundesregierung sein könnte, nachhaltig zur Bekämpfung<br />

des durch den Menschen verursachten Treibhauseffekt beizutragen. Vielmehr<br />

kann ein solches Ziel nur verwirklicht werden, wenn alle Ebenen von Wirtschaft<br />

und Gesellschaft ihre Beiträge leisten. In der Folge hat dies dazu geführt, dass<br />

mittlerweile nicht nur ein Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vorliegt,<br />

sondern auch zahlreiche Länder sowie mehr als 1.000 Kommunen über Klimaschutzprogramme<br />

verfügen. Hinzu kommt, dass auch die Wirtschaft sowie andere<br />

gesellschaftlich relevante Gruppen Strategien und Konzepte entwickelt haben und<br />

diese nunmehr umsetzen.<br />

2. Status quo<br />

Die nachfolgenden Ausführungen setzen am letzten Beschluss der Bundesregierung<br />

vom 18. Oktober 2000 an und geben darüber hinaus den gegenwärtigen Stand der Umsetzung<br />

dieses Beschlusses wieder.<br />

Die Ausgangslage für den Beschluss der rot-grünen Bundesregierung war außerordentlich<br />

schwierig. Zwar hatte die neue Regierung in ihre Koalitionsvereinbarung das Klimaschutzziel<br />

der früheren Bundesregierung Minderung der CO 2 -Emissionen bis zum Jahre<br />

2005 gegenüber 1990 um 25 % ohne "Wenn und Aber" übernommen, jedoch wiesen bereits<br />

Ende 1998 verschiedene Studien darauf hin, dass dieses ehrgeizige nationale Ziel<br />

mit dem bis zum Regierungswechsel verabschiedeten Instrumentenmix deutlich verfehlt<br />

werden würde. Für 2005 wurde eine CO 2 -Minderung von lediglich 15 bis 17 % vorhergesagt.<br />

Folgende nach dem Regierungswechsel Ende 1998 ergriffenen Maßnahmen haben<br />

Beiträge zu den insgesamt rückläufigen CO 2 -Emissionen geleistet:<br />

• die ökologische Steuerreform, die durch einen stufenweisen Anstieg der Energiepreise<br />

in allen Bereichen Anreize zur Entwicklung und Markteinführung neuer<br />

Technologien sowie zum rationellen und sparsamen Umgang mit Energie gibt,<br />

• das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Biomasse-Verordnung, mit denen die<br />

Verstromung erneuerbarer Energien gefördert wird,<br />

• das Markteinführungsprogramm für erneuerbare Energien, das insbesondere dem<br />

Einsatz von Solarkollektoren zugute kommt,<br />

• das 100.000-Dächer-Programm, mit dem Investitionen in Photovoltaikanlagen unterstützt<br />

werden.<br />

• Die Förderung schwefelarmer bzw. schwefelfreier Kraftstoffe verhilft darüber hinaus<br />

verbrauchs- und emissionsarmen Motortechniken zum Durchbruch.<br />

Mit diesen Maßnahmen wird bis 2005 im Vergleich zu 1990 voraussichtlich eine CO 2 -<br />

Minderung von 18 bis 20 % (etwa 180 bis 200 Mio. t CO 2 ) erreicht.<br />

21


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Damit war das Ausgangsszenario für die Bundesregierung im Jahre 2000 klar. Unter<br />

Berücksichtigung der bereits ergriffenen Maßnahme waren weitere Anstrengungen notwendig,<br />

um bis 2005 eine CO 2 -Minderung von 25 % (dies entspricht etwa 250 Mio. t<br />

CO 2 ) bzw. bis 2008 / 2012 eine Minderung der sechs Treibhausgase des Kyoto-Protokolls<br />

um 21 % zu erreichen.<br />

Zwischen 1990 und 2000 sind die CO 2 -Emissionen in Deutschland bereits um 15,3 %<br />

zurückgegangen.<br />

Vergleicht man die Veränderungen der CO 2 -Emissionen im Betrachtungszeitraum 1990<br />

bis 2000, so schwanken die jährlichen Änderungsraten äußerst stark zwischen plus<br />

2,5 % (1996) und minus 5,0 % (1992).<br />

Die Ursachen für die Emissionsentwicklung im zurückliegenden Jahrzehnt sind äußerst<br />

vielfältig. Gründe liegen in der Umstrukturierung der Wirtschaft im östlichen Teil<br />

Deutschlands, in der Erhöhung der Anzahl der Haushalte und der Wohnfläche, aber<br />

auch in massiven Investitionen zur Verbesserung der Gebäudesubstanz und zur Modernisierung<br />

der Energieversorgung vor allem im östlichen Teil Deutschlands.<br />

Die regionale Verschiebung der CO 2 -Emissionen hat sich aus den erheblichen Bevölkerungswanderungen<br />

von Ost nach West ergeben. Als weitere Einflussfaktoren haben<br />

schließlich ganz erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der industriellen, örtlichen<br />

und regionalen Infrastruktur sowie nicht zuletzt die in der Vergangenheit unternommenen<br />

Aktivitäten von Bund, Ländern und Gemeinden zum Klimaschutz zum sinkenden<br />

Emissionstrend beigetragen. Hinsichtlich der verantwortlichen Faktoren wird auch auf<br />

Abbildung 2<br />

CO 2 -Emissionen in Deutschland und die Emissionsanteile fossiler Energieträger<br />

Entwicklung der CO 2 -<br />

Emissionen des Bruttoinlandprodukts<br />

und des<br />

Primärenergieverbrauchs<br />

in Deutschland sowie<br />

Emissionsanteile fossiler<br />

Energieträger<br />

22


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

die einschlägigen Analysen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW), Berlin sowie des Fraunhofer Instituts<br />

für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe<br />

verwiesen.*<br />

* Umweltbundesamt (Hrsg.), Treibhausgasminderungen in Deutschland<br />

und UK. Folge "glücklicher" Umstände oder gezielter Politikmaßnahmen,<br />

Ein Beitrag zur internationalen Klimapolitik, Berlin, Juli 2001<br />

Sektoral betrachtet, geht die erzielte CO 2 -Minderung auf deutliche Rückgänge in den<br />

Bereichen Industrie (1990 bis 1998 minus 31 %), Energieerzeugung/-umwandlung<br />

(1990 bis 1998 minus 16 %) und – seit Ende der neunziger Jahre – auch im Bereich<br />

der privaten Haushalte zurück. Dagegen wies der Verkehrsbereich im zurückliegenden<br />

Jahrzehnt deutliche Emissionsanstiege (1990 bis 1999 plus 14 %) auf.<br />

Das Ziel der nationalen Klimaschutzpolitik ist es, die Emissionstrends im Verkehr zu<br />

stoppen und letztlich umzukehren, damit die in den Jahren 2000 und 2001 erzielte<br />

leichte Emissionsminderung beibehalten und weitergeführt werden kann. Darüber hinaus<br />

müssen aber die auch weiterhin noch beachtenswerten Minderungspotenziale in der Industrie,<br />

in der Energiewirtschaft und in den privaten Haushalten ausgeschöpft werden.<br />

Zwischen 1990 und 2000 ging das Verhältnis von CO 2 -Emissionen und Bruttoinlandsprodukt<br />

deutlich um 28 % zurück. Auch die energiebedingten CO 2 -Emissionen pro Kopf<br />

der Bevölkerung nahmen überproportional um rund 18 % ab. Geht man von den temperaturbereinigten<br />

CO 2 -Emissionen im Jahr 1999 aus, so sind bis zum Jahr 2005 die<br />

CO 2 -Emissionen um weitere 9,4 Prozentpunkte oder 95 Mio. t zu reduzieren.<br />

Bei der Entwicklung der anderen Treibhausgase und Vorläufersubstanzen ergibt sich<br />

das folgende Bild: Die Methanemissionen nahmen zwischen 1990 und 1998 um 36,2 %<br />

ab, während die N 2 O-Emissionen um 27,6 % sanken. Deutliche Anstiege sind allerdings<br />

bei den H-FKW-Emissionen (1995 bis 1998 35,1 %) festzustellen, während die SF 6 -<br />

Emissionen zwischen 1995 und 1998 um 8,5 % zurückgingen. Partiell sinkende Tendenzen<br />

lassen sich bei der Gruppe der FKW’s beobachten. Insbesondere durch Maßnahmen<br />

der Aluminiumindustrie gingen die Emission von CF 4 um 23,7 % zurück,<br />

während C 2 F 6 und C 3 F 8 im Betrachtungszeitraum anstiegen (+ 31,3 % bzw. + 300 %).<br />

Insgesamt summiert sich der generell sinkende Trend der Treibhausgasemissionen in<br />

Deutschland im Zeitraum 1990 bis 2000 auf 18,5 % (ausgedrückt in CO 2 -Äquivalenzwerten<br />

nach IPCC). Deutschland ist damit vom Erreichen seiner im Rahmen der EU-Lastenteilung<br />

gegebenen Zusage (minus 21 % Minderung der sogenannten "Kyoto-Gase" –<br />

CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW, FKW’s, SF 6 – im Zeitraum 2008 – 2012) noch 2,5 Prozentpunkte<br />

entfernt. Es ist sogar davon auszugehen, dass der deutsche Beitrag zur EU-Lastenteilung<br />

übererfüllt werden wird. Hierdurch käme Deutschland mit Blick auf die Diskussionen<br />

über die Nutzung des Emissionshandels als Instrument einer nachhaltigen Klimaschutzpolitik<br />

eindeutig in eine Verkäuferposition.<br />

23


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

* Angaben in CO 2 -Äquivalenzwerten nach IPCC<br />

Auch bei den Vorläufersubstanzen lassen sich ganz erhebliche Emissionsminderungen<br />

feststellen. Kohlenmonoxid wurde zwischen 1990 und 1998 um 51,6 % reduziert,<br />

während NMVOC um 47,1 % und NOx um 34,3 % vermindert werden konnte. Die Emission<br />

von Schwefeldioxid sank – insbesondere auch aufgrund der massiven Emissionsminderungsbemühungen<br />

im Osten Deutschlands (Rauchgasentschwefelung von Kraftwerken,<br />

Brennstoffsubstitution) aber auch durch die Einführung schwefelarmer Brennund<br />

Treibstoffe – geradezu dramatisch um 75,7 %.<br />

Bemerkenswert ist die strukturelle Entwicklung der Treibhausgasemissionen in<br />

Deutschland. Seit 1990 hat der Anteil von Kohlendioxid an der deutschen Treibhausgasbilanz<br />

deutlich zugenommen. Ende 1998 repräsentierte Kohlendioxid<br />

nahezu 87 % der gesamten Treibhausgasemissionen.*<br />

Die Klimaschutzziele<br />

Die nationale Klimaschutzpolitik der Bundesregierung richtet sich an den folgenden<br />

Zielsetzungen aus:<br />

• Reduzierung der Kohlendioxidemissionen<br />

Die Bundesregierung hält an dem Ziel, die CO 2 -Emissionen bis 2005, bezogen auf<br />

1990, um 25 % zu vermindern, unverändert fest. Das für das Jahr 2005 formulierte<br />

Ziel ist ein wichtiger Zwischenschritt im Sinne des im Kyoto-Protokoll geforderten "vorzeigbaren<br />

Fortschritts". Die Verwirklichung dieser Zielsetzung ist ein wichtiger Beitrag<br />

Deutschlands zur EU-Lastenteilung.<br />

• Reduzierung der sogenannten "Kyoto-Gase" (CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW’s, FKW’s und SF 6 )<br />

Im Rahmen der Reduzierung der sogenannten "Kyoto-Gase" (CO 2 ,CH 4 ,N 2 O, H-FKW’s,<br />

FKW’s, SF 6 ) auf der Grundlage des im Jahre 1998 zwischen den Mitgliedstaaten der<br />

europäischen Union vereinbarten Lastenverteilung hat sich die Bundesregierung bereiterklärt,<br />

im Zeitraum 2008 bis 2012 die THG-Emissionen (gerechnet in CO 2 -Äquivalenten<br />

nach IPCC) um 21 % gegenüber 1990 zu vermindern. Damit trägt Deutschland etwa<br />

zur Hälfte (48%) zur Erfüllung der von der Europäischen Union in Kyoto übernommenen<br />

Verpflichtung bei (Minderung der Treibhausgasemissionen der EU in der Periode<br />

2008 /2012 um insgesamt 8 % gegenüber 1990).<br />

Mittel- bis langfristige Ziele<br />

Nationale und internationale Klimaschutzpolitik darf nicht im Jahre 2005 oder 2012<br />

enden. Die Bundesregierung hält es für unbedingt erforderlich, allen Akteuren eine längerfristige<br />

Perspektive und damit verlässliche Rahmenbedingungen zu geben. Sie unterstreicht<br />

die Notwendigkeit für weitere drastische Minderungen der Treibhausgasemissionen.<br />

Über die Kyoto-Zielzone 2008/2012 hinaus wird sowohl national als auch international<br />

eine weitere drastische Minderung der Treibhausgasemissionen erforderlich<br />

sein. Die Bundesregierung geht davon aus, dass andere Industriestaaten sich zu vergleichbar<br />

anspruchsvollen Zielsetzungen verpflichten, so dass der deutschen Wirtschaft<br />

keine Nachteile im internationalen Wettbewerb entstehen. Aus Sicht des Bundesum-<br />

24


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

weltministeriums ist – in Übereinstimmung mit den Schlussfolgerungen der beiden Klimaenquetekommissionen<br />

des Deutschen Bundestages – bis 2020 die Minderung der Treibhausgasemissionen<br />

um 40 % und bis 2050 um 80 % notwendig.<br />

Die Bundesregierung hält es für erforderlich, dass die im Kyoto-Protokoll für die erste<br />

Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012 enthaltenen Verpflichtungen der Industriestaaten<br />

in den darauffolgenden Verpflichtungsperioden erheblich verschärft werden und dass<br />

neben den Industriestaaten (Annex B Länder) auch die Entwicklungsländer (Nicht Annex<br />

B Staaten) Begrenzungsverpflichtungen übernehmen.<br />

• Technologie- bzw. energieträgerbezogene Ziele<br />

– Verdopplung des Anteils erneuerbarer Energien an der deutschen<br />

Energieversorgung bis zum Jahre 2010 gegenüber heute<br />

– Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung mit dem Ziel der Minderung der<br />

CO 2 -Emissionen in einer Größenordnung von 10 Mio. t bis 2005 bzw.<br />

23 Mio. t bis 2010<br />

– Deutliche Steigerung der Energieproduktivität<br />

Tabelle 1<br />

Zielindikationen für<br />

die kommenden Jahre<br />

Zielindikation zur Reduktion der Kyoto-Gase<br />

Bezugsjahr Emissionen Entwicklung Veränderung<br />

1990 bzw. 1995 1998 bzw. 1999 bis 2005<br />

(FKW, H-FKW, SF 6 ) (CO 2 )<br />

Treibhausgas in Gg in Gg in Gg in Gg<br />

CO 2 -Emissionen 1.014.500 859.000 760.500 -15,5% -25% 1 -32 %<br />

(IPCC-Vorgaben)<br />

CH 4 5.571 3.555 2.871 2.628 -36% -48% -53%<br />

N 2 O 225 163 159 157 -28% -29% -30%<br />

H-FKW 2,135 2,884 14,361 18,825 35% 573% 782%<br />

CF 4 0,224 0,171 0,105 -24% -53%<br />

C 2 F 6 0,032 0,042 0,011 31% -66%<br />

C 3 F 8 0,002 0,008 300%<br />

FKW 0,258 0,221 0,281 0,340 -14% 9% 32%<br />

SF 6 0,261 0,238 0,168 0,209 -9% -36% -20%<br />

Treibhausgas<br />

Emissionen in 1.210.049 1.022.346 896.986 18,5% -25,9 % 2<br />

CO 2 -Äquivalenten<br />

NMVOC 3.225 1.703 1.380 4 995 3 -47% -57% 4 - 69% 3<br />

NO x 2.709 1.780 1.421 4 1.051 3 -34% -48% 4 - 61% 3<br />

CO 11.219 5.425 5.400 -52% -52%<br />

SO 2 5.321 1.290 867 4 520 3 -76% -84% 4 - 90% 3<br />

1<br />

Zielsetzung der Bundesregierung<br />

2<br />

Unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Bundesregierung zur Minderung der CO 2 -Emissionen<br />

3<br />

Zielsetzung entsprechend Beschluss des EU-Umweltrates vom 22.6.2000 zur NEC-Richtlinie<br />

4<br />

entsprechend Referenzszenario Umweltbundesamt zur NEC-Richtlinie<br />

25


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Die Einbindung des nationalen Programms<br />

Angesichts der globalen Dimensionen des Klimaproblems reichen nationale Alleingänge<br />

zur Problemlösung nicht aus. Erforderlich ist eine EU-weit und international abgestimmte<br />

Strategie. Vor diesem Hintergrund beobachtet die Bundesregierung mit großer<br />

Sorge, dass die Entwicklung der Treibhausgasemissionen in den meisten westlichen Industrieländern<br />

deutlich nach oben zeigt. Lediglich in Großbritannien, Luxemburg,<br />

Frankreich, Finnland und Deutschland sind die Emissionstrends nach unten gerichtet.<br />

Die Zeiten der drastischen Emissionsrückgänge in den Ländern Mittel- und Osteuropas<br />

nähern sich ebenfalls ihrem Ende. Zahlreiche Länder dieser Region melden wieder ansteigende<br />

Tendenzen.<br />

Zum Bündel klimapolitischer Maßnahmen<br />

Die Interministerielle Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion" ging bei ihren Beratungen von den<br />

folgenden Minderungszielen in den einzelnen Sektoren aus:<br />

• Private Haushalte und Gebäudebereich 18 – 25 Mio. t,<br />

• Energiewirtschaft und Industrie 20 – 25 Mio. t,<br />

• Verkehr 15 – 20 Mio. t.<br />

Sollte sich bei der Umsetzung des Klimaschutzprogramms zeigen, dass der Minderungsbeitrag<br />

einzelner Sektoren durch bestimmte Maßnahmen nicht erbracht werden<br />

kann, sind zunächst andere Maßnahmen in diesem Sektor zu prüfen. Sollte sich dann<br />

noch immer ein Minderungsdefizit ergeben, muss dies durch verstärkte Anstrengungen<br />

in anderen Sektoren kompensiert werden.<br />

Um die für die Realisierung des 25 %-Ziels noch bestehende Lücke (50 – 70 Mio. t CO 2 )<br />

zu schließen, hat die Bundesregierung mehr als 60 zusätzlichen Maßnahmen beschlossen.<br />

Dazu zählen insbesondere die nachfolgend genannten Maßnahmen (Beschlusslage<br />

18. Oktober 2000).<br />

1. Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)<br />

2. Verabschiedung der Energieeinsparverordnung<br />

3. Förderprogramm zur CO 2 -Minderung im Gebäudebestand<br />

4. Erklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />

5. Maßnahmenbündel für den Verkehrsbereich<br />

6. Selbstverpflichtung der Bundesregierung<br />

7. Weitere Treibhausgase<br />

26


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Gesamtübersicht der CO 2 -Minderungsbeiträge<br />

Tabelle 2<br />

Handlungsbereich Durch das neue Klimaschutzprogramm Durch das neue Klimaschutzprogramm<br />

der Bundesregierung erschlossene der Bundesregierung erschlossene<br />

Minderungsbeiträge in Mio. t CO 2 Minderungsbeiträge in Mio. t CO 2<br />

bis zum Jahre 2005 1 bis zum Jahre 2010<br />

Ökologische Steuerreform 10 Mio. t 20 Mio. t<br />

(Minderungsbeitrag als Summe<br />

(Minderungsbeitrag als Summe<br />

aller Sektoren)<br />

aller Sektoren)<br />

Gebäudebereich<br />

13 – 20 Mio. t<br />

(Heizung /Brauchwasser)<br />

Private Haushalte<br />

5 Mio. t<br />

außer Gebäudebereich<br />

(Strom und ähnliches)<br />

Industrie<br />

15 – 20 Mio. t<br />

Verkehr<br />

15 – 20 Mio. t<br />

Energiewirtschaft<br />

20 Mio. t<br />

Erneuerbare Energien 13 – 15 Mio. t etwa 20 Mio. t<br />

Abfallwirtschaft 15 Mio. t 20 Mio. t<br />

Landwirtschaft<br />

nicht quantifizierbar<br />

Gesamteffekt<br />

unter Berücksichtigung<br />

von Doppelzählungen<br />

90 – 95 Mio. t<br />

nachrichtlich:<br />

Senkenfunktion 30 Mio. t 30 Mio. t<br />

des deutschen Waldes<br />

1 Die Zahlen in dieser Spalte setzen sich zusammen aus Minderungseffekten bereits verabschiedeter Maßnahmen (24 – 34 Mio. t) und den auf der<br />

Grundlage dieses Berichtes zusätzlich verabschiedeten Maßnahmen.<br />

Eine komplette Übersicht über alle am 18. Oktober 2000 zusätzlich<br />

verabschiedeten Maßnahmen enthält das vom Bundesumweltministerium<br />

veröffentlichte "Klimaschutzprogramm der<br />

Bundesregierung". 2<br />

2 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

(Hrsg.),<br />

Nationales Klimaschutzprogramm , Fünfter Bericht der Interministeriellen<br />

Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion", Berlin 2001<br />

Die Einbindung aller Ebenen und aller Akteure<br />

Das Klimaschutzprogramm versucht, alle Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft und<br />

alle Akteure einzubinden. So werden die bestehenden Programme der Länder dargestellt,<br />

die Anstrengungen der Städte und Gemeinden gewürdigt<br />

und die Rahmenbedingungen für den kommunalen Klimaschutz<br />

kritisch analysiert sowie die Beiträge der Wirtschaft 3 und anderer<br />

gesellschaftlich relevanter Gruppen erläutert.<br />

3<br />

Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik<br />

Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />

vom 9. November 2000<br />

27


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

3. Zum Stand der Umsetzung<br />

Unmittelbar nach Verabschiedung des neuen Klimaschutzprogramms der Bundesregierung<br />

setzte die Umsetzung zentraler Maßnahmen ein. Dabei handelte es sich vor allem<br />

um die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge, um<br />

Maßnahmen für die Erhaltung, Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung,<br />

um die Verabschiedung der Energieeinsparverordnung, um das Angebot von zinsgünstigen<br />

Krediten im Rahmen des KfW-Klimaschutzprogramms und um die Biomasseverordnung.<br />

(1) Die Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />

Die Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft soll bis zum Kyoto-Zieljahr 2012 fortgeführt<br />

werden. Dabei sind die bisher einseitigen Erklärungen von Bundesregierung und<br />

Wirtschaft durch eine von beiden Seiten am 9. November 2000 in Berlin unterzeichnete<br />

langfristige "Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik und deutschen<br />

Wirtschaft zur Klimavorsorge" abgelöst worden. Die Wirtschaft erklärt darin ihre Bereitschaft,<br />

ihre spezifischen CO 2 -Emissionen bis 2005 um 28 % und ihre spezifischen<br />

Emissionen über alle sechs im Kyoto-Protokoll genannten Treibhausgase bis 2012 um<br />

35 % gegenüber 1990 zu mindern. Die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft<br />

gehen davon aus, dass damit die Emissionsvolumina im Jahre 2005 um zusätzlich 10<br />

Mio. t CO 2 und im Jahre 2012 nochmals um zusätzlich 10 Mio. t CO 2 -Äquivalente gegenüber<br />

der bisherigen Selbstverpflichtungserklärung gesenkt werden können.<br />

(2) Maßnahmen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung<br />

Im März 2000 hatte der Deutsche Bundestag das Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung<br />

aus Kraft-Wärme-Kopplung (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) beschlossen. Zweck<br />

dieses Gesetzes sollte der befristete Schutz der Kraft-Wärme-Kopplung der allgemeinen<br />

Versorgung sein.<br />

Obschon die Bundesregierung am 26. Juli und 18. Oktober 2000 das Bundeswirtschaftsministerium<br />

beauftragt hatte, gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium<br />

bis Jahresende 2000 Eckpunkte für eine Quotenregelung zum Ausbau der Kraft-Wärme-<br />

Kopplung und einen Gesetzentwurf so rechtzeitig vorzulegen, dass das Gesetzgebungsverfahren<br />

spätestens bis Mitte 2001 abgeschlossen werden konnte, entwickelte sich die<br />

politische Entscheidung in eine völlig andere Richtung.<br />

Aufgrund nachhaltiger Interventionen insbesondere aus der Elektrizitätswirtschaft aber<br />

auch aus einzelnen Bundesländern sollen nunmehr die Zielsetzungen der Bundesregierung<br />

im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung durch ein Maßnahmenbündel aus einer<br />

übergreifenden Selbstverpflichtung vor allem der Elektrizitätswirtschaft und einem<br />

KWK-Gesetz verwirklicht werden. Das neue KWK-Gesetz ist am 1. April 2002 in Kraft getreten.<br />

Es sieht begrenzte Aufschläge auf die Strompreise der Industrie (maximal<br />

28


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

0,1 Pfg/kWh) sowie prinzipiell unbegrenzte Aufschläge auf die Strompreise der Tarifabnehmer<br />

vor. Das Aufkommen von 8,7 Mrd. DM bis zum Jahre 2010 soll zur Förderung<br />

der Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden (Zahlung von definierten Vergütungssätzen<br />

für Strom aus bestimmten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen). Die Arbeitsteilung zwischen<br />

den verschiedenen Instrumenten sieht so aus, dass das Gesetz bis 2010 einen<br />

Beitrag von 12,5 Mio. t CO 2 -Minderung leisten soll, während über die Zusage der Elektrizitätswirtschaft<br />

weitere 12,5 Mio. t CO 2 -Minderung erbracht werden soll. Insgesamt<br />

hat sich die gesamte deutsche Wirtschaft durch die Vereinbarung zur Klimavorsorge<br />

vom 9. November 2000 und die ergänzende KWK-Vereinbarung dazu verpflichtet, insgesamt<br />

45 Mio. t Kohlendioxid bis zum Jahre 2010 (Basisjahr 1998) zu mindern.<br />

(3) Die Energieeinsparverordnung<br />

Nach einem jahrelangen Verhandlungsmarathon hat das Bundeskabinett im Juni 2001<br />

die Energieeinsparverordnung verabschiedet, die nach Zustimmung des Bundesrates<br />

am 1. Februar 2002 in Kraft getreten ist. Diese Verordnung wird das Anforderungsniveau<br />

der Wärmeschutzverordnung von 1995 um rund 30 % verschärfen (spezifischer<br />

Energieverbrauch von Gebäuden) und als umweltpolitisch zu begrüßendes Novum den<br />

primärenergetischen Ansatz einführen. Prinzipiell soll damit eine Wettbewerbsgleichheit<br />

zwischen den einzelnen Energieträgern nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten hergestellt<br />

werden. Leider ist dieses Ziel im Verlauf des politischen Abstimmungsprozesses<br />

deutlich verwässert worden. Auf der Grundlage der Maßgabebeschlüsse des Bundesrates<br />

vom 13. Juli 2001 wurde der Bonus für die Stromanwendung deutlich verbessert. Insgesamt<br />

werden mit der Verordnung die derzeitigen technischen Möglichkeiten nur ansatzweise<br />

ausgeschöpft. Während der Umsetzung des Verordnung wird ein begleitendes Monitoring<br />

zeigen müssen, ob die von der Bundesregierung gesetzten Ziele erreicht werden.<br />

(4) Die Biomasseverordnung<br />

Auf der Grundlage des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) wurde mittlerweile auch<br />

die Biomasseverordnung verabschiedet. Bis zu einer Größe von 20 MW t h wird nunmehr<br />

der mittels Biomasse erzeugte Strom mit festen, nach verschiedenen Kriterien aber differenzierten<br />

Einspeisevergütungen gefördert. Die Verordnung schließt eine bislang bestehende<br />

Lücke und soll die erhebliche CO 2 -Minderungspotential durch Biomasseverbrennung<br />

erschließen helfen.<br />

Neben den genannten Regelungen sind auch andere Maßnahmen mittlerweile im Umsetzungsstadium.<br />

Dies betrifft zum Beispiel das Zukunftsinvestitionsprogramm, die Informationskampagnen<br />

zur Klimavorsorge und im Verkehrsbereich sowie die streckenabhängige<br />

Autobahngebühr für schwere LkW (Schwerlastabgabe).<br />

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass erstmals die marktbedingten Erhöhungen<br />

der Tankstellenpreise für Benzin und Superkraftstoffe gemeinsam mit der<br />

29


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Ökologischen Steuerreform zu einem deutlichen und wohl mittelfristig anhaltenden Verbrauchsrückgang<br />

der genannten Energieträger geführt hat. Eine derartige Entwicklung<br />

war bislang immer mit Hinweis auf die mangelnde Preiselastizität in diesem Marktsegment<br />

für mittel- bis langfristig unmöglich gehalten worden.<br />

4. Energieträgerbezogene Auswirkungen<br />

Die Bundesregierung hat den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Die dadurch<br />

erforderliche Umstrukturierung der Energieversorgung muss den technologischen, ökologischen<br />

und energiewirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragen.<br />

Bis 2005 müssen Kernkraftwerke mit einer Stromerzeugung von etwa 8 Mrd. kWh/a ersetzt<br />

werden. Je nach unterstellter Substitution durch Einsatz vorhandener oder neu zu<br />

errichtender GuD-Anlagen (auf Erdgasbasis), Steinkohle- oder Braunkohlekraftwerke<br />

entstehen zusätzlich 3 – 7 Mio. t CO 2 .<br />

Von 2006 bis 2010 wären Kernkraftwerke mit einer Stromerzeugung von rund 19 Mrd.<br />

kWh/a (zusätzlich 7 – 17 Mio. t CO 2 ) und von 2011 bis 2020 weitere Kernkraftwerke<br />

mit einer Stromerzeugung von rund 87 Mrd. kWh/a (zusätzlich 33 – 74 Mio. t CO 2 ) zu<br />

ersetzen. Unter dem Aspekt einer konsequenten Klimaschutzpolitik erfordert der Ausstieg<br />

aus der Kernenergie ein alle Bereiche einschließendes Konzept, um mittelfristig<br />

CO 2 -neutral, langfristig sogar CO 2 -mindernd ausgestaltet zu werden. Kurz- bis mittelfristig<br />

werden die im Rahmen dieses Klimaschutzprogramms beschlossenen Maßnahmen<br />

dazu beitragen, dass der Ausstieg aus der Kernenergie zu keinen klimaschutzpolitischen<br />

Nachteilen führt.<br />

Dass dieser Weg technisch und zu volkswirtschaftlich darstellbaren Konditionen beschritten<br />

werden kann, zeigen Studien, die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz<br />

und Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben wurden. Ganz entscheidend für die Ergebnisse<br />

der Untersuchungen ist dabei der gewählte Zeitpfad. Die Studie des Wuppertal<br />

Instituts "Bewertung eines Ausstiegs aus der Kernenergie aus klimapolitischer Sicht"<br />

aus dem Jahre 2000, die bereits zitierte Untersuchung "Politikszenarien I und II" sowie<br />

die Studie der PROGNOS AG "Arbeitsplätze durch Klimaschutz" belegen, dass ein vollständiger<br />

Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland selbst vor dem Jahre 2020 ohne<br />

klimaschutzpolitisch negative Effekte möglich ist.<br />

B. Brüsseler Trends – Die EU - Klimastrategie<br />

Die Aktivitäten der EU-Kommission in den letzten beiden Jahren waren geprägt von der<br />

Erkenntnis, dass die EU als Ganzes im "business-as-usual-case" ihre in Kyoto 1997<br />

übernommenen Verpflichtungen deutlich verfehlen würde. Dies ist das Ergebnis wissenschaftlicher<br />

Studien, die Anfang 2000 vorlagen. Die alarmierende Aussage lautete damals:<br />

Anstatt dem im Kyoto übernommenen Ziel "Minderung der Treibhausgase um 8 %<br />

in der Periode 2008 – 2012 (Basisjahr 1990)" sehr nahe gekommen zu sein, wird der<br />

30


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Umfang der vom Territorium der Europäischen Union emittierten Treibhausgase im Jahre<br />

2012 rund 1 % höher liegen als im Basisjahr 1990 (vgl. nachstehende Tabelle).<br />

Die Schlussfolgerung der EU-Kommission: Da die Mitgliedsstaaten offensichtlich mit<br />

nationalen Politiken und Maßnahmen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Minderungsbeiträge<br />

zu realisieren (vgl. Tabelle unten), sind zusätzliche gemeinschaftliche<br />

Maßnahmen unabdingbar.<br />

Dies war der Startschuss für das Europäische Klimaschutzprogramm (ECCP = European<br />

Climate Change Programme). Im Rahmen eines umfangreichen Verfahrens an dem<br />

nicht nur Vertreter der Regierungen der Mitgliedsstaaten, sondern auch Industrievertreter<br />

und Vertreter der Umweltverbände beteilt waren wurden vom Frühjahr 2000 bis zum<br />

Juli 2001 Empfehlungen ausgearbeitet. Die Ergebnisse dieses Prozesses konzentrieren<br />

sich auf die Bereiche "Flexible Mechanismen", "Nachfragebezogene Maßnahmen", "Energiewirtschaft",<br />

"Industrie", "Verkehr" sowie "Fluorierte Gase".<br />

Treibhausgas – Minderungspotentiale innerhalb der Europäischen Union<br />

Tabelle 3<br />

Grenzkosten 20 $/t THG-Emissionen Baseline Emissionen 2010 Kosteneffizientes<br />

CO 2 -Äquivalent 1990 bzw. 1995 nach Maßgabe Potenzial über den<br />

Mt CO 2 -Äquivalent "business as usual” "business as usual"-<br />

Fall hinaus<br />

Energiewirtschaft 1.422 minus 6 % minus 13 %<br />

Industrie 757 minus 9 % minus 12 %<br />

Verkehr 753 plus 31 % minus 4 %<br />

Haushalte 447 plus/minus 0 % minus 6 %<br />

Kleinverbrauch 176 plus 14 % minus 15 %<br />

Landwirtschaft 417 minus 5 % minus 4 %<br />

Abfallwirtschaft 166 minus 18 % minus 13 %<br />

EU insgesamt 4138 plus 1 % minus 9 %<br />

Treibhausgas – Minderungspotentiale<br />

innerhalb der<br />

Europäischen Union unter<br />

Kosteneffizienzkriterien für<br />

alle relevanten Sektoren bis<br />

2012 (einschließlich der<br />

Umsetzung der Selbstverpflichtung<br />

der Europäischen<br />

Automobilindustrie)<br />

Das Ergebnis des einjährigen Diskussionsprozesses: Es wurden 40 kosteneffiziente<br />

Maßnahmen identifiziert. Mit einem jährlichen Treibhausgas-Minderungspotenzial von<br />

664 – 765 Mt CO 2 - Äquivalente erschließen diese Maßnahmen ein Reduktionspotential,<br />

das dem Doppelten des von der EU in Kyoto übernommenen Ziels entspricht. Die von<br />

der EU-Kommission ermittelten Gesamtkosten für die Realisierung der EU-Ziels mit den<br />

kosteneffizientesten Maßnahmen liegen 2010 bei 3,7 Billionen Euro oder bei 0,06 %<br />

des Bruttoinlandsprodukts.<br />

31


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Tabelle 4<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

EU-burden sharing, Emissionsentwicklung 1990 bis 1999<br />

EU-burden sharing,<br />

Emissionsentwicklung 1990<br />

bis 1999 sowie Zielerreichungsgrade<br />

der einzelnen<br />

Mitgliedsstaaten<br />

EU-Mitgliedsstaat Ziele für die Emissionstrends bis 2008 – 2012<br />

Verpflichtungsperiode zwischen zu leistende<br />

2008 – 2012 1990 und 1999 Emmissionsnach<br />

dem “burden<br />

minderung<br />

sharing” von 1998<br />

Belgien minus 7,5 % plus 2,6 % minus 10,1 %<br />

Dänemark minus 21 % plus 4 % minus 25 %<br />

Finnland plus/minus 0 % minus 1,1 % Ziel erreicht<br />

Frankreich plus/minus 0 % minus 0,2 % Ziel erreicht<br />

Deutschland minus 21 % minus 18,7 % minus 2,3 %<br />

Griechenland plus 25 % plus 16,9 % Ziel erreicht,<br />

aber weiter<br />

steigender Trend<br />

Irland plus 13 % plus 22,1 % minus 9,1 %<br />

Italien minus 6,5 % plus 4,4 % minus 10,9 %<br />

Luxemburg minus 28 % minus 43,3 % Ziel erreicht<br />

Niederlande minus 6 % plus 6,1 % minus 12,1 %<br />

Österreich minus 13 % plus 2,6 % minus 15,6 %<br />

Portugal plus 27 % plus 22,4 % Ziel erreicht,<br />

aber weiter<br />

steigender Trend<br />

Spanien plus 15 % plus 23,2 % minus 8,2 %<br />

Schweden plus 4 % plus 1,5 % Ziel erreicht<br />

Vereinigtes Königreich minus 12,5 % minus 14 % Ziel erreicht<br />

EU insgesamt minus 8 % minus 4 % minus 4 %<br />

Quelle: Europäische Kommission 2001<br />

Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt in den folgenden Bereichen:<br />

• Einführung eines EU-weiten Emissionshandels<br />

• Verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien<br />

• Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebereich<br />

• Verschärfung der Energiestandards von Haushaltsgeräten sowie Geräten<br />

der Kommunikations- und Unterhaltungstechnik<br />

• Energieverbrauchsmanagement<br />

• Intensivere Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung<br />

• Bessere Kontrolle der fluorierten Treibhausgase durch Wartung,<br />

Dichtigkeitsprüfungen und Monitoring<br />

• Klimaeffizienter "modal split" im Verkehr durch verbesserte Infrastruktur,<br />

Nutzung von Gebühren und Abgaben<br />

Wegen der derzeit sehr kontroversen und zum Teil mit völlig falschen Argumenten<br />

geführten Diskussion über die Einführung eines EU-weiten Handels mit Treibhausgasemissionen<br />

einige Ausführungen zu dieser Frage. Die Grundstruktur des von der EU-Kommis-<br />

32


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

sion am 23. Oktober 2001 vorgelegten Richtlinienvorschlags ergibt sich aus der nachfolgenden<br />

Übersicht:<br />

Grundstruktur des Richtlinienvorschlags der EU-Kommission zur Einführung eines<br />

EU-weiten Handels mit Treibhausgasen<br />

• Verbindliches Konzept<br />

• Anlagenbezug (> 20 MW Feuerungswärmeleistung) bzw. Erfassung der<br />

energieintensiven Sektoren<br />

• Grundsätzlich alle "Kyotogase" – Start mit CO 2<br />

• Einführungsphase 2005 – 2007<br />

• Endgültige Phase 2008 – 2012 – nach 2012 jeweils Verlängerung um 5 Jahre<br />

• Aufstellung "Nationaler Allokationspläne" für alle Sektoren<br />

• Allokationsmethode "grandfathering"<br />

• Allokationsregeln (Anhang III) berücksichtigen technische Möglichkeiten,<br />

Bedarf/ Wachstum, New comer und early action<br />

• burden sharing" von 1998 bleibt unberührt<br />

• 46 % der geschätzten CO 2 -Emissionen der EU in 2010 erfasst<br />

Betrachtet man die Möglichkeiten, die der Kommissionsvorschlag bei der Ausgestaltung<br />

des nationalen Allokationsplans vorsieht, so zeigt sich, dass ein völlig ausreichender Gestaltungsspielraum<br />

zur Berücksichtigung deutscher Anliegen existiert.<br />

Die Mär von der "Wachstumsbremse" erweist sich schon deshalb als falsch, weil bei der<br />

kostenlosen Zuteilung der Emissionsrechte nicht nur das technische Potential der jeweiligen<br />

Anlage berücksichtigt werden kann, sondern auch der Bedarf und – was besonders<br />

wichtig vor dem Hintergrund der von Deutschland und nicht zuletzt auch von der<br />

deutschen Wirtschaft geleisteten frühzeitigen Minderungen von Treibhausgasemissionen<br />

ist – sogenannte "early action".<br />

Auch das Drohen mit Arbeitsplatzverlusten kann nicht überzeugen, weil die Abschätzungen<br />

mit denen dies bewiesen werden soll vom worst case und der falschen Annahme<br />

ausgehen, dass jede Tonne CO 2 bezahlt werden muss. Die Tatsache, dass die Erstallokation<br />

nach dem EU-Richtlinienentwurf kostenlos erfolgen soll und dass Deutschland<br />

und die deutsche Wirtschaft aller Voraussicht nach als Verkäufer von Emissionsrechten<br />

auftreten wird und nicht die Nachfrage nach Emissionszertifikaten anheizen dürfte wird<br />

dabei offensichtlich bewusst ignoriert.<br />

Auch das Argument, dass mit dem Emissionshandel "Stilllegungsprämien" gezahlt werden<br />

würden und die deutsche Wirtschaft aus dem Lande getrieben würde ist eigentlich<br />

so unsinnig, dass man gar nicht erst darauf eingesehen sollte. Hier nur soviel: Keinem<br />

vernunftbegabten Ökonomen, aber auch keinem konsequenten Ökologen würde es im<br />

Traum einfallen, eine solche "Stilllegungsprämien" im Rahmen eines Emissionshandels<br />

zu konstruieren.<br />

33


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Betrachtet man insgesamt die Situation der deutschen Wirtschaft, so muss man sich<br />

fragen, ob die Fundamentalkritiker des Emissionshandels nicht die Fakten zu Kenntnis<br />

nehmen wollen und ob ihr Bewertungsmaßstab nicht völlig unrealistisch geworden ist:<br />

So ist Deutschland im letzten Jahr in der Gunst ausländischer Investoren massiv gestiegen.<br />

Während Deutschland in 2001 Zuwächse zu verzeichnen hatte, erlitten Großbritannien<br />

und Frankreich deutliche Einbußen. 1 Man kann sich schwer vorstellen, dass ausländische<br />

Investoren in ein Land hinein investieren, von dem zu erwarten ist, dass die Einführung<br />

eines umweltpolitischen Instruments zu dem führt, was mit dem<br />

Morgenthau-Plan nach dem Zweiten Weltkrieg bewirkt werden sollte.<br />

1 Mehr Direktinvestitionen, in: Handelsblatt 11. April 2002<br />

2 Deutsche Exportwirtschaft kann ihren Anteil am Weltmarkt<br />

ausbauen, in: Handelsblatt 11. April 2002<br />

Dies gilt im selben Maße für den Export. 2001 erwirtschaftete die deutsche Wirtschaft<br />

ihr zweitbestes Exportergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Gegenwärtig<br />

rechnen die Prognostiker mit einem weiteren Anstieg<br />

des Exportüberschusses im Verlauf dieses Jahres. Deutschland<br />

erwirtschaftete 2001 erstmals wieder einen Überschuss<br />

in der chronisch defizitären Zahlungsbilanz. 2 Auch vor diesem<br />

Hintergrund nimmt sich das Argument, ausgerechnet<br />

der Emissionshandel würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft zerschlagen, äußerst merkwürdig aus.<br />

Weshalb in dieser Situation massive und teure Werbekampagnen der Chemischen Industrie<br />

gegen die Emissionshandel lanciert werden statt sich konstruktiv mit der Umsetzung<br />

deutscher Interessen im Rahmen eines EU-weiten Konzepts auseinander zu setzen,<br />

bleibt für den Betrachter weitgehend im Dunkeln!<br />

Es muss sich mehr und mehr der Eindruck verfestigen, dass es den Kritikern gar nicht<br />

um das Instrument geht, sondern vielmehr die klimaschutzpolitischen Ziele ungeliebt<br />

sind, man dies aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht aussprechen will. Ferner<br />

stärkt der eigentlich unbegründete Widerstand aus der deutschen Industrie die Vermutungen<br />

derjenigen, die seit Existenz der Selbstverpflichtungserklärung der deutschen<br />

Wirtschaft zur Klimavorsorge nicht müde werden zu behaupten, dass die hier gesetzten<br />

Zielen allenfalls "business as usual" seien und von einem anspruchsvollen<br />

klimaschutzpolitischen Beitrag der deutschen Wirtschaft nicht die Rede sein könne. Der<br />

Chronist muss hier anmerken, dass diese Stimmen nicht nur aus der Umweltbewegung<br />

stammen, sondern sich darunter auch ernst zu nehmende Vertreter deutscher Unternehmen<br />

befinden.<br />

Was bleiben muss ist<br />

• Das prinzipielle Gutheißen des EU-Richtlinienentwurfs,<br />

• Das konstruktive Mitwirken an der Ausgestaltung dieses Richtlinienentwurfs sowie<br />

der Versuch, deutsche Anliegen in dem Entwurf zu verankern.<br />

34


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Fundamentalopposition macht auch deshalb keinen Sinn, weil die Signale sowohl im<br />

EU-Rat als auch im EU-Parlament auf "Grün" stehen. Zudem wird die Entscheidung über<br />

die Einführung des Emissionshandels mit qualifizierter Mehrheit gefasst werden (Art.<br />

175.1 EWGV), so dass Deutschland – unterstellt, dass die Bundesregierung dies wollte<br />

– nicht in der Lage wäre, eine positive Ratsentscheidung aufzuhalten.<br />

Aus Sicht der Bundesregierung bedeutet dies: Arbeiten am vorliegenden Richtlinienentwurf<br />

mit den folgenden Zielen:<br />

• Schaffung einer aus Freiwilligkeit setzenden Pilotphase für den Zeitraum 2005 bis<br />

2007, bevor der EU-weite Emissionshandel im Jahre 2008 verbindlich in Kraft<br />

tritt,<br />

• Formulierung von eindeutigen und transparenten Regeln für die Erstallokation der<br />

Emissionsrechte schon um Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedsstaaten<br />

zu verhindern,<br />

• Klärung des Zusammenwirkens bzw. der Verhältnisses zwischen dem EU-weiten<br />

Emissionshandel und anderen bereits wirksamen Instrumenten wie der Ökologischen<br />

Steuerreform, der Klimaschutzvereinbarung mit der deutschen Wirtschaft,<br />

dem EEG, dem KWK-G und der IVU-Richtlinie.<br />

• Sicherstellen eine konsequenten Kontrolle und spürbarer Sanktionsmaßnahmen<br />

für den Fall, dass Anlagenbetreiber die gesetzten Regeln verletzen.<br />

• Einbeziehen der projektbezogenen Mechanismen "Joint Implementation" und "Clean<br />

Development Mechanism" von Beginn an.<br />

• Öffnen des Richtlinienentwurfs auch für andere Sektoren und Akteure (z.B. private<br />

Haushalte und Verkehr).<br />

C. Zum Stand der internationalen Klimaschutzverhandlungen<br />

Die Siebte Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (7.VSK oder CoP7),<br />

die vom 29. Oktober bis zum 10. November 2001 in Marrakesch, Marokko, stattfand<br />

hat nach einem äußerst langwierigen Verhandlungsprozess mit den Stationen Rio de Janeiro<br />

1992, Berlin 1995 (1.VSK), Genf 1996 (2. VSK), Kyoto 1997 (3.VSK), Buenos Aires<br />

1998 (4.VSK), Bonn 1999 (5.VSK), Den Haag 2000 (6.VSK) und erneut Bonn 2001<br />

(Fortsetzung der 6. VSK) einen wichtigen Schritt in den internationalen<br />

Klimaschutzverhandlungen vollzogen. Am 10. November 2001 wurden<br />

die sogenannten "Marrakesh - Accords" 1 angenommen. Damit wurde die<br />

politische Einigung von Bonn 2001 2 so konkretisiert, dass das Kyoto-<br />

Protokoll nunmehr umgesetzt werden kann. Seit Marrakesch verfügt die<br />

internationale Staatengemeinschaft über Prinzipien, Modalitäten, Verfahren,<br />

Regeln und Leitlinien mit denen das Kyoto-Protokoll handhabbar<br />

und umsetzbar gemacht worden ist. Alle erforderlichen Detailregelungen liegen vor und<br />

die nationalen Maßnahmen zur Erbringung der Emissionsminderungs- bzw. Emissionsbegrenzungsverpflichtungen<br />

der einzelnen Vertragsstaaten sind jetzt erkennbar.<br />

1 Verfügbar über die Startseite des UN-Klimasekretariats<br />

in Bonn unter http://www.unfccc.de/index.html<br />

2 Verfügbar in deutscher Sprache über die Startseite<br />

des Bundesumweltministeriums unter<br />

http://www.bmu.de/download/dateien/kyoto Bonn.pdf<br />

35


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Will man den derzeitigen Stand der internationalen Klimaschutzpolitik beschreiben, so<br />

befindet sie sich derzeit in einem Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen Warnungen<br />

und einer zunehmenden politischen Verweigerungshaltung:<br />

• IPCC weist nachdrücklich darauf hin, dass der steigende Trend beim Zuwachs<br />

der Treibhausgasemissionen überdeutlich und vom Menschen verursacht ist.<br />

• Die bislang von den Industriestaaten eingeleiteten Aktivitäten reichen deshalb bei<br />

weitem nicht aus, um zu einer Trendumkehr und zu einer Entkopplung zwischen<br />

Wirtschaftswachstum und Anstieg der Treibhausgasemissionen zu kommen.<br />

• Die US-amerikanische Regierung hat im Februar 2001 den weltweit größten Emittenten<br />

von Treibhausgasen der internationalen Klimaschutzpolitik entzogen.<br />

Es muss in dieser Situation gelingen, die Schere zwischen den technischen und den<br />

wirtschaftlichen Möglichkeiten zu schließen – international, regional und national. Dies<br />

lag auch den Bemühungen bei der Ausgestaltung der Regeln des Kyoto-Protokolls zugrunde.<br />

Umweltpolitische Anliegen in Einklang mit den wirtschaftspolitischen Erfordernissen<br />

zu bringen lautete das – nicht immer von allen Teilnehmern an den Verhandlungen<br />

erkannte – Ziel. Der Versuch einer Symbiose zwischen Ökologie und Ökonomie wurde<br />

– bei sich zunehmend verschlechternden weltwirtschaftlichen Verhältnissen – mit<br />

zeitlicher Entfernung von Kyoto immer deutlicher.<br />

Alle im Kyoto-Protokoll verfügbaren Ventile wurden geöffnet:<br />

• die Anwendung der Regeln für die Senken,<br />

• die sogenannten "flexiblen" Mechanismen Joint Implementation (Art. 6 KP), Clean<br />

Development Mechanism (Art. 12 KP) und emissions trading (Art. 17 KP),<br />

• der Berichterstattung und des Monitoring (Art. 5,7,8 KP),<br />

• der Erfüllungskontrolle (Art.18 KP)<br />

wurden genutzt. Es muss sich nun zeigen, ob die gefundenen Regeln sich im praktischen<br />

Einsatz auch bewähren. Vor der Bewährung hat allerdings das Procedere noch eine<br />

weitere Hürde gesetzt: Erst die Erste Tagung der Vertragsparteien des Kyotoprotokolls<br />

(sogenannte MoP1) wird die von CoP7 zur Annahme empfohlenen Regeln beschließen<br />

können. Die Konsequenz: Frühestens 2003 werden wir endgültig wissen, wie die Regeln<br />

für die 1. Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls (2008 – 2012) aussehen.<br />

Dennoch haben die Beschlüsse von Bonn und Marrakesch Klarheit und Rechtssicherheit<br />

gebracht. Sie haben auch deutlich gemacht, dass sich das Gros der Industriestaaten<br />

seiner Verantwortung stellt, obwohl der weitweit größte Emittent von Treibhausgasen –<br />

die USA – auf der Flucht vor dieser Verantwortung ist und sich allenfalls bereit findet etwas<br />

mehr als "business as usual" umzusetzen.<br />

Damit besteht ein verlässliches Fundament für die Ausgestaltung der Politiken der Industriestaaten<br />

aber auch der Entwicklungsländer. Ein Fundament, dass letztlich auch die<br />

Wirtschaft benötigt, um sich der Instrumente zu bedienen, die das Kyoto-Protokoll offeriert<br />

und die wirtschaftlichen Chancen zu nutzen, die sich gerade für die deutsche Wirtschaft<br />

aus einer international abgestimmten Klimaschutzstrategie ableiten lassen.<br />

36


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Der Verhandlungspoker<br />

Marrakesch brachte selbst für "alte Verhandlungshasen" wieder neue Erfahrungen. Bis<br />

zum Schluss versuchten Japan, Kanada und Russland mit ausschließlich egoistischen<br />

Motiven den internationalen Geleitzug des Klimaschutzes aufzuhalten. Die Verhandlungen<br />

wurden letztlich nur zwischen der EU und den drei genannten Staaten zu Ende gebracht.<br />

Als besonderer "Hardliner" stellte sich Kanada heraus. Erst als die EU mit Japan<br />

einen Kompromiss ausgehandelt hatte und damit die Gefahr drohte, dass nur noch Russland<br />

und Kanada am Pranger der Weltöffentlichkeit stehen würden, lenkte Kanada ein.<br />

Dies war letztlich auch nur durch den Schulterschluss zwischen der EU und den G77<br />

möglich. Russland zwang dann die Konferenz unter der Androhung, Marrakesch scheitern<br />

zu lassen, seine Obergrenze für die Anrechenbarkeit forstlicher Senkenaktivitäten<br />

von 17 Mt auf 33 Mt in einem naturwissenschaftlich<br />

nicht gerechtfertigten Maße auszudehnen. 1<br />

Russland hat damit seine Schlüsselstellung, die ihm beim In-Kraft-Treten des Kyoto-<br />

Protokolls zukommt, brutal ausgenutzt und dem Rest der Staatengemeinschaft unter<br />

Zuhilfenahme einiger Länder der sogenannten "umbrella-group" keine Wahlmöglichkeiten<br />

gelassen. Allerdings hat dies auf der anderen Seite dazu geführt, dass das ökonomische<br />

Interesse Russlands am Kyoto-Protokoll weiter gestärkt wurde.<br />

1 Nach FAO-Daten wären maximal 24,85 Mt zulässig gewesen.<br />

Von ganz entscheidender Bedeutung für die Ergebnisse von Bonn und Marrakesch war<br />

die positive Grundstimmung der Entwicklungsländer. Aber auch diese positive Grundhaltung<br />

musste von den Industriestaaten – insbesondere von der EU – mit Zugeständnissen<br />

erkauft werden. In Marrakesch konnten dann die Regelungen für die Nationalberichte<br />

der Entwicklungsländer weiterentwickelt werden. Zudem wurde zum Transfer umweltverträglicher<br />

Technologien ein Aktionsrahmen mit weiteren Einzelmaßnahmen<br />

festgelegt.<br />

Logischerweise stellt die Erfüllungskontrolle (Compliance) ein Kernstück des internationalen<br />

Klimaschutzregimes dar. Im Marrakesch gelang es ein vergleichsweise starkes<br />

Compliance-Konzept zu verabschieden. Dieses System sieht verbindliche Konsequenzen<br />

für den Fall vor, dass die eingegangenen Verpflichtungen verfehlt werden und enthält detaillierte<br />

Verfahrensregelns für die Entscheidungsfindung.<br />

In Marrakesch wurde ferner vereinbart, dass beim Verfehlen der mit Ratifizierung des<br />

Kyoto-Protokolls übernommenen Verpflichtungen eine Anzeige auch durch andere Vertragsparteien<br />

erfolgen kann. Schließlich existiert nunmehr auch ein Beschwerdeverfahren<br />

gegen Entscheidungen der "Enforcement Branch", das aber nur dann zum Erfolg<br />

führen kann, wenn kein ordnungsgemäßes Verfahren durchgeführt wurde. Läuft das Beschwerdeverfahren,<br />

bleibt allerdings die von der "Enforcement Branch" getroffenen Entscheidung<br />

in Kraft. Die in Marrakesch beschlossenen Regeln und Verfahren sind offen<br />

für die Öffentlichkeit.<br />

37


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Im Anschluss an CoP in Marrakesch trat erstmalig der neu gebildete Exekutivrat des<br />

Clean Development Mechanism zusammen. Vornehmste Aufgabe dieses Ausschusses<br />

ist es, CDM-Projekte zu registrieren und zu überprüfen. Zwei EU-Vertreter gehören diesem<br />

Gremium an.<br />

Um die flexiblen Mechanismen nutzen zu können, müssen die folgenden Bedingungen<br />

erfüllt sein:<br />

• Ratifizierung des Kyoto-Protokolls,<br />

• Bindung an das in Marrakesch beschlossene Compliance System, wobei die Teilnahme<br />

nicht rückwirkend durch die Einrichtung eines Systems mit völkerrechtlich<br />

verbindlichen Konsequenzen entzogen werden kann.<br />

• Schaffung eines nationalen Systems zur Emissionserfassung,<br />

• Pünktliche und korrekte Vorlage von jährlichen Treibhausgasbilanzen und Vorlage<br />

von Senkeninventaren,<br />

• Rechtzeitige und korrekte Berichterstattung über die Einbindung von Kohlenstoff<br />

in Senken ab der zweiten Verpflichtungsperiode (2013 – 2017). Während der ersten<br />

Verpflichtungsperiode (2008 – 2012) führt eine qualitativ nicht korrekte Berichterstattung<br />

lediglich dazu, dass die jeweilige Senke keine Emissionsgutschriften generieren<br />

kann.<br />

Seit Marrakesch gibt es 4 Varianten von Emissionsrechten bzw. Emissionsgutschriften:<br />

• Assigned Amount Units (AAU’s): Emissionrechte, die den Annex-I-Staaten für den<br />

Zeitraum 2008 – 2012 im Rahmen des Kyoto-Protokolls zugestanden werden.<br />

• Removal Units (RMU’s): Emissionsgutschriften, die ein Staat erhält, wenn die auf<br />

seinem Territorium vorhandenen Ökosystem der Atmosphäre Kohlenstoff entnehmen.<br />

("Senkenfunktion").<br />

• Emission Reduction Units (ERU’s): Emissionsgutschriften, die im Rahmen von Projekten<br />

(Joint Implementation) generiert werden, die zwischen Industriestaaten<br />

nach Art. 6 Kyoto-Protokoll durchgeführt werden.<br />

• Certified Emission Reductions (CER’s): Emissionsgutschriften, die im Rahmen von<br />

Projekten (Clean Development Mechanism) generiert werden, die gemeinsam von<br />

Industrie- und Entwicklungsländern durchgeführt werden.<br />

Folgende Verwendungsmöglichkeiten sind vorgesehen:<br />

• Alle Emissionsrechte können dazu dienen, die eingegangenen Emissionsverpflichtungen<br />

zu erfüllen.<br />

• Alle Emissionsrechte sind zwischen den Vertragsstaaten frei handelbar. Diese Regel<br />

erhöht eindeutig die Liquidität des Marktes.<br />

• Emissionsrechte können in folgendem Umfang in künftige Verpflichtungsperioden<br />

übertragen werden ("banking"): AAU’s unbegrenzt; ERU’s und CER’s in Höhe von jeweils<br />

bis zu 2,5 % der ursprünglich zugestandenen AAU’s; RMU’s überhaupt nicht.<br />

38


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Dies erfordert ein ausgereiftes "tracking"-System mit dem der Weg der verschiedenen<br />

Emissionsrechte konsequent verfolgt werden kann.<br />

Im Hinblick auf den Emissionshandel ist geklärt, dass Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls<br />

mit den vier genannten Emissionsrechten untereinander handeln können. Um einen<br />

ungedeckten Verkauf von Emissionsrechten zu verhindern ist jeder Vertragsstaat<br />

verpflichtet, eine gewisse Menge von Emissionsrechten ("Commitment Period Reserve")<br />

zurückzuhalten. Unterscheitet ein Vertragsstaat diese Grenze, darf er solange keine<br />

Emissionsrechte verkaufen, bis die definierte Mindestmenge wieder realisiert wurde.<br />

Trotzdem verkaufte Emissionsrechte werden im Rahmen der Verpflichtungserfüllung<br />

nach Annex B des Protokolls nicht anerkannt: Sie sind damit wertlos.<br />

Nicht ausdrücklich untersagt und damit zulässig ist der Fall, dass Entwicklungsländer<br />

ohne die Beteiligung von Industriestaaten CDM-Projekte durchführen (sogenannte "unilateral<br />

projects").<br />

Der bereits erwähnte CDM-Exekutivrat wurde mit Blick darauf eingerichtet, dass CDM-Projekte<br />

schon ab Anfang 2000 durchgeführt werden können. Er entscheidet über Funktion,<br />

über Richtlinien und Methoden, die von den Akteuren angewandt werden müssen. Senkenprojekte<br />

können solange nicht im CDM berücksichtigt werden, solange der CDM-Exekutivrat<br />

keine Richtlinien für die Durchführung solcher Projekte im CDM verabschiedet hat.<br />

Klimaschutzprojekte zwischen zwei Industriestaaten tragen den Namen "Joint Implementation".<br />

Grundsätzlich existieren zwei Verfahren nach denen JI-Projekte anerkannt<br />

werden können:<br />

• First track: Sofern das Gastland alle Voraussetzungen zur Teilnahme an den Kyoto-Mechanismen<br />

erfüllt hat (siehe oben), kann es selbst das<br />

Registrierungs- und Überprüfungsverfahren durchführen.<br />

• Second track: Erfüllt das Gastland seine Berichtspflichten dagegen<br />

nicht, so muss ein JI-Projekt von dem völlig neu eingerichteten<br />

"JI-Supervisory-Committee" registriert und international<br />

geprüft werden.*<br />

* Das Supervisory Committe besteht aus 10 Mitgliedern (plus<br />

10 Vertretern) und setzt sich wie folgt zusammen: drei Vertreter<br />

aus westlichen Industriestaaten, drei Vertreter aus Mittel-<br />

und Osteuropa, vier Vertreter aus Nicht-Annex-I-Staaten,<br />

wobei aus diesem Kontingent ein Platz den kleinen Inselstaaten<br />

vorbehalten ist. Der Abstimmungsmodus entspricht dem<br />

des "CDM-execulive-board".<br />

Im beschlossenen Gesamtpaket musste die Europäische Union Zugeständnisse an die<br />

"umbrella group" und die G 77 machen, konnte aber im Gegenzug einige bedeutsame<br />

Anliegen ihrerseits durchsetzen. Bedeutsamster Punkt in den Verhandlungen waren die<br />

Anforderungen und Verfahren bei der Berichterstattung und der Anrechnung von Senken<br />

nach Art. 3.3 und 3.4 des Kyoto-Protokolls (Aufforstung, Waldbewirtschaftung, Emissionsminderung<br />

in der Landwirtschaft). Nach den Zugeständnissen in Bonn im Hinblick<br />

auf die Anrechnung von Senken vor allem an die umbrella group musste Marrakesch<br />

ausreichend hohe Anforderungen an die Berichterstattung über Senken einzufordern<br />

und Anreize für eine gute Qualität der Senkeninventare zu schaffen. Hier konnte schließlich<br />

ein für alle Seiten befriedigender Kompromiss erzielt werden.<br />

39


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Im Hinblick auf die Überprüfung der Treibhausgasinventare und weiterer Berichte werden<br />

sogenannte Expert Review Teams (ERT’s) eingerichtet. Diese Teams können bei einer<br />

mangelhaften Berichterstattung die Inventare korrigieren und abschließend Berichte<br />

vorlegen, die Grundlage für die Erfüllungskontrolle durch das Compliance Committee<br />

ist. Bei den Auswahlkriterien für die technischen Revie-Experten konnten ein Kompromiss<br />

zwischen technischem Sachverstand und einer ausgewogenen internationalen Vertretung<br />

gefunden werden.<br />

Wann wird das Kyoto-Protokoll in Kraft treten<br />

Das Quorum für das Kyoto-Protokoll enhält zwei Anforderungen, die beide erfüllt sein<br />

müssen:<br />

• mindestens 55 Vertragsstaaten müssen ratifizieren und<br />

• darunter müssen sich mindestens 55 Prozent der CO 2 -Emissionen der<br />

Annex- I-Staaten im Jahre 1990 befinden.<br />

Derzeit haben rund 50 Staaten das Kyoto-Protokoll ratifiziert. Das Gros der "Ratifizierer"<br />

stammt allerdings derzeit noch aus den Entwicklungsländern. Noch vor Johannesburg<br />

wird allerdings mit den EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission ein politisch potenter<br />

Block das Kyoto Protokoll gemeinsam ratifizieren. Der Weg dazu wurde am<br />

4. März 2002 in Brüssel mit dem Beschluss des Umweltrates geebnet. Die Europäische<br />

Union wird nach derzeitiger Planung noch vor der Sommerpause die Ratifizierungsurkunden<br />

hinterlegen und damit einen Beitrag von 24,1 % zur Erfüllung des Quorums einbringen.<br />

Im Hinblick auf die Verwirklichung des Quorums von 55 % ist insbesondere Russland<br />

(17,4 %) immer noch ein "Wackelkandidat", der den Schlüssel zum in Kraft treten des<br />

Kyoto-Protokolls in der Hand hält. Verschiedene Akteure in Russland haben wohl nach<br />

wie vor die Absicht, noch weitere "Wohltaten" für Russland einzuhandeln. Es muss damit<br />

gerechnet werden, dass noch einige Wochen und möglicherweise sogar Monate ins<br />

Land gehen werden, bevor sich die verschiedenen Akteure in Russland (Regierung, Parlament,<br />

Duma) zusammengerauft haben. Grundsätzlich ist jedoch der wirtschaftliche<br />

Anreiz der "Kyoto-Mechanismen" für Russland so immens, dass man letztlich das Kyoto-<br />

Protokoll ratifizieren wird. Dies wird bereits heute von den maßgeblichen Regierungsstellen<br />

nachdrücklich betont.<br />

D. Auswirkungen des internationalen Klimaschutzprozesses auf die deutsche Wirtschaft<br />

Vorweg ist zu bemerken, dass Aussagen zu den Auswirkungen des internationalen Klimaschutzprozesses<br />

auf die deutsche Wirtschaft angesichts der Komplexität des Wirkungsumfeldes<br />

und der Vielgestaltigkeit der Wirkungszusammenhänge nicht einfach zu treffen<br />

sind. Wer hier vorgaukelt – wie dies teilweise in Studien versucht wird – eineindeutige<br />

Ergebnisse präsentieren zu können, ignoriert entweder die komplexen Zusammenhänge, ist<br />

naiv oder hat von vorneherein ein bestimmtes Ergebnis im Blick.<br />

40


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Eine nüchterne Analyse wird zu dem Ergebnis kommen, dass die Auswirkungen zumindest<br />

von den folgenden Determinanten mitbestimmt werden:<br />

• die Ausgangslage und damit verbunden die technisch-wirtschaftlichen Minderungspotenziale<br />

sowie die historisch entwickelten Versorgungsstrukturen,<br />

• die klimapolitische Zielsetzung,<br />

• der Zeitrahmen,<br />

• die wirksamen Politiken und Maßnahmen,<br />

• die Zielsetzungen und Programme in anderen Ländern insbesondere in denen der<br />

Hauptkonkurrenten.<br />

Betrachtet man nun die deutsche Situation, so mag man auf den ersten Blick der Auffassung<br />

zuneigen, dass gerade Deutschland eine schlechte Ausgangslage habe:<br />

• Ein hoher Anteil fossiler Brennstoffe speziell Braun- und Steinkohle, daraus resultierende<br />

vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Emissionen, eine äußerst komplexe Industriestruktur,<br />

ein vergleichsweise sehr hohes Wohlstandsniveau sowie der mit der<br />

Wirtschaft abgestimmte Ausstieg aus der Kernenergie kennzeichnen für den Pessimisten<br />

die Ausgangslage.<br />

• Der Optimist sieht dies ganz anders: Große Treibhausgasminderungspotentiale<br />

und ein traditionell fortschrittliches know how der deutschen Wirtschaft auf dem<br />

Gebiet der Energietechnik und der CO 2 -Minderungstechnik bestimmen dessen<br />

Ausgangslage.<br />

Wie so häufig wird die Wahrheit in der Mitte liegen: Eine konsequente Klimaschutzpolitik<br />

hat für Deutschland seit jeher sowohl eine Herausforderung bedeutet, als auch Zukunftschancen<br />

offeriert.<br />

Hinsichtlich der Zielsetzungen in Deutschland in anderen Staaten bleibt auf die Ergebnisse<br />

von Kyoto zu verweisen, wonach in einem ersten Schritt<br />

die Industriestaaten als Hauptverursacher des anthropogenen<br />

Treibhauseffektes ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. 1<br />

Zwar war Kyoto das Ergebnis eines politischen Kompromisses,<br />

die dort vereinbarten Ziele wurden nichtsdestoweniger auf der<br />

Grundlage von nachprüfbaren Daten und erwarteten Entwicklungen<br />

abgestimmt. Sie gehen vom Grundsatz der gemeinsamen<br />

aber differenzierten Verantwortung aus und versuchen sowohl<br />

den Gerechtigkeits- als auch den Vorsorgeaspekt zu<br />

berücksichtigen. Es sei zugegeben, dass dies nicht in jedem<br />

Falle gelungen ist. 2<br />

1 Die Industriestaaten (= Annex I-Länder nach der Klimarahmenkonvention)<br />

sind derzeit für mehr als zwei Drittel der weltweiten<br />

Treibhausgasemissionen verantwortlich obwohl lediglich 25 %<br />

der Weltbevölkerung dort leben. Allerdings nimmt der Anteil<br />

der Entwicklungsländer an den globalen Treibhausgasemissionen<br />

sprunghaft zu, so dass damit zu rechnen ist, dass bis zum Jahre<br />

2020 die weltweite Treibhausgasbilanz von den Entwicklungsstaaten<br />

dominiert werden wird.<br />

2<br />

Russland und die Ukraine sind Beispiele für nicht gerechtfertigt<br />

günstige Zielsetzungen. An die Diskussion über die mit den<br />

Ergebnissen von Kyoto geschaffene "heiße Luft" sei hier nur erinnert.<br />

Ein weiterer Versuch, historische, klimatische, geografische, wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Rahmenbedingungen "gerecht" zu berücksichtigen ist das innerhalb der Europäischen<br />

Union gefundene "burden sharing". Die weiter oben stehende Tabelle 4 zeigt,<br />

41


Plenarteil<br />

Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

dass Deutschland im Kreis der anderen EU-Mitgliedsstaaten – aber nicht nur dort –<br />

über sehr gute Karten verfügt. Während Deutschland von der Verwirklichung seines Beitrags<br />

zur EU-Lastenteilung durch seine "early action" nur marginal entfernt ist, müssen<br />

andere Länder noch große Wegstrecken zurücklegen. Dies kommt der Wettbewerbsposition<br />

Deutschlands und der deutschen Wirtschaft entgegen. Die Politik muss nun darauf<br />

achten, dass dieser Wettbewerbsvorteil nicht aufgezehrt wird bzw. von unseren<br />

Partnerstaaten kostenlos in Anspruch genommen wird. Hier hilft der Emissionshandel,<br />

deutsche Vorreiterleistungen umzumünzen in Deckungsbeiträge für die betriebliche Kostenrechnung.<br />

In jedem Falle muss hier das Credo gelten, dass ökologische Ziele ökonomisch effizient<br />

umgesetzt werden. Deutschland verfügt mittlerweile über ein breit gefächertes Maßnahmenbündel,<br />

das allerdings – dies zeigen zahlreiche wissenschaftliche Studien – in seiner<br />

wirtschaftlichen Effizienz sowie im Zusammenwirken der einzelnen Maßnahmen<br />

noch verbessert werden kann. Der Emissionshandel bietet hier äußerst interessante<br />

Perspektiven auch in seiner Verknüpfung mit den so hoch gelobten Selbstverpflichtungen<br />

der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge.<br />

Im internationalen und europäischen Vergleich gilt es nun darauf zu drängen, dass andere<br />

Staaten vergleichbare Anstrengungen wie Deutschland unternehmen und ähnlich<br />

anspruchsvolle Klimaschutzprogramme entwickeln und umsetzen. Mit dem weiter oben<br />

dargestellten Europäischen Klimaschutzprogramm sind wir hier schon auf dem richtigen<br />

Wege. ECCP setzt gemeinschaftsweit Politiken und Maßnahmen um, die in Deutschland<br />

bereits seit langen Jahren selbstverständlich sind. Ein Beispiel hierfür sind nur die<br />

EU-weit geplanten Anforderungen im Gebäudebereich. Aber nicht nur die Tatsache, dass<br />

andere Länder nachziehen verbessert die Wettbewerbsposition Deutschlands, sondern<br />

auch die Tatsache, dass Deutschland bereits heute über die notwendigen Techniken verfügt,<br />

dies umzusetzen. Wärmeschutzfenster, Brennwertkessel, Windgeneratoren, Photovoltaik,<br />

Solarkollektoren, Biomasseverbrennungsanlagen, Biogasanlagen, GuD-Kraftwerke,<br />

Mikroturbinen, BHKW’s, Clean Coal Technologies, Mess-, Regelungs- und Steuerungssysteme,<br />

drehzahlgeregelte Antriebe, sparsame Fahrzeuge – die Liste ließe sich<br />

noch lange fortsetzen.<br />

Bereits seit Jahren liegen wissenschaftliche Studien vor, die beweisen, dass Industrien,<br />

die Klimaschutztechniken anbieten ein weit über dem Durchschnitt des Produzierenden<br />

Gewerbes liegendes Wirtschaftswachstum haben und zudem weit überdurchschnittliche<br />

Exportsteigerungen verzeichnen können. Jüngstes Beispiel: Die Stromkrise in Kalifornien<br />

hat sich auf die Auftragslage deutscher Turbinenhersteller und Kraftwerksbauer sehr<br />

positiv ausgewirkt.<br />

42


Status der internationalen Verhandlungen im<br />

Klimaschutz – Bedeutung für die deutsche Wirtschaft<br />

Das Fazit<br />

Eine konsequente, international eingebundene und insgesamt "richtig"<br />

ausgestaltete Klimaschutzpolitik<br />

• gibt Anreize zur Weiterentwicklung von Know How<br />

• fördert Wachstum und Beschäftigung<br />

• verbessert die internationale Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft<br />

• verringert die Importabhängigkeit von Erdöl- und Erdgasproduzenten und<br />

verbessert auch damit die deutsche<br />

Leistungsbilanz<br />

• entlastet die Umwelt und trägt zur Ressourcenschonung bei<br />

• steuert das klimapolitische Ziel ökonomisch effizient an und trägt damit<br />

zur Kostenentlastung bei<br />

Die Nutzung des Emissionshandels ist hierfür ein hervorragendes Beispiel<br />

Derartige Schlussfolgerungen sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern wissenschaftlich<br />

nachgewiesen. Das renommierte Baseler PROGNOS-Institut hat in einer Untersuchung<br />

belegt, dass ein 40 %ige Reduzierung der CO 2 -Emissionen bis zum Jahre 2020<br />

bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie möglich ist. Im Rahmen<br />

einer solchen Strategie werden quasi als "Nebeneffekt" bis 2020 noch 200.000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen oder erhalten. Einen besseren Beleg für ein Verschmelzen ökologischer<br />

Anliegen mit gesamtwirtschaftlichen Zielen kann es wohl nicht geben.<br />

43


Plenarteil<br />

Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />

Europäische Kommission<br />

Generaldirektion Unternehmen<br />

Referat "Umweltaspekte der Unternehmenspolitik"<br />

Der EU Richtlinienvorschlag zum Emissionshandel im Spannungsfeld zwischen<br />

europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Wie Ihnen ja wahrscheinlich bekannt, ist die für den Klimaschutz im Allgemeinen und<br />

den Emissionshandel im Speziellen zuständige Dienststelle der Kommission die Generaldirektion<br />

"Umwelt". Allerdings hat die Generaldirektion "Unternehmen" in der Vorbereitungsphase<br />

zu dieser RL eine aktive Rolle gespielt, und die kommissionsinternen Diskussionen<br />

waren dabei nicht unähnlich den Diskussionen, die nun in der breiten Öffentlichkeit<br />

geführt werden.<br />

Nachdem der Vorschlag für einen Emissionshandel auf Gemeinschaftsebene von der<br />

Kommission am 23. Oktober des letzten Jahres verabschiedet worden war, ist es nun<br />

gemäß des Verfahrens der "Mitentscheidung" an den anderen Institutionen, Rat und Parlament,<br />

Meinungen und Ideen der Mitgliedstaaten sowie weiterer gesellschaftlicher<br />

Gruppen in den Entscheidungsprozess einzubringen.<br />

Der Zeitpunkt für diesen Kongress hätte daher in der Tat kaum besser gewählt werden<br />

können. Um die allgemeinere Diskussion im Zusammenhang mit dem Kommissionsvorschlag<br />

zum Emissionshandel in ein richtiges Licht zu rücken ist es wichtig darauf hinzuweisen,<br />

dass die Europäische Gemeinschaft durch den Umweltrat am 4. März dieses<br />

Jahres das Protokoll von Kyoto ratifiziert hat, und gleichzeitig in einer Entscheidung die<br />

Mitgliedstaaten aufforderte, die notwendigen Schritte einzuleiten damit eine nationale<br />

Ratifizierung bis zum 1. Juni 2002 erfolgen kann.<br />

Mit dieser Entscheidung hat die Gemeinschaft nun verbindlich die Ratsschlussfolgerung<br />

vom 16. Juni 1998 umgesetzt, nachdem die Mitgliedstaaten von Artikel 4 des Kyoto<br />

Protokolls Gebrauch machen und die Emissionsreduktionslasten, die das KP vorsieht,<br />

neu verteilen. Diese Neuverteilung soll es ermöglichen, das Kyoto Protokoll unter<br />

Berücksichtigung umwelt- und wirtschaftspolitischer Unterschiede leichter gemeinsam<br />

zu erfüllen.<br />

Bekanntlich ergibt sich daraus für Deutschland innerhalb der ersten Kyoto Verpflichtungsperiode<br />

von 2008 bis 2012 ein Reduktionsziel für Klimagase von 21% statt 8%<br />

unter dem Emissionsniveau des Jahres 1990.<br />

Nun bewirkt eine Ratifizierung durch die EU noch nicht gleichzeitig das Inkrafttreten<br />

des Kyoto Protokolls. Dafür müssen gemäß des Artikels 25 des Protokolls weitere Bedingungen<br />

erfüllt werden: Ratifizierung durch mindestens 55 der im Anhang I der Klimakonvention<br />

der Vereinten Nationen genannten Vertragsparteien, die zusammen für mindestens<br />

55% der gesamten Klimagasemissionen des Jahres 1990 verantwortlich sind.<br />

44


Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Nach dem effektiven Ausstieg der USA aus dem KP müssen vor allem Rußland und Japan<br />

das Protokoll ebenfalls ratifizieren, um es in Kraft treten zu lassen.<br />

Gleichwohl hat die Gemeinschaft mit der Ratifizierung nun ein deutliches Signal gesetzt:<br />

Sie bindet sich an die Verpflichtungen des KP, wird die zu ihrer Umsetzung notwendigen<br />

Maßnahmen ergreifen und hofft, dass dieses Beispiel Schule macht.<br />

Die Kyotoverpflichtung besteht vor allem anderen darin, ab 2008 bis 2012 die absoluten<br />

Emissionen von Klimagasen vom Territorium der Gemeinschaft zu deckeln.<br />

Maßnahmen wie der vorliegende Vorschlag zum Emissionshandel sind Gemeinschaftsinstrumente<br />

zur Umsetzung dieser Verpflichtung.<br />

Es ist ganz wesentlich, dass unterschieden wird zwischen Verpflichtung und Instrument.<br />

Denn tatsächlich ergeben sich viele Fragen im Zusammenhang mit dem vorgeschlagenen<br />

Emissionshandelssytem nicht aus dem Instrument selbst, sondern aus der<br />

Emissionsreduktionsverpflichtung, die die Gemeinschaft verbindlich eingegangen ist.<br />

Diskussionen darüber mögen ökologisch oder ökonomisch interessant sein, politisch<br />

sind sie jedoch irrelevant.<br />

Warum jetzt ein Europäisches Emissionshandelsystem<br />

Artikel 17 des KP sieht vor, dass die Vertragsparteien zur Erfüllung Ihrer Verpflichtungen,<br />

d.h. der Emissionsreduzierungen, zusätzlich zu eigenen Anstrengungen an einem<br />

Emissionshandelsystem teilnehmen können. Die eigentlich handelnden Akteure, Vertragsparteien<br />

oder andere juristische Personen, werden nicht weiter definiert.<br />

Die Kommission hat bereits sehr frühzeitig das Potential eines solchen ökonomischen<br />

Instrumentes erkannt und hat in verschiedenen Mitteilungen von 1999 und 2000 in Vorbereitung<br />

des Europäischen Klimaschutzprogramms einen sogenannten doppelspurigen<br />

Ansatz (twin track approach) verfolgt: Entwicklung eines Emissionshandelsytems sowie<br />

gleichzeitig Entwicklung spezifischer Maßnahmen zur Emissionssenkung.<br />

Beschäftigt man sich mit der Theorie eines EHS so mag dieser Ansatz etwas widersprüchlich<br />

klingen. Prinzipiell könnte der EH geeignet sein andere Maßnahmen weitgehend<br />

überflüssig zu machen. Ein EHS sollte das kosteneffektivste Instrument sein und<br />

schreibt im Prinzip nicht vor, welche Art von Reduktionsmaßnahmen die Teilnehmer vornehmen<br />

sollen.<br />

Tatsächlich reduziert der EH selbst ja keine Emissionen, aber er induziert die dazu notwendigen<br />

Maßnahmen dort, wo sie am kostengünstigsten durchzuführen sind.<br />

Allerdings, und hier muss die Theorie der Praxis weichen, ist dieses Instrument neu, im<br />

großen Maßstab nicht gut erprobt und kann Risiken bergen. Zudem wird zumindest in<br />

einer ersten Phase ein solches EHS nicht alle Emittenten von Klimagasen einschließen<br />

können.<br />

45


Plenarteil<br />

Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />

Es ist ein Gebot der Fairness, dass Klimagasemittenten, die nicht am EHS teilnehmen<br />

durch andere Maßnahmen in die Pflicht genommen werden.<br />

Um ein erfolgreiches EHS einzuführen, bedarf es allerdings eines ordnungsrechtlichen<br />

Rahmens, der vorgibt wie hoch die gesamten Emissionen zu sein habe, und wie sich diese<br />

über einen gewissen Zeitraum verändern sollen.<br />

Diese ordnungsrechtlichen Vorgaben müssen allerdings in einem vernünftigen Verhältnis<br />

zu den Möglichkeiten der Teilnehmer stehen, die zur Verfügung stehende Reduktionstechniken<br />

und Technologien einzusetzen und neue zu entwickeln.<br />

Allgemein gilt: Je größer das Teilnehmerfeld, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

ein EHS erfolgreich wirkt.<br />

Deswegen, aber auch aufgrund der gemeinsamen sowie geteilten Verantwortung der Gemeinschaft<br />

und ihrer Mitgliedstaaten gegenüber dem KP macht es Sinn ein Emissionshandelsystem<br />

gerade auf Gemeinschaftsebene zu entwerfen.<br />

Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten schon bereits seit einiger Zeit damit begonnen ihre<br />

Emissionen durch entsprechende Maßnahmen zu reduzieren oder zu stabilisieren.<br />

Darunter sind auch EHS wie in Großbritannien oder Dänemark. Auch deswegen ist es<br />

notwendig jetzt ein gemeinschaftliches EHS vorzuschlagen.<br />

Ein europäisches EHS ist grundsätzlich mit vielen anderen Maßnahmen kompatibel,<br />

entweder spezifischen auf Mitgliedstaatenebene oder anderen Gemeinschaftsmaßnahmen.<br />

Allerdings ist es notwendig auf größtmögliche Kohärenz zu achten, und Synergieeffekte<br />

zu bewirken.<br />

Der Kommissionsvorschlag versucht dem gerecht zu werden. Aber hier sind vor allem<br />

auch die Mitgliedstaaten gefordert bei der Umsetzung der Richtlinie die eigenen<br />

klimaspezifischen Maßnahmen zu berücksichtigen.<br />

Wie ist nun die Kommission vorgegangen, um in dem vorgezeichneten Rahmen ein<br />

Emissionshandelsystem zu entwickeln <br />

Um es vorweg zu nehmen. Die Kommission hat genau das Gegenteil von dem getan was<br />

ihr oft (aus weniger unterrichteten Kreisen) vorgeworfen wird: Sie hat nicht in "weltfremder<br />

Isolation" gehandelt, sondern hat ein sehr breit angelegtes Konsultationsprogramm<br />

durchgeführt.<br />

Im Jahre 2000 wurde ein Grünbuch zum Emissionshandel vorgelegt. Zwischen 2000<br />

und 2001 im Rahmen des europäischen Klimaschutzprogramms wurde eine Arbeitsgruppe<br />

zum Thema Emissionshandel eingerichtet, in der Vertreter aller gesellschaftlicher<br />

Bereiche gemeinsam ein Arbeitspapier entwickelten. Noch im Sommer 2001 hat<br />

die Kommission zusätzlich zu den internen Konsultationen, Konsultationen mit Fachver-<br />

46


Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

tretern der Mitgliedstaaten und der Industrie durchgeführt. Allein zum Grünbuch gingen<br />

etwa 100 Kommentare und Beiträge ein.<br />

Insgesamt lag also eine außerordentlich breite Informationsbasis vor, von der die Kommission<br />

auch ganz wesentlich Gebrauch machte. Allerdings wurden auch die potentiellen<br />

Konfliktfelder deutlich. Und nicht selten wurden von ein und denselben Kommentatoren<br />

widersprüchliche Anforderungen gestellt.<br />

Im Allgemeinen fand der Plan der Kommission ein europäisches EHS vorzuschlagen<br />

große Zustimmung. Sehr unterschiedliche Auffassungen gab es bei der Beantwortung<br />

der Frage nach dem notwendigen Grad der Harmonisierung von Bestimmungen gegenüber<br />

der angestrebten und ebenso notwendigen Flexibilität um eine Anpassung an spezifische<br />

nationale Gegebenheiten zu ermöglichen.<br />

In der Tat ist genau dieser Punkt ein zentrales Thema bei den Beratungen im Rat und<br />

im Europäischen Parlament.<br />

Flexibilität ist notwendig. Rein technisch wird der Kommissionsvorschlag dem schon dadurch<br />

gerecht, dass er in Form einer Richtlinie und nicht in Form einer Verordnung vorgelegt<br />

wurde. Eine Richtlinie muss in das bestehende nationale Recht umgesetzt werden<br />

und läßt somit einen gewissen Spielraum.<br />

Aus den zahlreichen Kommentaren während der Konsultationen lassen sich folgende<br />

Ziele ableiten, denen ein europäisches EHS Genüge tun muss:<br />

Es muss zur Umsetzung der Kyotoverpflichtungen beitragen, es muss sich am Verursacherprinzip<br />

orientieren, es muss vereinbar sein mit den bereits vorhandenen nationalen<br />

Klimamaßnahmen, es darf den Binnenmarkt nicht gefährden und es muss einen gemeinsamen<br />

Markt für Emissionsrechte etablieren. Es darf allerdings auch die wirtschaftlichen<br />

Wachstumskräfte nicht schwächen, und muss möglichst einfach und mit<br />

geringem administrativen Aufwand für Industrie und Behörden umsetzbar sein. Schließlich<br />

muss es dem Prinzip der Subsidiarität folgen und nur das auf Gemeinschaftsebene<br />

regeln, was nicht auf Mitgliedstaatenebene geregelt werden kann.<br />

Ich werde nun versuchen, die vorgeschlagene RL zum EH im Lichte der wichtigsten<br />

Rahmenbedingungen zu erörtern.<br />

Diese Rahmenbedingungen sind neben den internationalen Abkommen zum Klimaschutz<br />

natürlich definiert durch das Gemeinschaftsrecht, die Klimapolitik der Gemeinschaft<br />

und ihrer Mitgliedstaaten, aber auch durch die ökonomischen und technischen<br />

Bedingungen der wirtschaftenden Sektoren wie Industrie, Transport, Handel, Haushalte,<br />

innerhalb wie auch außerhalb der Europäischen Union.<br />

Die Bestimmungen zur vorgeschlagene RL lassen sich in folgende Teilbereiche gliedern:<br />

Definitions- und Anwendungsbereich, Bestimmungen zur Teilnahme- und Betriebsge-<br />

47


Plenarteil<br />

Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />

nehmigung, Bestimmungen zur Zuteilung der Emissionsrechte, Bestimmungen bzgl.<br />

Transaktionen von Emissionsrechten und Bestimmungen zu Überwachungsmaßnahmen,<br />

Berichterstattung, Verfizierung sowie Strafmaßnahmen.<br />

Zum Definitions- und Anwendungsbereich (Artikel 1-3):<br />

Schon rein praktische Gründe legen es nahe, zunächst große stationäre Emissionsquellen<br />

zu erfassen. Der Geltungsbereich der RL ist im Wesentlichen ein Teilbereich der unter<br />

die Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung<br />

(IVU) fallenden industriellen Anlagen und bezieht sich ausschließlich auf Emissionen<br />

von Kohlendioxid. Damit werden etwa 46% der gesamten CO 2 Emissionen der EU<br />

erfasst, und es ist eine voraussichtliche Teilnehmerzahl von 4000 bis 5000 Anlagen zu<br />

erwarten. Für den Anfang ist dies wahrscheinlich ein guter Kompromiss zwischen großer<br />

Marktbreite und verwaltungstechnischer Machbarkeit.<br />

Im Zuge einer wachsenden Erfahrung kann durch eine Abänderung der Richtlinie ihr<br />

Anwendungsbereich erweitert werden.<br />

Der Forderung von Anfang an alle Kyotogase zu berücksichtigen stehen zur Zeit noch<br />

Durchführungsprobleme beim Monitoring gegenüber.<br />

Eine Entkopplung von der IVU Richtlinie ist tatsächlich schwer denkbar, eben weil die<br />

IVU RL bereits so ein breites Feld industrieller Anlagen abdeckt und somit zwangsweise<br />

eine Überlappung entsteht. Damit liegt es aber nahe das Genehmigungsverfahren nach<br />

der EHRL mit der nach der IVU RL zu verknüpfen. So wird Doppelarbeit erspart und<br />

Synergieeffekte möglich.<br />

Bestimmungen zur Genehmigungen sind in Artikel 4 bis 7 verfasst<br />

Nach der EHRL wird es in Zukunft nicht möglich sein eine Anlage, die unter den Anhang I<br />

fällt, ohne Genehmigung zu betreiben. Wie bereits erwähnt wäre dies auch ohne EHRL<br />

praktisch nicht möglich, da in fast jedem Falle die IVU Richtlinie greifen würde. Eine Änderung<br />

ergibt sich nur für Verbrennungsanlagen in der Energiewirtschaft mit einer Nettowärmezufuhr<br />

von zwischen 20 und 50MW.<br />

In dem Genehmigungsverfahren für eine oder mehrere Anlagen müssen Betreiber den<br />

Nachweis erbringen, dass sie in der Lage sind die Klimagasemissionen zu überwachen<br />

und über sie zu berichten. Wie in der IVU Richtlinie auch müssen Anlagenveränderungen<br />

den Behörden mitgeteilt werden, wenn diese zu einer Abänderung der Genehmigung<br />

führen könnten.<br />

Wichtig für den Betreiber ist, dass diese Genehmigung keine Emissionsgrenzwerte festlegen<br />

werden, es sei denn es besteht das Risiko einer erheblichen lokalen Umweltverschmutzung,<br />

was zumindest für Kohlendioxid jedoch ausgeschlossen werden kann.<br />

48


Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Genauso wichtig wie die Genehmigung ist jedoch der Besitz von Emissionsrechten<br />

und spezieller Bedeutung kommt hier vor allem der Erstzuteilung dieser Rechte zu<br />

(Art.9-11).<br />

Zur Erstzuteilung hat die Kommission den Mitgliedstaaten einen Spielraum gelassen,<br />

allerdings mit gemeinsamen Kriterien im Anhang III. Außerdem dürfen nationale Zuteilungen<br />

von Emissionsrechten natürlich nicht spezifischen Regelungen in den Gemeinschaftsverträgen<br />

widersprechen, hier im besonderen Regeln zum Wettbewerbsrecht und<br />

zum Beihilfenrecht.<br />

Das Beihilfenrecht sieht eine exante Notifizierung und Genehmigungspflicht durch die<br />

Kommission vor.<br />

Auch die nationale Lastenverteilung gibt einen Rahmen vor, innerhalb dessen sich nationale<br />

Zuteilungspläne bewegen müssen.<br />

Andererseits ist es gerade die unterschiedliche Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten,<br />

die schon aus sich selbst heraus ein hohes Maß an Flexibilität bei Vorschlägen zu<br />

gemeinschaftlichen Maßnahmen erzwingt.<br />

Diese Gestaltungsfreiheit für die Mitgliedstaaten soll es ermöglichen den sehr unterschiedlichen<br />

existierenden nationalen Maßnahmen zum Klimaschutz Genüge zu tun.<br />

Die Kommission ist überzeugt, dass sich hier auch eine Lösung finden lässt, die kompatibel<br />

ist mit den in Deutschland bestehenden Selbstverpflichtungsvereinbarungen zur<br />

Emissionsreduktion.<br />

Ein nationaler Zuteilungsplan für Emissionsrechte sollte sich also an den nationalen Reduktionszielen<br />

und Klimapolitiken (nicht nur in Bezug auf die Industrie) aber auch den<br />

wirtschaftlichen Auswirkungen orientieren.<br />

Außerdem sind Fragen zur Verteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen, vor allem im Zusammenhang<br />

mit vergangenen Emissionsreduzierungen, aber gleichzeitig müssen<br />

marktverzerrende Einflüsse verhindert werden.<br />

Ohne Zweifel sind Konflikte möglich. Aber es ist wahrscheinlich, dass potentielle Konflikte<br />

zahlreicher und schwerwiegender wären, wenn die Kommission versucht hätte<br />

allen 15 Mitgliedstaaten mit einem verbindlichen Zuteilungssystem gerecht zu werden.<br />

Ein "level playing field" wird auch dadurch angestrebt, dass die Kommission nach Überprüfung<br />

nationaler Zuteilungspläne die Zustimmung in Teilen oder im Ganzen ablehnen<br />

und Veränderungen verlangen kann, wenn gemeinschaftliche Regeln verletzt werden<br />

würden.<br />

49


Plenarteil<br />

Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Dr. Joachim Klaus Ehrenberg<br />

Das vorgeschlagene EHS sieht im ersten Schritt zwei Handelszeiträume vor.<br />

Einen dreijährigen ersten Zeitraum von 2005 bis 2007, für den Emissionsrechte kostenfrei<br />

verteilt werden und einen zweiten, von 2008 bis 2012, den ersten Kyotoverpflichtungszeitraum,<br />

für den die Kommission eine gemeinschaftliche Verteilungsmethode<br />

vorschlagen wird.<br />

Die erste Handelsperiode soll zwar im Wesentlichen mit allen Regeln beginnen, die auch<br />

für die zweite Periode vorgesehen sind, dem Charakter nach wird sie jedoch eine "learning<br />

by doing" Phase ermöglichen.<br />

Der Handel mit Emissionsrechten sollte nach den Vorstellungen der Kommission so frei<br />

wie möglich sein, nicht unähnlich dem Handel mit Aktien oder anderen Wertpapieren.<br />

Auch "Nichtemittenten" können sich daran beteiligen, was die Liquidität des Marktes erhöhen<br />

wird.<br />

Die EHRL sieht ein jährliches Abgleichen von Emissionen und Emissionsrechten auf Anlagenebene<br />

vor. Dies trägt den Anforderungen des Kyoto Protokolls Rechnung und reduziert<br />

das Risiko sich akkumulierender Defizite zwischen Emissionen und Emissionsrechten.<br />

Es sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden, dass die Mitgliedstaaten<br />

verpflichtet sind ihr Lastenverteilungsziel zu erreichen und daher auch die Möglichkeit<br />

haben müssen, bei Fehlentwicklungen rechtzeitig einzugreifen.<br />

Emissionsrechte sind innerhalb der EU natürlich frei handelbar, und auch gerade dafür<br />

ist diese RL notwendig.<br />

Der vorliegende RL-Vorschlag berücksichtigt noch nicht den Handel von Emissionszertifikaten,<br />

die durch JI und CDM generiert werden können. Dies liegt daran, dass endgültige<br />

Kriterien zu JI und CDM zur Zeit auf internationaler Ebene erst definiert werden, und<br />

die Gemeinschaft im Rahmen der zweiten Phase ihres Klimaschutzprogrammes gerade<br />

erst die Bedingungen festlegt, unter denen die Emissionszertifikate aus den verschiedenen<br />

flexiblen Mechanismen zusammengeführt werden können. Ein einschlägiger Kommissionsvorschlag<br />

ist im nächsten Jahr zu erwarten.<br />

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn das europäische EHS verknüpft wäre mit anderen<br />

Systemen. Der RL Vorschlag lässt mit Artikel 24 diese Möglichkeit zu, allerdings müssen<br />

diese anderen EHS von unseren Handelspartnern erst geschaffen werden, und sie<br />

müssen den Bedingungen des KP genüge tun.<br />

Ein intakter Markt für Emissionsrechte erfüllt nicht nur umweltpolitische Ziele, er bewegt<br />

auch beträchtliche Vermögenswerte. Ein ordnungsrechtlicher Rahmen muss auch<br />

deswegen strenge Überwachung, Überprüfung und, wenn notwendig, Strafen beinhalten.<br />

Gerade hier ist ein hohes Maß von Harmonisierung notwendig. Die Kommission wird dazu<br />

zusätzlich zu den in dem Vorschlag enthaltenen Prinzipien weitere Leitlinien entwerfen.<br />

50


Der EU Richtlinienvorschlag im Spannungsfeld<br />

zwischen europäischer und nationaler Klimapolitik<br />

Transaktionen von Emissionsrechten werden auf Mitgliedstaatenebene registriert und<br />

zusätzlich durch einen Zentralverwalter auf Gemeinschaftsebene einer unabhängigen<br />

Kontrolle unterzogen. Auch dadurch soll ein Höchstmaß an Transparenz im Handel<br />

sichergestellt werden.<br />

Dazu, aber auch um Korrekturen, so sie denn notwendig sind, zu ermöglichen, sieht der<br />

EHRL Vorschlag eine jährlich Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten vor. Die Kommission<br />

wird daraus einen Synthesebericht fertigen, und außerdem wird die Kommission<br />

den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten organisieren.<br />

Die Kommission erwägt auch bis zum Jahre 2006 einen Erfahrungsbericht dem Parlament<br />

und dem Rat vorzulegen und gegebenenfalls Abänderungsvorschläge zu machen.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Europäische Gemeinschaft hat mit der Ratifizierung des Kyoto Protokolls nun<br />

eine verbindliche gemeinschaftliche Verantwortung zur Reduzierung der anthropogenen<br />

Emissionen von Klimagasen übernommen.<br />

Dieser Verantwortung wird sie auch durch die Durchführung gemeinschaftlicher Klimaschutzmaßnahmen<br />

gerecht.<br />

Die Kommission hat einen Vorschlag für ein gemeinschaftliches EHS vorgelegt, dessen<br />

wesentliches Merkmal ein hohes Maß von Flexibilität ist, sowohl was die Umsetzung<br />

auf Mitgliedstaatenebene angeht, wie auch was das Instrument selbst betrifft.<br />

Die Kommission ist überzeugt, dass ihr Vorschlag nicht nur wesentlich dazu beitragen<br />

kann, dass die Gemeinschaft ihre umweltspezifischen Ziele erreicht, sondern<br />

dass er auch die ökonomischen Interessen der Teilnehmer berücksichtigt und damit<br />

eine gute Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung darstellt.<br />

Die Kommission hofft, dass die anstehenden Beratungen im Rat und Parlament zügig<br />

durchgeführt werden können, damit bis zum Jahre 2005 ein europäisches EHS<br />

fristgerecht in Kraft treten kann.<br />

51


Plenarteil<br />

Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

Dr. Henning Rentz<br />

Leiter der Abteilung Umweltkoordination<br />

RWE AG<br />

1. Ausgangssituation: Internationaler Klimaschutz<br />

Die Europäische Kommission und das Bundeskabinett haben im März diesen Jahres die<br />

Ratifizierung des Kyoto-Protokolls eingeleitet. Die Zustimmung von kritischen Ländern<br />

wie insbesondere Japan, Russland oder Kanada wurde im Rahmen der letzten Klimaschutzverhandlungen<br />

allerdings durch die zum Teil weitgehende Möglichkeit, CO 2 -Senken<br />

anzurechnen, teuer erkauft. Dadurch wird das bereits im Kyoto-Protokoll angelegte –<br />

und mit dem EU-Burden Sharing Agreement verstärkte – Problem ungleicher Minderungsverpflichtungen<br />

weiter verschärft. Die Europäische Union gerät damit nicht nur in<br />

wirtschaftlichen Nachteil gegenüber den USA, die das Kyoto-Protokoll erklärtermaßen<br />

nicht ratifizieren werden, sondern zunehmend auch gegenüber anderen Industriestaaten.<br />

Bei Betrachtung der Minderungsverpflichtungen der Industrieländer fallen große Unterschiede<br />

auf. Noch größer werden diese, wenn die bislang tatsächlich erreichten Emissionsminderungen<br />

betrachten werden. Nur drei EU-Länder konnten ihre Treibhausgasemissionen<br />

reduzieren: Großbritannien, vor allem wegen der Umstellung der Energieversorgung<br />

von Kohle auf Gas, Luxemburg, hier gibt es einen Sondereffekt wegen der Schließung<br />

eines Stahlstandortes, und Deutschland. Etwa die Hälfte der bisherigen Emissionsminderungen<br />

in Deutschland geht auf das Konto des Zusammenbruchs der alten DDR-Wirtschaft,<br />

die andere Hälfte beruht auf massiven Investitionen in die Steigerung der Energieeffizienz.<br />

Als Vorreiter des internationalen Klimaschutzes gilt Deutschland, auf das über 80 Prozent<br />

aller EU-Reduktionspflichten für Treibhausgasemissionen entfallen. Zwischen 1990<br />

und 2000 hat sich hierzulande die Energieproduktivität um rund 15 Prozent erhöht.<br />

Gleichzeitig sanken die CO 2 -Emissionen um knapp 16 Prozent. Das Statistische Bundesamt<br />

betonte in seinem Bericht zu den umweltökonomischen Gesamtrechnungen 2000,<br />

dass insbesondere die Bereiche Kohlenbergbau, Energieversorgung, chemische Industrie<br />

sowie Kokerei und Mineralölverarbeitung "bedeutende Beiträge zur Minderung der CO 2 -<br />

Emissionen zwischen den Jahren 1991 und 1998 geliefert" hätten. Und auch weiterhin<br />

leisten die deutschen Unternehmen ihren Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz:<br />

Zwischen 2000 und 2020 kann sich die Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und<br />

Energieverbrauch weiter fortsetzen, da der Primärenergieverbrauch laut Szenario I des<br />

Energieberichts des BMWi trotz eines Zuwachses des realen Bruttoinlandsprodukts von<br />

rd. 45 Prozent um absolut 3 Prozent sinken wird.<br />

Zur Reduktion der CO 2 -Emissionen haben die Verbände der deutschen Energiewirtschaft<br />

und der energieintensiven Branchen ergänzend zu ihrer im Jahr 2000 eingegangenen<br />

Selbstverpflichtung im Frühjahr 2001 mit der Bundesregierung ein "Aktionsprogramm<br />

Klimaschutz" vereinbart: Mit einem Bündel freiwilliger Maßnahmen sowie öffentlich<br />

52


Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

geförderter Vorhaben soll in konkreten und quantifizierten Schritten bis zum Jahr 2010<br />

eine Senkung von 45 Millionen Tonnen CO 2 pro Jahr erreicht werden.<br />

2. Engagement und praktische Erfahrungen des RWE-Konzerns<br />

Der RWE-Konzern setzt im europäischen Binnenmarkt auf einen breiten Erzeugungsmix<br />

mit einer starken inländischen Erzeugungsbasis. Gerade vor dem Hintergrund politischer<br />

Risiken beim Import von Energieträgern und nur schwer prognostizierbarer Preisentwicklungen<br />

bei Öl und Gas gilt es RWE als großer Vorteil, mit der Braunkohle einen<br />

langfristig wettbewerbsfähigen heimischen Energieträger im Portfolio zu haben. Um die<br />

Maßgaben des Klimaschutzes zu erfüllen, will RWE durch Neubau und Modernisierung<br />

die Energieeffizienz des Kraftwerksparks steigern. Gleichzeitig gilt es, die installierte<br />

Kraftwerksleistung auf der Basis regenerativer Energien auszubauen, innovative Lösungen<br />

wie die Brennstoffzelle zur Marktreife zu bringen und die dezentrale Energieversorgung<br />

auf Basis der Kraft-Wärme-Kopplung weiterzuentwickeln.<br />

Unter Erfüllung optimistischer Annahmen könnte die dezentrale Energieversorgung auf<br />

Basis von erneuerbaren Energien, Kraft-Wärme-Kopplung und Brennstoffzellen bis zum<br />

Jahr 2015 einen Anteil von etwa 30 Prozent am Strommarkt in Deutschland erreichen.<br />

Programm zur Modernisierung der Kraftwerke:<br />

Durch Investitionen in Modernisierung und Ausbau wird die Energieeffizienz unseres<br />

Kraftwerksparks bis 2010 um weitere 15 bis 20 Prozent steigen. Zu den Maßnahmen<br />

gehören die Errichtung eines Braunkohlenblocks mit optimierter Anlagentechnik (BoA)<br />

in Niederaußem im rheinischen Braunkohlerevier. Dieses neue Kraftwerk hat einen Wirkungsgrad<br />

von über 43 Prozent und ersetzt Altanlagen mit Wirkungsgraden von rund<br />

31 Prozent. Die Weiterentwicklung dieser Anlage zur BoA-Plus wird bereits erprobt:<br />

Plus steht für Wirbelschichttrocknung und mechanisch-thermische Entwässerung der<br />

Braunkohle – eine Vorbehandlung, die die Energieausbeute bei der Verbrennung<br />

nochmals steigert.<br />

Ausbau erneuerbarer Energien:<br />

RWE wird die installierte Leistung erneuerbarer Energien von derzeit rund 800 Megawatt<br />

(MW) bis 2010 auf etwa 1.700 MW mehr als verdoppeln. RWE engagiert sich deshalb<br />

bei der Erprobung größerer Windenergieanlagen im Binnenland. Bis zum Jahr 2020<br />

wird diese Art der Energieerzeugung die Wasserkraft als dominierende regenerative<br />

Quelle abgelöst haben, da deren Möglichkeiten – insbesondere in Deutschland – auf<br />

Grund der geographischen Gegebenheiten begrenzt und nahezu ausgeschöpft sind.<br />

Ebenso steigen wird der Anteil von Biomasse und Müll, Klär-, Bio- und Deponiegas sowie<br />

Fotovoltaik. Mit ihren Gesellschaften Harpen und RWE Solar ist RWE für den weiteren<br />

Ausbau regenerativer Energiequellen hervorragend gerüstet. RWE Solar gehört zu<br />

53


Plenarteil<br />

Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

Dr. Henning Rentz<br />

den führenden Solarzellenherstellern der Welt und baut derzeit ihre Kapazitäten in<br />

Alzenau um eine dritte Fertigungslinie aus. Harpen setzt unter anderem auf Windenergie<br />

und nahm Ende 2001 in Spanien einen Windkraftpark in Betrieb, der im Endausbau<br />

eine Gesamtleistung von 16,5 MW besitzen wird.<br />

Innovationspotenzial Brennstoffzelle:<br />

Brennstoffzellen sind ideale Bausteine für eine dezentrale Energieversorgung, denn sie<br />

ermöglichen die gleichzeitige Erzeugung von Strom und Wärme. Darüber hinaus sind<br />

sie in Systemen fast jeder Größenordnung flexibel einsetzbar und unabhängig von der<br />

Auslastung durch ihren ausgezeichneten Wirkungsgrad hocheffizient, geräuscharm und<br />

nahezu wartungsfrei. Unter Erfüllung optimistischer Voraussetzungen kann die Brennstoffzelle<br />

in Deutschland bis 2015 einen Marktanteil von bis zu zehn Prozent an der<br />

deutschen Stromerzeugung erreichen.<br />

Gas- und Dampfturbinen und Kraft-Wärme-Kopplung:<br />

GuD (Gas- und Dampfturbinen) und KWK (Kraft-Wärme-Kopplung) stehen für dezentrale<br />

Wege einer effizienten Energieversorgung, in denen sich RWE bereits seit geraumer Zeit<br />

engagiert. GuD-Kraftwerke koppeln Gas- und Dampfturbinen miteinander, um den Wirkungsgrad<br />

zu steigern, und werden in der Regel mit Erdgas betrieben. Wenn sich der<br />

Niedertemperaturdampf noch zusätzlich mittels Kraft-Wärme-Kopplung verwerten lässt,<br />

erreicht man besonders hohe Energienutzungsgrade von bis zu 87 Prozent. Solche Anlagen<br />

von RWE bauen und betreiben zu lassen ist vor allem für jene Industriekunden interessant,<br />

die einen konstanten Bedarf an Wärme bzw. Prozessdampf aufweisen,<br />

während der gleichzeitig erzeugte Strom teilweise ins eigene Netz oder aber in das Verbundnetz<br />

geht. Neben den von RWE betriebenen GuD-Anlagen bei BASF, Bayer und Opel<br />

hat auch die RWE-Gesellschaft Harpen zur dezentralen Energieversorgung bereits verschiedene<br />

KWK-Anlagen errichtet, die mit verschiedensten Energieträgern arbeiten und<br />

gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Mit In-Kraft-Treten des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz<br />

im April 2002 wurde diese dezentrale Versorgungsstrategie deutlich gestärkt.<br />

Es sieht eine Vergütung für Strom vor, der aus besonders effizienten KWK-Anlagen<br />

stammt und in das allgemeine Versorgungsnetz eingespeist wird.<br />

Kyoto-Instrumente:<br />

Praktische Erfahrungen konnte RWE auch mit der Umsetzung Projekten im Rahmen der<br />

Flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls Joint Implementation (JI) und Clean Development<br />

Mechanism (CDM) sammeln. RWE ist Mitglied im Prototype Carbon Fund der<br />

Weltbank, mit dem weltweit JI- und CDM-Projekte durchgeführt werden. Im April 2000<br />

wurde das Kraftwerk für die SKODA-Automobilfabrik in Mlada Boleslav, Tschechische<br />

Republik, von den deutschen und den tschechischen Behörden als "Activity Implemented<br />

Jointly" (AIJ) nach der Klimarahmenkonvention anerkannt. Im Rahmen der E7-Initiative,<br />

einem Zusammenschluss von neun der weltweit führenden Elektrizitätsversor-<br />

54


Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

gungsunternehmen, wurde beispielsweise in Indonesien eine netzunabhängige Stromversorgung<br />

aus Wasser-, Wind- und Sonnenenergie aufgebaut. Ebenfalls erfolgreich abgeschlossen<br />

wurde das Projekt Effizienzsteigerung und Emissionsreduzierung bei<br />

ölgefeuerten Kraftwerken in Jordanien.<br />

Unsere praktischen Erfahrungen führten dazu, dass wir folgende Anforderungen an solche<br />

Klimaschutzprojekte stellen:<br />

• Einfache Anwendung / standardisierte Abläufe,<br />

• keine Beschränkung der Projektgröße oder der Rentabilität,<br />

• Einbeziehung vieler Projekttypen,<br />

• wenig bürokratische Hemmnisse,<br />

• niedrige Transaktionskosten,<br />

• klare und stabile politische Rahmenbedingungen.<br />

RWE ist in regelmäßigem Dialog mit der Bundesregierung und Organisationen der Klimarahmenkonvention,<br />

um diesen Anforderungen, ohne die aus unserer Sicht JI und<br />

CDM nicht sinnvoll durchführbar sind, Gehör zu verschaffen.<br />

3. Vorschlag der EU-Kommission für ein Emissions Trading-System<br />

Neben den genannten Instrumenten JI und CDM sieht das Kyoto-Protokoll auch Emissions<br />

Trading (ET) vor. Durch Einbeziehung aller Klimagase, aller Regionen und aller<br />

Emittenten soll ein Höchstmaß an Flexibilität erreicht und damit eine möglichst kosteneffiziente<br />

Reduktion von Klimagasemissionen im globalen Maßstab ermöglicht werden.<br />

Der von der Europäischen Kommission am 23. Oktober 2001 vorgelegte Richtlinienentwurf<br />

für ein EU-weites Emissions Trading-System wird diesem Ansatz aber nicht gerecht.<br />

Er bezieht nur die heutigen EU-Mitgliedstaaten ein, betrifft nur wenige Sektoren<br />

(Strom- und Wärmeerzeugung über 20 MW, Eisen- und Stahl, Glas, Papier, Zement),<br />

berücksichtigt nur CO 2 – und davon nur rd. 46 % der EU-weiten Emissionen – und vernachlässigt<br />

damit andere Treibhausgase, vor allen Dingen Methan und Distickstoffoxid.<br />

Darüber hinaus ist nicht geklärt, ob der EU-Entwurf kompatibel ist mit den in Deutschland<br />

bereits existierenden Instrumenten zur Klimavorsorge (Selbstverpflichtungen,<br />

Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Ökosteuer etc.), mit denen<br />

die nationalen Verpflichtungen zur Minderung von Treibhausgasemissionen bis 2010<br />

sehr wahrscheinlich erfüllt werden. Es ist vielmehr zu befürchten, dass die bisherigen<br />

Instrumente weiter bestehen bleiben und zusätzliche Belastungen für Unternehmen<br />

und Verbraucher entstehen, die zu Arbeitsplatzverlusten und Wohlfahrtseinbußen<br />

führen.<br />

55


Plenarteil<br />

Handlungsoptionen aus Sicht der Energiewirtschaft<br />

Dr. Henning Rentz<br />

Will die EU-Kommission an ihrem Vorhaben festhalten, müssen die Lasten der europäischen<br />

Klimaschutzpolitik gleichmäßig auf alle Sektoren verteilt werden, die betroffenen<br />

Unternehmen möglichst viel Flexibilität erhalten und die Kosten des Systems so gering<br />

wie möglich gehalten werden.<br />

Mindestanforderungen wären daher:<br />

• Aufnahme einer "Opt-Out-Klausel" für EU-Mitgliedstaaten, die ihre<br />

Emissionsziele auch ohne die Einführung eines Emissions Trading-Systems<br />

erreichen können.<br />

• Vorschaltung einer Pilotphase zur Erprobung des Systems.<br />

• Kostenlose Vergabe der Emissionsrechte (Grandfathering) unter<br />

Berücksichtigung bereits erbrachter Minderungsleistungen und nach<br />

EU-weit einheitlichen Kriterien.<br />

• Verknüpfung mit dem in Deutschland erfolgreich praktizierten System der<br />

freiwilligen Vereinbarungen.<br />

• Einbeziehung auch der anderen im Kyoto-Protokoll erwähnten Treibhausgase.<br />

• Einbeziehung der EU-Beitrittskandidaten.<br />

• Einbeziehung der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen<br />

(Joint Implementation, Clean Development Mechanism).<br />

56


Pleanrteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl,<br />

Vorsitzender Verein Deutscher<br />

Eisenhüttenleute<br />

Co-Autor: Dr. mont. Horst Michael Aichinger<br />

Abteilungsleiter Energiewirtschaft<br />

VDEh Düsseldorf<br />

Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten<br />

Im Protokoll von Kyoto verpflichtete sich im Dezember 1997 die Europäische Gemeinschaft<br />

als Ganzes, ihre Treibhausgasemissionen bis spätestens 2012 um 8 % gegenüber<br />

1990 zu vermindern. Für diese Zeitspanne hat jeder der fünfzehn EU-Mitgliedstaaten<br />

gleichfalls eine 8 %ige Emissionsminderungsverpflichtung zugesagt. Im Anschluss an<br />

die Beschlüsse von Kyoto wurde im Juni 1998 auf der EU-Umweltministerkonferenz eine<br />

EU-interne Lastenverteilung, das Burden-Sharing, beschlossen. Diese Ziele der Lastenverteilung<br />

(Verständigung) sind zwar völkerrechtlich nicht verbindlich, wie jene im Rahmen<br />

des Kyoto-Protokolls, europapolitisch aber von erheblicher Bedeutung. Von der rd.<br />

332 Mio t Emissionsminderung der Gemeinschaft hat Deutschland mit dem 21%igen<br />

Minderungsziel 252 Mio t Emissionsminderung und damit über 75 % der EU-Gesamtminderung<br />

übernommen. Damit stellt sich die Frage, ob in Deutschland dieses Minderungsziel<br />

der EU-Lastenverteilung auch erreichbar ist. Die in Tafel 1 wiedergegebene Auswertung<br />

des Umweltbundesamtes über die Entwicklung der Emissionen an sechs Kyoto-<br />

Treibhausgasen von 1990 bis 1999 dokumentiert eine bereits erreichte Minderung um<br />

18,7 %. Damit scheinen die internationalen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll<br />

1997 und der EU-Lastenverteilung 1998 bis 2012 als sicher erfüllbar. Entscheidend<br />

dafür ist, dass Deutschland bereits seit 1990 mit Programmen und Aktivitäten zur Klimavorsorge<br />

in Vorleistung getreten ist.<br />

Betrachtet man in der europäischen Übersicht nur allein die Emissionstrends der drei<br />

Kyoto-Gase CO 2 ,CH 4 und N 2 O aller EU-Mitgliedstaaten von 1990 bis 1998, so ist die<br />

bisherige Entwicklung von 1990 bis 1998 mit einer Abnahme von 2,5 % nicht sehr zielführend.<br />

Mit Ausnahme von Deutschland, Luxemburg und Großbritannien steigen die<br />

Treibhausemissionen in allen anderen Mitgliedstaaten deutlich an. Die Europäische<br />

Kommission verfolgt deshalb mit dem im März 2000 vorgelegten ECCP – Europäischer<br />

Programm zur Klimaänderung (Dokument KOM {2000} 87) – und dem Grünbuch zum<br />

innergemeinschaftlichen Emissionshandel (Dokument KOM {2000} 88) eine zweigleisige<br />

Strategie zur Erreichung des Kyoto-Ziels. Die erste Säule stellen gezielte Maßnahmen in<br />

den Schlüsselbereichen zur Emissionsminderung dar, nämlich Energieversorgung, Industrie,<br />

Privathaushalte und Tertiärsektor, Verkehr und Verkehrspolitik, Infrastruktur, Abfall,<br />

Forschung sowie die internationale Zusammenarbeit, insbesondere wird hier der<br />

Technologietransfer an Entwicklungsländer angesprochen. In dem Grünbuch, als zweite<br />

Säule, wird die Einführung eines innergemeinschaftlichen Handels mit CO 2 -Emissionen<br />

57


Plenarteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Tafel 1<br />

Entwicklung der sechs Kyoto-Gase in Deutschland<br />

Basisjahr 1999<br />

gemäß Kyoto-Protokoll<br />

KlimawirksameSpurengase<br />

Mio t CO 2 -Äquivalent<br />

CO 2 -Emissionen 1014,5 858,5<br />

Ch 4 117,0 68,7<br />

N 2 O 66,2 43,7<br />

HFC 3,1 4,3<br />

PFC 1,8 1,7<br />

SF 6 6,2 5,5<br />

Insgesamt 1208,8 982,4<br />

Quelle: Umweltbundesamt, Stand Januar 2001<br />

für Branchen des Energieumwandlungssektors<br />

und von ausgewählten energieintensiven<br />

Industriezweigen als sogenannte CO 2 -Großemittenten<br />

vorgeschlagen. Begründet wird<br />

dies mit marktwirtschaftlichen Argumenten:<br />

Die Wirtschaft könne mit einem Emissionshandel<br />

die CO 2 -Minderungen in ihrer Entscheidung<br />

dort vornehmen, wo diese am effektivsten<br />

und kostengünstigsten seien. Als<br />

Vorbereitung eines möglichen weltweiten<br />

Emissionshandelssystem ab 2008 soll nach<br />

dem Zeitplan der EU-Kommission das innergemeinschaftliche<br />

Handelssystem mit CO 2 -<br />

Emissionszertifikaten im Jahre 2005 eingeführt<br />

werden. Mittlerweile liegt ein Richlinienvorschlag<br />

der Europäischen Kommission für den Handel mit Treibhausgasemissionen<br />

vor, der auf teilweise heftige Kritik gestoßen ist.<br />

Beide Maßnahmen, innergemeinschaftlicher Emissionshandel und ECCP, werden als<br />

wichtige Meilensteine bei den Vorbereitungen zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls<br />

durch die EU angesehen. Die EU setzt sich dafür ein, dass das Kyoto-Protokoll auf der<br />

im Jahr 2002 vorgesehenen Konferenz ”Rio + 10” in Kraft treten kann.<br />

Sollten die auf gemeinschaftlicher Ebene angestoßenen Politiken und Maßnahmen in<br />

den Mitgliedstaaten mit Nachholbedarf zur Emissionsminderung nicht greifen, besteht<br />

die Gefahr, dass die von der Europäischen Union als Ganzes in Kyoto zugesagte Treibhausgasminderung<br />

von 8 % bis zum Zeitraum 2008/2012 gegenüber 1990/1995 verfehlt<br />

wird. Die deutsche Bundesregierung beteiligt sich an dem von der Kommission<br />

eingeleiteten Prozess zur Entwicklung einer europäischen Strategie sehr intensiv und<br />

sehr konstruktiv. Sie bringt in die gegenwärtigen Beratungen die in Deutschland seit<br />

1990 mit der Entwicklung und Umsetzung des nationalen Klimaschutzprogramms gewonnenen<br />

Erfahrungen ein.<br />

Eckpunkte der nationalen Klimavorsorgepolitik<br />

Die Ende der 80er Jahre verdichtete und wissenschaftlich auf Basis von klimatheoretischen<br />

Computersimulationen begründete langfristig zu erwartende globale Klimaproblematik<br />

war 1990 für die Regierung Kohl Veranlassung, in einer Art Vorreiterrolle eine<br />

nationale Klimavorsorgepolitik in die Tat umzusetzen. Deutschland hatte sich damals<br />

mit der 25%igen Minderung der absoluten CO 2 -Emissionen von 1990 bis 2005 ein<br />

äußerst anspruchsvolles Klimavorsorgeziel gesetzt. Dies wurde von der Regierung Kohl<br />

anlässlich der 1. Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention im Frühjahr<br />

1995 in Berlin international bekräftigt und 1999 von der Regierung Schröder übernommen<br />

und erneut bestätigt. Diese nationale Selbstverpflichtung beinhaltet bis 2005 einen<br />

58


Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Rückgang der CO 2 -Emissionen von 1 014 Mio t (1990) auf 760 Mio t. Was wurde bisher<br />

erreicht Bild 1 spiegelt die Entwicklung der CO 2 -Emissionen, des Primärenergieverbrauchs<br />

und des Bruttoinlandsproduktes (BIP) sowie der Emissionsanteile fossiler<br />

Energieträger ab 1990 wider. Die bis 1999 erreichte Absenkung des absoluten CO 2 -Ausstoßes<br />

von 156 auf 859 Mio t und damit um 15,3 % ist allerdings zu einem erheblichen<br />

Prozents-Anteil auf die vereinigungsbedingten Sonderfaktoren in den neuen Bundesländern<br />

von 1990 bis 1994 zurückzuführen. In dieser kurzen Zeitspanne wurden bedeutende<br />

Effizienzsteigerungen durch die Elektrizitäts- und Gaswirtschaft wie in Teilbereichen<br />

der Produktionstechnik erzielt.<br />

Der Anstieg des BIP von 14,1 %<br />

bei vermindertem Primärenergieverbrauch<br />

um 4,8 % belegt<br />

die fortschreitende Entkopplung<br />

von Wachstum und Energieverbrauch.<br />

In einem hochentwickelten<br />

Land wie der Bundesrepublik<br />

Deutschland bestimmt<br />

eine Vielzahl von Determinanten<br />

Höhe und Struktur des Energieverbrauchs.<br />

Neben volkswirtschaftlich<br />

zyklischen wie auch<br />

saisonalen und witterungsabhängigen<br />

Faktoren beeinflussen<br />

CO 2 -Emissionen in Deutschland<br />

Entwicklung der CO 2 -<br />

Emissionen des Bruttoinlandprodukts<br />

(BIP)<br />

und des Primärenergieverbrauchs<br />

in Deutschland sowie<br />

Emissionsanteile<br />

fossiler Energieträger<br />

von 1990 bis 1999<br />

vor allem die Bevölkerungszahl, die Größe der gesamten Wohnfläche, die Anzahl an<br />

Kraftfahrzeugen und ihre Fahrleistungen, die wirtschaftliche und strukturverändernde<br />

Produktion, aber auch Energieeinsparung und rationale Energienutzung das Niveau des<br />

konsumtiven und produktiven Energieverbrauchs. Hier gibt es besonders im konsumtiven<br />

Verbrauchsbereich Entwicklungen, die seit 1990 zu einem Energiemehrverbrauch<br />

führten. So ist die Wohnbevölkerung innerhalb der letzten zehn Jahre um 2,7 Mio. auf<br />

82,1 Mio gestiegen. Noch mehr beeinflusst den Energieverbrauch jedoch die steigende<br />

Anzahl der Haushalte, insbesondere der Ein- und Zwei-Personen Haushalte. Die beheizte<br />

Wohnfläche nimmt demnach immer weiter zu. Gleichzeitig hat sich der Pkw-/Kombibestand<br />

von 35,5 auf 42,3 Mio Fahrzeuge, damit um fast 20 % erhöht.<br />

Bild 1<br />

Diese Entwicklungen hatten einen deutlichen Anstieg der CO 2 -Emissionen im Verbrauchssektor<br />

Verkehr trotz sparsamerer Fahrzeuge zur Folge. Die europäische Automobilindustrie<br />

(ACEA) unternimmt im Rahmen ihrer Selbstverpflichtung erhebliche Anstrengungen,<br />

die mittleren CO 2 -Emissionen neuer Pkw von ca. 200 auf 140 g/km bis<br />

zum Jahr 2008 zu vermindern. Beim stark witterungsabhängigen Verbrauch des Haus-<br />

59


Plenarteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Bild 2<br />

haltssektors konnte bisher nur eine Stabilisierung<br />

Entwicklung der absoluten CO 2 -Emissionen<br />

der CO 2 -Emissionen erreicht werden. Wesentlich<br />

zielkonformer entwickelten sich die energiebedingten<br />

CO 2 -Emissionen in den Verbrauchssektoren Energiewirtschaft,<br />

Industrie und Kleinverbrauch (Gewerbe,<br />

Handel, Dienstleistungen). Aus der Gegenüberstellung<br />

der absoluten CO 2 -Emissionsentwicklung<br />

in Deutschland in Bild 2 ist ablesbar, dass diese drei<br />

Verbrauchssektoren im Jahr 1999 172 Mio t CO 2 weniger<br />

emittierten als 1990. Als saldierte CO 2 -Gesamtemissionsminderung<br />

wurde mit bisher 156 Mio t<br />

ein Rückgang von 15,3 % erreicht. Somit fehlen auf<br />

dem Weg zum Zieljahr 2005 der nationalen Selbstverpflichtung<br />

rund 10 Prozentpunkte. Damit diese<br />

Minderungslücke geschlossen werden kann, hat das<br />

Entwicklung der Bundeskabinett am 11. November 2000, einen Monat vor Beginn der 6. Vertragsstaatenkonferenz<br />

in Den Haag, ein neues nationales Klimaschutzprogramm verabschiedet,<br />

absoluten CO 2 -<br />

Emissionen nach<br />

mit dem der CO 2 -Ausstoß in Deutschland bis 2005 durch ein Bündel von zusätzlichen<br />

Verbrauchssektoren<br />

in Deutschland Maßnahmen um bis zu 70 Mio t verringert werden soll. Zur Erreichung des Minderungsziels<br />

gibt das neue Klimaschutzprogramm erstmals auch für die einzelnen Sektoren<br />

1990 gegenüber<br />

1999<br />

konkrete Minderungsbeiträge vor. Demnach müssen in privaten Haushalten und im Gebäudebereich<br />

18 bis 25 Mio t, in der Energiewirtschaft und Industrie 20 bis 25 Mio t<br />

und im Verkehr 15 bis 20 Mio t CO 2 bis 2005 zusätzlich eingespart werden.<br />

Die wichtigsten Maßnahmen im einzelnen sind:<br />

• Sanierung und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung,<br />

• Energieeinsparverordnung zur Senkung des Energiebedarfs von Neubauten,<br />

• Programm für die Sanierung von Altbauten,<br />

• Förderung der Entwicklung und Demonstration umwelt- und klimaschonender<br />

Energieformen,<br />

• Förderung von Infrastrukturmaßnahmen der Deutschen Bahn AG,<br />

• Beseitigung von Wettbewerbsnachteilen für hocheffiziente Energieerzeugung,<br />

• streckenabhängige Autobahnbenutzungsgebühr für schwere Lkw ab 2003,<br />

• verstärkte Förderung verbrauchsarmer Pkw im Rahmen der Kfz-Steuer,<br />

• Einführung emissionsdifferenzierter Landeentgelte für Flugzeuge u.a.m.<br />

Zudem hat sich die Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft auf die Fortführung<br />

und den Ausbau der freiwilligen Selbstverpflichtung von 1995/96 verständigt, mit der<br />

Zielmarke, den CO 2 -Ausstoß bis 2005 um zusätzliche 10 Mio t und die Emission der<br />

sechs Kyoto-Gase bis 2012 um weitere 10 Mio t CO 2 -Äquivalente zu senken. Damit bekennt<br />

sich erneut die deutsche Wirtschaft zu einer vorsorgenden Klimapolitik und leistet<br />

einen wichtigen Beitrag zum nationalen CO 2 -Minderungsziel der Bundesregierung.<br />

60


Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Die Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge<br />

Die Wirtschaft der Bundesrepublik praktiziert bereits seit 1995 ein selbstorganisiertes,<br />

eigenverantwortliches, branchenübergreifendes, zielgerichtetes, überprüfbares und Erfolge<br />

vorweisendes Instrument zur CO 2 -Minderung. Mit diesem Instrument der Selbstverpflichtung<br />

der Wirtschaft wurde auf Basis einer freiwilligen Vereinbarung mit der<br />

Bundesregierung ein flexibles marktwirtschaftliches Instrument installiert, das allen Beteiligten<br />

den eigenverantwortlichen Spielraum belässt, um durch verfahrenstechnische<br />

Modernisierungsinvestitionen aller Art, durch Investitionen in den Strukturwandel und<br />

gezielte Energiesparinvestitionen nachhaltige Effizienz- und Kostensenkungspotentiale<br />

zu verwirklichen. Damit unterscheidet sich dieses marktwirtschaftliche Instrument in<br />

seiner Zielsetzung grundsätzlich von den Kyoto-Mechanismen und insbesondere vom<br />

Emissionshandel. Die Selbstverpflichtung als wesentliches Element der deutschen Klimavorsorgeziele<br />

hat bereits weltweit Beachtung und auch erste Nachahmer gefunden. Die<br />

Wirtschaft hat sich mit ihrer ersten Selbstverpflichtung von 1995 das Ziel gesetzt, freiwillig<br />

besondere Anstrengungen zu unternehmen, um die spezifischen CO 2 -Emissionen<br />

bzw. den spezifischen Energieverbrauch bis zum Jahre 2005 gegenüber 1990 um 20 % zu<br />

mindern. Getragen wird sie – unter Federführung des BDI – von fünf Spitzenverbänden<br />

der deutschen Wirtschaft und 14 Verbänden des produzierenden Gewerbes. Die Verpflichtung<br />

erfasst rd. 80 % des industriellen Energieverbrauches, nahezu vollständig<br />

den Bereich der öffentlichen und industriellen Stromversorgung und einen erheblichen<br />

Teil des Energieverbrauchs des Sektors private Haushalte und gewerblicher Kleinverbrauch.<br />

Im Bereich des industriellen Energieverbrauchs verpflichteten sich die Wirtschaftszweige<br />

für Chemie, Fahrzeugbau, Feuerfest, Glas, Kalk, Kali, Keramik, NE-Metalle,<br />

Papier, Stahl, Textil, Zement und Zucker. Für den öffentlichen Versorgungsbereich der<br />

Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW), die Vereinigung Deutscher<br />

Elektrizitätswerke (VDEW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und der<br />

VIK als Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil der Erklärung zur Klimavorsorge von 1995 ist das umfassende<br />

CO 2 -Monitoring-Konzept unter Einschaltung eines neutralen Dritten als Gutachter.<br />

Mit der gutachterlichen Überprüfung und Bewertung ist das Rheinisch-Westfälische Institut<br />

für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen, beauftragt. Die bisher veröffentlichten drei<br />

Monitoring-Berichte, die den Zeitraum 1990 bis 1998 beschreiben, bewerten die vielfältigen<br />

Bemühungen der Unternehmen aller Wirtschaftszweige um einen rationelleren<br />

Energieeinsatz und die Einzelmaßnahmen zur Verringerung der CO 2 -Emissionen. Eine<br />

gesonderte Auswertung ergab, dass durch die an der Selbstverpflichtung beteiligte Industrie<br />

eine gewichtete Minderung der spezifischen CO 2 -Emissionen von 1990 bis 1998<br />

von bereits 23 % erreicht werden konnte. Als absolute CO 2 -Minderung wurden vom RWI<br />

für diesen Zeitraum 46,6 Mio t ermittelt. Der absolut größte Beitrag dazu kam mit 21,5<br />

Mio t von der Chemischen Industrie, die Stahlindustrie trug 9,6 Mio t, der Bereich Steine<br />

und Erden 7,5 Mio t bei. Insgesamt erzielten Industrie und Energieversorgung einen<br />

61


Plenarteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Rückgang der CO 2 -Emissionen von 80 Mio t, dies entspricht einem Beitrag zum nationalen<br />

Klimavorsorgeziel von 2005 in Höhe von 36 %.<br />

Substantielle Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung zur Klimavorsorge.<br />

Aufgrund der Ergebnisse und insbesondere vor dem Hintergrund der europäischen und<br />

internationalen Verpflichtungen zur Umsetzung der Klimarahmenkonvention und des<br />

Kyoto-Protokolls haben die Bundesregierung und die Wirtschaft im Jahr 2000 mehrmonatige<br />

Verhandlungen zur Weiterentwicklung der Selbstverpflichtung aus den Jahren<br />

1995/96 geführt. Dabei haben sich die Beteiligten darauf verständigt, die bisherige einseitige<br />

Erklärung auf eine gemeinsame Basis zu stellen und damit auch die beiderseitige<br />

Verbindlichkeit der Zusagen zu unterstreichen. Diese neue Vereinbarung wurde am<br />

6. November 2000 vom Bundeskanzler, Bundesumweltminister und Bundeswirtschaftsminister<br />

sowie den Verbandspräsidenten des BDI, der VDEW, des BGW und des VIK unterzeichnet.<br />

Der Inhalt der Vereinbarung entspricht der aktuellen umweltpolitischen Entwicklung.<br />

Anders als in der Selbstverpflichtung aus den Jahren 1995/96 sind die Leistungen<br />

der Vertragsparteien in der neuen Vereinbarung konkreter als bisher umschrieben.<br />

Die Regierung erklärt ihrerseits den Verzicht auf die Einführung eines verbindlichen<br />

Energieaudits sowie auf zusätzliches Ordnungsrecht. Über den Einsatz der flexiblen Instrumente<br />

des Kyoto-Protokolls wird sie unter Beteiligung der Wirtschaft entscheiden.<br />

Außerdem wird sie sich dafür einsetzen, dass der an der Vereinbarung teilnehmenden<br />

Wirtschaft auch bei der Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform im internationalen<br />

Vergleich keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Diese neue Vereinbarung ist wesentlicher<br />

Bestandteil des im November 2000 verabschiedeten Klimaschutzprogramms<br />

der Bundesregierung. Bestandteil der neuen Vereinbarung ist auch, dass die Zusagen<br />

der deutschen Wirtschaft durch Einzelerklärungen der beteiligten Wirtschaftsverbände<br />

konkretisiert und untermauert werden. Ihrer Zusage nachkommend hat die Stahlindus -<br />

trie im Mai 2001 die folgende Erklärung abgegeben:<br />

Erweiterte Selbstverpflichtung der Stahlindustrie zur Klimavorsorge bis 2012.<br />

Im Rahmen der "Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />

und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge” vom 9. November 2000 wurde die<br />

Selbstverpflichtung erweitert. Die Stahlindustrie bekennt sich zum Ziel einer nachhaltigen,<br />

zukunftsfähigen Wirtschaftsweise unter gleichgewichtiger Berücksichtigung ökonomischer,<br />

ökologischer und sozialer Zielsetzungen entsprechend den Intentionen der<br />

Agenda 21. Es ist das Hauptanliegen der Stahlindustrie, ihre ständig weiterentwickelten<br />

Produkte mit immer geringerem, umweltentlastendem Ressourceneinsatz und höherem<br />

Anwendernutzen zu erzeugen.<br />

Die umfassende Effizienzsteigerung beim Einsatz aller Ressourcen mit dem Ziel einer<br />

möglichst hohen Ressourcenproduktivität ist durch folgende Handlungsfelder gekennzeichnet:<br />

62


Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

• Weiter- und Neuentwicklung nachhaltig angepasster Technologien und Produktionssysteme,<br />

• Verbesserung der ressourcenschonenden Nutzung und Umweltverträglichkeit der<br />

Stoff- und Energieströme,<br />

• Erweiterung und Schließung von Stoffkreisläufen, insbesondere des Sekundärrohstoffes<br />

Stahlschrott, und von Nebenprodukten der Roheisen- und Stahlherstellung,<br />

• Weiter- und Neuentwicklung ressourceneffizienter maßgeschneiderter Werkstoffe,<br />

• Nachhaltiger Kunden- und Anwendernutzen der Stahlwerkstoffe.<br />

Im Rahmen dieser ganzheitlichen Entwicklungsziele sieht die Stahlindustrie ihren Beitrag<br />

zur Klimavorsorge und erklärt ihre Bereitschaft, über die 1995/96 abgegebenen Zusagen<br />

hinaus einen weiteren substantiellen Beitrag zur Minderung der spezifischen CO 2 -<br />

Emissionen zu leisten.<br />

Zusage<br />

Die Stahlindustrie verpflichtet sich hiermit, im Rahmen der ”Vereinbarung zwischen der Regierung<br />

der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge”<br />

vom 9. November 2000 ein zusätzliches CO 2 -Minderungsangebot für den Kyoto-Zeitraum<br />

1990 bis zum Jahre 2012 wie folgt zu konkretisieren:<br />

Der auf die gesamte Rohstahlerzeugung bezogene spezifische rohstoff- und energiebedingte<br />

CO 2 -Ausstoß wird von 1990 bis 2012 um insgesamt 22 % gemindert. Hierin ist der<br />

Emissionsanteil der Eigenerzeugung und aus dem Fremdbezug elektrischer Energie von<br />

den öffentlichen Kraftwerken für die Stahlindustrie enthalten. Die um 5 bis 6 Prozentpunkte<br />

gegenüber dem ursprünglichen Zieljahr 2005 auf insgesamt 22 % erhöhte spezifische<br />

CO 2 -Minderung im Gesamtbereich der Oxygen- und Elektrostahlerzeugung berücksichtigt<br />

bereits den Energiemehraufwand, der durch Verlängerung der Wertschöpfungskette mit<br />

neuen Folgeprozessen in der Weiterverarbeitung, durch weitere Maßnahmen zur Automatisierung<br />

sowie durch noch höhere Anforderungen des Umweltschutzes verursacht wird.<br />

Die Stahlindustrie bindet ihre Zusage an die Rahmenbedingungen, die in der Vereinbarung<br />

zwischen der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft festgelegt sind. Sie<br />

geht insbesondere davon aus, dass die Bundesregierung auf die Einführung eines verbindlichen<br />

Energieaudits sowie auf zusätzliche ordnungsrechtliche und fiskalische Regelungen<br />

verzichtet und sich außerdem dafür einsetzen wird, dass der an der Vereinbarung<br />

teilnehmenden Wirtschaft auch bei einer Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform<br />

im internationalen Vergleich keine Wett bewerbsnachteile entstehen.<br />

Für die Stahlindustrie hat das flexible, weiterentwicklungsfähige, marktwirtschaftliche<br />

und zielgerichtete Effizienzinstrument der Selbstverpflichtung der Wirtschaft auf der<br />

Basis einer Vereinbarung zur Klimavorsorgepolitik und einer nachhaltigen Entwicklung<br />

Vorrang vor allen anderen Klimapolitikinstrumenten. Die Stahlindustrie steht weiterhin<br />

zu der Verpflichtung im Rahmen des CO 2 -Monitoring-Konzeptes unter Einschaltung des<br />

63


Plenarteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) als neutralem Gutachter,<br />

jährlich einen CO 2 -Monitoring-Fortschrittsbericht der Stahlindustrie zu erstellen.<br />

Maßnahmen<br />

Als Hauptmaßnahmen zur Energie- und Stoffeffizienzsteigerung und CO 2 -Minderung für<br />

den Zeitraum 1990 bis 2012 sieht die Stahlindustrie die folgenden Optimierungsfelder:<br />

• Prozessinnovationen, Verfahrens- und Strukturwandel<br />

- Konzentration und Erhöhung der Leistungsfähigkeit<br />

der Roheisen- und Oxygenstahlerzeugung,<br />

- Prozessinnovationen in der Hochofen- und Oxygenstahltechnologie<br />

sowie Sekundärmetallurgie,<br />

- Modernisierung und Neubau von Elektrostahlwerken<br />

mit Zunahme des Elektrostahlanteils,<br />

- Prozessinnovationen in der Elektrostahltechnologie<br />

einschließlich Sekundärmetallurgie,<br />

- Einführung von neuen ressourcenschonenden Gießwalzverfahren<br />

für Flachprodukte und Profile,<br />

- verstärkter Software-Einsatz zur Steuerung, Regelung und<br />

Überwachung von Prozessen und Anlagen,<br />

- Verkettung von bisher getrennt arbeitenden Erzeugungsanlagen<br />

(Multi-Processing-Line),<br />

• Energietechnische und energie- und stoffwirtschaftliche Maßnahmen<br />

- ständige energietechnische Prozessoptimierung,<br />

- Optimierung der Kuppelenergiewirtschaft und des Energieverbundes,<br />

- Ausführung von Energierückgewinnungsmaßnahmen,<br />

- Ausführung von Abwärmeprojekten,<br />

- CO 2 -mindernde Energieträgersubstitution,<br />

- metallurgische und verfahrenstechnische Entwicklungen zur Erhöhung<br />

des Stoffausbringens in allen Produktionsprozessen,<br />

- Erhöhung des Aufbereitungsanteils des Nebenproduktes Hochofenschlacke<br />

als Rohstoffsubstitut Hüttensand/ Granulat zur Zementherstellung.<br />

Besonderheiten metallurgischer Stoffumwandlung<br />

Im Zusammenhang mit der Zusage zur CO 2 -Minderung wird auf die besonderen prozesstechnischen<br />

Gegebenheiten der stoffwandelnden Nutzung fossiler Energierohstoffe<br />

bei den metallurgischen Umwandlungsprozessen der Reduktion von Eisenerzen zu Roheisen<br />

oder Eisenschwamm hingewiesen. Aus naturwissenschaftlicher und verfahrenstechnischer<br />

Sicht ist unstreitig, dass die beim Hochofenverfahren eingesetzten Kohlenstoff-<br />

und Kohlenwasserstoffträger wie Koks und dessen Substitute, beispielsweise<br />

Schweröl, Einblaskohle, Gas oder auch Altkunststoffe, primär als chemische Rohstoffe<br />

eingesetzt werden. Mit diesen chemischen Rohstoffen werden in einer prozessintegrier-<br />

64


Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

ten Verfahrensstufe die für die Eisenerzreduktion zwingend erforderlichen Reduktionsgase<br />

mit unterschiedlichen Anteilen an Kohlenmonoxid und Wasserstoff erzeugt. Ohne<br />

das chemisch wirkende Reduktionspotential dieser Reduktionsgase kann die Eisenerzreduktion,<br />

d. h. der Abbau des mineralisch gebundenen Sauerstoffs, nicht ablaufen. Daraus<br />

ergibt sich, dass der Einsatz dieser Kohlenstoff- und Kohlenwasserstoffträger beim<br />

Hochofenverfahren eine stoffliche oder rohstoffliche Nutzung darstellt. Gleiches gilt für<br />

das beim Midrex- oder HyL-Verfahren eingesetzte Erdgas, aus dem katalytisch im Gasumformer<br />

das Reduktionsgas erzeugt wird.<br />

Die gleichzeitige doppelwertige Nutzung der stofflichen und energetischen Eigenschaften<br />

von Koks als Reduktions-, Heiz- und Aufkohlungsmittel sowie als hochtemperaturfestes<br />

Stützgerüst im Gegenstromreaktor Hochofen ist Grundlage der energieoptimierten<br />

Arbeitsweise der Stahlerzeugung über den Hochofen und das Oxygenstahlverfahren. Der<br />

Kohlenstoff ist unverzichtbares Reagenz und nicht substituierbar. Der heute erreichte<br />

Verbrauch an Kohlenstoffträgern bei der Roheisenerzeugung nähert sich bereits asymptotisch<br />

dem verfahrenstechnischen Minimum, so dass auch die chemisch-physikalisch<br />

bedingten CO 2 -Emissionen nahe am Minimum liegen. Eine Lenkungswirkung zur CO 2 -<br />

Minderung, gleich welcher Art, ist aus diesen Gründen nicht mehr gegeben.<br />

In Summe ergeben sich folgende Reaktionen:<br />

2C + O 2 ➝ 2 CO Kohlenstoffvergasung im Hochofen,<br />

2Fe 2 O 3 + 6CO ➝ 4Fe + 6CO 2 indirekte Erzreduktion,<br />

FeO + C ➝ Fe fl + CO direkte Erzreduktion,<br />

C ➝ [C] Lösung im flüssigen Eisen,<br />

[C] + [O] ➝ CO Oxidation bei der Stahlherstellung.<br />

Das entstehende CO wird jeweils kaskadisch genutzt und schließlich zu CO 2 oxidiert.<br />

Eine ausgereifte und ständig optimierte Energieverbundwirtschaft trägt dazu bei, dass<br />

durch die möglichst vollständige Nutzung der zwangsweise anfallenden Kuppelenergien<br />

Koksofengas, Hochofengas und Konvertergas der Oxygenstahl mit geringstmöglichem<br />

CO 2 -Anfall erzeugt wird.<br />

Bei der Elektrostahlmetallurgie ist aufgrund des Entwicklungsstandes der UHP-Elektrolichtbogenöfen<br />

die Höhe der CO 2 -Emission heute schon fast ausschließlich von dem<br />

standortgegebenen Energieträgereinsatz und vom Umwandlungswirkungsgrad zur Erzeugung<br />

elektrischer Energie in den Kraftwerken der öffentlichen Elektrizitätswirtschaft<br />

der jeweiligen Länder abhängig. So zeigen die unterschiedlichen Voraussetzungen in<br />

den einzelnen europäischen Ländern für den CO 2 -Emissionsanfall bei der Elektrostahlerzeugung<br />

auf, dass insgesamt eine bewertungsneutrale Aussage zu den CO 2 -Emissionen<br />

für dieses Verfahren nicht möglich ist. Die Emissionsunterschiede sind bei der<br />

Strombereitstellung hauptsächlich auf den Wasserkraft- und Kernenergieanteil, der sich<br />

in Deutschland leider rückläufig entwickeln wird, sowie den Stand der Kraftwerkstech-<br />

65


Plenarteil<br />

Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

nik in den jeweiligen Ländern zurückzuführen. Zweifellos ist das Umschmelzen des Sekundärrohstoffes<br />

Stahlschrott energetisch günstiger und weniger emissionsbelastend,<br />

weil im Endverbrauch lediglich Prozessenergie zum Schmelzen in Form des Sekundärenergieträgers<br />

elektrische Energie benötigt wird. Der für die Reduktion und Verhüttung<br />

von oxidischen Erzen zu primärem Eisen erforderliche unverzichtbare Reduktionsmittelbedarf<br />

an Kohlenstoff einschließlich des Reaktionsenergiebedarfs ist im Stahlschrott<br />

schon als eine Art Primärumwandlungs- und Energiegutschrift der Roheisenerzeugung<br />

enthalten. Nach vorstehenden Prämissen sind die zwei Verfahrenswege demnach keine<br />

alternativen, sondern additive Erzeugungswege, bei denen es aus energetischer, stofflicher<br />

und realitätsbezogener klimarelevanter Sicht ausschließlich darum geht, den bestmöglichen<br />

Stand der Stoff- und Energienutzungseffizienz anzustreben. Die Höhe des<br />

Elektrostahlanteils an der gesamten Rohstahlerzeugung hängt im wesentlichen von der<br />

jeweils gegebenen Nachfragestruktur auf den Stahlmärkten in Verbindung mit der Verfügbarkeit<br />

von Schrott und der Energieversorgung ab.<br />

Stahlspezifische Effizienzinstrumente<br />

Die Stahlindustrie misst ihren internationalen projektbezogenen Instrumenten für eine<br />

dauerhaft tragfähige Entwicklung auch in Zukunft einen hohen Stellenwert bei. Im Gegensatz<br />

zu den im frühen Entwicklungsstadium befindlichen Klimapolitikinstrumenten<br />

JI, CDM und ET des Kyoto-Protokolls praktiziert sie national, europa- und weltweit seit<br />

Jahren ein vielfältiges Netzwerk bewährter, flexibler, projektbezogener Effizienzinstrumente.<br />

Gemeinsames weltumspannendes Ziel dieser selbstorganisierten Instrumente<br />

ist, ständig die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Stahlerzeugnisse länderübergreifend<br />

möglichst wirtschaftlich und ressourceneffizient hergestellt und genutzt werden.<br />

Institutionalisierte projektbezogene technisch-wissenschaftliche Effizienzinstrumente<br />

der Stahlindustrie sind beispielsweise:<br />

• Internationale Studien des Committee on Technology (Techco) des IISI – International<br />

Iron and Steel Institute, Brüssel, zum Stand der Technik und zur zukünftigen<br />

Entwicklung einschließlich der Energieeffizienz metallurgischer Prozesse und Prozessketten<br />

(z. B. IISI-Study ”Energy Use in the Steel Industry”; IISI-Study ”EAF<br />

Technology – State-of-the-Art & Future Trends”);<br />

• Internationale Konsortien zur Entwicklung und Umsetzung von neuen gewichtssparenden<br />

Stahlkonstruktionen für schadstoffärmere, sicherere und zuverlässigere<br />

Automobile. Diese vom IISI koordinierten internationalen Aktivitäten betreffen<br />

die Entwicklungs- und Konstruktionsprojekte ULSAB, ULSAC, ULSAS, ULSAB-AVC<br />

und LTS (Light Truck Structures);<br />

• Technologieschaltpläne (Technology road maps) der europäischen Stahlindustrie<br />

zur Identifikation künftiger technologischer Herausforderungen und neuer Marktanforderungen;<br />

• Benchmarking-Projekte: Europäischer Kennzahlenvergleich von Prozessen der<br />

Stahlmetallurgie (z. B. der Bereiche Kokereien, Sinteranlagen, Hochöfen, Oxygen-<br />

66


Nachhaltige Klimavorsorge der Stahlindustrie<br />

und Elektrostahlwerke, Stranggießanlagen, Warmbandstraßen, Grobblechstraßen<br />

u. a.).<br />

• Gemeinschaftliche FuE-Projekte der EU-Stahlindustrie (EGKS). In der EU werden<br />

die FuE-Schwerpunkte im Rahmen der EGKS-Stahlgemeinschaftsforschung koordiniert.<br />

Schwerpunkte sind Expertenkomitees auf den Gebieten: Eisenerzreduktion,<br />

Primär- und Sekundärstahlerzeugung, Stranggießen, Walzen von Flach- und Langprodukten,<br />

Wärmöfen, Produkt- und Umweltanalytik, Verbesserung der Eigenschaften<br />

von Stählen einschließlich Oberflächentechnik, Automatisierung und Online-Kontrolle<br />

sowie Optimierung von Stahlkonstruktionen.<br />

• Best Available Techniques (BAT). BATs beschreiben die besten verfügbaren Techniken<br />

mit dem effizientesten und fortschrittlichsten Entwicklungsstand im Hinblick auf<br />

den prozessintegrierten Umweltschutz. BAT geht auf die Richtlinie 96/61/EG vom<br />

24. September 1996 zurück und wurde bisher für Sinteranlagen, Hochöfen und<br />

Oxygenstahlwerke erarbeitet. Hinzu kommen internationale, europäische und zwischenstaatliche<br />

Fachkonferenzen, -messen, Kolloquien und Seminare der metallurgischen<br />

Technologie – z. B. Metec (Internationaler Kongress und Fachmesse);<br />

europäische Kongresse zur Koks-, Roheisen-, Oxygenstahl- und Elektrostahlerzeugung;<br />

Schmiedekongress; Feuerfest-Kolloquium u. a. Begleitet werden diese internationalen<br />

Effizienzinstrumente der Stahlindustrie durch eine Vielfalt an Kooperationen,<br />

Basic Agreements oder Joint-ventures auf Unternehmensebene. Wie bisher,<br />

so werden auch künftig technologischer Fortschritt, Ressourcenverfügbarkeit,<br />

wirtschaftliche Entwicklung und funktionierende Institutionen die wichtigsten Determinanten<br />

für die Fortentwicklung einer Nachhaltigkeits-Entwicklungsstrategie für<br />

die gesamte Stahlindustrie abgeben.<br />

Das Fazit<br />

Konsequente Fortsetzung des Klimavorsorgeweges<br />

Der 1995 eingeschlagene und nunmehr weiterentwickelte Klimavorsorgeweg<br />

der Stahlindustrie, produktionsbezogene Beiträge zur CO2-Minderung im Rahmen<br />

einer freiwilligen, durch das Stahl-Zentrum koordinierten Selbstverpflichtung<br />

durch Eigenleistung zu erbringen, wird damit konsequent fortgesetzt.<br />

Für die Stahlindustrie, die sich in einem intensiven Erfahrungsaustausch und<br />

Abstimmungsprozess befindet, hat dieses erfolgreich praktizierte, zielgerichtete<br />

und überprüfbare Instrument erste Priorität.<br />

67


Plenarteil<br />

Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Dr. Martin Schneider<br />

Hauptgeschäftsführer Verein Deutscher<br />

Zementwerke e.V. Düsseldorf<br />

Einleitung<br />

Im vergangenen Jahr produzierten die deutschen Zementhersteller an 65 Standorten<br />

etwa 31 Millionen Tonnen Zement. Der Zement wird durch gemeinsames Vermahlen von<br />

Portlandzementklinker und Calciumsulfat hergestellt. Darüber hinaus kann Zement andere<br />

Bestandteile wie Hüttensand, natürliche Puzzolane (z.B. Trass), Flugasche, Ölschieferabbrand<br />

oder Kalkstein enthalten. Eine schematische Darstellung des Herstellungsprozesses<br />

zeigt Abbildung 1.<br />

Portlandzementklinker wird in Drehöfen (Abbildung 2) gebrannt. Die Ausgangsstoffe für<br />

den Klinker, Kalkstein und Ton oder deren natürliches Gemisch, der Kalkmergel, werden<br />

zerkleinert, getrocknet und auf 1.450°C erhitzt. Während dieses Vorgangs laufen chemische<br />

Reaktionen ab, bei denen sich der Zementklinker bildet. Er verleiht später dem<br />

Zement die hydraulischen Eigenschaften (Erhärtung bei Wasserzugabe).<br />

Beim Klinkerbrennprozess wird CO 2 als klimarelevantes Gas emittiert. CO 2 entsteht<br />

energiebedingt direkt bei der Verbrennung der Brennstoffe und indirekt durch den Einsatz<br />

elektrischer Energie. Rohstoffbedingt entsteht CO 2 darüber hinaus bei der Entsäuerung<br />

des Kalksteins. Andere klimarelevante Gase, wie z. B. Distickstoffoxid (N 2 O) oder<br />

Methan (CH 4 ) werden nicht oder nur in sehr geringem Umgang emittiert.<br />

Abbildung 1<br />

Der Zementproduktionsprozess<br />

Die aus dem Brennstoffbedarf resultierenden<br />

CO 2 -Emissionen betrugen im<br />

Jahr 2000 bundesweit 0,195 t CO 2 /t<br />

Zement oder 6,83 Mio. t/a: Der elektrische<br />

Energiebedarf macht etwa<br />

10% des gesamten Energieverbrauchs<br />

der Zementwerke aus. Als Primärenergie<br />

gerechnet ist der Anteil des<br />

elektrischen Energieverbrauchs und<br />

damit der CO 2 -Emissionen, die sich<br />

aus dem Einsatz ergeben, jedoch größer.<br />

Die durch den Stromverbrauch bedingte<br />

CO 2 -Emission betrug im Jahr<br />

2000 0,068 t CO 2 /t Zement oder<br />

2,39 Mio. t/a. Die bei jeder Tonne produzierten<br />

Klinkers erzeugte rohstoffbedingte<br />

CO 2 -Emission hängt von der<br />

Rohstoffrezeptur ab, variiert aber nur<br />

68


Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

in geringem Maße. Sie beträgt ca. 0,53 t CO 2 /t<br />

Klinker oder derzeit ca. 0,431 t CO 2 /t Zement.<br />

Für 2000 ergab sich für die deutschen Zementwerke<br />

eine rohstoffbedingte CO 2 -Emission von<br />

ca. 15,1 Mio. t/a. Zusammengefasst betragen<br />

die CO 2 -Emissionenen aus den Brennstoffen,<br />

der Stromerzeugung und dem Rohmaterial etwa<br />

0,7 t CO 2 /t Zement.<br />

Abbildung 2<br />

Drehofenanlage<br />

Die Selbstverpflichtung der Zementindustrie<br />

Im Jahr 1995 hat sich die deutsche Zementindustrie<br />

gemeinsam mit anderen energieintensiven<br />

Industriebranchen verpflichtet, ihren Beitrag<br />

zum Klimaschutz zu leisten und ihren spezifischen<br />

Brennstoffenergieverbrauch von 1987<br />

bis 2005 um 20% zu senken. Aufgrund des hohen<br />

Anteils der Energiekosten an den Herstellkosten<br />

für Zement ist die Zementindustrie seit jeher bemüht, den Bedarf an Brennstoffen<br />

und elektrischer Energie zu reduzieren. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung des spezifischen<br />

thermischen Energieverbrauchs in der Zementindustrie seit 1950. Ab dem<br />

Jahr 1987 sind darin die neuen Bundesländer enthalten.<br />

Wie die Abbildung zeigt, hat vor allem die Modernisierung der Zementstandorte in den<br />

neuen Bundesländern nach 1990 zu einer deutlichen Abnahme des spezifischen Brennstoffenergieverbrauchs<br />

beigetragen. Zur Erreichung ihres Minderungsziels verfolgt die<br />

Zementindustrie verschiedene Wege:<br />

• die verfahrenstechnische Optimierung der Ofen- und Mahlanlagen,<br />

• die zunehmende Substitution fossiler Brennstoffe durch Sekundärbrennstoffe,<br />

• eine Reduzierung des energieintensiven Portlandzementklinkers im Zement durch<br />

einen verstärkten Einsatz weiterer Hauptbestandteile wie Hüttensand oder Kalkstein<br />

bei der Zementherstellung.<br />

Untersuchungen des Forschungsinstituts der Zementindustrie haben gezeigt, dass das<br />

verfahrenstechnische Potential zur Energieverbrauchsminderung bei der Zementherstellung<br />

heute praktisch erschöpft ist. Daher konzentrieren sich die zukünftigen Anstrengungen<br />

auf die Substitution fossiler Brennstoffe sowie die verstärkte Herstellung von<br />

Zementen mit geringeren Klinkeranteilen.<br />

Eine weiterentwickelte Vereinbarung zum Klimaschutz haben die Bundesregierung sowie<br />

die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft am 09.11.2000 unterzeichnet. In<br />

69


Plenarteil<br />

Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Abbildung 3<br />

Dr. Martin Schneider<br />

Entwicklung des spezifischen thermischen Energieeinsatzes<br />

dieser Vereinbarung wurde insbesondere der Verpflichtungszeitraum<br />

– analog dem Kyoto-Protokoll<br />

– auf die Periode zwischen 1990 bis 2008/2012<br />

ausgedehnt. Die deutsche Wirtschaft hat ihre Verpflichtung<br />

zur Verminderung der CO 2 -Emissionen<br />

bis 2005 von 20 auf 28% erhöht (Basis 1990)<br />

und zusätzlich eine Verpflichtung zur Minderung<br />

ihrer Treibhausgasemissionen von 1990 bis<br />

2008/2012 um 35% zugesagt. Es ist davon auszugehen,<br />

dass die Industrie durch diese erweiterte<br />

Verpflichtung ihre Treibhausgasemissionen bis<br />

zum Jahr 2012 um zusätzlich 20 Mio. t/a verringern<br />

wird.<br />

Die deutsche Zementindustrie hat die Initiative der deutschen Wirtschaft unterstützt<br />

und ihre eigene Selbstverpflichtung zum Klimaschutz weiterentwickelt. Während sich<br />

die Minderungszusage bislang auf den Energieverbrauch bezog, wurde eine weitergehende<br />

Verpflichtung eingegangen, in der Minderungsziele für CO 2 zugesagt wurden, die<br />

in ihrer Substanz über die bisherige Zusage deutlich hinausgehen. So verpflichtet sich<br />

die deutsche Zementindustrie unter Einbeziehung der CO 2 -Emissionen aus dem Stromverbrauch<br />

und unter Anpassung des Verpflichtungszeitraums zu einer 28%igen Minderung<br />

ihrer energiebedingten CO 2 -Emissionen (1990 – 2008/2012). Insgesamt wird sie<br />

damit auch unter der zusätzlichen Berücksichtigung der rohstoffbedingten Anteile die<br />

spezifischen CO 2 -Emissionen aus der Zementherstellung um 16% bis zum Jahr 2012<br />

reduzieren. Unter der Voraussetzung gleicher Produktionsmengen wie 1990 werden die<br />

energiebedingten CO 2 -Emissionen der Zementindustrie damit im Jahr 2012 um etwa<br />

3,4 Mio. t/a (einschließlich des CO 2 aus der Entsäuerung des Kalksteins sogar 4,4 Mio.<br />

t/a) niedriger sein als im Jahr 1990.<br />

Die Entwicklung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in Abbildung 4 zeigt, dass die<br />

Anstrengungen der Zementindustrie, ihre energiebedingten CO 2 -Emissionen zu verringern,<br />

erfolgreich waren. Die Verminderung wurde im letzten Jahr vor allem durch eine<br />

deutliche Steigerung des Absatzes hüttensand- bzw. kalksteinhaltiger CEM II-Zemente<br />

erreicht. Dadurch sank der Anteil des Klinkers im Zement in den letzten drei Jahren von<br />

etwa 85% (1997) auf nunmehr 80,6%. Der Anteil der Sekundärbrennstoffe stieg auf<br />

nunmehr 26%.<br />

Die Auswirkungen der Europäschen Richtlinie zum Emissionshandel<br />

Die Europäische Union hat mit ihrer Vereinbarung zur Lastenverteilung (Burden sharing)<br />

ihre Minderungsverpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll auf die EU-Mitgliedsstaaten<br />

herunter gebrochen. Darin wurden sehr unterschiedliche Minderungsziele verein-<br />

70


Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

bart, die von -28% (Luxemburg) und -21% (Deutschland und Dänemark) bis zu +25%<br />

(Griechenland) oder +27% (Portugal) reichen. Mit einem Anteil von 30% der Treibhausgasemissionen<br />

ist Deutschland der größte Emittent in der EU. Mit seiner Minderungsverpflichtung<br />

von -21% übernimmt Deutschland dagegen etwa drei Viertel der gesamteuropäischen<br />

Minderungsverpflichtung. Dieser hohe Anteil wurde zum Teil mit der Verringerung<br />

der Industrieproduktion und dem Strukturwandel in Ostdeutschland nach der<br />

Wiedervereinigung Deutschlands begründet.<br />

Im Laufe des Jahres 2001 wurde von der Kommission ein Entwurf für eine Richtlinie zur<br />

Einführung eines Emissionshandelssystems in Europa ab dem Jahr 2005 erarbeitet. Die<br />

Richtlinie sieht eine verpflichtende Teilnahme für energieintensive Industriebranchen<br />

(mineralverarbeitende Industrie inkl. Zement, Kalk, Keramik und Glas sowie Stahl, Energiewirtschaft<br />

und Papierindustrie) vor. Jede Anlage dieser Branchen muss darüber hinaus<br />

über eine Genehmigung zur CO 2 -Emission verfügen. Der Betreiber muss zudem<br />

über eine ausreichende Anzahl von CO 2 -Emissionszertifikaten verfügen. Wie die Betreiber<br />

von Anlagen an ihre Zertifikate gelangen, und in welcher Höhe sie zugeteilt werden<br />

sollten, bleibt weitgehend offen. Die Allokation der Zertifikate soll zwar durch die jeweiligen<br />

Mitgliedstaaten erfolgen, allerdings behält sich die Kommission das Recht vor, die<br />

einzelnen Allokationspläne zurückzuweisen.<br />

Im Kern führt die Richtlinie somit zu<br />

einer Zwangsbewirtschaftung unter der Regie<br />

der Kommission, indem für jede Anlage<br />

Emissionsobergrenzen für CO 2 festgelegt<br />

werden sollen, die letztlich einer Begrenzung<br />

der Produktionsmengen gleichkommen.<br />

Für den Fall, dass ein Unternehmen sein<br />

Minderungsziel nicht erreicht und die Emissionsüberschreitung<br />

nicht durch Zukauf von<br />

Emissionsrechten ausgleicht, sind Sanktionen<br />

in Höhe des doppelten Marktpreises,<br />

CO 2 -Emissionen der deutschen Zementindustrie<br />

kg CO 2 /kg Zement<br />

Abbildung 4<br />

mindestens aber 100 Euro pro Tonne CO 2<br />

(50 Euro in der ersten Verpflichtungsperiode<br />

2005/2007) vorgesehen. Eine Einbeziehung<br />

von Emissionsrechten aus projektbezogenen<br />

Mechanismen ist dagegen vorerst<br />

nicht geplant.<br />

Entwicklung der spezifischen<br />

energiebedingten CO 2 -Emissionen<br />

der deutschen Zementindustrie<br />

Die Befürworter eines Emissionshandels verweisen oft auf die Vereinigten Staaten, in<br />

denen entsprechende Systeme z. B. für organische Abgasbestandteile sowie für NOx<br />

71


Plenarteil<br />

Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Dr. Martin Schneider<br />

oder SO 2 eingeführt wurden. Die Erfahrungen hieraus können jedoch nur sehr bedingt<br />

auf ein Emissionshandelssystem für CO 2 übertragen werden, denn diese Gase liegen<br />

im Abgas von industriellen Anlagen in der Regel nur in sehr geringen Konzentrationen<br />

vor. Darüber hinaus existieren für NOx, SO 2 und ähnliche Abgaskomponenten technische<br />

Abgasreinigungsverfahren, mit denen diese Emissionen weitgehend gemindert<br />

werden können. CO 2 hingegen liegt in industriellen Abgasen in einem Konzentrationsbereich<br />

von bis zu 30% vor. Abgasreinigungsverfahren sind bislang ausschließlich theoretisch<br />

denkbar und wären zudem mit immensen Kosten verbunden.<br />

Wird ein Emissionshandelssystem eingeführt, ist die entscheidende Frage, welches<br />

Preisniveau sich für Zertifikate bzw. Emissionsrechte ergeben wird. Das "Grünbuch" der<br />

Europäischen Kommission zum Emissionshandel nennt eine zu erwartende Preisspanne<br />

zwischen 15 und 75 Euro/t CO 2 sowie ein wahrscheinliches mittleres Preisniveau von<br />

30 Euro/t CO 2 . Diese Schätzungen beruhen auf Studien, die im Auftrag der Kommission<br />

in den verschiedenen Industriebereichen die verfügbaren Minderungspotentiale und<br />

die entsprechenden Minderungskosten ermittelt haben. Die Bedeutung dieser Minderungskosten<br />

für die betroffenen Industrien lässt sich an der CO 2 -Intensität der verschiedenen<br />

Industriebereiche verdeutlichen. Abbildung 5 zeigt hierzu die spezifische CO 2 -<br />

Emission bezogen auf eine Tonne Produkt. Für die Zement- und Kalkindustrie sind jeweils<br />

die rohmaterialbedingten Emissionen mit berücksichtigt worden. Im Vergleich<br />

hierzu dürfte der spezifische Beitrag aus den Rohmaterialien in den anderen Industrien<br />

gering sein.<br />

Aus der Abbildung wird deutlich, dass die Zementherstellung mit einer spezifischen<br />

CO 2 -Emission von ca. 0,7 t CO2/t Zement verbunden ist, während z. B. die Kalkherstellung<br />

fast eine Tonne CO 2 / t Produkt verursacht. Die anderen Branchen der Steine-und-Erden-<br />

Industrie sind weniger CO 2 -intensiv. Die höchsten Werte weisen die Stahlindustrie und<br />

die Nicht-Eisenmetallindustrie mit Werten von 1,7 bzw. 1,9 t CO 2 / t Produkt auf. Papierund<br />

Glasindustrie liegen bei etwa 0,8 t CO 2 /t Produkt. Da die chemische Industrie eine<br />

große Zahl von Produkten herstellt, kann ein entsprechender Wert für diese Branche<br />

nicht angegeben werden.<br />

Die Betroffenheit einer Industrie durch die Einführung eines Emissionshandels wird<br />

deutlich, wenn neben der CO 2 -Intensität auch ökonomische Faktoren betrachtet werden.<br />

Dazu wurden die CO 2 -Emissionen bezogen auf den Umsatz der verschiedenen Industriezweige<br />

berechnet und in Abbildung 6 dargestellt. Daraus geht hervor, dass die<br />

Zementindustrie je Euro Umsatz ca. 11 kg CO 2 emittiert. Übertroffen wird sie nur von<br />

der Kalkindustrie mit ca. 19 kg CO 2 /Euro. Für die Stahlindustrie liegt dieser Wert bei<br />

ca. 3 kg CO 2 /Euro, für alle anderen Branchen beträgt er weniger als 2 kg CO 2 /Euro.<br />

72


Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Abbildung 5<br />

CO 2 -Intensität unterschiedlicher Industriezweige (Deutschland 1999)<br />

Abbildung 6<br />

CO 2 -Emissionen unterschiedlicher Industriezweige bezogen auf den Umsatz<br />

(Deutschland 1999)<br />

kg CO 2 /Euro<br />

t CO 2 /t Produkt<br />

73


Plenarteil<br />

Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Dr. Martin Schneider<br />

Euro/t CO 2<br />

In Abbildung 7 wird das Verhältnis aus dem Deckungsbeitrag, der bei der jeweiligen<br />

Produktion erzielt wird, und den hierdurch verursachten CO 2 Emissionen gebildet. Hierzu<br />

wurde der Deckungsbeitrag auf Grundlage von Daten des Rheinisch-Westfälischen<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung als Differenz zwischen Umsatz und variablen Kosten<br />

errechnet. Die Herstellung energieintensiver Güter würde sich in Deutschland spätestens<br />

dann nicht mehr lohnen, wenn der Deckungsbeitrag durch die Mehrkosten infolge<br />

des Zukaufs von Emissionsrechten aufgebraucht würde.<br />

Abbildung 7<br />

Die Abbildung macht deutlich, dass energieintensive<br />

Industrien nicht in der Lage<br />

Deckungsbeitrag bezogen auf die CO 2 -Emissionen<br />

(Deutschland 1999)<br />

sein werden, Emissionszertifikate zu kaufen,<br />

wenn diese wie vorhergesagt 30 Euro/t<br />

CO 2 kosten werden. Für die Zementindustrie<br />

würden sich die Herstellkosten<br />

für den Fall, dass sie alle Emissionszertifikate<br />

kaufen müsste, in etwa verdoppeln.<br />

Hierdurch entstünden Wettbewerbsverzerrungen,<br />

die eine Produktion in Europa<br />

nicht mehr zulassen. Auch für den Fall,<br />

dass die Emissionsminderungsziele ohne<br />

ein Zukaufen von Zertifikaten erreicht werden<br />

könnten, wäre es für die Zementunternehmen<br />

wesentlich lukrativer, die Emissionszertifikate<br />

zu verkaufen, als Zement<br />

in Europa herzustellen. Als Konsequenz<br />

eines Emissionshandelssystems, so wie es derzeit von der EU-Kommission vorgeschlagen<br />

wird, wird die europäische Zementindustrie die Produktion an ihren heimischen<br />

Standorten reduzieren. Der Bedarf an Zement kann vom Weltmarkt gedeckt werden;<br />

schon heute stehen weltweit entsprechende Überkapazitäten zur Verfügung. Die Zementindustrie,<br />

die durch ein dem EU-Vorschlag entsprechendes Emissionshandelssystem<br />

im Kern betroffen sein wird, lehnt den Vorschlag der EU-Kommission in der vorliegenden<br />

Form entschieden ab.<br />

Für energieintensive Industrien sind freiwillige Vereinbarungen auf Branchenebene, wie<br />

sie in Deutschland existieren, hingegen vorteilhaft, weil sie eine große Flexibilität bei der<br />

Auswahl der CO 2 -Minderungsmaßnahmen ermöglichen. Eine Kompatibilität solcher<br />

branchenweiter Vereinbarungen mit einem Emissionshandel, der nur auf Unternehmensebene<br />

funktioniert, ist dagegen kaum denkbar. Daher ist davon auszugehen, dass eine<br />

Umsetzung des vorliegenden europäischen Richtlinienentwurfs mittelfristig das Ende<br />

der freiwilligen Vereinbarung zwischen deutscher Wirtschaft und Bundesregierung bedeuten<br />

würde. In der Konsequenz fordert die Zementindustrie im Einklang mit dem<br />

74


Nachhaltiger Klimaschutz und Zementindustrie<br />

Bundesverband der Deutschen Industrie, dass die Mitgliedstaaten die für ihre jeweiligen<br />

Industrien geeigneten flexiblen Instrumente selber festlegen können. Die Mitgliedstaaten<br />

müssen insbesondere entscheiden können, ob sie an einem Emissionshandelssystem<br />

teilnehmen wollen, und für welche Industrien ein Emissionshandelssystem angewendet<br />

werden soll und für welche nicht (Opt-in/opt-out).<br />

Zusammenfassung<br />

Die Entwicklung der energiebedingten CO 2 -Emissionen in der Zementindustrie zeigt,<br />

dass die Anstrengungen der Zementhersteller, ihre CO 2 -Emissionen zu verringern,<br />

erfolgreich waren. Die deutsche Zementindustrie hat die Initiative der deutschen<br />

Wirtschaft unterstützt und ihre eigene Selbstverpflichtung zum Klimaschutz weiter<br />

entwickelt. So verpflichtet sich die deutsche Zementindustrie unter Einbeziehung der<br />

CO 2 -Emissionen aus dem Stromverbrauch, ihre energiebedingten CO 2 -Emissionen<br />

(1990 - 2008/20012) um 28% zu verringern. Für energieintensive Industrien sind<br />

freiwillige Vereinbarungen auf Branchenebene, wie sie in Deutschland existieren, vorteilhaft,<br />

weil sie eine große Flexibilität in der Auswahl der CO 2 -Minderungsmaßnahmen<br />

ermöglichen. Eine Kompatibilität solcher branchenweiter Vereinbarungen mit einem<br />

Emissionshandel, der nur auf Unternehmensebene funktioniert, ist nicht denkbar.<br />

Die Einführung eines europaweiten Handels mit CO 2 -Emissionsrechten wird vielmehr<br />

– vor allem, wenn der derzeit vorliegende Richtlinienentwurf der Europäischen Kommission<br />

unverändert umgesetzt wird – für energieintensive Industrien einen Anreiz<br />

schaffen, ihre Produktionsstandorte in das außereuropäische Ausland zu verlagern.<br />

Die Ursache hierfür liegt vor allem in den hohen Preisen, die für CO 2 -Emissionsrechte<br />

zu erwarten sind. Dem von der Europäischen Kommission geschätzten mittleren<br />

Preisniveau von 20 – 30 e / t CO 2 steht bei vielen energieintensiven Industrien ein<br />

Deckungsbeitrag in vergleichbarer Höhe gegenüber. Bei der Herstellung des Massengutes<br />

Zement, die in Deutschland mit Emissionen von ca. 0,7 t CO 2 / t verbunden ist,<br />

entspricht die Wertschöpfung in etwa dem Erlös, der sich aus dem Verkauf der damit<br />

verbundenen Emissionsanteile erzielen ließe.<br />

Eine Verlagerung von Produktionsstandorten hätte zur Folge, dass Zement zunehmend<br />

nach Europa importiert werden müsste, und zwar mit den damit verbundenen höheren<br />

CO 2 -Emissionen durch die Transporte. Der Emissionshandel würde somit die europäischen<br />

Produktionsstandorte gefährden – mit den damit verbunden negativen sozialen<br />

Auswirkungen, aber ohne weltweiten ökologischen Effekt. Letztlich ist daher die<br />

Auswirkung des vorgeschlagenen Emissionshandelssystems für energieintensive Industrien<br />

wie die Zementindustrie kontraproduktiv. Im Kern führt die Richtlinie vielmehr<br />

zu einer Zwangsbewirtschaftung unter der Regie der Kommission, indem für jede<br />

Anlage Emissionsobergrenzen für CO 2 festgelegt werden sollen, die letztlich einer Begrenzung<br />

er Produktionsmengen gleichkommen.<br />

75


Workshop I<br />

Chancen und Risiken der<br />

Wirtschaft in NRW durch den<br />

Emissionshandel<br />

Moderation:<br />

Ministerialrat<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

76


Einleitung<br />

Regierungen müssen entscheiden, mit welchen Instrumenten sie ihre umweltpolitischen<br />

Ziele am besten erreichen. Im Fall des Klimaschutzes ist es das vorrangige Ziel, die<br />

Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. Ferner soll diese Zielerreichung möglichst<br />

kostengünstig für Unternehmen und die Volkswirtschaft als Ganzes erreicht werden.<br />

Zur Zeit verwendete Instrumente sind zum Beispiel die ökologische Steuerreform,<br />

die Festsetzung von Einspeisungspreisen für Strom aus erneuerbaren Energien und die<br />

Förderung von Strom- und Wärmeproduktion aus KWK-Anlagen. Ein weiteres Instrument,<br />

das möglicherweise bald in Deutschland eingeführt wird, ist der Emissionshandel<br />

Workshop I<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

Dr. Hermann E. Ott – Leiter Abteilung Klimaschutz<br />

Co-Autor: Thomas Langrock, Wuppertal Institut für<br />

Klima, Umwelt, Energie GmbH<br />

für Unternehmen.<br />

Wie im ersten Teil des Artikels dargestellt wird, wäre ein Emissionshandel für Treibhausgase<br />

eine wesentliche Neuerung. Derartig weite Freiräume wie der Emissionshandel zur<br />

Erfüllung von Verpflichtungen bieten nur wenige umweltpolitische Instrumente. Im zweiten<br />

Teil des Artikels wird die derzeitige Diskussion dargestellt, eine typische Vorphase der<br />

Einführung eines neuen umweltpolitischen Instruments. Danach wird im dritten Teil das<br />

umweltpolitische Ziel des Emissionshandels mit den Zielen von fünf weiteren Klimaschutzmaßnahmen<br />

verglichen. Die bestehenden Unterschiede der umweltpolitischen<br />

Ziele lassen Rückschlüsse zu über die zukünftigen Beziehungen zwischen diesen Instrumenten.<br />

Hermann E. Ott<br />

Das Instrument Emissionshandel<br />

Das Prinzip des Emissionshandels zwischen Unternehmen ist recht einfach und lautet<br />

wie folgt: die Emission einer Tonne CO 2 (bzw. auch anderer Treibhausgase) durch ein<br />

Unternehmen ist nur dann erlaubt, wenn ein entsprechendes Emissionszertifikat vorgelegt<br />

werden kann. Zu Beginn des Verpflichtungszeitraums verteilt eine Emissionshandelsbehörde<br />

(die nicht unbedingt eine staatliche Behörde sein muss) an jedes verpflichtete<br />

Unternehmen eine so genannte "Anfangsausstattung" an Emissionszertifikaten<br />

nach einem bestimmten Schlüssel. Die am Ende eines Verpflichtungszeitraums eingereichte<br />

Anzahl der Emissionszertifikate muss der Menge an Treibhausgasen entsprechen,<br />

die das verpflichtete Unternehmen während dieses Zeitraums in die Atmosphäre<br />

emittiert hat. Wird diese Verpflichtung nicht eingehalten, muss das betreffende Unternehmen<br />

mit Sanktionen rechnen.<br />

Durch die Anfangsausstattung ist für das Unternehmen jedoch noch nicht entschieden,<br />

welche Menge an Treibhausgasen es während des Verpflichtungszeitraums insgesamt<br />

ausstoßen darf. Das System des Emissionshandels sorgt insofern für Flexibilität. Das<br />

Unternehmen kann sich dafür entscheiden, mehr als die Anfangsausstattung zu emittieren.<br />

In diesem Fall muss es Zertifikate spätestens gegen Ende der Verpflichtungsperiode<br />

zukaufen. Oder es kann in neue Anlagen investieren, effizienter wirtschaften und<br />

dadurch weniger emittieren. Dann kann es die Zertifikate, die es nicht braucht, verkaufen.<br />

Wichtig ist nur, dass das Unternehmen am Ende des Verpflichtungszeitraums die<br />

77


Workshop I<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />

Menge an Zertifikaten einreicht, die mengenmäßig den tatsächlichen Emissionen entspricht.<br />

Um die tatsächlichen Emissionen der Unternehmen überprüfbar zu machen, ist<br />

jeder Teilnehmer verpflichtet, regelmäßig Rechenschaft über seine Emissionsquellen<br />

abzulegen. Da die Zertifikate im Prinzip frei gehandelt werden können, nennt sich dieses<br />

System "Emissionshandel".<br />

Für Umweltpolitiker und auch für Unternehmen bietet ein solches System einige Vorteile,<br />

nämlich die Verbindung von Zielgenauigkeit und Effizienz. Das umweltpolitische Ziel,<br />

die Emissionen auf ein bestimmtes Maß zu reduzieren, wird präzise erreicht. Denn alle<br />

verpflichteten Unternehmen zusammen dürfen nicht mehr Treibhausgase emittieren als<br />

Emissionszertifikate im Rahmen der Anfangszuteilung an die Unternehmen ausgegeben<br />

wurden. Die Summe der Anfangsausstattungen begrenzt also die Emissionen aller Anlagen<br />

zusammen genommen während des Verpflichtungszeitraums. Dies ist ein großer<br />

Unterschied zur ökologischen Steuer, die eine solche Zielgenauigkeit nicht garantieren<br />

kann. Auch aus administrativer Sicht ist der Emissionshandel positiv zu bewerten, da<br />

von der Erfassung der Emissionen bis zur Organisation des Marktes für Emissionszertifikate<br />

große Teile des Systems durch private Träger abgewickelt werden können. Allgemein<br />

gelten Emissionshandelssysteme deshalb hinsichtlich der Transaktionskosten als<br />

sehr günstig.<br />

Auch im Hinblick auf die Kosten für die Emissionsminderung selbst können Emissionshandelssysteme<br />

sehr effizient sein. Da die Teilnehmer selbst entscheiden dürfen, wie<br />

hoch ihre Emissionsminderungen sind, werden nur die kostengünstigsten Minderungen<br />

vorgenommen. Dadurch sind die Kosten pro Unternehmen wie auch die volkswirtschaftlichen<br />

Gesamtkosten für die Reduktion des Ausstoßes der Treibhausgase minimal.<br />

Wie diese Kosten zwischen der Wirtschaft und dem Staat aufgeteilt werden und ob noch<br />

weitere Kosten für die Unternehmen entstehen, wird wesentlich durch die Art der Vergabe<br />

der Emissionszertifikate entschieden. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Möglichkeiten,<br />

die Emissionszertifikate zu vergeben. Aufgelistet nach steigender Kostenbelastung<br />

für die Unternehmen lauten diese Möglichkeiten:<br />

• Der Staat unterstützt die verpflichteten Unternehmen finanziell, bzw. räumt den<br />

Teilnehmern steuerliche Privilegien ein. Die Emissionszertifikate werden kostenlos<br />

vergeben. In diesem Fall beteiligt sich der Staat an den Kosten für die Minderung<br />

der Emissionen durch Subventionen oder Steuerermäßigungen.<br />

• Es gibt keine finanzielle Unterstützung für verpflichtete Unternehmen. Die Emissionszertifikate<br />

werden kostenlos vergeben. In diesem Fall tragen die verpflichteten<br />

Unternehmen die Kosten für die Minderung der Emissionsreduktionen.<br />

• Die verpflichteten Unternehmen müssen für jedes Emissionszertifikat, das sie vor<br />

dem Beginn des Verpflichtungszeitraums von der ausgebenden Behörde erhalten,<br />

einen Preis zahlen. Hierbei könnte der Preis pro Emissionszertifikat durch ein Auk-<br />

78


Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

tionsverfahren gebildet werden. Bei dieser Lösung übernehmen die Unternehmen<br />

nicht nur die Kosten für die Minderung der Treibhausgasemissionen, sie müssen<br />

darüber hinaus für jede emittierte Einheit von Treibhausgasen einen Preis bezahlen.<br />

Das resultierende Aufkommen könnte wiederum eingesetzt werden, um die<br />

Kosten für die Anpassung an den schon stattfindenden Klimawandel zu finanzieren<br />

oder um neue Klimaschutztechnologien zu fördern.<br />

In dem bisher vorliegenden Entwurf der EU-Kommission für<br />

eine Richtlinie über den Emissionshandel wird die Art der<br />

Anfangsverteilung für die erste Phase bis 2008 den nationalen<br />

Regierungen freigestellt*. Danach soll eine europäisch harmonisierte<br />

Regelung erfolgen.<br />

* Originaltitel der aktuellen Fassung:<br />

Proposal for a Directive of the European Parliament and of the<br />

European Council establishing a framework for greenhouse gas<br />

emissions trading within the European Community.<br />

Siehe als Quelle die Webseite des European Climate Change<br />

Programm der EU Kommission unter:<br />

http://europa.eu.int/comm/environment/climat/eccp.htm.<br />

Wie in der Beschreibung des Emissionshandels deutlich wurde, greift der Emissionshandel<br />

nicht in die Produktionsprozesse der verpflichteten Unternehmen ein. Das Instrument ist<br />

lediglich am Gesamtausstoß aller verpflichteten Unternehmen insgesamt interessiert.<br />

Damit steht der Emissionshandel in starkem Kontrast zu klassischen regulatorischen<br />

Instrumenten, wie zum Beispiel den Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen.<br />

Vergleichbare Freiheiten bei der Wahl der Anpassungsstrategie bieten derzeit nur die<br />

Selbstverpflichtung der deutschen Industrie und die ökologische Steuerreform. Die<br />

Selbstverpflichtung der deutschen Industrie ist ebenfalls nur am Gesamtausstoß einzelner<br />

Wirtschaftssektoren interessiert, während die ökologische Steuerreform überhaupt<br />

kein konkretes quantifiziertes Umweltziel vorgibt.<br />

Die Diskussion um den nationalen Emissionshandel – ein deja vu <br />

Zur Zeit wird der Emissionshandel für Unternehmen in Deutschland auf ungezählten<br />

Konferenzen diskutiert, in einigen Pilotprojekten erforscht und in einer Arbeitsgruppe<br />

des Bundesumweltministeriums mit Vertretern aller Gruppen vorbereitet. Es handelt sich<br />

also um die typische Phase vor der Einführung eines neuen umweltpolitischen Instruments.<br />

Wie bei allen umweltpolitischen Instrumenten ist die Vorphase geprägt von drei Grundelementen:<br />

da ist erstens ein grundsätzlicher Konflikt zwischen der Bundesregierung<br />

und den Unternehmen. Denn während die Regierung ein umweltpolitisches Ziel durchsetzen<br />

will, lehnen die Unternehmen die damit einhergehenden Kosten typischerweise<br />

ab. Zweitens ist das umweltpolitische Ziel, also das Reduktionsziel für Treibhausgase,<br />

noch nicht präzisiert. Drittens wird erst nach und nach erkennbar, wie das neue umweltpolitische<br />

Instrument tatsächlich ausgestaltet werden soll. Wie die Beschreibung<br />

der verschiedenen Vergabearten der Emissionszertifikate zeigt, entscheidet die konkrete<br />

Ausgestaltung des Systems über die Kostenbelastung der Unternehmen. Hierbei ist<br />

im besonderen die Einbettung des neuen Instruments in das schon bestehende Maß-<br />

79


Workshop I<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />

nahmenbündel entscheidend. Diese Einbettung entscheidet darüber, welche Last die<br />

Unternehmen im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Gruppen tragen müssen.<br />

Klar ist, dass die Kosten für die zum Emissionshandel verpflichteten Unternehmen mit<br />

der Höhe des Reduktionsziels steigen. Die Gesamtkosten steigen demnach je höher das<br />

Klimaschutzziel und je weniger Emissionszertifikate an die Unternehmen ausgegeben<br />

werden. Auf Unternehmensebene ist die Situation komplexer: Unternehmen mit billigen<br />

Optionen zur Minderung der Emissionen können unter Umständen bei einer Verknappung<br />

der Emissionszertifikate höhere Erlöse durch den Verkauf überschüssiger Zertifikate<br />

erzielen. Für Unternehmen mit nur wenigen und teuren Minderungsoptionen gilt jedoch,<br />

je weniger Emissionszertifikate sie in der Anfangsausstattung erhalten, desto<br />

höher die Kostenbelastung durch den eventuell erforderlichen Zukauf von Zertifikaten.<br />

Mittel- und langfristig können sich Klimaschutzmaßnahmen jedoch auch in diesem Fall<br />

positiv auswirken. Denn schon oft hat sich gezeigt, dass Umweltmaßnahmen die Unternehmen<br />

unter einen heilsamen Entwicklungsdruck setzen, der diese in eine (nationale<br />

oder internationale) Vorreiterposition bringt. Der Emissionshandel begünstigt deshalb<br />

kreative und dynamische Unternehmen.<br />

* Santarius, Tilmann und Hermann E. Ott (2002): Meinungen in der deutschen<br />

Industrie zur Einführung eines Emissionshandels, Wuppertal Paper<br />

Nr. 122, Wuppertal: Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH,<br />

download: http://www.wupperinst.org/publikationen.<br />

Die ablehnende Haltung einiger deutscher Unternehmen zum Emissionshandel beruht –<br />

neben der irrigen Annahme, der Staat greife in die Produktion ein – in hohem Maße auf<br />

der Unsicherheit über zu erwartende Kosten, die sich als Standortnachteile<br />

auswirken könnten. In einer kürzlich veröffentlichten<br />

Studie* des Wuppertal Instituts wurde festgestellt, dass<br />

derzeit nur sehr wenige Unternehmen abschätzen können, welche<br />

Kosten in Abhängigkeit von der Anfangsausstattung und<br />

der Art der Vergabe tatsächlich auf das jeweilige Unternehmen<br />

zukommen würden. Es wurde allerdings auch deutlich, dass die Mehrzahl der Unternehmen<br />

keinen Standortnachteil aufgrund des Emissionshandels erwartet. Für die<br />

deutschen Umweltpolitiker wird es in der Anfangsphase des Emissionshandels darauf<br />

ankommen, die Standortinteressen der Unternehmen und ihre umweltpolitischen Ziele<br />

gegeneinander abzuwägen. Für diesen Ausgleich stehen vielfältige Möglichkeiten offen,<br />

die wesentlich mit der Menge und der Art der Vergabe der Emissionszertifikate zusammenhängen.<br />

So könnte sich der Staat beispielsweise in der Anfangsphase an den Kosten für die Minderung<br />

der Emissionen beteiligen, in dem er Anreizzahlungen vornimmt oder den verpflichteten<br />

Unternehmen andere finanzielle Vorteile einräumt. Im britischen Emissionshandelssystem,<br />

wurden zwei verschiedene Wege gewählt, um Unternehmen für die Teilnahme<br />

zu gewinnen. Eine Gruppe von Teilnehmern wird signifikant von der britischen<br />

Klimasteuer entlastet. Eine zweite Gruppe erhält direkte Anreizzahlungen für die Teilnahme<br />

am Emissionshandel. Hierbei ist die Höhe der Zahlungen abhängig von der Höhe<br />

80


Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

der zugesagten Emissionsminderungen. Gezahlt wird ein Preis pro zugesagter Tonne an<br />

Emissionsminderung. Einen anderen Weg bei der Einführung des Emissionshandels beschreitet<br />

Dänemark: dort wurde der Emissionshandel so eingeführt, dass in der Anfangsphase<br />

nur sehr geringe Strafzahlungen fällig werden, wenn das Ziel nicht erreicht<br />

wird. Damit soll erreicht werden, dass kein Unternehmen in der anfänglichen Phase der<br />

Unsicherheit über die Kosten überlastet wird.<br />

Weiterhin besteht bei den Unternehmen eine große Unsicherheit über die Kosten der<br />

nötigen Investitionen, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu mindern. Denn bisher<br />

bleiben viele Optionen zur Veränderung der Produktionsprozesse, um klimafreundlicher<br />

zu produzieren, ungenutzt. Eine größere Informationskampagne über Möglichkeiten<br />

des Klimaschutzes in Unternehmen wäre deshalb sinnvoll.<br />

Die umweltpolitischen Ziele des Emissionshandels und anderer Instrumente<br />

Um den Emissionshandel in einen Kontext mit schon bestehenden Maßnahmen zu bringen<br />

ist es geboten, sich zunächst über die Ziele der verschiedenen Instrumente klar zu<br />

werden. Erst dann können über die Beziehungen der Instrumente untereinander sinnvolle<br />

Aussagen getroffen werden. Das umweltpolitische Hauptziel des Emissionshandels ist<br />

die Begrenzung bzw. die Minderung der Emissionen durch die Teilnehmer am Emissionshandel.<br />

Das ist nicht bei allen schon so genannten "Klimaschutzmaßnahmen" so.<br />

Das Klimaschutzprogramm der Bundesregierung enthält Instrumente, die den Klimaschutz<br />

nur als ein Ziel unter vielen verfolgen. Das prominenteste Beispiel ist hierbei<br />

sicherlich die ökologische Steuerreform. Soll der Emissionshandel in dieses Paket sinnvoll<br />

integriert werden, dann müssen die umweltpolitischen Ziele, die Zielgruppen und<br />

die Wirkungsweise der korrespondierenden Instrumente aufeinander abgestimmt werden.<br />

Welche Instrumente haben das gleiche Ziel und die gleiche Zielgruppe<br />

wie der nationale Emissionshandel Zwei für die Industrie<br />

wesentliche Instrumente des Klimaschutzprogramms würden<br />

sich mit der Zielsetzung des nationalen Emissionshandels<br />

überschneiden. Diese Instrumente sind die Selbstverpflichtung<br />

der deutschen Industrie 1 und die ökologische Steuerreform 2 .<br />

Zwei weitere Instrumente – das Erneuerbare Energien Gesetz<br />

und die KWK-Förderung (Fördergesetz und Selbstverpflichtung<br />

der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung) – haben teilweise<br />

überlappende Ziele und werden zum Teil als konkurrierende Maßnahmen angesehen.<br />

Die IVU-Richtlinie 3 dagegen hat andere Ziele und richtet sich an eine andere Zielgruppe.<br />

1 Originaltitel: Vereinbarung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland<br />

und der deutschen Wirtschaft zur globalen Klimavorsorge<br />

2 Originaltitel: Gesetz zur Einführung der ökologischen Steuerreform und<br />

Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform<br />

3 Originaltitel: EG-Richtlinie 96/61 über die integrierte Vermeidung und<br />

Verminderung der Umweltverschmutzung, Umsetzung in deutsches Recht:<br />

Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie<br />

und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz "Artikelgesetz"<br />

Von den fünf näher zu betrachtenden Instrumenten verfolgt nur die Selbstverpflichtung<br />

der deutschen Industrie das alleinige Ziel, die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern.<br />

Damit ergeben sich für die möglichen Beziehungen zwischen Emissionshandel<br />

81


Workshop I<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />

und Selbstverpflichtung zwei Möglichkeiten: entweder der Emissionshandel ersetzt die<br />

Selbstverpflichtung oder beide Instrumente gehen ineinander auf. Es steht jedoch außer<br />

Frage, dass bei einem Umbau der Selbstverpflichtung der deutschen Industrie in ein<br />

Emissionshandelssystem der Staat die wesentlichen Rahmenbedingungen vorgeben<br />

muss. Insbesondere müssten die bisher noch relativen Ziele einzelner Sektoren (also im<br />

Verhältnis zur Produktion) in absolute umgewandelt und die Ziele auf einzelne Unternehmen<br />

herunter gebrochen werden.<br />

Die ökologische Steuerreform wurde eingeführt, um "die Nachfrage in Richtung energiesparender<br />

und ressourcenschonender Produkte" umzulenken, um "Anstöße zur Entwicklung<br />

umweltfreundlicher Verfahren und Technologien" zu geben und um die Sozialversicherungsbeiträge<br />

spürbar zu senken. Strom, Benzin, Gas, leichtes Heizöl und Diesel<br />

werden aus diesem Grund stärker besteuert. Das Steueraufkommen wird benutzt, um<br />

die Kassen der Rentenversicherung zu entlasten. Klimaschutz ist demnach nur eines<br />

der umweltpolitischen Ziele der ökologischen Steuerreform, denn durch die Verteuerung<br />

der Energieträger werden Unternehmen (und private Haushalte) allgemein angehalten,<br />

ressourcenschonend (und damit auch klimafreundlicher) zu wirtschaften. Der<br />

Emissionshandel verfolgt also zum Teil das gleiche Ziel und es müssen Wege gefunden<br />

werden, um beide Instrumente miteinander in Einklang zu bringen. Von besonderer Bedeutung<br />

ist dabei die Tatsache, dass nicht alle Unternehmen in gleicher Weise von der<br />

Ökosteuer erfasst werden, es könnte somit zu einer Mehrbelastung bisher von der Ökosteuer<br />

ausgenommener Unternehmen kommen. Regelungen dafür zu finden ist nicht<br />

schwierig, wie die Praxis in anderen Staaten zeigt, die Diskussion darüber gehört aber<br />

in jedem Fall in den Bereich politischer Aushandelsprozesse.<br />

Das Erneuerbare Energien Gesetz und die KWK-Förderung sind Instrumente, die speziell<br />

zur Förderung dieser klimafreundlichen Technologien entwickelt wurden. Damit steht<br />

die Technologieförderung im Zentrum dieser beiden Instrumente. Der Emissionshandel<br />

hingegen verfolgt nur indirekt das Ziel, neue Technologien zu fördern. KWK-Förderung<br />

und Erneuerbare Energien Gesetz verfolgen also andere umweltpolitische Ziele und ein<br />

paralleles Fortbestehen dieser Instrumente ist daher auch nach der Einführung des<br />

Emissionshandels geboten. Mittelfristig wäre es auch möglich, die Förderung der erneuerbaren<br />

Technologien und der KWK-Anlagen in den Emissionshandel zu integrieren. Für<br />

eine derartige Integration müsste jedoch das eingangs beschriebene Grundkonzept des<br />

Emissionshandels um weitere Module ergänzt werden. Im britischen Emissionshandelssystem<br />

wird diese Integration angestrebt.<br />

Mit der IVU-Richtlinie soll die Umwelt durch medienübergreifende Genehmigungsverfahren<br />

für Industrieanlagen generell entlastet werden. Medienübergreifend heißt, dass<br />

alle Emissionsformen (fest, flüssig, gasförmig, physikalisch) und alle Medien (Wasser,<br />

Boden, Luft) zusammengefasst werden. Damit ist das ökologische Ziel dieses Instru-<br />

82


Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

ments wesentlich breiter als das des Klimaschutzes. Aber auch die Zielgruppe für die<br />

IVU-Richtlinie ist größer als die Menge der Teilnehmer am Emissionshandel. Der Emissionshandel<br />

wird daher die IVU-Richtlinie nicht beeinträchtigen. Beide Instrumente können<br />

gut nebeneinander existieren. Darüber hinaus ist es möglich, dass sich die IVU-<br />

Richtlinie zu einem Klimaschutzinstrument für Industrieanlagen entwickelt, die aufgrund<br />

ihrer geringen Größe vorerst nicht am Emissionshandel teilnehmen können.<br />

Die tatsächlichen Zusammenhänge zwischen den Instrumenten sind natürlich erst dann<br />

erkennbar, wenn der Entwurf der EU-Kommission für ein Emissionshandelssystem und<br />

die Optionen für die Umsetzung in Deutschland weiter konkretisiert werden. Wie die Betrachtung<br />

jedoch gezeigt hat, können erste Aussagen über die Beziehungen zwischen<br />

den einzelnen umweltpolitischen Instrumenten getroffen werden, wenn die umweltpolitischen<br />

Ziele und die Zielgruppen der jeweiligen Instrumente miteinander in Bezug gesetzt<br />

werden. Probleme entstehen dabei weniger auf der "technischen" Ebene der Instrumente,<br />

sondern auf der politischen Ebene – wie bei praktisch jeder Einführung eines<br />

neuen Instruments.<br />

Schlussbetrachtung<br />

Der Emissionshandel ist ein anspruchsvolles Instrument. Es geht darum, den Klimaschutz<br />

in Deutschland so zu organisieren, dass mittel- bis langfristig deutlich weniger<br />

Treibhausgase emittiert werden als bisher. Dazu ist dieses Instrument sowohl theoretisch<br />

als auch praktisch gut geeignet.<br />

Vor allem zwei Argumente rechtfertigen den entsprechenden politischen und administrativen<br />

Aufwand. Zum einen die Kosten. Der Emissionshandel ist ein Instrument, das<br />

sehr kosteneffizient und flexibel für die Reduktion der Treibhausgase sorgen kann. Weil<br />

auf die deutsche Wirtschaft langfristig deutlich stärkere Minderungslasten zukommen<br />

werden (Stichwort: "carbon constrained future"), ist es wichtig, mit dem geringstem<br />

finanziellen Aufwand die größtmögliche Wirkung im Sinne des Klimaschutzes zu erzielen.<br />

Zweitens bietet ein nationaler Emissionshandel die Möglichkeit, in den europaweiten<br />

Emissionshandel und in weiterer Zukunft in den internationalen Emissionshandel<br />

(z.B. mit Japan) einzusteigen. Durch die Teilnahme am grenzüberschreitenden Emissionshandel<br />

könnten deutsche Unternehmen noch flexibler Emissionen reduzieren und in<br />

neue Geschäftsfelder einsteigen.<br />

Der nationale Emissionshandel zwischen Unternehmen auf nationaler Ebene wird deshalb<br />

vermutlich mittelfristig in Deutschland eingeführt werden. Sollte die Richtlinie zum EUweiten<br />

Emissionshandel durch den Rat der EU-Umweltminister mit Mehrheit angenommen<br />

werden, wäre Deutschland sogar verpflichtet, dieses Instrument einzuführen. Mit dem<br />

Emissionshandel werden auf die deutsche Wirtschaft neue Herausforderungen zukommen.<br />

Mit ihm wird die "Aufgabe Klimaschutz" deutlich konkreter in den Alltag der Unternehmen<br />

integriert werden, wie das Beispiel des unternehmensinternen Emissionshandels<br />

83


Workshop I<br />

Der Emissionshandel im Kontext des bestehenden<br />

umweltpolitischen und -rechtlichen Instrumentariums<br />

Dr. Hermann E. Ott · Thomas Langrock<br />

bei BP zeigt. Und ohne Zweifel wird der Emissionshandel bestimmte Teile der deutschen<br />

Wirtschaft unter Anpassungsdruck setzen. Dieser Druck entsteht jedoch aus der<br />

Aufgabe Klimaschutz und nicht aus dem nationalen Emissionshandel. Dieser ist lediglich<br />

das (effektive) Instrument der Umsetzung.<br />

Für die Umweltpolitik wird es daher darauf ankommen, den Ausgleich zu finden zwischen<br />

den berechtigten Standortinteressen der deutschen Wirtschaft und ihren umweltpolitischen<br />

Zielen. Ein wesentliches Mittel für den Ausgleich ist die Art der Vergabe der<br />

Emissionszertifikate. Das zweite Mittel für den Ausgleich ist das Einpassen des nationalen<br />

Emissionshandels in das nationale Klimaschutzprogramm. Denn nicht nur die deutsche<br />

Wirtschaft muss Emissionsminderungen erbringen – auch die privaten Haushalte<br />

und der Staat selbst sind Adressaten von Klimaschutzmaßnahmen. Theoretisch (und<br />

auch praktisch, wie das Beispiel Großbritannien zeigt) kann der Emissionshandel so gestaltet<br />

werden, dass es sich für Unternehmen lohnt, Emissionsminderungen beispielsweise<br />

im Bereich der Gebäude privater Haushalte zu erbringen. Damit würde durch den<br />

Emissionshandel ein weiteres Geschäftsfeld eröffnet.<br />

In einer Arbeitsgruppe beim Bundesumweltministerium wird derzeit unter großer Beteiligung<br />

der Wirtschaft diskutiert, wie der nationale Emissionshandel in Deutschland eingeführt<br />

werden kann. Diese gesamtgesellschaftliche Vorbereitung der Einführung eines<br />

umweltpolitischen Instruments ist der Komplexität dieses Instruments angemessen.<br />

Wie der Stand der Diskussionen in dieser Arbeitsgruppe und wie die Erfahrungen des<br />

Wuppertal Instituts zeigen, bestehen bei den Unternehmen noch große Unsicherheiten<br />

über die Chancen und Herausforderungen eines nationalen deutschen Emissionshandels.<br />

Dies muss sich ändern und die Landesregierung NRW hat mit der Ausrichtung des<br />

Klimaschutzkongresses deshalb einigen Verdienst erworben. Das Wuppertal Institut als<br />

Einrichtung des Landes wird ebenfalls an der Vorbereitung auf den Emissionshandel<br />

mitwirken, eine Informationsbroschüre für Unternehmen ist in Vorbereitung.<br />

84


Dr. Jürgen Engelhard<br />

Direktor RWE Rheinbraun AG, Köln<br />

Workshop I<br />

Die Bedeutung des Emissionshandels<br />

für Kraftwerksbetreiber<br />

Emissions Trading – Ein Instrument unter anderen<br />

Mit der Vorlage des Entwurfs einer Emissons Trading-Richtlinie durch die EU-Kommission<br />

am 23.10.2001 ist auch in Deutschland dieses neue Instrument der Klima- und Umweltpolitik<br />

in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Emissions Trading<br />

verspricht der Umweltpolitik eine präzise Mengensteuerung bei den Emissionen, andererseits<br />

setzt es für die zwangsbeteiligte Industrie wachstumsbehindernde Emissionsobergrenzen<br />

voraus, die in der Folge verbunden sind mit einer steuerähnlichen Kostenbelastung.<br />

Die Wirkung eines Emissionsrechtehandels entfaltet bei ungeeigneter Ausformulierung<br />

und Anwendung die Wirkung einer von uns strikt abzulehnenden CO 2 -Steuer.<br />

Es ist daher kein Wunder, dass mit der Vorlage des Richtlinienentwurfs eine sehr kontroverse<br />

Diskussion zwischen umweltpolitischen Befürwortern und potentiell Betroffenen,<br />

z.B. der Stromwirtschaft, eingesetzt hat und seither unvermindert anhält.<br />

Die Emissions Trading-Richtlinie der EU trifft nicht auf einen bisher regelungsfreien<br />

Raum, sondern konkurriert mit einer Vielzahl bereits bestehender Regelungen der<br />

Klimavorsorge in Deutschland. Dies hat zur Konsequenz, dass viele wissenschaftliche<br />

Arbeiten zum Emissions Trading und über dessen Wirkungen nicht einfach auf den EU-<br />

Vorschlag übertragen werden können und oft nicht zutreffen. Die in der Theorie unterstellten<br />

Rahmenbedingungen sind in der Realität nicht gegeben. Dies trifft auch und gerade<br />

auf die Stromwirtschaft in Deutschland zu, für die seit Beginn der 90er Jahre bereits<br />

eine Reihe von Gesetzen und anderen Regelungen zur Klimavorsorge geschaffen<br />

wurden, und diese Regelungen werden auch zumindest bis 2012, dem Ende der ersten<br />

Kyoto-Verpflichtungsperiode, noch fortwirken.<br />

Abbildung 1<br />

Beitrag der Stromwirtschaft zum Klimaschutz in<br />

Klimaschutz - Ziele für Deutschland<br />

Deutschland<br />

Nach der Festlegung des nationalen deutschen CO 2 -Minderungziels<br />

von 25 % bezogen auf 1990 (Abb. 1) wurden<br />

konkrete CO 2 -Minderungsmaßnahmen bereits 94/95<br />

zwischen der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung<br />

diskutiert. Dies hat 1995 zur ersten Selbstverpflichtung<br />

der Elektrizitätswirtschaft im Rahmen der Gesamtverpflichtung<br />

der deutschen Wirtschaft unter<br />

Führung des Bundesverband der deutschen Industrie<br />

(BDI) geführt. Diese erste Selbstverpflichtung ist im Jahr<br />

2000 durch eine erweiterte Vereinbarung zwischen Wirtschaft<br />

und Bundesregierung fortgeschrieben worden. Die<br />

in der VDEW organisierten öffentlichen Stromerzeuger<br />

haben sich in dieser neuen Vereinbarung zu einer Effizienzverbesserung der nicht nuklearen<br />

Kraftwerke, d.h. zu einer Verminderung der spezifischen CO 2 -Emission, um nahezu<br />

85


Workshop I<br />

Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />

Kraftwerksbetreiber<br />

Dr. Jürgen Engelhard<br />

30 % bis zum Jahr 2012 verpflichtet. Mit der Vereinbarung über die verstärkte Nutzung<br />

und Modernisierung der Kraft-Wärme-Kopplung, die im Sommer 2001 paraphiert wurde,<br />

sind weitere konkrete Maßnahmen festgelegt worden. Mit diesen Zusagen hat die<br />

Energiewirtschaft die Belastungsgrenze auch im Interesse ihrer Kunden, die im internationalen<br />

Wettbewerb stehen, erreicht.<br />

Die Bundesregierung hat über die genannten Vereinbarungen hinaus weitere Gesetze<br />

mit dem Ziel eines vorsorgenden Klimaschutzes im Energiebereich in Kraft gesetzt; dies<br />

sind insbesondere das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, das Erneuerbare Energie Gesetz<br />

und die Ökosteuer. Im Jahr 2005 werden sich die Belastungen des Stromverbrauchers<br />

aus diesen Gesetzen voraussichtlich auf mehr als 9 Mrd. e belaufen. Damit sind für die<br />

Stromverbraucher in Summe die Strompreisentlastungen aus der Deregulierung aufgezehrt.<br />

Neue Belastungen, auch aus Gründen der Klimavorsorge, müssen unbedingt vermieden<br />

werden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas und Deutschlands<br />

nicht zu gefährden.<br />

Die genannten Instrumente der Klimavorsorge haben in der Zwischenzeit die gewünschte<br />

Wirkung gezeigt. Von 1990 bis 2000 sind die CO 2 -Emissionen in der öffentlichen<br />

Stromerzeugung um rd. 30 Mio. t/a gesenkt worden. Die spezifischen Emissionen der<br />

fossilen EVU-Kraftwerke ist von 1,08 auf 0,96 kg CO 2 /kWh gesunken. Beispielhaft seien<br />

für den Bereich der Braunkohlestromerzeugung die wichtigsten Maßnahmen genannt:<br />

• Neustrukturierung der Braunkohlekraftwerke in den neuen Bundesländern<br />

• Retrofitmaßnahmen an Braunkohlekraftwerken im Rheinland<br />

• Verwirklichung der ersten Stufe des Kraftwerkerneuerungsprogramms<br />

im Rheinland.<br />

Ein weiterer Maßnahmenschwerpunkt des RWE lag beim Ausbau der industriellen Kraft-<br />

Wärme-Kopplung; neue und sehr effiziente Anlagen wurden an industriellen Standorten,<br />

z.B. bei der BASF, bei Bayer und bei der Fa. Opel errichtet; Schwerpunkt der RWE Rheinbraun-Aktivitäten<br />

der nächsten Jahre wird die konsequente Fortführung des mit der Landesregierung<br />

NRW vereinbarten Kraftwerkserneuerungsprogramm sein. Neue Kostenbelastungen<br />

oder Wettbewerbsverzerrungen – egal ob herrührend aus CO 2 -Steuern oder<br />

Emissions Trading – dürfen dieses Ziel nicht in Frage stellen, weil es umwelt- und klimapolitisch<br />

kontraproduktiv wäre.<br />

Ein weiterer Aspekt, der die CO 2 -Emissionen der deutschen Stromwirtschaft langfristig<br />

tendenziell ansteigen lassen wird, ist der für Deutschland beschlossene Kernenergieausstieg,<br />

der nach der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode praktisch wirksam werden<br />

wird: Jedes Instrument der Klimavorsorge, das neu eingeführt wird, muss dies berücksichtigen<br />

und eine flexible Anpassung der Energieversorgungsstruktur unter Erhalt der<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Stromerzeugung ermöglichen.<br />

86


Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />

Kraftwerksbetreiber<br />

Wirkung des Richtlinienentwurfs der EU-Kommission<br />

Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission vom 23.10.2002 ist vor allem darauf gerichtet,<br />

ein Umweltinstrumentarium zu schaffen, das es der EU-Kommission ermöglicht,<br />

die Einhaltung ihrer Verpflichtung aus dem Kyoto-Protokoll abzusichern und entsprechenden<br />

Druck auf die Mitgliedsländer auszuüben. Über die Genehmigung der vorgesehenen<br />

länderspezifischen Allokationspläne schafft die Kommission das erforderliche Werkzeug.<br />

Dieser Ansatz vernachlässigt aber völlig, dass der Eingriff in die Energieversorgungsstruktur<br />

und den Betrieb energieintensiver Anlagen massive wirtschaftliche<br />

Auswirkungen auf Industriestandorte und Unternehmen haben kann, die im Interesse<br />

der Wettbewerbsfähigkeit Europas nicht ignoriert werden dürfen. Die wichtigsten Kritikpunkte<br />

aus Sicht der Stromwirtschaft sind:<br />

• Die obligatorische Einbeziehung der energieintensiven Anlagen benachteiligt die<br />

Länder mit hohem Kohleanteil in der Energieversorgung und mit hohem Anteil industrieller<br />

Produktion. Beides trifft auf Deutschland zu.<br />

• Der vorliegende Richtlinienentwurf ist mit den freiwilligen Vereinbarungen in<br />

Deutschland nicht vereinbar und würde diese mitten in der Umsetzungsphase de<br />

facto ablösen. Ein bewährtes und kosteneffizientes Instrument würde damit aufgegeben,<br />

und die eingeleiteten, aber noch nicht umgesetzten Maßnahmen, z.B. der<br />

Bau der 2. BoA im rheinischen Revier, würden infrage gestellt.<br />

• Die Kosten für CO 2 -Zertifikate addieren sich in Deutschland zu den bereits hohen<br />

Belastungen des Stroms durch die genannten gesetzlichen Regelungen der Klimavorsorge.<br />

• CO 2 -Zertifikatskosten belasten die Energiekosten der europäischen Unternehmen;<br />

sie gefährden die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den USA und Japan und<br />

führen zur Standortverlagerung in Länder außerhalb der EU.<br />

• Die Richtlinie setzt zur CO 2 -Minderung einseitig auf den Ersatz von Kohle durch<br />

Erdgas. Dies vernichtet Arbeitsplätze in der Kohle- und Stromindustrie von Nordrhein-Westfalen<br />

und anderer Bundesländern, und beeinträchtigt langfristig massiv<br />

die Sicherheit der Energieversorgung, ganz abgesehen von unvermeidbaren Preisausschlägen<br />

für importiertes Erdgas.<br />

• Die von der EU-Kommission kalkulierten CO 2 -Zertifikatskosten führen etwa zu einer<br />

Verdoppelung der Stromerzeugungskosten aus Braunkohle, während sich die Kosten<br />

der Stromerzeugung aus Erdgas nur um rd. 30 % erhöhen wird. Diese Wettbewerbsverzerrung<br />

kann durch Rationalisierungsmaßnahmen nicht aufgefangen werden.<br />

• Auch Kohlekraftwerke, die nach neuestem Stand der Technik errichtet werden,<br />

wären wegen der kontinuierlichen Absenkung der CO 2 -Emissionsgrenzen, bereits<br />

nach wenigen Jahren nicht mehr ohne Zukauf von Zertifikaten zu betreiben, sofern<br />

ein wirtschaftlicher Betrieb dann überhaupt noch möglich ist. Damit entfiele für<br />

Neubauten jegliche Investitionssicherheit.<br />

87


Workshop I<br />

Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />

Kraftwerksbetreiber<br />

Dr. Jürgen Engelhard<br />

Forderungen der Elektrizitätswirtschaft<br />

Neue Instrumente der Klimavorsorge sind kein Selbstzweck, sondern machen nur dann<br />

Sinn, wenn sie den betroffenen Unternehmen größere Flexibilität einräumen und damit<br />

zu geringeren Kosten bei der Erfüllung der Klimaschutzziele führen. Daher ist die Konkurrenz<br />

aller Instrumente zur Erreichung höchstmöglicher Flexibilität im Kyoto-Protokoll<br />

verankert worden. Der EU-Kommissionsvorschlag verkehrt dieses Ziel ins Gegenteil: Die<br />

beabsichtigte Emissions Trading-Regelung erweitert nicht die Möglichkeiten der betroffenen<br />

Industrieunternehmen, sondern ersetzt die bewährten Instrumente durch ein<br />

neues Zwangsinstrument mit heute noch unüberschaubaren wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen<br />

Konsequenzen.<br />

Die deutsche Elektrizitätswirtschaft bekennt sich zu den Zielen der Klimavorsorge, lehnt<br />

aber aus den genannten Gründen den vorliegenden Emissions Trading-Entwurf der EU-<br />

Kommission strikt ab. Andererseits verkennen wir nicht, dass eine Reihe von Mitgliedsländern<br />

der EU, die bisher nur über ein unzureichendes Instrumentarium zur Erfüllung<br />

ihrer Kyoto-Ziele verfügen, Interesse an der Einführung von Emissions Trading haben<br />

können. Für diese Länder kann der EU-Vorschlag ein nützliches Angebot sein. Falls es<br />

daher zu Vereinbarungen in Europa kommen sollte, halten wir folgende Änderungen am<br />

Kommissionsentwurf für unverzichtbar, um den wichtigsten Bedenken der deutschen<br />

Industrie Rechnung zu tragen:<br />

• Die Beteiligung von Mitgliedsstaaten und Branchen ist optional zu gestalten, auch<br />

für den Klimaschutz muss das Subsidiaritätsprinzip gelten.<br />

• Bereits bestehende nationale Regelungen dürfen durch das EU-System nicht infrage<br />

gestellt werden.<br />

• Es ist eine ergebnisoffene Pilotphase durchzuführen, um dieses neue Instrument,<br />

das gravierende, noch nicht absehbare wirtschaftliche Auswirkungen haben kann,<br />

zu testen.<br />

• Heimische Energieträger dürfen durch das Emissions Trading nicht gegenüber Importenergien<br />

benachteiligt werden, wie dies beim EU-Entwurf der Fall ist.<br />

• Alle flexiblen Instrumente des Kyoto-Protokolls müssen genutzt werden können,<br />

d.h. auch die projektbezogenen Maßnahmen JI und CDM, damit das Minderungsziel<br />

so kostengünstig wie möglich erreicht wird.<br />

• Alle 6 Kyoto-Gase und weitere industrielle Branchen sollten in die Regelung<br />

einbezogen werden.<br />

Die Stromwirtschaft stellt nicht die Ziele der Kyoto-Protokoll in Frage, im Gegenteil, sie<br />

hat in den letzten Jahren erhebliche Beiträge dazu geleistet, dass Deutschland bei der<br />

Zielerfüllung in Europa eine Spitzenstellung einnimmt. Gemeinsam mit der gesamten<br />

deutschen Industrie müssen wir aber jedes neue Instrument ablehnen, das zu weiteren<br />

Kostenbelastungen und damit letztlich zur Arbeitsplatzvernichtung führt, und dies vor<br />

88


Die Bedeutung des Emissionshandels für<br />

Kraftwerksbetreiber<br />

Abbildung 2<br />

Treibhausgas-Emissionsminderung in Deutschland 1990 - 2000 in Mio. t<br />

allem in einem industriellen Ballungsraum wie Nordrhein-Westfalen. Betrachtet man die<br />

CO 2 -Bilanz Deutschlands in den letzten Jahren vorurteilsfrei (Abb. 2), dann wird<br />

ohnehin deutlich, dass nicht vordringlich Industrie und Kraftwerken neue Anstrengungen<br />

zum Klimaschutz abverlangt werden sollten, sondern dass zusätzliche Maßnahmen bei<br />

Haushalten und vor allem beim Verkehr ansetzen müssten.<br />

89


Workshop I<br />

Emissionshandel in der Praxis<br />

Dr. Karlheinz Berg<br />

Berater und ehem. Geschäftsführer der<br />

Deutsche Shell Chemie GmbH<br />

Klimaschutz ist integraler Bestandteil der langfristigen SHELL-Strategie. Abgeleitet wurde<br />

diese Stategie aus den SHELL-Szenarien zur Entwicklung des langfristigen Energiebedarfes<br />

(bis 2060), der Möglichkeiten der Deckung dieses Bedarfes (Energiemix) und<br />

der daraus resultierenden Konsequenzen (CO 2 -Emissionen/Klimaentwicklung).<br />

SHELL-Position zum Klimaschutz<br />

• SHELL teilt den wissenschaftlichen Konsens, dass sich das Klima verändert<br />

und dass dies möglicherweise das Ergebnis menschlicher Aktivität ist.<br />

• Klimaveränderung ist ein globales Problem. Deshalb unterstützt SHELL<br />

statt lokaler oder regionaler Lösungen einen globalen Ansatz.<br />

• SHELL glaubt, dass Marktmechanismen einen integralen Teil eines jeden<br />

globalen Klimaschutzprogrammes spielen müssen. Dies stellt den<br />

größtmöglichen Nutzen für das eingesetzte Kapital sicher und vermeidet<br />

Preisverzerrungen, die den Welthandel beeinflussen könnten.<br />

Als Teil der Umsetzung dieses Aktionsplanes<br />

wurde das Pilotprojekt STEPS<br />

gestartet (SHELL Tradeable Emission<br />

Permit System).<br />

Daraus abgeleitet wurde folgendes Aktionsprogramm:<br />

• Reduzierung der eigenen CO 2 -Emissionen<br />

• Berichten auf der Basis vollständiger Messungen incl. Verifizierung<br />

der eigenen GHG-Emissionen<br />

• Einbeziehung von CO 2 -Kosten in Geschäftsentscheidungen<br />

• Bevorzugung von Marktlösungen incl. eines internen Pilotprojektes<br />

Emissionshandel<br />

• Aktive Beteiligung an der öffentlichen Diskussion auf nationaler<br />

und internationaler Ebene<br />

• Unterstützung unserer Kunden bei der Reduzierung ihrer GHG<br />

Motivation für STEPS<br />

• Lernen aus einem solchen Pilotprojekt zu einem frühen Zeitpunkt<br />

• Beantwortung der Frage inwieweit ein Handelssystem kostengünstiger<br />

CO 2 -Reduzierung erreichen kann<br />

• Wie lässt sich die Reduzierung von CO 2 -Emissionen in Rahmen eines<br />

Handelssystems erreichen<br />

Merkmale von STEPS<br />

• Beginn Januar 2000, Ende Dezember 2002<br />

• Ca. 30% der CO 2 -Emissionen der SHELL-Gruppe (Annex I)<br />

• Basisjahr 1998<br />

• Elektronischer Handel unterstützt von vierteljährlichen Auktionen<br />

90


Emissionshandel in der Praxis<br />

Ergebnisse von STEPS<br />

• Umfassende Kenntnis der eigenen Emissionen, der Energieeinsparpotentiale<br />

und deren Kosten<br />

• Gehandelt wurden ca. 19 mio t CO 2 in 2 Jahren<br />

• Durchschnittlicher Preis ca.5 US-Dollar<br />

• Die angestrebte Reduzierung von 2% wird erreicht werden<br />

Erfahrungen durch STEPS<br />

• CO 2 wird/ist ein commodity<br />

• Die attraktivsten/kostengünstigsten Projekte setzten sich durch<br />

• Marktgröße und Transaktionskosten kritisch, Preise wenig repräsentativ<br />

• Spezialisten für Handel<br />

• Die attraktivsten/kostengünstigsten Projekte setzen sich durch<br />

• Forward sales und banking werden als zusätzliche Instrumente benötigt<br />

Ausblick<br />

• CO 2 -Vermeidungskosten werden Bestandteil jedes Investitionsantrages<br />

• Verstärkung der Aktivitäten in realen Märkten<br />

• Sicherung der Werthaltigkeit von Zertifikaten aus aktuellen Deals<br />

• Teilnahme an Pilotprojekten (z.B. Hessentender, Ostseesimulation etc.)<br />

• Kommunikation der Erfahrungen<br />

Die Grundposition von SHELL ist:<br />

• Teilnahme: verpflichtend für die Industrie<br />

• Struktur: cap + trade mit absoluten Caps<br />

• Allokation: kostenlose Zuteilung<br />

basierend auf historischer Baseline<br />

• Strafen: ja, gekoppelt mit Kontollsystem<br />

• Banking: unbegrenzt<br />

• Umfang: vereinbar mit anderen Systemen/<br />

Mechanismen, z.B. JI und CDM<br />

ET-Richtlinie der EU<br />

SHELL unterstützt aktiv die Einführung<br />

der ET-Richtlinie, fordert aber Anpassungen,<br />

Klarstellungen und weitergehende<br />

Spezifizierung des vorliegenden Textes.<br />

Zusammenfassung<br />

Das von SHELL intern aufgesetzte Pilotprojekt Emissionshandel hat seinen Zweck<br />

erfüllt. Die Erfahrungen sind vergleichbar mit anderen Pilotprojekten. Der wichtigste<br />

Lerneffekt liegt in der frühzeitigen Außeinandersetzung mit einem Handelssystem, der<br />

Kenntnis der eigenen Situation und der Möglichkeiten, die ein Handelssystem für die<br />

Umsetzung der eigenen Strategie bietet .<br />

91


Workshop I<br />

Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />

Industrie<br />

Dr. Jochen Rudolph – Leiter des<br />

Konzernbereichs Umwelt, Sicherheit,<br />

Gesundheit, Qualität, Degussa AG<br />

In der Diskussion um den Emissionshandel mit Treibhausgasen werden gelegentlich<br />

Ziele und Instrumente nicht klar voneinander getrennt. Insbesondere wird Kritikern eines<br />

Instruments bisweilen unterstellt, es ginge in Wahrheit um eine Zieldiskussion. Aus diesem<br />

Grund konzentriert sich der erste Teil der folgenden Ausführungen auf die Einbettung<br />

der Klimaschutzziele der chemischen Industrie in die nationalen und internationalen<br />

Klimaschutzverpflichtungen. Der zweite Teil ist dann ausschließlich der Instrumentendiskussion<br />

gewidmet.<br />

Im Kyoto-Protokoll verpflichtet sich die EU dazu, ihre Treibhausgas-Emissionen im Zeitraum<br />

2008 – 2012 im Durchschnitt um 8% gegenüber 1990 zu senken. Deutschland<br />

übernimmt im Rahmen des Burden Sharing eine deutlich höhere Reduktionsverpflichtung,<br />

nämlich 21 %. Dies führt dazu, dass von der gesamten Reduktionsverpflichtung<br />

der EU in Höhe von 332 Mio. t CO 2 -Äquivalenten mehr als 75%, nämlich 252 Mio. t von<br />

Deutschland zu erbringen sind.<br />

Neben Großbritannien hat Deutschland allerdings auch als einziges EU-Land überhaupt<br />

eine nennenswerte CO 2 -Senkung – prozentual und absolut – erreicht (bis 2000 etwa drei<br />

Viertel der bis 2008/2012 zu erreichenden Senkung). Es ist daher zu erwarten, dass<br />

Deutschland seinen Verpflichtungen im internationalen und EU-Rahmen nachkommen<br />

wird. Dazu beigetragen haben die unterschiedlichen wirtschaftlichen Sektoren allerdings<br />

in sehr unterschiedlichem Maße: Während im Zeitraum zwischen 1990 und 1998 die<br />

Industrie ihre CO 2 -Emissionen um 27% zurückgeführt hat, haben Verkehr und Haushalte<br />

um 9% bzw. 8% zugelegt.<br />

Die verlässliche Partnerschaft der Industrie beim Klimaschutz wird durch die Klimaschutzvereinbarung<br />

zwischen Bundesregierung und BDI von Ende 2000 abgesichert, in<br />

der der weitere Beitrag der Industrie für die Zukunft festgeschrieben wurde. Die chemische<br />

Industrie trägt mit ihrer Selbstverpflichtungserklärung in besonders hohem Maße<br />

bei: Die Chemieunternehmen werden im Rahmen des Kyoto-Zeitraums ihre Klimagasemissionen<br />

um wenigstens 45% senken und haben im Rahmen des Monitoring-Prozesses<br />

bereits nachgewiesen, dass auch dieses Ziel realistisch ist.<br />

Der besondere Vorteil dieser nachweislich erfolgreichen Selbstverpflichtungserklärung<br />

auf Branchenebene liegt in dem einfachen Controlling-Mechanismus und dem branchenweiten<br />

Ausgleich der unternehmensbezogenen Emissionen. So gibt es zweifellos Unternehmen,<br />

die aufgrund ihrer besonderen Prozesse oder Investitionszyklen nicht dazu in<br />

der Lage sind, im Zeitraum 1990 bis 2008 Reduktionen in Höhe des Branchenziels zu<br />

realisieren, ohne ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einzubüßen und damit ihre<br />

Existenz aufs Spiel zu setzen. Die Branchenbetrachtung gewährleistet, dass die Klimaziele<br />

erreicht werden, ohne dass die Branchenintegrität mit ihrer sinnvollen Arbeitsteilung<br />

zwischen den Unternehmen und damit Arbeitsplätze gefährdet werden.<br />

92


Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />

Industrie<br />

Generell muss bei allen Maßnahmen zur regionalen Reduktion von Emissionen peinlich<br />

darauf geachtet werden, dass Emissionen nicht lediglich verlagert werden wodurch<br />

dem Klimaschutz wenig gedient wäre (das RWI spricht in diesem Zusammenhang vom<br />

"Leakage-Effekt"). Die im Rahmen des Kyoto-Protokolls vorgesehenen zwischenstaatlichen<br />

Instrumente Joint Implementation, Clean Development Mechanism und Emissions<br />

Trading sind letztlich Abrechnungs- und Controlling-Instrumente, die dem globalen Charakter<br />

des Klimaschutzes in sinnvoller Weise Rechnung tragen.<br />

Die chemische Industrie bekennt sich nachdrücklich zu den Kyoto-Zielen und steht nach<br />

wie vor zu den im Rahmen der Selbstverpflichtung übernommenen Reduktionszielen.<br />

Wir halten auch eine sinnvolle Verknüpfung der Selbstverpflichtung mit den zwischenstaatlichen<br />

Instrumenten des Kyoto-Protokolls für möglich, insbesondere bei den projektbezogenen<br />

Maßnahmen im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development.<br />

Es gibt allerdings aus deutscher Sicht keinen besonderen Handlungsbedarf, zusätzliche,<br />

die Industrie treffende Instrumente einzuführen, da sich das bestehende Instrumentarium<br />

der Selbstverpflichtung als kosteneffizient und zuverlässig bewährt hat. Auch die EU-<br />

Kommission hat dies ausdrücklich anerkannt, in dem sie die weitere Genehmigung der<br />

Ökosteuer-Sonderregelungen für das produzierende Gewerbe von einer weiteren erfolgreichen<br />

Umsetzung der Klimaschutzvereinbarung bzw. der unerlagerten Selbstverpflichtungen<br />

abhängig gemacht hat.<br />

Der Vorstoß der EU-Kommission in Form einer Richtlinie für einen anlagen- und unternehmensbezogenen<br />

Emissionshandel ist daher unter den Gesichtspunkten zu bewerten,<br />

ob er eine sinnvolle Ergänzung des bestehenden Instrumentariums darstellt und die betroffenen<br />

Unternehmen nicht wirtschaftlich negativ beeinträchtigt. Beides ist aus Sicht<br />

der Chemischen Industrie klar zu verneinen.<br />

Zunächst stellt das vorgeschlagene System einen Torso dar, der mit dem im Kyoto-Protokoll<br />

vorgesehenen System nichts mehr zu tun hat: Statt im Rahmen eines globalen<br />

Ansatzes Emissionen dort zu reduzieren, wo dies am kostengünstigsten möglich ist,<br />

soll ein Emissionshandel nur stattfinden:<br />

• regional auf die EU begrenzt<br />

• für ganz bestimmte Anlagen bzw. Sektoren<br />

• ausschließlich auf Unternehmensebene<br />

• ohne Verknüpfung zu den anderen Kyoto-Instrumenten<br />

• und schließlich unter Beibehaltung ordnungsrechtlicher Emissionsvorschriften<br />

Die wesentlichen Vorteile eines globalen Emissionshandels werden damit von vornherein<br />

ausgehebelt, so dass die Sinnhaftigkeit des Instrumentes per se anzuzweifeln ist.<br />

Viel gravierender sind jedoch die konkreten Auswirkungen, die das vorgeschlagene System<br />

auf die Chemieunternehmen hat. Wegen der Einbeziehung aller Feuerungsanlagen über<br />

20 MW wären alle nennenswerten Chemiestandorte von der Richtlinie betroffen.<br />

93


Workshop I<br />

Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />

Industrie<br />

Dr. Jochen Rudolph<br />

Dabei wäre es ein folgenschwerer Fehler, die Auswirkungen des Systems auf die Frage<br />

zu verkürzen, wie viele CO 2 -Zertifikate die Unternehmen denn möglicherweise kostenlos<br />

als Anfangsausstattung erhalten. Viel wichtiger ist, dass ab dem Zeitpunkt der Ausgabe<br />

jeder mit CO 2 -Emissionen verbundene Produktionsprozess betriebswirtschaftlich mit<br />

entsprechenden Zertifikaten zum Marktwert zu bewerten ist. Dies wird natürlich völlig<br />

unabhängig von der Frage der Anfangsausstattung geschehen, da überzählige Zertifikate<br />

jederzeit am Markt abgesetzt werden können. Ob eine Produktionssteigerung dazu<br />

führt, dass Zertifikate zusätzlich vom Markt beschafft werden müssen, oder lediglich zur<br />

Folge hat, dass im Besitz befindliche Zertifikate nicht verkauft werden können, ist unter<br />

betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten unerheblich.<br />

Unsere internationale Konkurrenz ist jedoch keinesfalls den gleichen Mechanismen unterworfen.<br />

Wer Teile seiner Produktion in die USA, nach Brasilien, Polen oder sogar nur<br />

in die Schweiz verlagert bzw. Erweiterungen dort durchführt, benötigt keine zusätzlichen<br />

Zertifikate bzw. kann ggf. im Besitz befindliche Zertifikate verkaufen. Ein anlagenund<br />

unternehmensbezogener Zertifikatehandel entfaltet also exakt die gleiche Lenkungswirkung<br />

wie eine CO 2 -Steuer, die in ihrer Höhe im Vorhinein nicht abzuschätzen ist.<br />

Für beliebige angenommene Werte eines CO 2 -Zertifikats lässt sich das entsprechende<br />

Steueräquivalent einfach errechnen. Nimmt man einen Wert von 25 e/t an, dann entspricht<br />

das für Braunkohle und Steinkohle (beides wird im Moment ja nicht besteuert)<br />

einem Aufschlag von 199 % bzw. 127 %. Der Einsatz von leichtem Heizöl und Ergas wäre<br />

mit 23 % bzw. 33 % zusätzlich belastet. Daraus wird deutlich, dass von dem vorgeschlagenen<br />

System eine individuelle Lenkungswirkung auf die Wirtschaft ausginge, die<br />

um Faktoren größer ist als die der – aus gutem Grund begrenzten – Belastungen durch<br />

die Ökosteuer. Bewertet man die aus den Feuerungsanlagen der Chemieindustrie stammenden<br />

CO 2 -Emissionen mit 25 e/t dann ergibt sich eine implizite Gesamtbelastung<br />

von über 500 Mio. e.<br />

Nachdem mittlerweile erkannt wurde, dass der vorgeschlagene Zertifikatehandel wie eine<br />

Stilllegungsprämie für Betriebe in der EU wirken würde, werden nun auch Überlegungen<br />

angestellt, wie dies durch zusätzliche staatliche Kontrollmechanismen verhindert<br />

werden könnte. Angesichts der Komplexität chemischer Produktionen ist es allerdings<br />

selbst bei einem enormen bürokratischen Kontrollaufwand schlicht unmöglich,<br />

Stilllegungen gegen Produktionsverlagerungen und Strukturveränderungen abzugrenzen<br />

und dann beispielsweise durch Zertifikate-Entzug zu sanktionieren.<br />

Die Chemie wäre aber noch durch einen weiteren Faktor massiv betroffen:<br />

Ebenso wie die Chemieunternehmen werden bzw. müssen auch die Stromerzeuger ihre<br />

Brennstoffe im Hinblick auf die benötigten Zertifikate bewerten. Strom aus Braunkohle<br />

und Steinkohle würde damit ungleich teurer, was aufgrund des relativen hohen Stromanteils<br />

aus diesen Kraftwerken in Deutschland mit Sicherheit dazu führt, dass sich die<br />

industriellen Strompreise erhöhen. Auch eine mittelfristige Brennstoff-Substitution würde<br />

94


Emissions Trading aus Sicht der Chemischen<br />

Industrie<br />

daran nichts ändern: Da es derzeit offensichtlich nicht wirtschaftlich ist, diese vorzunehmen,<br />

müssten wiederum letztlich die Verbraucher in Form höherer Strompreise dafür<br />

aufkommen. Bewertet man die deutsche Stromerzeugung nach ihrem derzeitigen<br />

Brennstoffmix, dann sind weitere Preiserhöhungen um mehr als 20% zu erwarten, was<br />

die chemische Industrie nochmals mit über 500 Mio. e belasten würde.<br />

Dass sich jeder Gedanke an eine praktische Kompatibilität von Selbstverpflichtungserklärung<br />

und Emissionshandel nach EU-Vorschlag erübrigt, liegt auf der Hand: Welchen<br />

Grund sollte ein Unternehmen noch haben, eigene Reduktionserfolge mit anderen Unternehmen<br />

der Branche zu teilen, wenn sie sich am Markt zu Geld machen lassen<br />

Ein weiterer Schwachpunkt des EU-Vorschlags ist der enorme Controlling- und Verwaltungsaufwand<br />

innerhalb der Unternehmen sowie in nationalen und EU-Behörden. Jede<br />

Anlage müsste künftig einzeln notifiziert, im Hinblick auf ihren Brennstoffeinsatz überwacht<br />

und der Brennstoffeinsatz sowie die benötigten Zertifikate den Behörden jährlich<br />

nachgewiesen werden. Die Unternehmen müssten eigene Zertifikatsverwaltungen und<br />

-handelsabteilungen aufbauen – alles, ohne einen Beitrag zur Wertschöpfung zu leisten.<br />

Schließlich wirkt der EU-Vorschlag bereits heute investitionshemmend: Wie soll eine Anlageninvestition<br />

heute ausgelöst werden, die in 2 Jahren in Betrieb geht, wenn völlige<br />

Unklarheit darüber besteht, welchen gravierenden wirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten<br />

die Investition in den nächsten 10 Jahren unterworfen ist<br />

Die chemische Industrie lehnt daher einen unternehmensbezogenen Emissionshandel<br />

in der im Richtlinienvorschlag dargestellten Form entschieden ab. Die Vorteile, die einzelne<br />

Unternehmen aus dem vorgeschlagenen System möglicherweise generieren können,<br />

rechtfertigen nicht die gravierenden negativen Auswirkungen auf die Branche als<br />

Ganzes.<br />

Die chemische Industrie bekennt sich zum Klimaschutz und zu den übernommenen<br />

Reduktionsverpflichtungen; sie erwartet im Gegenzug:<br />

• Verpflichtende zusätzliche Instrumente nur insoweit, wie eine Gefährdung<br />

erfolgreicher nationaler Instrumente ausgeschlossen werden kann<br />

• Zunächst Umsetzung des Emissionshandels nur auf Staatenebene<br />

gemäß Kyoto-Protokoll<br />

• Konsequente Verknüpfung des Emissionshandels mit anderen Instrumenten<br />

des Kyoto-Protokolls<br />

• Ausdrückliche Berücksichtigung aller "Early Actions" ab Kyoto-Basisjahr 1990<br />

• Vermeidung jeglicher Wettbewerbsverzerrungen.<br />

Auf dieser Grundlage wird sich die chemische Industrie auch weiterhin konstruktiv an<br />

der Diskussion um die Ausgestaltung der Instrumente zum Klimaschutz beteiligen.<br />

95


Workshop II<br />

Technologieexport durch flexible<br />

Instrumente - neue Chancen für die<br />

Wirtschaft<br />

Moderation:<br />

Dr. Gerhard Sohn<br />

96


Workshop II<br />

Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Dr. Thomas Kreuder, Leiter Zentralbereich/<br />

Zentralstab Internationale Koordination<br />

RAG Aktiengesellschaft, Essen<br />

Seit der Rio-Konferenz im Jahr 1992 werden ”Ökonomie, Ökologie und soziale Entwicklung”<br />

als gemeinsame und gleichrangige Komponenten eines globalen Nachhaltigkeitssystems<br />

angesehen. Nicht zuletzt die Diskussion über die Umsetzung und konkrete Ausgestaltung<br />

des Ende 1997 in Kyoto beschlossenen Klimaschutzprotokolls haben die Aufmerksamkeit<br />

der Öffentlichkeit auf die Erfüllung dieser Nachhaltigkeitsziele gelenkt. Im<br />

Verlauf dieser Entwicklung wurden auf nationaler und internationaler Ebene Klimaschutzziele<br />

festgelegt, bei deren Umsetzung die Industriestaaten eine Vorreiterrolle<br />

übernommen haben.<br />

Parallel dazu stellte sich die Wirtschaft der neuen Herausforderung. In Deutschland<br />

gründeten im Jahr 2000 führende national und international tätige Unternehmen zur<br />

Umsetzung des Nachhaltigkeitskonzeptes das ”Forum Nachhaltige Entwicklung”. Ziel<br />

ist, ihre Leistungsfähigkeit bei nachhaltigem Wirtschaften durch die Erarbeitung und<br />

Realisierung neuer Lösungsstrategien unter Beweis zu stellen. Für die RAG Aktiengesellschaft<br />

war es selbstverständlich, sich als Gründungsmitglied zu engagieren. Wir konzentrieren<br />

uns dabei auf die Nachhaltigkeitsdiskussion für die Energiewirtschaft. Der Bedarf<br />

an Energie wird weltweit steigen und dieser Bedarf wird vor allem in den Entwicklungs-<br />

und Schwellenregionen dieser Welt durch Kohle gedeckt werden. Rund um die<br />

Kohle verfügt die RAG Aktiengesellschaft über ein hohes Maß an Kompetenz. Konzernweit<br />

werden bereits zahlreiche Nachhaltigkeitsprojekte<br />

bearbeitet, insbesondere<br />

im Bereich der Kraftwirtschaft.<br />

Ich werde im folgenden überblickshaft<br />

nur auf den Beitrag moderner<br />

Bergbautechnologie zum Klimaschutz<br />

eingehen.<br />

Brandzone Wassertal<br />

Abbildung 1<br />

Löschen von Kohlenbränden in China<br />

Ebenso wie Indien kennt China das<br />

Naturphänomen übertägiger Kohlenbrände.<br />

Millionen Tonnen Kohle, die<br />

sich aufgrund des Klimas und der<br />

Kohleeigenschaften selbst entzünden,<br />

verbrennen dort jährlich.<br />

Durch die Brände, die Sie hier exemplarisch auf einer Infrarotaufnahme aus einer der<br />

Brandzonen in der Nordwestprovinz Xinjiang sehen, verbrennen 10 – 20 Mio t Kohle/a;<br />

weitere 200 Mio t Kohle/a gehen chinaweit für eine wirtschaftliche Nutzung verloren.<br />

Die Brände gefährden laufende benachbarte Bergbauaktivitäten und verursachen zu-<br />

Beispiel:<br />

IR-Aufnahmen am<br />

Tag (Temperaturen<br />

ca. 80°C bis<br />

1000°C)<br />

97


Workshop II<br />

Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Dr. Thomas Kreuder<br />

dem enorme lokale und globale Umweltschäden. Ihre Schwelprodukte belasten die Umwelt<br />

nicht nur unmittelbar vor Ort, sondern beeinflussen jährlich auch das Weltklima in<br />

einer bislang nur schätzbaren Größenordnung von zusätzlich 50 – 100 Mio. Tonnen CO 2 -<br />

äquivalenten Emissionen.<br />

Abbildung 2<br />

Einsatz leistungsfähiger Mess- und Analysemethoden<br />

Bei einem Besuch von Bundeskanzler Schröder im November 1999 in Beijing sagte die<br />

Bundesregierung zu, die chinesische Seite bei der Bekämpfung dieser Brände zu unterstützen.<br />

Auf dieser Grundlage vereinbarten RAG und das damalige chinesische Kohleministerium<br />

die Erstellung einer Machbarkeitsstudie. Die Ende 2000 fertig gestellte Expertise<br />

erbrachte, dass durch einen erfolgreichen Technologie- und Know-how-Transfer<br />

die Effizienz der Brandlöschung gesteigert, wertvolle Kohlereserven geschützt und<br />

Schadstoffemissionen in Luft, Boden und Grundwasser vermieden werden können.<br />

Nachdem das Bundesministerium für<br />

• Exploration<br />

- Geophysik (Geoelektrik,<br />

Geomagnetik, Thermographie)<br />

- Bohranlagen<br />

• Vermessung<br />

- GPS-geschützte<br />

Messgeräte<br />

- photogrammetrische<br />

Auswertungen<br />

• Geoinformationssystem<br />

wirtschaftliche Zusammenarbeit in<br />

2001 für die Projektbearbeitung über<br />

einen Zeitraum von 3 Jahren öffentliche<br />

Mittel zur Verfügung gestellt hatte, wurde<br />

mit der Umsetzung der in der Machbarkeitsstudie<br />

empfohlenen Schritte begonnen.<br />

Im Rahmen der Projektrealisierung<br />

werden in Xingjiang von der RAG im<br />

Bergbau erprobte – hier: untertägige<br />

Gruben- und übertägige Haldenbrände<br />

– und entsprechend fortentwickelte<br />

und erweiterte Mess- und Analysemethoden<br />

eingesetzt: Bei der Exploration<br />

kommen moderne Technologien der<br />

Geophysik wie Geoelektrik, Geomagnetik und Thermographie sowie leistungsfähige<br />

Bohranlagen zum Einsatz, die eine detailliertere Erkundung der Brandfelder ermöglichen.<br />

In der Vermessung wird durch den Einsatz von GPS-gestützten Geräten und photogrammetrischen<br />

Auswertungen der Aufwand deutlich reduziert werden und gleichzeitig<br />

der Detaillierungsgrad und die Genauigkeit gesteigert. Mit der Einführung eines leistungsfähigen<br />

Geoinformationssystems wird eine frühere Erkennung von Brandzonen<br />

sowie eine genauere Planung und Überwachung der Löscharbeiten ermöglicht.<br />

Durch den Einsatz der leistungsfähigen Mess- und Analysemethoden werden durch eine<br />

gezielte Lokalisierung der Brandherde und entsprechend angepasster Löschverfahren<br />

die Dauer der Brandlöschung verkürzt und die Kosten der Löschung gesenkt. Vor allem<br />

wird die Sicherheit und Nachhaltigkeit des Löscherfolges erhöht.<br />

98


Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Der Know-how-Transfer der RAG zur<br />

Brandlöschung im Schwefeltal<br />

Löschung chinesischer Kohlebrände<br />

ist ein Beispiel für nachhaltiges<br />

Wirtschaften. Den vorhandenen Berechnungen<br />

zufolge werden allein<br />

im Rahmen der schon begonnenen<br />

Pilotprojekte neben der Sicherung<br />

von vorhandenen Kohlereserven<br />

rund 20 Millionen Tonnen CO 2 -äquivalente<br />

Emissionen vermieden. Dieser<br />

Beitrag zum Klimaschutz ist im<br />

übrigen im Vergleich zu anderen<br />

Vermeidungs- bzw. Verminderungsstrategien<br />

relativ preiswert. Der<br />

Aufwand pro vermiedener Tonne<br />

CO 2 innerhalb der Projekte liegt bei<br />

0,70 beziehungsweise 2,30 US$,<br />

während in Deutschland 5 bis 15<br />

US$ aufzuwenden wären, um eine<br />

entsprechende CO 2 -Reduzierung, etwa durch technische Aufrüstung von Kraftwerken,<br />

zu erreichen. Zusammen mit dem Bundesministerium für Umwelt werden gegenwärtige<br />

Möglichkeiten geprüft, das Vorhaben zur Löschung von Kohlebränden in ein deutschchinesisches<br />

CDM-Projekt zu integrieren.<br />

Abbildung 3<br />

Bilder wie dieses<br />

werden künftig der<br />

Vergangenheit<br />

angehören.<br />

Nutzung von Grubengas national<br />

und international<br />

Zu nachhaltigem Wirtschaften gehört,<br />

fossile Energieträger so effizient wie<br />

möglich zu nutzen. RAG fördert nicht<br />

nur Steinkohle, sondern verwertet<br />

deshalb auch das in den Lagerstätten<br />

gebundene Grubengas.<br />

Grubengasabsaugung und Analysemethoden<br />

Abbildung 4<br />

Ursprünglich allein unter Sicherheitsaspekten<br />

betrachtet – Grubenwetter<br />

dürfen maximal 1 % Methan<br />

enthalten – wird Grubengas – mit<br />

Luft angereichertes Methan – seit<br />

Jahren auch wirtschaftlich genutzt.<br />

Namentlich im Saarland wird Grubengas<br />

schon seit langem weiträu-<br />

99


Workshop II<br />

Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Dr. Thomas Kreuder<br />

Abbildung 5<br />

Grubengasabsaugung an der Saar (1948 - 2001)<br />

Jahresförderung<br />

Methan abgesaugt<br />

Methan verwertet<br />

mig abgesaugt und über ein insgesamt 110<br />

km umfassendes Netz einer Verwertung in<br />

der Kraft- und Wärmewirtschaft sowie bei<br />

der Stahlerzeugung zugeführt.<br />

Gewonnen wird das Grubengas in Deutschland<br />

in laufenden Anlagen regelmäßig durch<br />

Bohrungen in den Abbaustrecken in das<br />

Hangende und Liegende des Flözbereiches.<br />

Das anfallende Gas-Luft-Gemisch wird durch<br />

künstlich erzeugten Unterdruck einem Leitungssystem<br />

zugeführt und letztlich über Tage<br />

gesammelt. Die angewendete Technik wurde<br />

kontinuierlich modernisiert und im Hinblick<br />

auf Aufwand und Kosten optimiert.<br />

Abbildung 6<br />

Grubengasaktivitäten in NRW<br />

Bewilligungsfelder, Stand 12/2001<br />

Quelle: Bezirksregierung Arnsberg<br />

Bei stillgelegten Anlagen erfolgt der Gasaustritt<br />

an der Ruhr über verfüllte Schächte, an<br />

der Saar wird im Prinzip wie bei aktiven<br />

Bergwerken weiter abgepumpt.<br />

Unter Klimagesichtspunkten ist Grubengas<br />

enorm relevant, da es gegenüber CO 2 ein<br />

23fach höheres treibhausrelevantes Potenzial<br />

aufweist. Im Klimaschutzprogramm der<br />

Bundesregierung ist deshalb auch vorgesehen,<br />

die auf Methan entfallenden CO 2 -Äquivalente<br />

von 17 Mio. t aus dem Jahr 1990 bis<br />

2005 auf 5,8 Mio. t zu verringern. Das Klimaschutzkonzept<br />

des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen von 2001 sieht darüber hinaus vor,<br />

weitere rund 3,6 Mio. t CO 2 -Äquivalente<br />

durch die zusätzliche energetische Verwertung<br />

von Grubengas im Steinkohlenbergbau<br />

einzusparen.<br />

100


Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Durch seinen Beitritt zur Klimaschutzvereinbarung zwischen der Bundesregierung und<br />

der deutschen Wirtschaft hat sich der Steinkohlenbergbau verpflichtet, seine CO 2 /CH 4 -<br />

Emissionen im Zeitraum von 1990 bis 2012 um absolut 70 % zu vermindern.<br />

Mittlerweile hat das Gesetz für Erneuerbare Energien die Rahmenbedingungen für eine<br />

wirtschaftliche Verwertung von Grubengas erheblich verbessert. Das Gesetz erlaubt,<br />

Grubengas nicht nur zu Wärmezwecken, sondern auch zur Stromerzeugung zu nutzen.<br />

Damit wurden die Verwertungsmöglichkeiten und zugleich die Optionen zur Schadstoffreduzierung<br />

erweitert.<br />

Für Nordrhein-Westfalen ist vorgesehen, die<br />

Nutzung von Grubengas erheblich auszuweiten.<br />

Die RAG Aktiengesellschaft ist hier<br />

führend tätig und hat zur operativen Umsetzung<br />

gemeinsam mit Partnern zwei Gesellschaften<br />

gegründet. Die MINEGAS GmbH<br />

wird in Zukunft Grubengas aus bereits stillgelegten<br />

Bergwerken zur Strom- und Wärmeerzeugung<br />

nutzen. Im Juni 2001 ist die Inbetriebnahme<br />

der ersten beiden Blockheizwerk-<br />

Module erfolgt, ein Modul hat eine Leistung<br />

von ca. 10 Mio. kWh/a. Zwischenzeitlich<br />

konnten weitere Module an verschiedenen<br />

Standorten im Ruhrgebiet in Betrieb genommen<br />

werden; zahlreiche weitere sind in Planung.<br />

Die MINEGAS-POWER GmbH wird die<br />

Verstromung von Grubengas aus aktiven<br />

Schachtanlagen an der Ruhr und in Ibbenbüren<br />

abwickeln. Daneben sind wir dabei,<br />

auch an der Saar eine entsprechende Verwertungsstruktur<br />

zu schaffen.<br />

Grubengasbetriebenes Blockheizkraftwerk<br />

Quelle: Stadtwerke Herne AG<br />

Abbildung 7<br />

Geplant ist, auf Dauer durch Grubengasverwertung allein an der Ruhr jährlich rund 450<br />

Millionen kWh Strom zu erzeugen. Damit wird die Atmosphäre um das Äquivalent von<br />

rund 2,5 Millionen Tonnen CO 2 entlastet. Darüber hinaus ist je nach Infrastruktur beabsichtigt,<br />

auch die anfallende Abwärme für die Nahwärmeversorgung zu nutzen.<br />

Auch Zukunftsvisionen stehen bereits im Raum: Die Nutzung von Grubengas in Brennstoffzellen<br />

– hieran ist auch das Land NRW sehr interessiert – und der Einsatz unseres<br />

gewachsenen Know-hows im Ausland, etwa in Polen, wo es bereits konkrete Kontakte<br />

gibt, in der Ukraine oder China.<br />

101


Workshop II<br />

Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

Dr. Thomas Kreuder<br />

Abbildung 8<br />

Typischer Gasbrunnen im Powder River Basin<br />

Abbildung 9<br />

Umwandlung von Thermalwasser in Fernwärme<br />

Die Verwertung von Methan im Ausland ist für den<br />

Teilkonzern RAG Coal International keine Vision<br />

mehr. Schon heute betreibt RAG Coal International in<br />

den USA und in Australien aktiv die Gewinnung und<br />

Nutzung von Methan. Im Vordergrund steht hier die<br />

Flözgasgewinnung (Coal Bed Methane, CBM). Dabei<br />

wird das Methan über Gasbrunnen direkt aus dem<br />

noch unberührten Flöz gewonnen. So wurden im Powder<br />

River Basin in Wyoming bis Ende letzten Jahres<br />

100 Gasbrunnen ans Netz angeschlossen und insgesamt<br />

53,9 Mio Kubikmeter Gas gefördert und dabei<br />

in 2001 ein Ergebnis von 1,1 Mio e erwirtschaftet.<br />

Doch nicht nur unter Ertragsgesichtspunkten ist dieses<br />

Verfahren sinnvoll: Mit der Verwertung des Methangases,<br />

das im Vorfeld künftigen Bergbaus gewonnen<br />

wird und somit beim späteren Kohleabbau nicht<br />

in die Atmosphäre gelangt, wird künftig eine Minderung<br />

des Treibhauseffektes in CO 2 -Äquivalenten in<br />

Höhe von jährlich mehr als 10 Mio. t CO 2 erzielt.<br />

Geothermie – Heizkraftwerk Erding<br />

Erfahrungen aus der Exploration und der Wärmewirtschaft<br />

macht sich der Teilkonzern RAG Saarberg bei<br />

der Verwendung einer Energie nutzbar, die fast<br />

schon an das perpetuum mobile heranreicht: Mit Unterstützung<br />

des Thermie-Programms der EU und<br />

des Programms ”Rationellere Energiegewinnung und<br />

-verwendung” des Freistaates Bayern betreibt SaarbergFernwärme<br />

in Erding ein Projekt zur Verwertung<br />

von Geothermie.<br />

Aus 2.350 Meter Tiefe wird 65 Grad warmes Wasser<br />

an die Erdoberfläche geführt und in mehreren Prozessstufen<br />

in Fernwärme umgewandelt, die über<br />

Fernwärmeleitungen zum Endverbraucher transportiert<br />

wird. Nach seiner Nutzung wird das Fernwärmewasser<br />

wieder zurück ins Geoheizwerk geleitet und<br />

zu Trinkwasser aufbereitet. Geplant ist auch eine<br />

Nutzung in einem Thermalbad.<br />

102


Beitrag moderner Bergbautechnologie<br />

zum Klimaschutz<br />

In dem Geothermie-Fernwärme-Kreislauf wird die Erdwärme als praktisch unerschöpfliche<br />

Energiequelle genutzt. Rund 50 % der benötigten Gesamtenergiemenge wird durch<br />

Geowärme erzeugt. Bei einem gegenwärtigen Anschlusswert von 21,4 MW und einer<br />

Wärmeproduktion von fast 40.000 MWh/a werden – im Umkehrschluss – in entsprechender<br />

Größenordnung fossile Brennstoffe eingespart und der Schadstoffausstoß<br />

ebenfalls verringert. So entstehen rund 7.000 t CO 2 bei dieser Art der Fernwärmeerzeugung<br />

erst gar nicht.<br />

Globale Nutzung moderner Technologien zur Lösung globaler Klimaprobleme<br />

Die drei hier kurz vorgestellten Beispiele einer Nutzung moderner aus dem Bergbau<br />

entwickelter Technologie geben Hinweise auf heute schon mögliche Beiträge zum Klimaschutz.<br />

Und das, was hier in Deutschland geleistet werden kann, sollte auch umgesetzt<br />

werden. Die Verwertung von Grubengas auf der Basis des EEG verdeutlicht zudem, dass<br />

Rahmenbedingungen geschaffen werden können, die die Wirtschaftlichkeit ökologisch<br />

sinnvoller Maßnahmen erheblich verbessern.<br />

Gleichwohl werden die wesentlichen Impulse für den Schutz des Weltklimas in den Entwicklungs-<br />

und Schwellenländern zu setzen sein. Maßgebliche Energieszenarien gehen<br />

davon aus, dass bereits ab dem Jahr 2010 die CO 2 -Emissionen der Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer die der Industrieländer übersteigen werden – für Kohleländer wie Südafrika,<br />

Indien oder China stellt sich die Frage nach Alternativen zum Ausbau der Elektrizitätserzeugung<br />

auf Kohlebasis als ein wichtiger Standortfaktor im Wettbewerb um Investoren<br />

erst gar nicht. Deshalb gilt es, die Voraussetzungen zu schaffen, damit in den<br />

Entwicklungs- und Schwellenländern moderne Technologien zum Einsatz kommen, um<br />

den weltweiten CO 2 -Ausstoß zu vermindern.<br />

Die RAG Aktiengesellschaft nimmt für sich in Anspruch, über das Know-how für saubere<br />

und zukunftsfähige Technologien rund um Bergbau und Kraftwirtschaft zu verfügen. Wir<br />

versuchen die Chance zu nutzen, die Erfahrungen, die im Umfeld des deutschen Steinkohlenbergbaus<br />

gemacht wurden, weltweit einzusetzen und damit auch einen Beitrag<br />

zu einer global nachhaltigen Energiepolitik zu leisten.<br />

103


Workshop II<br />

Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

Heinrich Lohmann<br />

CEO Umweltkontor AG<br />

• Umweltkontor Renewable Energy AG<br />

• Wachstumsmarkt Erneuerbare Energien<br />

• Grundsätze der nachhaltigen Energieversorgung<br />

• Erneuerbare Energien Gesetz<br />

• Erneuerbare Energien und flexible Instrumente<br />

• Schlussbetrachtung<br />

104


Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

105


Workshop II<br />

Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

Heinrich Lohmann<br />

106


Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

107


Workshop II<br />

Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

Heinrich Lohmann<br />

108


Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

109


Workshop II<br />

Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

Heinrich Lohmann<br />

110


Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

111


Workshop II<br />

Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

Heinrich Lohmann<br />

112


Perspektiven für den Ausbau Erneuerbarer Energien<br />

durch flexible Instrumente<br />

113


Workshop II<br />

Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

Klaus Dieter Rennert, Vorsitzender der<br />

Geschäftsführung Babcock Borsig Power<br />

Energy GmbH<br />

114


Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

115


Workshop II<br />

Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

116


Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

117


Workshop II<br />

Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

Fortschritte in der Kraftwerkstechnik - Lösungsansatz zur CO 2 -Emissionsbegrenzung<br />

118


Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

119


Workshop II<br />

Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

120


Neue Impulse für den Kraftwerksbau durch<br />

flexible Instrumente<br />

121


Workshop III<br />

Unterstützung der<br />

marktorientierten<br />

Instrumente durch<br />

öffentliche<br />

Institutionen<br />

Moderation:<br />

Delia Villagrasa<br />

122


Workshop III<br />

Der "Hessen-Tender"<br />

- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

Rüdiger Schweer,<br />

Referatsleiter Klimaschutz<br />

Hessisches Ministerium für Umwelt,<br />

Landwirtschaft und Forsten<br />

1. Der Hintergrund für die hessische Marktinitiative zum Emissionshandel<br />

Der Handel mit Treibhausgasen stellt im Kyoto Protokoll neben den Mechanismen des<br />

"Joint Implementation" und dem "Clean Development Mechanismen" eine tragende Säule<br />

für eine marktorientierte Klimaschutzpolitik dar. Die Beratungen im Bundesrat und Bundestag<br />

zum Ratifizierungsgesetz ergaben, wie auch im EU-Ministerrat, ein einheitliches<br />

Votum für die jetzt geplante Ratifizierung des Kyoto Protokolls. Gleichzeitig will die EU<br />

im 6. Rahmenprogramm zur Umweltpolitik den Klimaschutz als eine zentrale Zukunftsaufgabe<br />

aufnehmen.<br />

Dabei will die EU auch den Emissionshandel als wesentliches Instrument für einen wirtschaftlichen<br />

und kostengünstigen Klimaschutz verankern Voraussichtlich werden die EU<br />

und die Bundesrepublik das Kyoto Protokoll noch in diesem Jahr ratifizieren.<br />

Nach der Veröffentlichung des Grünbuchs der EU zum Emissionshandel (April 2000)<br />

und den Vorbereitungen für eine entsprechende EG Richtlinie (23.10.2001) ist eine Verabschiedung<br />

unter der dänischen Präsidentschaft bis Ende 2002 wahrscheinlich. Der<br />

EU-Richtlinienentwurf zum Handel mit Emissionsberechtigungen für Treibhausgase<br />

sieht vor, dass energieintensive Betriebe (Raffinerien, Stahl, Zement, Keramik, Ziegel,<br />

Glas, Papier und Zellstoff) sowie Anlagen der Energiewirtschaft ab 20 MW Feuerungswärmeleistungen<br />

in einen europaweiten Emissionshandel einbezogen werden. Die EU<br />

Richtlinie zum Emissionshandel soll bis Ende 2003 in nationales Recht umgesetzt sein<br />

und Anfang 2005 in Kraft treten.<br />

Emissionshandel, wie er heute bereits bei Unternehmen wie BP und Shell praktiziert<br />

wird, kann zu niedrigsten Grenzkosten (ca. 8 bis 12 USD / t CO 2 bei BP, wobei durchschnittliche<br />

Vermeidungskosten in Europa bei ca. 70 bis 100 USD / t CO 2 liegen) CO 2 -<br />

Vermeidungsmaßnahmen bereitstellen. Diese in der ökonomischen Theorie seit den<br />

70iger Jahren empfohlene Orientierung für einen marktwirtschaftlich organisierten Umweltschutz<br />

wurde in verschiedenen Studien der EU untermauert. Demnach soll der<br />

Emissionshandel um ca. 25% geringere volkswirtschaftliche Kosten verursachen, als<br />

vergleichbare ordnungs- oder steuerrechtliche Instrumente.<br />

Der Emissionshandel mit dem Treibhausgas CO 2 wird derzeit in Großbritannien und Dänemark<br />

praktisch erprobt. In Großbritannien wird der Emissionshandel in zwei Sparten aufgebaut.<br />

In einer Auktion von 215 Mio Pfund verpflichten sich 34 Unternehmen (darunter<br />

Blue Circle (Zement), British Airways, BP, Dalkia, Dupont (Chemie), Ford, Motorola,<br />

Rolls-Royce, Shell, UK Coal Mining, etc.) gegenüber der Regierung zur Vermeidung von<br />

ca. 4 Mio Tonnen CO 2 bis 2006. Hierfür akzeptieren die Unternehmen ein individuelles<br />

"cap". In einem zweiten Strang können Unternehmen einen 80% Nachlass auf die<br />

123


Workshop III<br />

Der "Hessen-Tender"<br />

- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

Rüdiger Schweer<br />

"climate change levy" (Klimaschutzabgabe) erhalten, wenn sie sich am Emissionshandel<br />

beteiligen. Hier können auch spezifische Minderungen, die jährlich abgerechnet werden,<br />

vereinbart werden. Nähere Informationen hierzu über www. defra.gov.uk. In Dänemark<br />

beteiligen sich neun Energieversorger an einer gemeinsamen Selbstverpflichtung mit<br />

Emissionshandelsaustausch. In den Niederlanden, Frankreich und Norwegen werden<br />

Emissionshandelsinitiativen vorbereitet. In der Bundesrepublik will eine nationale Emissionshandelsgruppe<br />

der Bundesregierung unter Beteiligung von 30 Unternehmen, 9 Industrieverbänden<br />

und den Landesregierungen aus Rheinland-Pfalz und Hessen einen<br />

Handlungsrahmen für die Einführung eines Emissionshandelssystems vorlegen.<br />

Nach Ansicht von Experten ergeben sich für Dienstleister und Technologieunternehmen<br />

attraktive Geschäftschancen. Auch Unternehmen im energieintensiven Bereich können<br />

bei richtiger Ausgestaltung der Instrumente durch vorausschauendes Handeln profitieren.<br />

Nach verschiedenen Quellen soll der weltweite Markt für CO 2 -Zertifikate bis 2010<br />

ein Volumen von 30 bis 100 Mdr. USD erreichen können. Voraussetzung hierfür wäre allerdings<br />

auch die Teilnahme der USA und Ausstraliens.<br />

Entscheidend für die Entwicklung eines funktionsfähigen Marktes ist die vernünftige<br />

Ausgestaltung des EU- Richtlinienentwurfs zum Handel mit Emissionsrechten für Treibhausgase,<br />

in Vorbereitung eines Handels mit Emissionsrechten und garantierten Emissionsminderungen<br />

zwischen Staaten und Unternehmen ab 2008. Hier wird innerhalb<br />

der EU besonderer Wert auf eine Harmonisierung der nationalen Systeme zu legen<br />

sein, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.<br />

Wichtig sind insbesondere allgemeine Grundlagen für die Erstzuteilung von Zertifikaten<br />

unter Berücksichtigung von Vorleistungen, die eine verteilungsgerechte Anreizstruktur<br />

mit Transparenz und Akzeptanz verbinden. Die kritischen Äußerungen von BDI und VCI<br />

zum EU Richtlinienentwurf sind insoweit verständlich, als in diesen wesentlichen Punkten<br />

noch erhebliche Spielräume für die Mitgliedstaaten vorhanden sind. Unter dem<br />

Aspekt der großen Vorleistungen (die Bundesrepublik stellt ca. 70% der CO 2 Minderungen<br />

im "burden sharing") sollte nicht nur ein frühes Basijahr (1990 bis 1992) berücksichtigt<br />

werden und der sofortige Einbezug von JI und CDM, sondern auch die Möglichkeit<br />

weiterer kostenfreier Zuteilungen an Zertifikaten in Mitgliedstaaten, die ihre Kyoto<br />

Verpflichtungen bereits weitgehend erfüllt haben. Für Branchen mit nachweislich erfüllten<br />

Selbstverpflichtungen sollten konditionierte "opt in / opt out" Lösungen bestehen.<br />

Die Einbettung in nationale und internationalen Klimaschutzinstrumente sowie die Harmonisierung<br />

der Allokations-, Transaktions-, und Nachweisregeln muss in einer Pilotphase<br />

sorgfältig erprobt werden.<br />

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Emissionshandel im Wesentlichen auf<br />

freiwilliger Beteiligung der Wirtschaft und der wesentlichen Akteure beruhen sollte. Voraussetzung<br />

ist die Akzeptanz und die realitätsnahe Durchführung von Projekten, die in<br />

einer tatsächlichen CO 2 -Vermeidung münden.<br />

124


Der "Hessen-Tender"<br />

- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

2. Hessische Aktivitäten zum Emissionshandel<br />

Das gemeinsam mit der Deutschen Ausgleichsbank und acht hessischen Unternehmen<br />

durchgeführte hessische Planspiel hat positive Ergebnisse für eine Testphase zum<br />

Emissionshandel erbracht. Die Transaktionskosten für einen Einstieg der Unternehmen<br />

in einen CO 2 -Emissionshandel lagen deutlich unter 1% der Energiekosten, die Kaufoptionen<br />

für Zertifikate waren in der Regel erheblich günstiger als die Durchführung von<br />

Maßnahmen am eigenen Standort und mittelständischen Unternehmen könnten bei geeigneter<br />

Standardisierung eine wichtige Rolle spielen.<br />

Acht mittlere und große hessische Unternehmen mit einem Umsatz von 14,5 Mrd. DM<br />

und einem Anteil von ca. 5% der hessischen CO 2 -Emissionen hatten sich an dem Planspiel<br />

beteiligt, einer Gemeinschaftsinitiative des Hessischen Umweltministeriums und<br />

der Deutschen Ausgleichsbank (DtA). Das Planspiel zielte darauf ab, realistische Rahmenbedingungen<br />

für ein funktionierendes Handelssystem zu simulieren und insbesondere<br />

die beteiligten Unternehmen auf der praktischen Ebene für die Teilnahme an einem solchen<br />

System zu befähigen.<br />

Wesentliche Ergebnisse waren:<br />

• erstmals wurde ein Handwerkszeug für konkrete Transaktionen im Emissionshandel<br />

entwickelt und erprobt (Emissionsinventare, Vermeidungsmaßnahmen<br />

und -kosten, Emissionsprognosen und Handlungsstrategien)<br />

• 1,31 Mio. t CO 2 konnten als handelbar erkannt werden (12 Jahre)<br />

• Unternehmen wollen aufgrund des Planspiels ca. 135.000 to/CO 2 auch ohne<br />

Zertifikatehandel einsparen (12 Jahre)<br />

• die Einstiegskosten in ein Handelssystem sind mit < 1% der jährlichen<br />

Energiekosten für die Unternehmen vergleichsweise niedrig ausgefallen<br />

• die Teilnahme an einem Handelssystem ist auch für mittlere Unternehmen<br />

möglich<br />

• in der Spitze fallen im Emissionshandel bis zu 90% geringere Kosten zur<br />

Emissionsvermeidung an als bei Eigenvornahme.<br />

Die beteiligten acht hessischen Unternehmen, darunter der Chemie- und Pharmabetrieb<br />

Merck KG, die kommunalen Stadtwerke ESWE Wiesbaden, der Regionalversorger<br />

HEAG, die Fraport AG, der Windparkentwickler NEVAG und der Baustoffhersteller Knauf<br />

begrüßten die praxisnahe Durchführung des Planspiels.<br />

Projekte zu den Kyoto-Instrumenten (Emissionshandel, Joint Implementation), sollen<br />

weiterhin eine wichtige Rolle in der Hessischen Klimaschutzstrategie spielen. So wird<br />

derzeit mit der Fa. Viessmann ein Projekt zur Sanierung von Heizzentralen in Jaroslawl<br />

(Rußland) durchgeführt, mit dem die Anerkennung als Joint Implementation erprobt<br />

wird.<br />

125


Workshop III<br />

Der "Hessen-Tender"<br />

- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

Rüdiger Schweer<br />

3. Der "Hessen-Tender" - Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

Die Ergebnisse des Planspiels haben das HMULF ermutigt, einen weiteren Schritt zur<br />

Konkretisierung von Handelsaktivitäten zu unternehmen. Das im Planspiel erarbeitete<br />

Handwerkszeug zur Erstellung von Emissionsinventaren und Prognosen soll genutzt<br />

werden, um einen "Hessen-Tender" gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft im<br />

Sommer diesen Jahres aufzulegen. Mit dem Höchster Unternehmen Infraserv aus dem<br />

Bereich der Chemie, mit dem Telekom AG aus dem Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen,<br />

mit der Deutschen Börse / xlaunch AG, der Dresdner Bank AG aus<br />

dem Finanzsektor und dem Kooperationspartner Deutsche Ausgleichsbank als staatlicher<br />

Förderbank ergibt sich eine starke Partnerschaft und ein positiver Impuls für den<br />

Standort Hessen. In dem Ausschreibungsverfahren werden die Partner innerhalb einer<br />

bestimmten Preisspanne garantierte CO 2 Minderungen für einen Fünfjahres-Zeitraum<br />

ab 2005 erwerben.<br />

Das Pilotverfahren soll einen Beitrag zur Erweiterung des Instrumentenkatalogs der<br />

Hessischen Klimapolitik leisten und hessische Unternehmen auf neue umweltpolitische<br />

Entwicklungen sowie die damit verbundenen Geschäftschancen vorbereiten. Der "Hessen-Tender"<br />

stellt als P&D Projekt erstens einen Beitrag zur Verfahrensentwicklung für<br />

Arbeitshilfen in den Bereichen Emissionshandel (ET) und ggf. Joint Implementation (JI)<br />

dar. Zweitens ergibt sich aus dem Ausschreibungsverfahren ein erster Markttest für aktuelle<br />

Zertifikatpreise im Vorfeld eines EU-weiten Emissionshandels.<br />

Für die Landesregierung und die beteiligten Projektpartner besteht darüber hinaus die<br />

Möglichkeit, die in demTender-Verfahren gewonnenen Zertifikate zur Entlastung der jeweiligen<br />

eigenen CO 2 -Bilanz zu verwenden. Die gewonnenen Standards sollen dazu dienen,<br />

die Qualität von CO 2 -Zertifikaten zu sichern und für die praktische Anwendung verfügbar<br />

zu machen. Zur Teilnahme an dem Auktionsverfahren "Hessen- Tender" sind auch<br />

Unternehmen aus anderen Bundesländern eingeladen, wenn sie eine Niederlassung in<br />

Hessen besitzen oder Projekte in Hessen durchführen wollen.<br />

Das Ausschreibungsverfahren im "Hessen-Tender" bezieht sich auf den Erwerb von CO 2 -<br />

Reduktionen in einem Fünfjahres-Zeitraum ab 2005. Die für diesen Zeitraum angebotenen<br />

Mengen sollen innerhalb einer vorgegebenen Preisspanne von 2 EUR bis 10 EUR<br />

nach den günstigsten Geboten erworben werden. Um die Beteiligung auch für KMU<br />

attraktiv zu gestalten, können CO 2 -Vermeidungsmaßnahmen ab 10.000 EUR pro Bieter<br />

angeboten werden. Für JI-Projekte soll ein gewisser Plafond vorgehalten werden. Die<br />

CO 2 -Minderungen müssen mit nachweislichen Investitionen in Anlagen verbunden sein.<br />

Es steht ein Volumen von 1,3 Mio EUR für die Auktion zur Verfügungung. Diese Mittel<br />

wurden zu jeweils ca. 50% von der Wirtschaft und dem hesssichen Umweltministerium<br />

aufgebracht.<br />

126


Der "Hessen-Tender"<br />

- Ausgestaltung der hessischen Marktinitiative für den Kauf von<br />

Emissionsvermeidungszertifikaten<br />

Das Ausschreibungsverfahren richtet sich an hessische Unternehmen oder an Unternehmen<br />

mit Standorten in Hessen oder solche, die von hesssichen Standorten aus JI-Projekte<br />

initiieren. Dem Verfahren wird eine Interessebekundung vorgeschaltet. Die Mindestgröße<br />

für Gebote liegt bei 10.000 EUR, die Höchstgrenze bei 100.000 EUR. Es<br />

werden keine Senkenprojekte aufgekauft, bis der wissenschaftliche Stand der Bewertung<br />

solcher Projekte bezüglich Nachhaltigkeit und Messbarkeit eindeutig geklärt ist.<br />

Im Auktionsverfahren sollen zunächst bis zu 60% der angebotenen CO 2 -Zertifikate pro<br />

Bieter erworben werden. Da 100% der angebotenen Emissionsminderungen zertifiziert<br />

werden, können 40% der Zertifikate als Zukaufsoption an Dritte vom Bieter veräußert<br />

werden. Dieser Käufer hat den Vorteil, schon zertifizierte und validierte CO 2 -Zertifikate<br />

erwerben zu können.<br />

Das Tender-Verfahren orientiert sich an dem niederländischen ERUPT-Programm. Um<br />

Schnittstellen zum JI und der freiwilligen Selbstverpflichtung zu entwickeln, ist bei der<br />

Ausarbeitung der Bewertungskriterien auf die "Zusätzlichkeit" von CO 2 -Vermeidungsmaßnahmen<br />

und die Flexibilität der Standortwahl für die Umsetzung großen Wert zu legen.<br />

Projekte, die bereits nach dem EEG oder anderen nationalen Förderprogrammen<br />

im Rahmen direkter Zuwendungen unterstützt werden, können nur mit einem begrenzten<br />

Teil der erbrachten CO 2 -Minderungsleistung anerkannt werden.<br />

Die Zertifikate zur garantierten CO 2 -Vermeidung unterliegen einer Zertifizierung, Validierung<br />

und einem Monitoring nach internationalen Standards (PCF, ERUPT, UK-ETG,<br />

IETA). Diese Standards zu adaptieren und zu vereinfachen ist eine wesentliche Aufgabe<br />

des Pilotverfahrens.<br />

Die Projektabwicklung teilt sich in die Phasen<br />

• Programmentwurf<br />

• Entwicklung der Ausschreibungsunterlagen<br />

• Ausschreibung und Bewertung der Gebote<br />

• Auktion<br />

• Nachweis und vereinfachtes Monitoring<br />

Die Ausschreibung ist für 06/2002 vorgesehen mit einer Bieterfrist nach einem Interessenbekundungsverfahren.<br />

Nach Prüfung der Gebote kann die Auktion in 12/2002 erfolgen.<br />

In einer Abschlussveranstaltung soll Ende Januar 2003 das Gesamtprojekt mit den<br />

Partnern präsentiert werden.<br />

127


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

Referent der Abtlg. Volkswirtschaft,<br />

Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

Frankfurt a. M.<br />

1 Vorbemerkung<br />

Mit den Fortschritten bei der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und mit dem für 2005<br />

geplanten Start eines europäischen Emissionshandelssystems ist die Einführung des<br />

Emissionshandels in Deutschland und Europa näher gerückt. Der Emissionshandel<br />

stellt für die KfW eine besondere Herausforderungen dar, denn der Klimaschutz ist eine<br />

der zentralen Förderaufgaben und Kompetenzfelder der KfW (Abschnitt 2). Das Instrument<br />

des Emissionshandels ist aus ökonomischer Sicht besonders geeignet, Klimaschutzziele<br />

kosteneffizient und treffsicher zu verfolgen (Abschnitt 3). Dabei kommt der<br />

Ausgestaltung des Handelssystems eine zentrale Bedeutung zu, um alle Kostensenkungspotentiale<br />

erschließen, sinnvolle Investitionsanreize setzen und jede Form von<br />

Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen vermeiden zu können (Abschnitt 4).<br />

Innerhalb eines Emissionshandelssystems bestehen zahlreiche Ansatzpunkte für eine<br />

Förderung von Klimaschutzinvestitionen. Im Mittelpunkt stehen dabei spezielle Klimaschutzfonds<br />

zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften (Abschnitt 5)<br />

und zur Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen am Emissionshandel (Abschnitt 6).<br />

Im Vorfeld des geplanten Emissionshandels bieten sich Pilotprojekte an, um erste Erfahrungen<br />

mit dem neuen Instrument zu sammeln. Die KfW engagiert sich gegenwärtig<br />

im Rahmen eines regionalen Ausschreibungswettbewerbs zur Erzeugung inländischer<br />

Emissionsminderungsgutschriften (Abschnitt 7). Dieses Engagement erlaubt es, Erfahrungen<br />

im Betrieb von Klimaschutzfonds zu sammeln (Abschnitt 8).<br />

2 Klimaschutz: eine zentrale Förderaufgabe der KfW<br />

Die KfW fördert im Rahmen ihrer Kreditprogramme, der Export- und Projektfinanzierung<br />

und der Finanziellen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern Umwelt- und<br />

Klimaschutzmaßnahmen in nahezu allen Sektoren der in- und ausländischen Wirtschaft.<br />

Diese Förderung hat 2001 ein Volumen von 5,6 Mrd EUR angenommen. Davon<br />

entfielen 2,6 Mrd EUR auf inländische Klimaschutzinvestitionen und mehr als 1,1 Mrd<br />

EUR auf Projekte mit starkem Bezug zum Umwelt- und Klimaschutz im Ausland. Dabei<br />

berücksichtigt die KfW auch im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes in besonderem<br />

Maße kleine und mittlere Unternehmen.<br />

Die durch die KfW-Förderung bewirkten CO 2 -Minderungen sind beachtlich, wie das Beispiel<br />

der inländischen Förderprogramme für Energiesparmaßnahmen im Wohnungssektor<br />

zeigt. So wurden mit KfW-Mitteln seit 1990 CO 2 -mindernde Maßnahmen in 1,4 Mio<br />

Wohnungen finanziert. Dadurch wird der jährliche CO 2 -Ausstoß im Wohnungssektor um<br />

mehr als 7 Mio Tonnen pro Jahr reduziert. Zum Vergleich: Um das nationale CO 2 -Minderungsziel<br />

(minus 25% im Jahre 2005 gegenüber 1990) im Haushaltssektor zu erreichen,<br />

müsste der jährliche CO 2 -Ausstoß dort um 32 Mio t verringert werden. Die von der KfW<br />

geförderten Investitionen bewirken somit schon mehr als 20% der notwendigen Reduktion.<br />

128


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

3 Emissionshandel und Klimaschutz<br />

Gerade im Bereich des Klimaschutzes ist eine erfolgreiche Fördertätigkeit an regulatorische<br />

Rahmenbedingungen gebunden. Beispiele hierfür sind das Erneuerbare-Energien-<br />

Gesetz oder die Energieeinsparverordnung in Deutschland. Im Bereich des Klimaschutzes<br />

ist der Emissionshandel ein besonders geeignetes Instrument. Er ist effizient<br />

und grenzüberschreitend. Er ist zudem treffsicher, da die Emissionen direkt durch das<br />

Volumen der ausgegebenen Emissionsberechtigungen begrenzt werden. Eine Verbindung<br />

des Emissionshandels mit den projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls<br />

erlaubt zudem, verstärkt dort Klimaschutzinvestitionen zu fördern, wo sie langfristig<br />

von besonderer Bedeutung sind: in den Entwicklungs- und Transformationsländern,<br />

die künftig den stärksten Zuwachs beim Energiebedarf erwarten lassen.<br />

In welcher Weise die Einrichtung eines Emissionshandelssystems Klimaschutzinvestitionen<br />

fördert, hängt stark von der Ausgestaltung des Handelssystems ab. Gegenwärtig<br />

werden diese Ausgestaltungsmerkmale im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einführung<br />

eines europäischen Emissionshandelssystems diskutiert.<br />

4 Ausgestaltungsmöglichkeiten eines europäischen Emissionshandelssystems<br />

Bei der Ausgestaltung des geplanten europäischen Emissionshandelssystems sind aus<br />

förderpolitischer Sicht folgende Aspekte von besonderer Bedeutung:<br />

4.1 Beitrittsoption für kleine und mittlere Unternehmen<br />

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen jederzeit dem Emissionshandelssystem<br />

auf freiwilliger Basis beitreten können. Für Unternehmen, die mit künftigen Emissionsreduktionen<br />

aufgrund von Veränderungen ihrer Geschäftstätigkeiten, dem Einsatz neuer<br />

Techniken oder anderer Brennstoffe rechnen sowie für Unternehmen mit einem hohen<br />

Potential an kostengünstigen Klimaschutzmaßnahmen bietet die Teilnahme am Emissionshandel<br />

wirtschaftliche Chancen. Wird den KMU, die vom Emissionshandel unmittelbar<br />

profitieren können, die freiwillige Teilnahme am Handelssystem verweigert, werden<br />

sie relativ zu ähnlich positionierten Großunternehmen schlechter gestellt.<br />

Die EU-Kommission sieht den Emissionshandel als Teil einer klimapolitischen Gesamtstrategie<br />

an, nach der nicht vom Handel erfasste Unternehmen oder Sektoren vergleichbar<br />

belastet werden sollen. Daher könnten bei Einführung entsprechender Regelungen<br />

(Steuern oder verschärfte ordnungsrechtliche Vorschriften) KMU selbst dann von einer<br />

Beteiligung am Emissionshandel profitieren, wenn ihnen hierdurch Kosten entstehen.<br />

Das ist immer dann der Fall, wenn diese Kosten niedriger sind als die Kosten, die alternativ<br />

zum Emissionshandel bestehende ordnungsrechtliche oder steuerliche Regelungen<br />

verursachen.<br />

Nachteile für KMU könnten auch entstehen, wenn für am Emissionshandel beteiligte<br />

Unternehmen Sonderregelungen bei steuerlichen oder ordnungsrechtlichen Vorschrif-<br />

129


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

ten, wie zum Beispiel weitere Nachlässe bei der Ökosteuer, gewährt würden. Ein freiwilliges<br />

Beitrittsrecht für KMU zum Emissionshandelssystem schließt diese Möglichkeiten<br />

der Diskriminierung aus.<br />

Die gleichen Argumente sind auch für alle Unternehmen relevant, die von der EU-Kommission<br />

wegen ihrer Branchenzugehörigkeit nicht für den Emissionshandel vorgesehen<br />

sind. Daher sollte auch für diese Unternehmen die Beitrittsoption gelten.<br />

4.2 Beteiligung des Haushalts- und Verkehrssektors am Emissionshandel<br />

Eine Integration des Haushalts- und Verkehrssektors in das Emissionshandelssystem ist<br />

aus Gründen der Kosteneffizienz wünschenswert. Eine unmittelbare Zuteilung von Treibhausgasemissionsberechtigungen<br />

ist für Haushalte und Emissionsquellen im Verkehrssektor<br />

aber nicht praktikabel.<br />

Häufig wird daher vorgeschlagen, stellvertretend Produzenten oder Lieferanten fossiler<br />

Brennstoffe am Emissionshandel zu beteiligen. Diese Unternehmen würden die ihnen<br />

entstehenden Kosten für den Erwerb der Emissionsrechte auf die Endverbraucher abwälzen.<br />

Durch dieses Preissignal erhielten dann Haushalte und Verkehrsteilnehmer ähnlich<br />

wie bei einer Steuer Anreize zum Energiesparen. Ein solcher up-stream-Ansatz wäre<br />

jedoch einer direkt wirkenden Steuer unterlegen, da er nicht bei den Akteuren ansetzen<br />

würde, die tatsächlich über Energiesparmaßnahmen entscheiden. Stattdessen würden<br />

vorgelagerten Produzenten oder Lieferanten Handlungsoptionen eingeräumt werden,<br />

wie zum Beispiel die Möglichkeit Emissionsrechte anzusparen, über die sie losgelöst<br />

von Klimaschutzaspekten entscheiden könnten.<br />

Eine Alternative zur direkten oder indirekten Beteiligung des Haushalts- und Verkehrssektors<br />

am Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen bietet die Möglichkeit,<br />

Emissionsminderungsgutschriften aus diesen Sektoren in das Handelssystem zu integrieren.<br />

Dies könnte analog zur Integration der projektbezogenen Kyoto-Mechanismen<br />

CDM und JI erfolgen. Hierdurch würden unmittelbar Klimaschutzprojekte im Haushaltsund<br />

Verkehrssektor angeregt und es könnte eine Kostenentlastung bei den Unternehmen<br />

erreicht werden, die am Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen beteiligt<br />

sind. Ihnen würde die zusätzliche Option eröffnet, inländische Emissionsminderungsgutschriften<br />

zu erwerben.<br />

Die Zulassung inländischer Emissionsminderungsgutschriften ist weiterhin aus Wettbewerbsgründen<br />

geboten, wenn das Emissionshandelssystem für CDM- und JI-Zertifikate<br />

geöffnet wird. Ansonsten entstünden willkürliche Beschränkungen der Handlungsoptionen.<br />

So könnte beispielsweise ein deutsches Unternehmen JI-Zertifikate aus einem Projekt<br />

zur energetischen Wohnraumsanierung in Frankreich zukaufen, nicht aber aus einem<br />

ähnlichen Projekt in Deutschland. Es ist offensichtlich, dass sich gerade für die großen<br />

130


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Länder Nachteile ergäben, wenn im Rahmen von inländischen Klimaschutzprojekten erzeugte<br />

Emissionsminderungsgutschriften nur von ausländischen Käufern verwertet werden<br />

könnten.<br />

4.3 Integration der projektbasierten Kyoto-Mechanismen CDM und JI ab 2005<br />

Die projektbezogenen Kyoto-Mechanismen CDM und JI sollten von Anfang (2005) an<br />

vollständig in das Emissionshandelssystem integriert werden. Alle Teilnehmer des Handelssystems<br />

hätten dann die Möglichkeit, alternativ zu Emissionsberechtigungen Emissionsminderungsgutschriften<br />

aus CDM- oder JI-Projekten zur Deckung ihrer Emissionsaktivität<br />

zu verwenden oder zu handeln.<br />

Diese Regelung eröffnet zusätzliche Kostensenkungspotentiale. Sie erhöht damit die<br />

Akzeptanz des Emissionshandelssystems durch die europäische Wirtschaft und stärkt<br />

deren Position im internationalen Wettbewerb. Gleichzeitig fördern die projektbezogenen<br />

Mechanismen Investitionen in Energiesparmaßnahmen und in eine klimaschonende Energieversorgung<br />

in Entwicklungs- und Transformationsländern. Dadurch können dort,<br />

wo sonst die stärksten Zuwachsraten bei Treibhausgasemissionen zu erwarten wären,<br />

die Grundsteine für eine klimaschonende Energiewirtschaft gelegt werden.<br />

4.4 Teilnahmeoption für die EU-Beitrittskandidaten<br />

Der Richtlinienentwurf der Kommission sieht vor, dass die Gemeinschaft Vereinbarungen<br />

über die gegenseitige Anerkennung von Treibhausgasemissionsberechtigungen mit<br />

Drittstaaten schließen kann. Für Länder, die zum Startzeitpunkt des Emissionshandelssystems<br />

2005 im Aufnahmeprozess zur Gemeinschaft stehen, sollte jedoch zusätzlich<br />

ein Beitrittsrecht zum Handelssystem eingeführt werden. Dies würde erlauben, den<br />

Emissionshandel unmittelbar auszuweiten und die Anzahl der vorhandenen Emissionsminderungsoptionen<br />

zu erhöhen. Damit könnte ein weiterer Beitrag zur Kostenreduktion<br />

geleistet werden.<br />

Klimaschutzinvestitionen zur Erzeugung von CO 2 -Minderungsgutschriften und insbesondere<br />

die Teilnahme von KMU am Emissionshandel können gezielt gefördert werden.<br />

Hierzu bieten sich spezielle Klimaschutzfonds an.<br />

5 Klimaschutzfonds zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

Zertifikate in Form von Emissionsminderungsgutschriften aus JI- und CDM-Projekten<br />

oder aus inländischen Klimaschutzprojekten können durch spezielle Klimaschutzfonds<br />

erwirtschaftet werden. Diese Fondslösungen bieten gegenüber der Durchführung isolierter<br />

Einzelprojekte Vorteile und können je nach Entwicklungsstand der Zertifikatemärkte<br />

unterschiedlich ausgestaltet werden. Bevor auf diese Ausgestaltungsmöglichkeiten eingegangen<br />

wird, soll zunächst das Grundprinzip der Erzeugung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

skizziert werden.<br />

131


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

5.1 Das Grundprinzip der Erzeugung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

Ein Projekt kann nur dann Zertifikate erzeugen, wenn es relativ zu einem Referenzszenario<br />

Treibhausgasminderungen bewirkt. Beispielsweise könnte das Referenzprojekt für<br />

einen Windpark ein Kraftwerk zur Verfeuerung fossiler Brennstoffe mit gleichem Stromertrag<br />

sein. Der CO 2 -Ausstoß dieses Kraftwerks definiert die sogenannte baseline, mit<br />

der der CO 2 -Ausstoß des Windparks (er dürfte nahe Null liegen) verglichen wird. Die<br />

relativ zum Kraftwerksbetrieb eingesparten Emissionen werden regelmäßig festgestellt<br />

und zertifiziert. Sie bilden die mit dem Projekt erzeugten Emissionsminderungsgutschriften.<br />

Dieser Vorgang ist durchaus aufwendig. Zunächst muss die für das Klimaschutzprojekt<br />

geeignete baseline gefunden und von unabhängigen Gutachtern bestätigt (validiert)<br />

werden. Im zweiten Schritt sind die relativ zur baseline eingetreten Minderungen zu<br />

messen. Im Beispiel des Windparks hängen Sie von der jährlichen Stromproduktion des<br />

Parks ab. Die ermittelten Minderungen müssen wiederum von einer unabhängigen Partei<br />

verifiziert und zertifiziert werden. Bei CDM- und JI-Projekten müssen weiterhin Genehmigungen<br />

bei den betroffenen Ländern eingeholt werden. Sie sind die Voraussetzung<br />

für die Anerkennung der Minderungsgutschriften als international handelbare JIoder<br />

CDM-Zertifikate.<br />

Die durch diesen Prozess bedingten Transaktionskosten sind für ein Einzelprojekt beträchtlich.<br />

Die Bündelung mehrerer Projekte in einem Fonds erlaubt es, economies of<br />

scale in diesem Bereich zu realisieren. Das in einem Fonds vorhandene Portfolio an Projekten<br />

unterschiedlichen Typs in unterschiedlichen Ländern (bei CDM und JI) ermöglicht<br />

es aber auch, die Risiken für die Investoren zu mindern. Sie hängen nicht länger<br />

vom Erfolg nur eines Projekts ab, vielmehr stammen die erwirtschafteten Zertifikaten<br />

aus einer größeren Anzahl von Quellen. Diese Aspekte der Transaktionskostenminderung<br />

und der Risikodiversifikation sprechen für Fondslösungen zur Erwirtschaftung von<br />

Emissionsminderungsgutschriften.<br />

* Klimaschutzprojekte weisen dagegen typischerweise<br />

niedrigere Betriebskosten als ihre Referenzprojekte auf<br />

(Einsparung bei fossilen Brennstoffen bei Projekten im<br />

Bereich erneuerbarer Energien, Einsparung von Strom oder<br />

Wärmebedarf bei Energieeffizienzmaßnahmen).<br />

Diese Einsparungen können jedoch in den meisten Fällen<br />

nicht die anfänglich höheren Investitionskosten decken,<br />

müssen aber mit diesen verrechnet werden.<br />

Die Zusatzkosten eines Klimaschutzprojekts ergeben sich<br />

daher wie folgt: Investitionsmehrkosten + spezifische<br />

Transaktionskosten für die Validierung, Verifizierung und<br />

Zertifizierung – Gegenwartswert der eingesparten<br />

Betriebskosten.<br />

Typischerweise sind Projekte zur Erwirtschaftung von Minderungsgutschriften teurer als<br />

die jeweiligen Referenzprojekte. Diese Mehrkosten können als Zusatzkosten<br />

der Klimaschutzmaßnahmen relativ zu den Kosten der Referenzprojekte,<br />

den Basiskosten, verstanden werden. Die Zusatzkosten fallen in<br />

den meisten Fällen in Form höherer anfänglicher Investitionskosten an,<br />

wie das Beispiel Windpark versus konventionelles Kraftwerk verdeutlicht.*<br />

Damit ein Klimaschutzprojekt wirtschaftlich ist, müssen aus dem Verkauf<br />

der Zertifikate ausreichend Erlöse erzielt werden, um die Zusatzkosten<br />

zu decken. Inwieweit das möglich ist, hängt einerseits vom<br />

132


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Marktpreis der Zertifikate und andererseits von der Menge der mit dem Projekt erzeugten<br />

Minderungsgutschriften ab. Grundsätzlich ist es aber gerade die Funktion der Zertifikate,<br />

die Zusatzkosten von Klimaschutzmaßnahmen zu decken. Zertifikate sind daher<br />

ein Instrument der Projektfinanzierung. Sie erlauben allerdings lediglich die Zusatzkosten<br />

eines Klimaschutzprojekts zu finanzieren, nicht aber die Basiskosten. Die Basiskosten<br />

können demgegenüber durch traditionelle Finanzierungsformen abgedeckt werden.<br />

Alternativ ist eine kombinierte Finanzierung von Zusatzkosten und Basiskosten in Form<br />

einer Vollfinanzierung möglich. Entsprechend dieser Unterscheidung lassen sich Zusatzkostenfinanzierungsfonds<br />

und Vollkostenfinanzierungsfonds konstruieren.<br />

5.2 Zusatzkostenfinanzierungsfonds<br />

Ein Zusatzkostenfonds ist dadurch charakterisiert, dass die Summe seiner Projektfinanzierungsbeiträge<br />

der Summe der Fondsmittel entspricht, die die Anteilseigner dem<br />

Fonds für den Zertifikatekauf bereitstellen. Finanzierung erfolgt also durch Zertifikatekauf.<br />

Die Käufer sind identisch mit den Anteilseignern des Fonds.<br />

Solche Fonds werden bereits in der Praxis betrieben. So kauft der PCF der Weltbank<br />

Emissionsminderungsgutschriften für Pionierunternehmen und -institutionen, die dem<br />

Fonds zu diesem Zweck Mittel bereitstellen. In ähnlicher Weise kauft die niederländische<br />

Regierung im Rahmen des ERUPT-Programms Zertifikate aus Haushaltsmitteln.<br />

An einem Pilotfonds diesen Typs zum Erwerb inländischer Minderungsgutschriften ist<br />

die KfW beteiligt (siehe Abschnitt 7).<br />

Der Betrieb eines Zusatzkostenfonds kann beispielsweise wie folgt aussehen: Die Anteilseigner<br />

verpflichten sich, einen bestimmten Geldbetrag bereitzustellen. Das kann<br />

beispielsweise durch die vertragliche Verpflichtung erfolgen, in einem 5-Jahreszeitraum<br />

alle angebotenen Emissionsminderungsgutschriften zu einem Preis bis 5 EUR/t-CO 2<br />

aufzukaufen, bis ein Betrag von 1 Mio EUR erreicht ist. Eventuell müsste der Fonds zusätzlich<br />

einen sofort zahlbaren Transaktionskostenbeitrag erheben. Aus diesen Mitteln<br />

lassen sich die Zusatzkosten ausgewählter Klimaschutzprojekte finanzieren. Dabei können<br />

nur Projekte zum Zuge kommen, die mit einen Aufkauf ihrer CO 2 -Minderungen zu<br />

einem Preis von maximal 5 EUR/t-CO 2 die Rentabilitätsschwelle erreichen. Solche Projekte<br />

können im Rahmen einer Ausschreibung eingeworben werden.<br />

Im Gegenzug zum Finanzierungsbeitrag verpflichten sich die Betreiber der Klimaschutzprojekte,<br />

festgelegte Mengen an CO 2 -Minderungen an den Fonds zu liefern. Für<br />

Ausfälle tragen die Betreiber das Risiko, indem Sie beispielsweise für ausbleibende Zertifikate<br />

ein monetäres Äquivalent zu zahlen haben. Die Risiken der weiteren Zertifikatenutzung<br />

oder -verwertung liegt dagegen ausschließlich bei den Anteilseignern des<br />

Fonds. Diese bekommen die Zertifikaten im Verhältnis zu ihrem Finanzierungsbeitrag<br />

ausgeschüttet.<br />

133


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

Solange keine liquiden Märkte für Emissionsminderungsgutschriften existieren, können<br />

die Zertifikate nur durch Verkauf an eine vorab organisierte Käufergemeinschaft verwertet<br />

werden. Gerade das kann ein Zusatzkostenfonds sicherstellen. Er ist daher das relevante<br />

Fondsmodell in der Vorphase zum eigentlichen Emissionshandel, in der lediglich<br />

Staaten (wie im niederländischen ERUPT-Programm) oder Pionierunternehmen und<br />

-institutionen (wie beim PCF der Weltbank) Emissionsminderungsgutschriften erwerben.<br />

Der Zusatzkostenfonds hat aber auch eine Reihe von Nachteilen. Für die Betreiber der<br />

Klimaschutzprojekte bietet er nur eine Teilfinanzierung ihrer Investitionskosten. Die Basiskosten,<br />

der typischerweise weit größere Kostenanteil, wird nicht abgedeckt. Hierfür<br />

muss der Betreiber eine Ergänzungsfinanzierung suchen. Eine Finanzierungslücke entsteht<br />

zunächst sogar bei den Zusatzkosten. Das ergibt sich, weil die Zertifikate erst im<br />

Zeitablauf anfallen, die Zusatzkosten aber zu Beginn des Projekts. Diese Schwierigkeit<br />

erfordert besondere Konstruktionen wie Vorabzahlungen oder Vorfinanzierungsdarlehen.<br />

Wenn der Fonds von einem Finanzdienstleister betrieben wird, der im Bereich der<br />

Projektfinanzierung aktiv ist, können allerdings Synergien bei der Kreditvergabe genutzt<br />

werden. Das spricht dafür, dass ein Finanzinstitut mit entsprechender Geschäftstradition<br />

im Bereich der Finanzierung von Klimaschutzprojekten einen Zusatzkostenfonds betreibt.<br />

Auf der Seite der Zertifikatekäufer ergibt sich beim Zusatzkostenmodell eine vertragliche<br />

Bindung an die Projekte des Fonds. Es ist daher zweifelhaft, ob sich bei entwickelten<br />

Zertifikatemärkten, wenn Zertifikate am Markt gekauft werden können, Anteilseigner an<br />

einem Zusatzkostenfonds fänden. Für entwickelte Zertifikatemärkte bietet sich daher<br />

ein anderes Fondsmodell an, das zudem die Finanzierungssituation für die Investoren<br />

verbessern würde.<br />

5.3 Vollkostenfinanzierungsfonds<br />

Auch ein Vollkostenfinanzierungsfonds dient der Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

und vergibt Mittel zur Finanzierung von Klimaschutzinvestitionen. Es<br />

bestehen jedoch wesentliche Unterschiede zum Zusatzkostenfinanzierungsmodell.<br />

Bei einem Vollkostenfonds besteht keine vorab vertraglich gebundene Käufergemeinschaft<br />

für die Zertifikate. Der Fonds verkauft die Zertifikate am Markt. Die Einleger des<br />

Fonds sind dementsprechend keine Zertifikatekäufer, sondern Kapitalmarktakteure, die<br />

bereit sind, in das Geschäft der Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

zu investieren. Die einwerbbaren Mittel sind daher auch nicht auf das monetäre Äquivalent<br />

der Zertifikate begrenzt. Der Fonds ist dadurch in seinem Finanzierungsbeitrag<br />

nicht auf die Zusatzkosten der Klimaschutzprojekte beschränkt. Im Interesse der Investoren<br />

(Betreiber) würde der Finanzierungsanteil beim Vollkostenmodell vielmehr auf<br />

134


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

die gesamten Investitionskosten (abzüglich eines marktüblichen Eigenkapitalanteils)<br />

ausgedehnt. Diese Gesamtkostenfinanzierung ist gerade bei Klimaschutzprojekten<br />

wichtig, da diese typischerweise hohe anfängliche Investitionskosten bei relativ geringen<br />

Betriebskosten aufweisen.<br />

Die Projektfinanzierung aus einem Vollkostenfonds ließe sich beispielsweise wie folgt<br />

gestalten: Der Betreiber des Klimaschutzprojekts erhält ein langfristiges Darlehen mit<br />

einer Zinsverbilligung. Dieses Darlehen wird aus den Erlösen getilgt, die sich mit dem<br />

Projekt bzw. dessen Basiskomponente (beispielsweise Stromproduktion bei einem<br />

Windpark) erwirtschaften lassen. Zusätzlich tritt der Investor als Gegenleistung zur<br />

Zinsverbilligung die mit dem Projekt generierten Emissionsminderungsgutschriften an<br />

den Fonds ab. Diese Zertifikate werden am Markt verkauft. Aus den Erlösen wird die<br />

Zinsverbilligung finanziert. Wenn die vereinbarte Menge an Zertifikaten nicht geliefert<br />

werden kann, reduziert sich die Zinsverbilligung des Darlehens gemäß eines festgelegten<br />

Verrechnungspreises für die Zertifikate. Durch diese Konstruktion lässt sich für den<br />

Betreiber das Risiko reduzieren, das ihm sonst entstehen würde, wenn die Menge der<br />

zertifizierungsfähigen Emissionsminderungen hinter den Erwartungen zurückbleibt<br />

(beispielsweise aufgrund einer Verschiebung der baseline im Zeitablauf).<br />

Zur Refinanzierung des Fonds wird der Kapitalmarkt in Anspruch genommen. Das kann<br />

prinzipiell durch Emission geeigneter Fremdkapitaltitel, durch Eigenkapitalbeteiligungen<br />

oder in Form eines geschlossenen Fonds erfolgen, bei dem die Anteilseigner direkt<br />

zu Gesellschaftern werden. In allen Fällen erhalten sie für ihr Engagement eine Rendite,<br />

die sich einerseits aus den monetären Zahlungen der Projektbetreiber und andererseits<br />

aus den Zertifikateerlösen speist. Das Risiko der Vermarktung der Zertifikate liegt dabei<br />

bei den Anteilseignern des Fonds oder den entsprechenden Fremdkapitalgebern.<br />

Für entwickelte Zertifikatemärkte bietet der Vollkostenfonds Vorteile gegenüber der Zusatzkostenvariante.<br />

Das gilt für die Betreiber, die von einem höheren Finanzierungsanteil<br />

ihrer Investitionskosten und von einer Reduktion ihres Zertifikatelieferrisikos profitieren,<br />

wie für die Käufer der Zertifikate, die sich nicht vertraglich an bestimmte Projekte<br />

binden müssen. In einer Situation, in der noch keine ausreichend liquiden<br />

Zertifikatemärkte existieren, ist jedoch ausschließlich das Zusatzkostenmodell praktikabel.<br />

Es ist besonders geeignet für Pilotprojekte, um Erfahrungen mit dem Instrument<br />

der Emissionsminderungsgutschriften zu sammeln.<br />

Sowohl das Zusatzkosten- als auch das Vollkostenfondsmodell ist nicht nur für die Erwirtschaftung<br />

von CDM- und JI-Zertifikate verwendbar, sondern kommt auch im Bereich<br />

inländischer Emissionsminderungsgutschriften in Frage. So ist das in Abschnitt 7 dargestellte<br />

Pilotprojekt ein Beispiel für einen Zusatzkostenfonds zur Erwirtschaftung inländischer<br />

Emissionsminderungsgutschriften. Bevor auf dieses Projekt eingegangen<br />

wird, sollen jedoch zunächst mögliche Fondslösungen zur Integration von KMU in den<br />

Emissionshandel skizziert werden.<br />

135


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

6 Fonds zur Integration von KMU in den Emissionshandel<br />

Die bereits dargestellten Fonds zur Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

lassen sich grundsätzlich auch nutzen, um gezielt Klimaschutzinvestitionen durch KMU<br />

zu fördern. Hierzu muss lediglich die Investitionspolitik des Fonds entsprechend festgelegt<br />

werden. Konkret hieße das, Fondsmittel speziell für kleinere Klimaschutzprojekte<br />

auszuschreiben oder festzulegen, dass nur Unternehmen mit einem Jahresumsatz, der<br />

unterhalb eines festgelegten Maximalwerts liegt, durch den Fonds gefördert werden.<br />

Bei einem Fonds zur Erwirtschaftung von JI- oder CDM-Emissionsgutschriften durch<br />

KMU müssten diese Klimaschutzprojekte im Ausland durchführen. Ein solcher Fonds<br />

hätte als Nebeneffekt eine spezielle Exportförderung im Bereich des Mittelstands.<br />

Theoretisch können auch inländische Klimaschutzmaßnahmen von KMU als JI-Projekte<br />

durchgeführt werden, wenn sich für die dabei erwirtschafteten Zertifikate ein ausländischer<br />

Käufer findet. Denkbar wäre auch in Kooperation mit einem ausländischen Fonds<br />

inländische KMU-Zertifikate in JI-Zertifikate zu verwandeln, wenn im Gegenzug Inlandszertifikate<br />

des Partnerfonds übernommen würden. Diese Konstruktionen sind jedoch<br />

zwangsläufig mit hohen Transaktionskosten verbunden. An dieser Stelle zeigt sich erneut<br />

die unsystematische Segmentierung des Handelsraums der Zertifikate, die entsteht,<br />

wenn keine inländischen Emissionsminderungsgutschriften anerkannt werden,<br />

wenn also die Definition der Zertifizierungsfähigkeit der projektbezogenen Emissionsminderungen<br />

nicht anhand technischer sondern geographischer Kriterien hinsichtlich<br />

der beteiligten Geschäftspartner erfolgt.<br />

Wenn auf eine Einbindung in die Kyoto-Mechanismen JI und CDM verzichtet wird, können<br />

inländische Klimaschutzmaßnahmen von KMU auch direkt gefördert werden. Solange<br />

Inlandszertifikate jedoch nicht im Rahmen des geplanten europäischen Emissionshandelssystems<br />

genutzt werden können, sind solche Fonds lediglich aus öffentlichen Mitteln<br />

oder durch Sponsoren zu finanzieren. Sie sind daher auch nur gemäß des Zusatzkostenfinanzierungsmodells<br />

möglich. Der in Abschnitt 7 beschriebene Pilotfonds bildet<br />

beispielsweise auch ein Muster für einen inländischen KMU-Fonds.<br />

Unabhängig vom Rückgriff auf Emissionsminderungsgutschriften könnten KMU jedoch<br />

auch direkt an einem Handel mit Emissionsrechten nach dem cap-and-trade-Typ beteiligt<br />

werden. Das ist im Rahmen des geplanten europäischen Emissionshandelssystems<br />

möglich, wenn ein freiwilliges Beitrittsrecht für KMU eingeführt wird (siehe oben). In<br />

diesem Fall sind Fondslösungen denkbar, die den KMU den Beitritt zum Emissionshandelssystem<br />

erleichtern. Solche KMU-Partizipationsfonds haben nicht Emissionsminderungsgutschriften<br />

sondern Emissionsrechte (Treibhausgasemissionsberechtigungen)<br />

zum Gegenstand.<br />

136


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Ein KMU-Partizipationsfonds schafft einen Verbund mehrerer KMU, die dem Handelssystem<br />

beitreten und daher Emissionsrechte zugeteilt bekommen. Der Fonds bietet den<br />

Unternehmen eine Beratung bei der Identifizierung von Klimaschutzmaßnahmen, stellt<br />

eine Finanzierung dieser Investitionen bereit und wickelt notwendige Zertifikatetransaktionen<br />

ab. Dadurch können Transaktionskosten gesenkt und bei geeigneter Fondsgestaltung<br />

auch Risiken für die beteiligten Unternehmen gemindert werden. Insbesondere<br />

können Risiken reduziert werden, die KMU gegenüber größeren Unternehmen entstehen,<br />

weil sie hinsichtlich ihrer Geschäftstätigkeit und ihrer Produktionstechniken weniger<br />

diversifiziert sind.<br />

Dieser Fonds unterscheidet sich grundsätzlich von den Fonds zur Erwirtschaftung von<br />

Emissionsminderungsgutschriften. Die Anteilseigner des Fonds sind identisch mit den<br />

Trägern der Klimaschutzinvestitionen, also den KMU, die dem Handelssystem beitreten.<br />

Diese Unternehmen poolen die Emissionsrechte, die sie zugeteilt bekommen. Im nächsten<br />

Schritt werden die günstigsten Klimaschutzmaßnahmen in den beteiligten Unternehmen<br />

identifiziert. Hierzu bietet der Fondsbetreiber spezielle Beratungsleistungen<br />

an. Durchgeführt werden alle Maßnahme mit CO 2 -Vermeidungskosten, die unterhalb<br />

des Marktpreises der Emissionsrechte liegen. Die dafür nötigen Investitionen werden<br />

vom Fondsbetreiber durch langfristige Kredite finanziert. Am Ende der Abrechnungsperiode,<br />

wenn die Unternehmen ihre Emissionen mit Emissionsrechten bezahlen müssen,<br />

gibt der Fondsbetreiber die hierfür benötigten Emissionsrechte bei der entsprechenden<br />

Stelle, dem nationalen Kontensystem, frei. Die überschüssigen Emissionsrechte werden<br />

am Markt verkauft und die Erlöse an die Verbundunternehmen nach einem festgelegten<br />

Schlüssel verteilt. Dieser Schlüssel muss sicherstellen, dass die Unternehmen, die investiert<br />

haben, einen größeren Gewinnanteil erhalten als die passiven. Die Gewinnbeteiligung<br />

der passiven Unternehmen stellt aus Sicht der Investoren einen Preis für die Risikominderung<br />

dar, die durch die Verbundlösung zustande kommt.<br />

Der Fonds hat demnach die Funktion, für KMU die gleiche Ausgangssituation zu schaffen,<br />

wie für ein diversifiziertes Großunternehmen mit einer Vielzahl von CO 2 -Minderungsmöglichkeiten.<br />

Erreicht wird das durch Transaktionskostensenkung in Form von Beratungsleistungen<br />

und zentralisierter Verwaltung der Emissionsrechte und Risikominderung<br />

für das einzelnen Unternehmen durch Bündelung von Klimaschutzinvestitionen<br />

und partielle Beteiligung des Unternehmens am Erfolg der Minderungsleistungen anderer<br />

Unternehmen. Im Ergebnis soll es damit KMU erleichtert werden, einem Emissionshandelssystem<br />

auf freiwilliger Basis beizutreten.<br />

Abgesehen von dem Zusatzkostenfondsmodell sind die in diesem Abschnitt dargestellten<br />

Konzepte jedoch erst bei ausreichend entwickelten Zertifikatemärkten und geeigneten<br />

regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzbar. Bereits heute sind Pilotprojekte<br />

des Zusatzkostenfondstyps möglich. Derartige Initiativen erlauben es, wichtige Erfah-<br />

137


Workshop III<br />

Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

rungen mit den neuen Instrumenten zu sammeln. Das ist insbesondere auch deshalb<br />

von Bedeutung, weil einige europäische Länder bereits nationale Emissionshandelssysteme<br />

oder -mechanismen implementiert haben (Dänemark, Niederlande, Vereinigtes<br />

Königreich) und so ihrer Wirtschaft bereits einen Erfahrungsvorsprung verschaffen<br />

konnten.<br />

7 Pilotprojekt Hamburger Wettbewerb zur kosteneffizienten CO 2 -Minderung<br />

Die KfW beteiligt sich gegenwärtig an einem regionalen Pilotprojekt im Bereich des<br />

Emissionshandels. Dieses Projekt, der Hamburger Wettbewerb zur kosteneffizienten<br />

CO 2 -Reduktion, bietet Hamburger Unternehmen die Möglichkeit, erste Erfahrungen mit<br />

den Instrumenten des Emissionshandels zu sammeln.<br />

Zu diesem Zweck schreibt die KfW zusammen mit der Umweltbehörde Hamburg, den<br />

Hamburger Elektrizitätswerken und der Deutschen BP den Aufkauf von Emissionsminderungen<br />

aus Klimaschutzinvestitionen in Hamburg aus. Die Teilnehmer des Wettbewerbs<br />

müssen ermitteln, welche Mengen an CO 2 mit ihren Investitionen eingespart werden<br />

und entscheiden, zu welchem Preis sie diese Minderungen anbieten wollen. Die Veranstalter<br />

wählen unter den eingehenden Geboten die Gewinner aus. Diese werden durch<br />

den Ankauf der mit ihren Investitionen entstehenden Minderungszertifikaten gefördert.<br />

Der Aufkauf der Minderungsgutschriften trägt zur Deckung der Zusatzkosten der Klimaschutzinvestitionen<br />

bei.<br />

Die aufgekauften Zertifikate werden anteilig den Veranstaltern ausgeschüttet. Aufgekauft<br />

werden Zertifikate, die mit dem Projekt bis Ende 2004 generiert werden können.<br />

Durch diese zeitliche Begrenzung soll eine mögliche Überschneidung mit dem geplanten<br />

europäischen Handelssystem vermieden werden. Pro Projekt werden maximal 10.000 t<br />

CO 2 -Minderung abgenommen. Die Projektmindestgröße liegt bei 500 t. Bereits zu Projektbeginn<br />

erfolgt eine Abschlagszahlung für 80% der Abnahmemenge, um die Finanzierung<br />

der Projekte zu erleichtern. Diese Regelungen kommen insbesondere kleineren<br />

Projekten und damit auch KMU zugute.<br />

Zur Angebotserstellung wird den Unternehmen eine wissenschaftliche Beratung geboten.<br />

Die Hauptschwierigkeit liegt in der Ermittlung der baseline, relativ zu der die mit<br />

den Projekt erzielbaren Emissionsminderungen gemessen werden. Das Wissen zur Erstellung<br />

dieses Referenzszenarios ist gerade bei kleineren Unternehmen typischerweise<br />

nicht vorhanden, weil es außerhalb der eigentlichen Geschäftstätigkeit liegt. Neben der<br />

Hilfsfunktion dient die wissenschaftliche Begleitung auch dazu, Informationen über potentielle<br />

Standardisierungsmöglichkeiten bei der baseline-Erstellung zu gewinnen. Diese<br />

Standardisierung wäre gerade für kleinere Projekte von Bedeutung.<br />

138


Förderpolitische Aspekte des Emissionshandels<br />

8 Fazit<br />

Das Instrument des Emissionshandels ist aus ökonomischer Sicht in hohem Maße<br />

geeignet Klimaschutzinvestitionen zu fördern. Damit durch den Emissionshandel<br />

ausreichende Kostenreduktionspotentiale erschlossen werden können, sollte der<br />

Handelsraum möglichst groß und homogen sein. Innerhalb des geplanten europäischen<br />

Emissionshandelssystems sollten daher projektbezogene Emissionsminderungsgutschriften<br />

des JI- und CDM-Typs aber auch solche aus inländischen Klimaschutzmaßnahmen<br />

zugelassen werden. Insbesondere sollte das Handelssystem<br />

auch für KMU geöffnet werden. Die Erwirtschaftung von Emissionsminderungsgutschriften<br />

und die Integration von KMU in das Handelssystem können durch spezielle<br />

Klimaschutzfonds unterstützt werden. Die KfW engagiert sich gegenwärtig in einem<br />

Pilotprojekt.<br />

139


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

Klimaschutz-Programm, GTZ<br />

1 CDM-Regime umsetzen - Wie Kommt schon der Ansturm<br />

Der CDM hat nach der Entscheidung von Marrakesch auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz<br />

der Klimarahmenkonvention konkrete Gestalt angenommen. Die Modalitäten und<br />

Prozeduren des Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung beseitigen viele Unsicherheiten<br />

für Gastländer von CDM-Projekten, aber auch für Investoren in derartigen<br />

Projekten sowie für die Erwerber von zertifizierten Emissionsreduktionen (CER). Einige<br />

Detailregelungen, wie die Richtlinien für Referenzszenarien (baselines) und die Überwachungsmethoden<br />

(monitoring), Definitionen und Modalitäten für Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte<br />

sowie vereinfachte Modalitäten und Prozeduren für CDM-Kleinprojekte,<br />

bleiben noch festzulegen. Dennoch sind schon viele dabei, CDM-Projektaktivitäten<br />

zu identifizieren, vorzubereiten oder gar schon Investitionsentscheidungen zu<br />

treffen. Man will schnell mit der Umsetzung beginnen. Aber sind die Gastländer von<br />

CDM-Projekten schon hinreichend auf den Ansturm von Investoren vorbereitet Wird es<br />

überhaupt einen Ansturm geben, von Investoren aus dem Ausland oder aus dem eigenen<br />

Land Ja, aus dem Gastland selbst, denn unilaterale CDM-Projekte sind durch den<br />

Beschluss von Marrakesch möglich. Beispielsweise hat Süd-Korea großes Interesse,<br />

durch einige Investitionen CERs international anzubieten.<br />

Nationale Kapazitäten werden gebraucht<br />

Süd-Korea kann sich bestimmt selbständig die erforderlichen Rahmenbedingungen für<br />

den CDM schaffen. Anderen Nicht-Annnex-1-Staaten in Asien, Lateinamerika, und vor<br />

allem Afrika fällt dies schon schwerer. Sie haben keine ausreichenden nationalen Kapazitäten,<br />

um zügig CDM-Projekte vorzubereiten und umzusetzen. Viele Entwicklungsländer<br />

wollen daher beim "capacity building" unterstützt werden. Die GTZ hat sich deshalb<br />

– schon seit der Aushandlung des Kyoto-Protokolls 1997 – vielfältig an vorbereitenden<br />

Aktivitäten zum CDM in Entwicklungsländern beteiligt.<br />

Keine TZ für Investitionen in CDM-Projekte<br />

Als Institution der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, zuständig für Technische<br />

Zusammenarbeit (TZ) investiert die GTZ nicht selbst in CDM-Projekte. Denn unsere Projekte<br />

und Programme im Klimaschutz werden vom Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert, also aus öffentlichen Entwicklungshilfe-Mitteln.<br />

Diese dürfen nach den international vereinbarten Regeln nicht in<br />

CDM-Projekte investiert werden. Man will so dem Effekt der Fehlleitung von Entwicklungshilfe<br />

entgegen treten. Der Effekt könnte dazu führen, dass Industrieländer ihre<br />

Hilfsgelder umlenken, um ihr Kyoto-Ziel zu erreichen.<br />

2 Überblick zu CDM-Aktivitäten der GTZ<br />

140


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Die GTZ ist seit 1993 vom BMZ damit beauftragt, im Rahmen des Klimaschutz-Programms<br />

Entwicklungsländer bei der Umsetzung der Klimarahmenkonvention im weitesten<br />

Sinne zu beraten und zu unterstützen.* Zunächst standen Länder- und Regionaluntersuchungen<br />

zur Minderung von Treibhausgas-Emissionen, insbesondere CO 2 , im Vordergrund.<br />

Seit Kyoto (COP 3) wurden die Erkenntnisse und<br />

Erfahrungen dazu genutzt, um abzuschätzen, welche CDM-Potenziale<br />

in einzelnen Ländern bestehen. Aber wir beschränken uns nicht darauf,<br />

Partner in Entwicklungsländern zu beraten, wie ein erfolgversprechendes<br />

nationales CDM-Projekt-Portfolio aussehen könnte. Der Bogen<br />

wird weiter gespannt; dazu dienen die strategisch ausgerichteten<br />

nationalen CDM-Studien. Neben den nationalen Aktivitäten lassen wir auch beispielhaft<br />

CDM-Projektstudien erarbeiten, beschäftigen uns mit Einzelfragen zum CDM und beteiligen<br />

uns national, in Deutschland, als auch international an der weiteren Ausgestaltung<br />

von CDM-Regeln und Verfahren (siehe Tabelle 1).<br />

* Das Spektrum der Themen des Klimaschutz-Programms<br />

ist weit gefasst: Nationale Berichterstattung, Technologie-<br />

Transfer, Minderung von THG-Emissionen, Anpassung an den<br />

Klimawandel, internationale Klimaverhandlungen, CDM,<br />

Mainstreaming in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />

CDM-Aktivitäten des Klimaschutz-Programms<br />

Kapazitätsaufbau zur Vorbereitung und Umsetzung von CDM-Projekten<br />

• Marokko (Kriterien für CDM-Projekte; CDM-Institutioen)<br />

• Kolumbien, Indonesien, Chile: Nationale CDM-Strategiestudien<br />

• China: Nationale CDM-Studie<br />

• Brasilien: CDM und ländliche Energieversorgung<br />

• (Indonesien: CDM-Institutionen)<br />

• (Malaysia: Nationale CDM-Studie)<br />

• (Indien: CDM im Elektrizitätssektor)<br />

Fallbeispiele für CDM-Projekte<br />

• Simbabwe: Abfallholz-Kraftwerk - Methoden zur Baseline-Bestimmung<br />

• Marokko: Erneuerbare Energieträger - Wind, Wasserkraft, Biomasse<br />

• Peru: Effizienzsteigerung für Industrie-Kessel<br />

• Jordanien: Windpark zur Netzeinspeisung<br />

• ("Small scale projects": Welche können das sein Wie kann man vereinfachen)<br />

Untersuchungen zu Einzelfragen des CDM<br />

• Evaluierung von AIJ-Nicht-Senken-Projekten<br />

• "Investment additionality"<br />

• (Verknüpfung von CDM und Entwicklungshilfe: Was ist zulässig)<br />

• (Vorbereitung von Senkenprojekten zum CDM: Wann Welche Anforderungen<br />

müssen sie erfüllen Geeignete Länder und Partner)<br />

Beratung der Bundesregierung und der EU<br />

• Regelwerk des CDM der UNFCCC<br />

• Klimaschutzpolitische Bewertung von JI- und CDM-Projekten<br />

• PROBASE<br />

(Aktivitäten in Klammern befinden sich in Planung.)<br />

Tabelle 1<br />

141


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

2.1 Kapazitätsaufbau durch nationale CDM-Studien<br />

Struktur der CDM-Studien<br />

Die nationalen CDM-Strategien müssen, wenn sie erfolgreich umgesetzt werden sollen,<br />

den Interessen und Bedürfnissen der Partnerländer entsprechen. Die Erarbeitung der<br />

nationalen Studie soll helfen, den CDM als marktorientiertes Instrument des Klimaschutzes<br />

besser zu verstehen. In der Studie wird vor allem abgeschätzt, welche weltweiten<br />

Marktchancen ein nationales CDM-Projekt-Portfolio hat. Das Projekt-Portfolio soll<br />

gleichzeitig potenziellen Investoren eine Optionspalette anbieten. Darüber hinaus können<br />

in der Studie auch weitere spezielle CDM-relevante Fragen behandelt werden, beispielsweise,<br />

welche Funktion und Aufgaben eine nationale CDM-Institution haben soll.<br />

Ergebnis der nationalen Strategiestudie ist nicht nur der abschließend vorgelegte und<br />

veröffentlichte Bericht, sondern vor allem der Zuwachs an Fachwissen über den CDM<br />

bei den nationalen Experten, die die Studie mit externer internationaler Unterstützung,<br />

z. B. der GTZ, erarbeiten. Daneben kann durch Workshops und Seminare eine breite<br />

(Fach-)Öffentlichkeit informiert und in die nationale Gestaltung des CDMs eingebunden<br />

werden.<br />

Etappenweise vorgehen<br />

Eine nationale CDM-Strategie kann sowohl in einem Projekt umfassend oder auch in<br />

einzelnen Etappen erarbeitet werden, je nach Interessen sowie personellen und institutionellen<br />

Möglichkeiten des Partnerlandes. Vor allem größere Länder wie Indonesien<br />

oder China praktizieren ein Vorgehen in Phasen, in dem meist auch mehrere internationale<br />

Partner beteiligt sind.<br />

Länderbeispiele<br />

Wo war die GTZ bisher aktiv Wir haben Marokko, den Gastgeber der COP 7, unterstützt,<br />

Kriterien für CDM-Projekte zu entwickeln, Ansätze für einen institutionellen Rahmen<br />

auszuarbeiten und mehrere beispielhafte Projekte entworfen. Die Ergebnisse wurden<br />

auf der COP 7 vorgestellt und zudem in einem regionalen Workshop der Magreb-<br />

Staaten potientiellen Investoren angeboten.<br />

Mit unserer Unterstützung und in Zusammenarbeit mit der Weltbank erarbeiteten indonesische<br />

Fachkräfte eine nationale Strategiestudie zum CDM für ihr Land. Die Ergebnisse<br />

zeigen etliche CDM-Potenziale auf, im Bereich Kleinwasserkraft aber auch durch die<br />

Nutzung von bisher abgeflackertem Gas sowie Geothermie. In einer parallelen Studie,<br />

gefördert von Weltbank und Australien, wird untersucht, ob CDM-Optionen für Kohlenstoffsenken<br />

in Indonesien bestehen. Die von uns geförderte Untersuchung machte auch<br />

klar, dass Indonesien seine CDM-Potenziale nur vermarkten kann, wenn es sich einen<br />

effizienten institutionellen Rahmen dafür schafft. Was dabei zu beachten ist, wird später<br />

umfassender behandelt.<br />

142


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

CDM-Optionen in Indonesien<br />

Abbildung 1<br />

In Chile unterstützt das Klimaschutz-Programm eine ähnliche nationale Strategiestudie.<br />

Ergebnisse erwarten wir Mitte 2002.<br />

Die Kooperation mit China zu einer der nationalen CDM-Studien hat gerade begonnen.<br />

Die GTZ arbeitet in dieser Förderung ebenfalls mit der Weltbank zusammen. Das Projekt<br />

des "Global Climate Change Institute" der Tsinghua-Universität Beijing konzentriert<br />

sich auf den Elektrizitätssektor und damit auf die CDM-Potenziale in den großen Kohlekraftwerken<br />

des Landes. Andere Geber, die wie wir natürlich auch an der Zusammenarbeit<br />

mit dem wahrscheinlich größten CDM-Land interessiert sind, decken die Sektoren<br />

Stahl- und Zementindustrie ab, aber auch der Transportsektor sowie Forstwirtschaft<br />

und ländliche Energieversorgung werden hinsichtlich ihrer CDM-Potenziale abgeklopft.<br />

China hat große Erwartungen, dass der CDM dem Land beim Technologie-Transfer hilft.<br />

Die verschiedenen Aktivitäten beginnen gerade; Ergebnisse erwarten wir erst 2003.<br />

Ein neuer Partner in Asien dürfte Malaysia werden, der starkes Interesse an deutscher<br />

Unterstützung gezeigt hat. Seine CDM-Potenziale will Malaysia ausschließlich im Energiesektor<br />

ausloten. Malaysia bietet sicher für ausländische Investoren gute Voraussetzungen.<br />

In Indien ist eine breitere Kooperation zum CDM geplant; die Vorbereitungen beginnen<br />

gerade.<br />

In diesen Projekten stand und steht für uns immer der Aufbau und die Entwicklung von<br />

personellen und institutionellen Kapazitäten der Partner und der lokalen Fachkräfte im<br />

Vordergrund. Die nationalen Fachkräfte und Entscheidungsträger müssen letztendlich<br />

selbständig die Nutzung des CDMs in ihrem Land weiter vorantreiben können. Externe<br />

143


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

Fachkräfte werden ausschließlich als Kurzzeitberater hinzugezogen. Andere, fachlich<br />

verwandte Vorhaben der GTZ mit Langzeitberatern helfen dem Klimaschutz-Programm<br />

dabei, die Projekte vor Ort zu steuern und mit den Partnerorganisationen zu kommunizieren.<br />

2.2 Fallbeispiele für CDM-Projekte<br />

Mehrere Fallbeispiele für CDM-Projekte helfen uns, den CDM besser zu verstehen. Wir<br />

sammeln für die Beratung der Entwicklungsländer wertvolle Erfahrungen, wenn wir die<br />

bisher feststehenden Regelungen für Einzelprojekte in Fallstudien anwenden. Gleichzeitig<br />

dienen derartige Projektvorbereitungen natürlich auch dazu, dem Partner den Weg<br />

zu realen CDM-Projekten zu ebnen. Manchmal, wie im nachfolgenden Beispiel, verhindern<br />

die politischen Verhältnisse eine Umsetzung, denn wer würde derzeit gerne in<br />

Simbabwe investieren.<br />

Sägewerksabfälle liefern Strom<br />

In Simbabwe untersuchten wir, welche Referenzszenarien (baselines) für kleine CDM-<br />

Projekte möglich sind, die Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugen und diesen<br />

ins nationale Verbundnetz einspeisen. Es ging hier um die Verstromung von Sägewerksabfällen,<br />

die sonst verbrannt werden oder verrotten. Selbst da, wo zunächst der Fall klar<br />

zu sein scheint, ergeben sich bei vertieften Nachfragen für Referenzszenarien keine eindeutigen<br />

oder einfachen Antworten. Die Frage, welche Stromproduktion durch die Einspeisung<br />

ins nationale Verbundnetz nun genau reduziert wird – Strom aus den Kohlekraftwerken,<br />

der Wasserkraft oder aus dem Import, derzeitige oder künftige Produktion<br />

– beantworten wir mit einer Optionspalette. Letztendlich muss politisch entschieden<br />

werden und der Fachverstand den Einzelfall bewerten. Die Regelwerke werden sonst zu<br />

kompliziert und unübersichtlich.<br />

Effizienzsteigerung von Industriekesseln<br />

In Peru erwarten wir noch Ergebnisse aus einer Studie, die Grundlage für einen nationalen<br />

Fonds für CDM-Projekte schaffen soll. Dieser Fonds soll ein Anreizsystem schaffen,<br />

damit der Wirkungsgrad von Industriekesseln verbessert wird und so Emissionsreduktionen<br />

erreicht werden, die Peru auf dem internationalen Markt verkaufen könnte. Die<br />

Baseline-Bestimmung erweist sich in dieser Untersuchung als relativ schwierig. Denn<br />

was ist der Normalbetrieb eines Kessels Wieviel Aufwand ist zu verlangen, um ihn festzustellen,<br />

nicht für einen, sondern für mehrere Hundert<br />

Jordanien möchte Strom aus Windenergie ins Netz speisen. Da die Windregime der beiden<br />

Windparks nicht überwältigend sind, lässt auch die Rentabilität nicht überzeugend<br />

darstellen. Wir haben geprüft, ob durch den CDM die Attraktivität der Investitionen in<br />

die Windparks wesentlich erhöht werden könnte. Unsere ersten Prüfungen haben leider<br />

ergeben, dass einerseits bei den in Aussicht gestellten Einspeisevergütungen und ande-<br />

144


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

rerseits den zu erwarteten Erlösen aus dem Verkauf von CERs, etwa 50 – 80 000 t CO 2<br />

pro Jahr und Windpark, die Wirtschaftlichkeit nicht bedeutend verbessert werden kann.<br />

Entscheidungen des jordanischen Partners, ob der oder die Windparks gebaut werden<br />

sollen, werden z. Z. erörtert.<br />

2.3 Einzelfragen des CDM<br />

Aber wir waren nicht nur in Entwicklungsländern aktiv, sondern haben auch allgemeine<br />

Fragen zum CDM behandelt. So ließen wir praktische Ansätze für die Definition von<br />

"investment additionality" erarbeiten; das HWWA hat zusammen mit dem Wuppertal<br />

Institut dazu eine bemerkenswerte Untersuchung vorgelegt.<br />

Die Evaluierung von Nicht-Senken-Projekten in Entwicklungsländern aus der Pilotphase<br />

ist für "Joint Implementation" (activities implemented jointly - AIJ) besonders bedeutsam.<br />

Die Studie des Wuppertal Institutes fand heraus, dass unzureichende personelle<br />

Kapazitäten und unklare institutionelle Verhältnisse in Gastländern maßgeblich AIJ-Projekte<br />

im Entstehen und in der Durchführung behindert haben. Die GTZ sieht deshalb im<br />

Institutionenaufbau in Entwicklungsländern für den CDM eine entscheidende Aufgabe,<br />

um zügig und mit möglichst niedrigen Transaktionskosten zu guten CDM-Projekten zu<br />

kommen. Denn die meisten Entwicklungsländer sind noch nicht für den CDM bereit.<br />

Ausnahmen wie Costa Rica bestätigen diese Regel.<br />

2.4 Klimapolitische Beratung<br />

Die GTZ berät die Bundesregierung zu Fragen des internationalen Regelwerkes des<br />

CDM, so z. B. zur Abgrenzung von Kleinprojekten. Außerdem wirkt sie im Beirat des<br />

BMU/UBA-Projektes zur "Klimapolitischen Bewertung von JI- und CDM-Projekten" mit.<br />

Die Erfahrungen aus der Praxis der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit, wie oben<br />

beschrieben, sind für diese Beratung wertvolle Grundlage.<br />

Das Projekt "Procedures for accounting and baselines for projects under Joint Implementation<br />

and the Clean Development Mechanism" (PROBASE) der Europäischen Kommission<br />

wird vom Klimaschutz-Programm der GTZ ebenfalls fachlich begleitet. Das Projekt<br />

will seine Ergebnisse bis Ende 2002 vorlegen.<br />

3 Kernaufgabe: Aufbau von Institutionen<br />

3.1 Rahmensetzung für CDM-Projekte · Kyoto-Protokoll, Investorland ...<br />

Der CDM wird von vielen als ein Instrument wahrgenommen, mit dem emissionsmindernde<br />

Projekte sowie Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte in Entwicklungsländern<br />

einen zusätzlichen Anreiz erhalten. Wie attraktiv CDM-Projekte finanziell sind,<br />

kann wegen des bisher nicht etablierten Marktes schwer abgeschätzt werden. Die Projekte<br />

müssen den nicht ganz einfachen Regeln des CDMs entsprechen, die der Executive<br />

Board gerade verfeinert. Die Projekte müssen aber auch die inhaltlichen, administrativen<br />

und institutionellen Bedingungen im Gastland und im Investorland erfüllen.<br />

Das sogenannte Investorland könnte sich vielfach als reines Käuferland herausstellen,<br />

145


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

das nur die zertifizierten Emissionsreduktionen (CER) erwirbt, selbst aber keine Investitionen<br />

in CDM-Projekte vornimmt. Dennoch stellen beispielsweise das niederländische<br />

CERUPT-Programm sowie der Prototype Carbon Fund (PCF) der Weltbank ihre eigenen<br />

Bedingungen an diejenigen Projekte, von denen man CERs erwerben will. Man muss<br />

also die allgemeinen CDM-Regeln und die Bedingungen des Investors/Käuferlandes<br />

oder einer internationalen Institution wie der Weltbank erfüllen, wenn man als Projekteigner<br />

seine erwirtschafteten CERs veräußern will.<br />

... und im Gastland<br />

Darüber hinaus sind viele Entwicklungsländer dabei, Konditionalitäten für CDM-Projekte<br />

in ihrem Land auszuarbeiten. Die Regierungen wollen, dass der CDM der nachhaltigen<br />

Entwicklung des eigenen Landes dient. Die GTZ bietet Entwicklungsländern Unterstützung<br />

an, wenn sie ihren nationalen Rahmen abstecken und institutionelle Voraussetzungen<br />

schaffen wollen. Welche Fragen dabei wichtig sind, will ich nachfolgend erläutern.<br />

Der CDM selber, seine international vereinbarten Regeln und die möglichen Arrangements<br />

innerhalb von CDM-Projekten, werden in vielen Artikeln, Aufsätzen und Webseiten<br />

z. B. auch des Klimasekretariates (www.unfccc.int/cdm) umfassend behandelt, so<br />

dass ich an dieser Stelle darauf verzichte.<br />

Bild 2<br />

Institutionen-Entwicklung im Vordergrund<br />

Rahmenbedingungen für den CDM<br />

Dennoch zunächst ein Blick auf einen vereinfachten,<br />

übersichtlichen Projektzyklus für ein CDM-Projekt.<br />

(Details zum Projektzyklus findet der Leser auf den<br />

o. g. Webseiten des Klimasekretariates). In meiner<br />

Betrachtung zum Projektzyklus will ich die Schritte<br />

hervorheben, in denen die designierte Behörde des<br />

Gastlandes – laut Marrakesch-Beschluss "National<br />

Authority" genannt – eine Rolle spielen muss. Es wird<br />

aber auch auf solche Schritte hingewiesen werden,<br />

wo die "National Authority" und mit ihr verbundene<br />

Gremien und Organisationen eine Rolle spielen können<br />

oder sollten. Auf die wichtigen Schritte im Projektzyklus<br />

und wie die GTZ sie unterstützen kann,<br />

werde ich näher eingehen. Der Aufbau von personellen und institutionellen Kapazitäten<br />

steht für uns dabei immer im Vordergrund, denn der Kapazitätsaufbau ist das klassische<br />

Beratungsfeld der GTZ.<br />

146


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

3.2 Die Rolle der "National Authority" im Projektzyklus<br />

Pflichtaufgaben<br />

Eine Pflichtaufgabe der "National Authority" – nach dem Beschluss von Marrakesch – ist<br />

die Bestätigung, dass sich das Gastland mit dem jeweiligen Projekt freiwillig am CDM*<br />

beteiligt. Und die "National Authority" muss bestätigen, dass ein Projekt nach den Maßstäben<br />

des Gastlandes dazu beiträgt, dessen nachhaltige Entwicklung<br />

zu fördern. Stimmt die "National Authority" der Durchführung des Projektes<br />

zu, ist es auch ihre Pflicht sicherzustellen, dass die Umweltverträglichkeit<br />

eines Projektes hinreichend überprüft wurde. Formal wäre<br />

dies ausreichend als Beteiligung der "National Authority" im Projektzyklus.<br />

* Die Freiwilligkeit gilt natürlich für alle Projektbeteiligten.<br />

Es beginnt aber eine internationale Diskussion darüber, ob<br />

eine bestimmte Anzahl von CDM-Projekten von Annex-1-<br />

Staaten durchgeführt werden muss, damit alle Entwicklungsländer<br />

davon profitieren.<br />

Validierung, Registrierung, aber auch die Umsetzung des Projektes sowie die Überwachung<br />

der erreichten Emissionsreduktionen und deren anschließende Verifizierung, Zertifizierung<br />

und die Ausgabe der zertifizierten Emissionsreduktionen sind Aufgabe der<br />

Projektbeteiligten, der Zertifizierungsinstitutionen und des Executive Boards mit seinen<br />

Organen.<br />

Dass sich die (Umwelt)ministerien, zuständig für<br />

den Klimaschutz, über diese Pflichtaufgaben im<br />

Klaren sind und administrativ effektive Regelungen<br />

finden, die Aufgaben zu bewältigen, kann eine<br />

Beratungsleistung der GTZ beim Institutionen-<br />

Aufbau zum CDM sein. Darüber hinausgehende<br />

Aufgaben müssen sorgfältig überlegt werden, um<br />

keine hemmenden institutionellen Hürden aufzubauen.<br />

Projektzyklus<br />

Bild 3<br />

Einige Küraufgaben<br />

Ein CDM-Projekt wird dann positiv validiert – erhält<br />

also die offizielle Genehmigung, CERs zu erzeugen<br />

–, wenn der Zertifizierungsinstitution ein<br />

"Project Design Document" vorgelegt wird, in dem<br />

das CDM-Projekt umfassend und regelgerecht<br />

dargestellt wird. Dazu gehören beispielsweise ein<br />

begründetes Referenzszenarium und ein Überwachungsplan,<br />

nach dem die erreichten Emissionsreduktionen<br />

genau erfasst werden sollen. Während des Validierungsprozesses kann die<br />

"National Authority" den vorläufigen Bericht der Zertifizierungsinstitution kommentieren.<br />

Der Kommentar kann die Validierung maßgeblich beeinflussen, da Kommentare<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

147


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

Nach der Registrierung und der damit verbundenen Genehmigung des Projektes Emissionsrechte<br />

in Form von CERs zu produzieren, besteht durch die "National Authority"<br />

keine unmittelbare Eingriffsmöglichkeit mehr. Jedoch sollte sie die veröffentlichten Verifizierungsberichte<br />

regelmäßig zur Kenntnis nehmen. Nur so kann sie überprüfen, ob<br />

Projekte in der Durchführung tatsächlich zur nachhaltigen Entwicklung des Landes beitragen.<br />

Wenn die Projektbeteiligten mit der "National Authority" vereinbart haben, dass diese<br />

einen Teil der ausgestellten zertifizierten Emissionsreduktionen, beispielsweise als<br />

Gebühr oder Steuer erhält, dann werden durch die verantwortliche Stelle des Executive<br />

Boards dem Gastland auf seinem Konto die entsprechenden CERs gutgeschrieben. Es<br />

wäre sicherlich Aufgabe der "National Authority" zu entscheiden, wie mit den CERs umgegangen<br />

wird. Will man die CERs für spätere eigene Verpflichtungen nutzen, also "banken"<br />

oder international verkaufen – verkaufen an wen Wohin sollen mögliche Einnahmen<br />

fließen<br />

Bild 4<br />

CDM - Institutionen<br />

Bei der kurzen Beschreibung des Projektzyklus’ in Bild 3 sind alle anderen wesentlichen<br />

Instanzen benannt worden, die beteiligt werden müssen. Es sei noch darauf hingewiesen,<br />

dass die Validierung sowie die Verifizierung und Zertifizierung durch die "Operational<br />

Entity", die auch aus dem Gastland kommen kann, durchgeführt wird. Andere Beteiligte<br />

als die Projektträger, andere Vertragsparteien<br />

als das Gastland und bei der UNFCCC registrierte<br />

Nicht-Regierungsorganisationen können, vor allem<br />

während der Validierung, durch Kommentare Einfluss<br />

auf die Projektgestaltung nehmen.<br />

3.3 Elemente einer nationalen Förderstrategie<br />

Die "National Authority", wie immer sie jeweils strukturiert<br />

ist, kann selbstverständlich mehr tun, als nur<br />

ihre formale Pflicht im Projektzyklus und einige Küraufgaben.<br />

Kriterien für die Nachhaltigkeit<br />

Die "National Authority", und/oder das Umweltministerium<br />

– meist zuständig für den Klimaschutz –<br />

überlegen, wenn sie eine nationale CDM-Strategiestudie<br />

durchführen, in welchen Sektoren und welche Art von CDM-Projekten sie der Entwicklung<br />

eines Landes am besten dienen. Im Kontext dieser Überlegungen können auch<br />

Kriterien entwickelt werden, denen CDM-Projekte genügen müssen, wenn sie für die<br />

nachhaltige Entwicklung des Landes förderlich sein sollen. Nachfolgend sind einige Kriterienbereiche<br />

genannt, die qualitativ, z. T. auch quantitativ spezifiziert werden sollten.<br />

148


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Mögliche Bereiche für Nachhaltigkeitskriterien (nach South-South-North-Project*) zu:<br />

• Umwelt (lokale Umweltverträglichkeit)<br />

• Soziales (Beschäftigung, Niedrigeinkommensgruppen,<br />

regionale und sektorale Integration)<br />

• Wirtschaft (Zahlungsbilanz, Kosteneffizienz, Maximierung<br />

der Effekte für das Gastland)<br />

• Technologie (Beitrag zur Selbständigkeit, Innovation und<br />

Wiederholbarkeit).<br />

* Ein Projekt von Organisationen und Institutionen<br />

aus Nicht-Annex-1-Staaten zur Förderung des CDM<br />

(www.southsouthnorth.org)<br />

Bei der Entwicklung dieser Nachhaltigkeitskriterien, die Investoren sicherlich gute orientierende<br />

Hinweise geben können, sollte beachtet werden, dass die Kriterien nicht zu eng<br />

gefasst werden. Ein zu schmales Kriterienband lässt potenziellen Investoren zu wenig<br />

Auswahlmöglichkeiten und wirkt nicht einladend. Das Gastland muss sich immer bewusst<br />

sein, dass CERs weltweit angeboten werden und Gastländer somit untereinander<br />

in Konkurrenz stehen Das Konkurrenzverhältnis gilt auch zu JI-Ländern und dem internationalen<br />

Emissionshandel.<br />

Struktur und Aufgaben einer "National Authority"<br />

Eine "National Authority" könnte, so beispielsweise die Vorstellungen in Indonesien, aus<br />

einem nationalen CDM-Board und einem CDM-Clearing House bestehen. Der CDM-Board<br />

wäre ein Unterkomitee des nationalen Klimakomitees, könnte aber mit dem Klimakomitee<br />

identisch sein. Folgende Aufgaben wären denkbar: Festlegen und Bearbeiten nationaler<br />

CDM-Politik und -Strategie, Richtlinien, Prozeduren, Genehmigungen für CDM-<br />

Projekte sowie Eingaben/Beschwerden. Die Mitglieder könnten Vertreter sein aus Ministerien<br />

(Umwelt, Energie, Wirtschaft, Entwicklung, Finanzen u. a.), Privatsektor,<br />

Industrie, Handelskammern und zudem aus Regionalregierungen (fallweise) und Nicht-<br />

Regierungsorganisationen, aber auch einzelne herausragende nationale CDM-Experten.<br />

Die Tagesarbeit bei der Vorbereitung und Abwicklung von CDM könnte im Auftrage des<br />

CDM-Boards ein Clearing House oder technisches Büro übernehmen. Es muss nicht<br />

notwendigerweise in einer staatlichen Verwaltung angesiedelt sein; außerhalb der staatlichen<br />

Bürokratie hätte es sicher größeren und schnelleren Handlungsspielraum.<br />

Ein umfangreicher Aufgaben-Katalog ist vorstellbar:<br />

• Sekretariat des CDM-Boards<br />

• Kontaktstelle, Ansprechpartner und Unterstützer für Investoren / Käufer<br />

• Angebot möglicher Projekte für Investoren<br />

• Förderung von CDM-Projektansätzen<br />

• Rahmenvereinbarungen mit einzelnen Investoren-/Käuferländern<br />

• Überwachung der Umweltverträglichkeitsaussagen und ggf. -prüfungen<br />

• Rechtsberatung für Investoren/Käufer<br />

• Abstimmung mit und Vermittlung zu anderen staatlichen Stellen<br />

149


Workshop III<br />

Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Holger Liptow<br />

• Vereinfachung der Modalitäten ("standardised baselines")<br />

• Aus- und Fortbildung zu CDM<br />

• Monitoring laufender CDM-Projekte<br />

• Öffentlichkeitsarbeit, Internetseite<br />

• und anderes mehr.<br />

Das Aufgabenspektrum sollte so bemessen sein, dass es den potenziellen internationalen<br />

Marktchancen des Landes entspricht. Im Grunde soll die "National Authority" den Investoren<br />

helfen, die Transaktionskosten für den Einzelfall zu senken. Das darf aber<br />

nicht dazu führen, dass die allgemeinen öffentlichen Aufwendungen für CDM-Projekte<br />

unnötig hoch sind. Wie beschrieben, sollen die nationalen Strategiestudien helfen, die<br />

jeweiligen Marktchancen abzuschätzen. Die GTZ sieht ihre Aufgabe darin, den Partner<br />

dabei zu beraten, die angemessenen Strukturen zu finden und aufzubauen. In Indonesien<br />

werden wir mit einem derartigen Projekt anfangen.<br />

3.4 Weitere Rahmenbedingungen zur Teilnahme am CDM<br />

An dieser Stelle sei nochmals auf die weiteren Teilnahmebedingungen für den CDM hingewiesen.<br />

Natürlich muss jede beteiligte Partei an einem CDM-Projekt das Kyoto-Protokoll<br />

letztendlich ratifiziert haben, und das Kyoto-Protokoll muss in Kraft gesetzt sein.<br />

Ein beteiligtes Annex-B-Land muss, wenn die im Projekt erzielten zertifizierten Emissionsreduktionen<br />

wirksam werden sollen, die Berechtigung zur Nutzung dieser CERs haben.<br />

Details dazu stehen in den Paragraphen 31 und 32 des Marrakesch-Beschlusses<br />

zum CDM; zu den Anforderungen gehört beispielsweise eine umfassende Berichtspflicht.<br />

Außerdem sind Vertragsparteien dazu verpflichtet, Verantwortung dafür zu<br />

übernehmen, dass die von ihnen für die Beteiligung am CDM zugelassenen privaten und<br />

öffentlichen CDM-Projektträger ihre Verpflichtungen erfüllen.<br />

4 Zukünftige Herausforderungen · CDM-Kleinprojekte ("Small scale projects")<br />

Die GTZ bearbeitet zum CDM zwar schon ein umfangreiches Spektrum von Themen und<br />

länderorientierten Projekten. Jedoch stehen weitere Herausforderungen bevor. So interessiert<br />

uns beispielsweise die Frage brennend, wie sich CDM-Kleinprojekte ökonomisch<br />

vertretbar realisieren lassen. Gibt es überhaupt Fälle, in denen sie unter den derzeitigen<br />

Preisen für CERs von unter 5 e pro t CO 2 ökonomisch vertretbar sind. Es geht hier um<br />

Projekte mit einer Leistung von weniger als 15 MW, bei erneuerbaren Energien oder mit<br />

einer Energieeinsparung unter 15 GWh pro Jahr oder mit einer Emissionsreduktion von<br />

weniger als 15 000 t CO 2 pro Jahr. In der Technischen Zusammenarbeit wird die Vorbereitung<br />

und Planung derartiger Projekte ohne CDM-Komponente vielfach unterstützt, da<br />

sie für die ländliche Energieversorgung von besonderer Bedeutung sind. Es besteht die<br />

Hoffnung, dass der CDM fördernd wirken könnte. Wir wollen die Chancen dafür ausloten.<br />

150


Bereit für den CDM<br />

Technische Zusammenarbeit schafft Voraussetzung für CDM-Projekte in<br />

Entwicklungsländern<br />

Ein schwieriges Thema sind für uns noch sogenannte Senkenprojekte, also Projekte in<br />

denen Kohlenstoff in Biomasse gebunden wird. Die Erwartungen im Forstbereich sind<br />

hoch, da man hofft, dass der CDM der Erhaltung von Wäldern sowie der Aufforstung<br />

und Wiederaufforstung hilft. Es sind aber noch etliche Abgrenzungsfragen offen, die erst<br />

beantwortet sein müssen, damit die klimapolitische Integrität von Senkenprojekten<br />

sicher gestellt wird. Wir arbeiten an diesen Fragen mit internationalen Partnern.<br />

Das vom BMZ geförderte Klimaschutz-Programm, aber auch viele andere Projekte und<br />

Aktivitäten der GTZ werden weiterhin und verstärkt Partner in Entwicklungsländern<br />

beraten, wie der CDM effektiv und effizient genutzt werden kann. Wir stellen dabei die<br />

Interessen unserer Partner oben an, werden aber auch künftig dafür sorgen, dass die<br />

Erfahrungen aus der internationalen Zusammenarbeit in die mögliche Nutzung des<br />

CDMs für die deutschen Verpflichtungen aus dem Kyoto-Protokoll zurückfließen. Wir kooperieren<br />

deshalb mit vielen Institutionen in Deutschland. Das Angebot an die deutsche<br />

Wirtschaft steht, mit uns beim CDM zusammenzuarbeiten; erste Partnerschaften bestehen.<br />

Wir sind für den CDM bereit.<br />

Informationsliste<br />

1. Klimaschutz-Programm für Entwicklungsländer (CaPP): www.gtz.de/climate<br />

2. Nationale Strategiestudie Indonesien:<br />

www.gtz.de/climate/deutsch/projects/countries/indonesia2.html<br />

3. CDM Marokko: www.gtz.de/climate/deutsch/projects/countries/marocco.html<br />

4. National Strategie Program, Weltbank: http://www-esd.worldbank.org/cc/<br />

5. Marrakesh Accords: www.unfccc.int/resource/docs.html<br />

(FCCC/CP/2001/13/Add.1-4)<br />

6. Klimasekretariat, Bonn, CDM-Seiten: www.unfccc.int/cdm<br />

151


Podiumsdiskussion<br />

Podiumsdiskussion<br />

Die Zukunft für marktorientierten<br />

Klimaschutz in NRW -<br />

Chancen, Risiken und<br />

Handlungsbedarf<br />

für das Bundesland<br />

und seine Wirtschaft<br />

Moderation:<br />

Michael Grytz<br />

Teilnehmer:<br />

Berthold Bonekamp<br />

Dr. Joachim Ehrenberg<br />

Staatssekretär Jörg Hennerkes<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

Delia Villagrasa<br />

152


Anhang<br />

Anhang<br />

Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der<br />

internationalen Kooperation<br />

im Klimaschutz<br />

Kurzbiografien<br />

aller Referenten,<br />

Moderatoren und<br />

Teilnehmer der<br />

Podiumsdiskussion<br />

Glossar<br />

153


Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

Martin Kruska, Nils Steinbrecher, Ingo Puhl,<br />

Jörg Meyer, Astrid Schubert, Susanne Heßberger,<br />

Michael Hahn, Michael Klein<br />

Internationale Entwicklungen im Klimaschutz<br />

1992 wurde auf dem Umweltgipfel in Rio de Janeiro die UN Rahmenkonvention zum<br />

Schutz des Weltklimas (United Nations Framework Convention on Climate Change –<br />

UNFCCC) beschlossen. Unter dem Dach der Vereinten Nationen verpflichteten sich Industrie-,<br />

Schwellen- und Entwicklungsländer, einen "ihrer Verantwortung angemessenen<br />

sowie ihrer finanziellen und technischen Möglichkeiten entsprechenden differenzierten<br />

Beitrag" zum globalen Klimaschutz zu leisten. Die Klimarahmenkonvention trat am 21.<br />

März 1994 in Kraft. Bis zum September 2000 haben 186 Staaten ihren Beitritt zur Konvention<br />

ratifiziert. Auf den ersten Vertragsstaatenkonferenzen (Conferences of the Parties)<br />

COP 1 (1995) und COP 2 (1996) in Berlin und Genf wurde verhandelt, in welcher<br />

Form die Klimarahmenkonvention (KRK) umgesetzt werden kann.<br />

1<br />

Die Anlage B des Kyoto-Protokolls enthält eine Liste der<br />

Vertragsstaaten, für die eine quantifizierte, absolute Emissionsobergrenze<br />

für die Periode 2008 bis 2012 vereinbart wurde<br />

sowie die vereinbarte Emissionsmenge. Die in Anlage B<br />

des Kyoto-Protokolls enthaltene Länderliste entspricht bis<br />

auf zwei Ausnahmen der Annex I Liste der Klimarahmenkonvention.<br />

Sie umfasst alle in der OECD organisierten Industrieländer<br />

als auch die osteuropäischen Transformationsländer.<br />

Auf der COP 3 (1997) wurden im "Kyoto-Protokoll" ("Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen<br />

der Vereinten Nationen über Klimaveränderungen" vom 10.12.1997) verbindliche<br />

Begrenzungs- und Reduktionsverpflichtungen für "Anlage-B-Staaten" 1 festgelegt.<br />

Insgesamt verpflichten sich diese Länder dazu, ihre Emissionen der sechs "Kyoto-<br />

Gase" (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, perfluorierte Kohlenstoffe (PFC),<br />

teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFC) und Schwefelhexafluorid) bis zum<br />

Zeitraum 2008 bis 2012 im Vergleich zum Basisjahr 1990 um 5,2 % zu<br />

verringern. Die Europäische Union verpflichtete sich, die Emissionen dieser<br />

Treibhausgase in dem selben Zeitraum um 8 % zu reduzieren. EU-intern<br />

verpflichtete sich Deutschland im Rahmen der EU-Lastenverteilung<br />

("burdensharing") auf eine Reduktion um 21 %.<br />

Auf dieser Konferenz wurden die Grundlagen für die so genannten<br />

flexiblen Mechanismen (auch flexible Instrumente oder Kyoto-Mechanismen<br />

genannt) geschaffen, die es den Vertragsparteien ermöglichen sollen, ihre Reduktionsverpflichtungen<br />

möglichst kostengünstig zu erreichen.<br />

Das Kyoto-Protokoll tritt in Kraft, wenn mindestens 55 Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention<br />

– darunter mindestens so viele Annex-I-Staaten, dass 55 % der CO 2 -<br />

Emissionen der Annex-I-Länder (im Basisjahr 1990) erfasst sind – das Protokoll ratifiziert<br />

haben. Bis April 2002 sind insgesamt 110 Staaten dem Protokoll beigetreten,<br />

53 haben es ratifiziert, davon lediglich zwei Annex-I Länder.<br />

2<br />

Bonn Agreement for the Implementation of the Buenos<br />

Aires Plan of Action”, das offizielle Konsensdokument der<br />

COP 6.5 in Bonn.<br />

Die Erklärung der US Regierung Bush, das Kyoto-Protokoll nicht zu ratifizieren,<br />

hat zu einer neuen Kompromissbereitschaft der verbleibenden<br />

Vertragsstaaten geführt. Im so genannten "Bonner Beschluss" 2 wurden<br />

akzeptable Kompromisse formuliert, die eine Fortführung der internationalen<br />

Verhandlungen ermöglichten.<br />

154


Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

Auf der COP7 in Marrakesch (29. Oktober bis 9. November 2001) wurden die Regeln für<br />

die Implementierung des Kyoto-Protokolls zumeist abschließend geklärt und die Ausgestaltung<br />

der flexiblen Mechanismen in den so genannten "Marrakesch Accords" konkretisiert.<br />

Nach übereinstimmender Meinung der Vertragsstaaten ermöglichen die Beschlüsse von<br />

Bonn und Marrakesch die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls bis zum "Weltgipfel für<br />

nachhaltige Entwicklung" ("Rio+10-Konferenz", die vom 26. August bis 4. September<br />

2002 in Johannesburg stattfinden wird) – selbst ohne Beteiligung der USA. Es wird damit<br />

gerechnet, dass die Parlamente der Vertragsstaaten das Ratifizierungsverfahren in<br />

den kommenden Monaten jeweils einleiten werden.<br />

Im März 2002 hat der Rat der Europäischen Union den Vorschlag der Kommission zur<br />

Ratifizierung angenommen. Auch in Deutschland ist das entsprechende Gesetzgebungsverfahren<br />

in Gang gesetzt worden.<br />

Währenddessen dauern die Versuche an, die USA zur Rückkehr zu den internationalen<br />

Verhandlungen zu bewegen.<br />

Die flexiblen Instrumente des Kyoto Protokolls<br />

Zu den wichtigsten Ergebnissen der Klimakonferenzen von Kyoto 1997 und Buenos<br />

Aires 1998 gehört die Entwicklung marktorientierter Instrumente, um gemeinsame<br />

Anstrengungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen so wirtschaftlich wie möglich<br />

zu gestalten.<br />

Ansatz dieser so genannten flexiblen Mechanismen ist die Möglichkeit, Emissionsreduktionen<br />

entweder im eigenen Land durchzuführen, oder die Erbringung der geforderten<br />

Minderungsleistung an anderer Stelle zu finanzieren. Für die Umsetzung dieses Ansatzes<br />

sind drei Mechanismen vorgesehen, die sich in Bezug auf den Nachweis der Erbringung<br />

der Minderungsleistung sowie den Erbringungsort der Minderungsleistung unterscheiden.<br />

• Joint Impementation (JI)<br />

Joint Implementation (Gemeinsame Umsetzung) nach Artikel 6 KP erlaubt<br />

Anlage-B-Ländern (bzw. von Anlage-B-Ländern regulierten Anlagen/Betriebsstätten),<br />

Emissionsminderungsgutschriften 1 durch Investitionen in<br />

Maßnahmen in anderen Anlage-B-Ländern 2 zu erwerben. Die erbrachte Minderung<br />

kann sich der Käufer auf seine eigenen Reduktionsziele im Verpflichtungszeitraum<br />

anrechnen lassen.<br />

Die Quantifizierung der Minderungsleistung erfolgt durch Vergleich mit einem<br />

wahrscheinlichen "business-as-usual" Szenario, d.h. anrechenbar sind<br />

1<br />

für JI-Projekte werden sie "Emission Reduction<br />

Units" (ERU) genannt<br />

2<br />

Von JI abzugrenzen ist die Pilotphase für "Activities<br />

implemented jointly" (AIJ) die auf Basis der Klimarahmenkonvention<br />

durchgeführt werden. Diese Pilotphase<br />

wurde zur Erprobung der projektorientierten flexiblen<br />

Instrumente geschaffen und macht eine Anrechenbarkeit<br />

der erzielten Emissionsminderungen auf die Ziele<br />

des Kyoto-Protokolls von einer durch die COP noch zu<br />

treffenden Ergebnisauswertung der Pilotphase und<br />

daran anknüpfenden Entscheidung abhängig.<br />

155


Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

nur Minderungsleistungen, die "zusätzlich" sind. Der Nachweis wird durch ein Berichtswesen<br />

erbracht und muss von einer unabhängigen Stelle validiert und zertifiziert werden.<br />

Eine Anrechnung ist ab dem Jahr 2008 möglich.<br />

1<br />

für CDM-Projekte werden sie Certified Emission<br />

Reductions (CER) genannt<br />

2<br />

Es wird auch der Begriff "Leap-frog-Effekt" verwendet:<br />

die Entwicklungsländer werden darin unterstützt, bei der<br />

Entwicklung ihrer nationalen Energiewirtschaft den<br />

Schritt der fossilen und nuklearen Energieversorgung zu<br />

überspringen und direkt in eine nachhaltige Energieversorgung<br />

einzusteigen.<br />

• Clean Development Mechanism (CDM)<br />

Der Clean Development Mechanism (Mechanismus für eine umweltverträgliche Entwicklung)<br />

ist in Artikel 12 des Kyoto-Protokolls verankert. Er erlaubt den Erwerb von Emissionsminderungsleistungen<br />

1 unter JI-ähnlichen Bestimmungen aus Investitionen<br />

in Ländern, welche die Klimarahmenkonvention unterzeichnet haben,<br />

aber nicht in Anlage B des Kyoto-Protokolls aufgeführt sind<br />

(Entwicklungsländer). Eine zusätzliche Bedingung für CDM Projekte ist<br />

der Nachweis eines positiven Beitrags zur nachhaltigen Entwicklung des<br />

Projektlandes. 2 Emissionsminderungen aus CDM-Projekten können bereits<br />

seit dem Jahr 2000 angerechnet werden.<br />

• Internationaler Emissionshandel<br />

Artikel 17 des Kyoto-Protokolls erlaubt einen internationalen Emissionshandel zwischen<br />

Anlage-B-Ländern (bzw. den von ihnen regulierten Anlagen). Im Unterschied zu den projektorientierten<br />

Instrumenten JI und CDM können im Rahmen des Emissionshandels<br />

die von einem Teilnehmer gehaltenen Emissionsberechtigungen gehandelt werden. Die<br />

Anzahl der Emissionsberechtigungen (assigned amount units, AAU) ergeben sich direkt<br />

aus der im Kyoto-Protokoll eingegangenen Minderungsverpflichtung. Teilnehmer haben<br />

lediglich dafür zu sorgen, dass sie am Ende einer Erfüllungsperiode eine ihren Emissionen<br />

entsprechende Menge an Emissionsberechtigungen an die zuständige Aufsichtsbehörde<br />

zurückgeben.<br />

Emissionsminderungsgutschriften aus CDM- und JI-Projekten können in den internationalen<br />

Handel mit Emissionsberechtigungen eingebracht werden und erhöhen die Marktliquidität.<br />

Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union<br />

Ein wesentlicher Bestandteil des Europäischen Klimaschutzprogramms 3 vom 8. März<br />

2000 ist die Einführung eines EU-weiten Emissionshandels.<br />

3<br />

European Climate Change Program – ECCP<br />

4<br />

COM (2001) 581: Vorschlag für eine RICHTLINIE DES<br />

EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über ein<br />

System für den Handel mit Treibhausgasemissionsberechtigungen<br />

in der Gemeinschaft und zur Änderung<br />

der Richtlinie 96/61/EG des Rates<br />

Am 23.10.2001 hat die Kommission einen Richtlinienvorschlag über einen Rahmen für<br />

den Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Gemeinschaft<br />

vorgelegt 4 . Der Vorschlag sieht die Beteiligung von zunächst sechs<br />

Branchen in einer ersten, ergebnisoffenen Phase von 2005 bis 2007 vor, in<br />

der sich die Mitgliedsstaaten auf den im Jahre 2008 beginnenden internationalen<br />

Handel vorbereiten sollen. Im Anschluss an diese Phase sollen<br />

die Erfahrungen mit der Umsetzung überprüft und daraus resultierende<br />

156


Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

Vorschläge erarbeitet werden. Die Beteiligung ist nach dem Richtlinienvorschlag in diesem<br />

Zeitraum für die Betreiber folgender Anlagen bzw. Standorte ("Installations") verpflichtend:<br />

• Energieaktivitäten, also Feuerungsanlagen mit einer Wärmenettozufuhr größer als<br />

20 MW (exklusive Müllverbrennungsanlagen) sowie Raffinerien und Koksöfen<br />

• Eisen- und Stahlerzeugung<br />

• Glas-, Keramik- und Baustoffindustrie (Ziegelöfen, Zementfabriken, Glasfabriken,<br />

Keramiköfen)<br />

• Papierherstellung und Papierfaserstoffe<br />

Damit werden insgesamt etwa 45 % der CO 2 -Emissionen der Europäischen Union erfasst.<br />

Die chemische Industrie wurde aufgrund der großen Zahl an Einzelstandorten und der<br />

geringen Emissionsmengen pro Standort nicht in den Richtlinienvorschlag aufgenommen.<br />

Nach wie vor sollen aber Großfeuerungsanlagen der Chemieindustrie in ein europäisches<br />

Emissionshandelssystem einbezogen werden. Schätzungen der Kommission<br />

zu Folge werden dabei etwa 50 % der CO 2 -Emissionen der Chemieindustrie erfasst werden.<br />

Der Vorschlag sieht nur die Berücksichtigung von direkten Emissionen vor, also die am<br />

Standort selbst emittierten Treibhausgase. Die bei der Stromerzeugung anfallenden<br />

Emissionen werden dem Energiesektor zugeordnet. Zudem soll vorerst eine Beschränkung<br />

auf die CO 2 -Emissionen erfolgen. Die übrigen fünf Kyoto-Gase bleiben einstweilen<br />

unberücksichtigt.<br />

Der Richtlinienvorschlag betont die Notwendigkeit eines einheitlichen Berichts- und<br />

Überwachungswesens sowie eines Sanktionssystems. Er überlässt andere wichtige Regelungen<br />

den Mitgliedsstaaten. Dazu gehören z. B. die Festlegung eines nationalen Zuteilungsplans<br />

(inklusive Festlegung eines Basisjahres), die Anrechnung frühzeitig durchgeführter<br />

Minderungsleistungen, das Bilden von Reserven für zukünftige Verpflichtungsperioden<br />

sowie die Beteiligung der Anlagen auf Basis spezifischer bzw. absoluter<br />

Emissionen.<br />

Klimaschutzaktivitäten in Deutschland<br />

1995 hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, den deutschen CO 2 -Ausstoß bis<br />

zum Jahr 2005 um 25 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Auch wenn nur das in Kyoto<br />

gesteckte Ziel (Reduktion um 21 %) bei Ratifizierung des Kyoto-Protokolls völkerrechtlich<br />

verbindlich wird, wurde in Deutschland in diesem Zusammenhang bereits vor Jahren<br />

ein breites Strategiebündel konzipiert, welches von freiwilligen Verpflichtungen einzelner<br />

Wirtschaftszweige über ökonomische Anreize bis hin zu ordnungs- und umweltrechtlichen<br />

Maßnahmen reicht. Dennoch kann auch das aktuelle nationale<br />

Klimaschutzprogramm der Bundesregierung allein laut Aussage des Sachverständigen-<br />

157


Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

rates das Erreichen zumindest des 25 %-Ziels der Bundesregierung nicht gewährleisten.<br />

Im Jahre 1995 bzw. 1996 hat die deutsche Wirtschaft eine Erklärung zur Klimavorsorge<br />

abgegeben und sich verpflichtet, die spezifischen CO 2 -Emissionen bzw. den spezifischen<br />

Energieverbrauch der deutschen Wirtschaft bis zum Jahre 2005 gegenüber 1990<br />

um 20 % zu vermindern. Diese Selbstverpflichtung wurde von fünf Spitzenverbänden<br />

der deutschen Wirtschaft und 14 Verbänden des verarbeitenden Gewerbes getragen.<br />

Die sehr unterschiedlichen und heterogenen Vereinbarungen der deutschen Wirtschaft<br />

wurden harmonisiert und mündeten am 9. November 2000 in eine gemeinsame "Vereinbarung<br />

der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Wirtschaft<br />

zur Klimavorsorge". In dieser Vereinbarung wurden die Ziele dahingehend erweitert,<br />

dass nunmehr eine Reduzierung der spezifischen Treibhausgasemissionen bis 2012 um<br />

35 % und der spezifischen CO 2 -Emissionen bis 2005 um 28 % (jeweils im Vergleich zu<br />

1990) zugesagt wird.<br />

Mit der Unterzeichnung der Selbstverpflichtung erreichte die deutsche Wirtschaft eine<br />

Abwendung weiterführender ordnungsrechtlicher Maßnahmen zum Klimaschutz. Insbesondere<br />

konnte 1995 die Einführung einer Wärmenutzungsverordnung aufgehalten werden,<br />

von der die Industrie weitreichende Konsequenzen befürchtete.<br />

Im Gegensatz zum Ziel der Bundesregierung, im Rahmen des EU-Burdensharing, die<br />

nationalen Treibhausgasemissionen in absoluten Werten zu senken, sieht die Klimaschutzvereinbarung<br />

mit der deutschen Wirtschaft – auch in ihrer Neufassung vom November<br />

2000 – spezifische Minderungsziele vor. Die Einzelvereinbarungen der Verbände<br />

sehen inzwischen zumindest teilweise absolute Minderungsziele vor.<br />

Als weitere Maßnahme der Bundesregierung wurde am 1. April 1999 die Ökosteuer eingeführt.<br />

Am 18. Oktober 2000 hat die Bundesregierung ein nationales Klimaschutzprogramm<br />

verabschiedet. Darin bekräftigt sie ihr Festhalten am Ziel der Reduktion der CO 2 -Emissionen<br />

um 25 % von 1990 bis 2005, und es werden Obergrenzen für CO 2 -Emissionen<br />

einzelner Sektoren (Industrie, Verkehr, Haushalt und Kleinverbraucher) festgelegt sowie<br />

eine Reihe von Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele beschrieben. Auch die Auswirkungen<br />

der Ökosteuer werden darin berücksichtigt. Zudem wird betont, dass komplementär<br />

zu der Vielzahl an nationalen Maßnahmen die Nutzung der "flexiblen Instrumente"<br />

zu einer weiteren, insbesondere kostengünstigen Minderung der Treibhausgasemissionen<br />

beitragen soll. Die Bundesregierung begrüßt in diesem Zusammenhang die Diskussion<br />

über die Einführung von Emissionshandelssystemen und bekräftigt, dass das<br />

Thema Emissionshandel gemeinsam mit der Wirtschaft weiterverfolgt werden soll. In<br />

diesem Rahmen soll auch die Anrechnung und der Handel mit projektbezogenen Emissionsminderungsgutschriften<br />

(aus JI- und CDM-Projekten) untersucht werden.<br />

158


Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

• Stand der Diskussion in Deutschland zum Emissionshandel<br />

Im nationalen Klimaschutzprogramm vom 18. Oktober 2000 hat die Bundesregierung<br />

ausdrücklich die Diskussion um die Einführung von Emissionshandelssystemen begrüßt.<br />

In ihrer "Stellungnahme zur Einführung eines EU-weiten Handels mit Treibhausgasen"<br />

vom 18. September 2001 unterstreicht die Bundesregierung allerdings ihre Forderung,<br />

dass durch die Einführung eines EU-weiten Emissionshandels das deutsche Klimaschutzprogramm<br />

in seiner Effektivität nicht beeinträchtigt werden dürfe. Sie<br />

befürwortet weiterhin eine Pilotphase bis 2007 für zunächst nicht näher spezifizierte<br />

emissionsintensive Anlagen. Die Teilnahme an der Pilotphase soll diesen Anlagen freigestellt<br />

werden, die Erstzuteilung von Emissionsrechten soll kostenlos erfolgen (so genanntes<br />

"Grandfathering"). Zudem wird in der Stellungnahme vorgeschlagen, die Teilnahme<br />

der Kraftwerke auf Basis ihrer direkten Emissionen vorzusehen und Emissionsminderungseinheiten<br />

aus CDM- und JI-Projekten grundsätzlich in das Handelssystem<br />

mit aufzunehmen.<br />

Um die den Emissionshandel betreffenden Aktivitäten in Deutschland zu bündeln, wurde<br />

unter Federführung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

zusammen mit Vertretern der Wirtschaft und anderen interessierten Akteuren<br />

die nationale "Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes<br />

(AGE)" eingerichtet. In einer ersten Phase wurde in dieser Gruppe insbesondere an der<br />

Abstimmung einer gemeinsamen Position zum Richtlinienvorschlag der EU gearbeitet.<br />

Seitens der Industrie fällt die Resonanz auf die geplante Einführung eines EU-weiten<br />

Emissionshandels uneinheitlich aus. Dies beruht zum einen auf dem unterschiedlichen<br />

Wissensstand der Unternehmen zum Thema Emissionshandel, zum anderen auf den<br />

unterschiedlichen Aktivitäten der deutschen Industrie. Verschiedene Vertreter der Wirtschaft<br />

sind an der genannten AGE beteiligt und verfügen daher über eine gute Kenntnis<br />

des Emissionshandels. Andere Verbände stützen sich lediglich auf ihre Selbstverpflichtungserklärung<br />

zum Klimaschutz. Die Industrieunternehmen zeigen derzeit noch keine<br />

klare Präferenz für ein bestimmtes umweltpolitisches Instrument, vor allem für die konkrete<br />

Ausgestaltung eines Emissionshandelssystems. Zu diesem Ergebnis kommt auch<br />

eine im März 2002 veröffentlichte Untersuchung des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt,<br />

Energie unter dem Titel "Meinungen in der deutschen Industrie zur Einführung eines<br />

Emissionshandels". Diese Veröffentlichung legt vor allem die große Meinungsvielfalt<br />

der deutschen Industrieunternehmen zum Thema Emissionshandel dar.<br />

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat im Auftrag der<br />

Industrie-Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) eine Untersuchung mit dem<br />

Titel "Zertifikatehandel für CO 2 -Emissionen auf dem Prüfstand – Ausgestaltungsprobleme<br />

des Vorschlags der EU für eine Richtlinie zum Emissionshandel" durchgeführt. Ergebnisse<br />

des Zwischenberichts legen dar, dass eine einheitliche Stellungnahme der Wirtschaftsverbände<br />

zum EU Richtlinienvorschlag nicht zu erwarten ist. Begründet wird<br />

159


Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

dies vor allem durch die negative ökonomische Wirkung des Emissionshandels für<br />

Wachstum und Beschäftigung, der laut RWI so nicht zu einer Effizienzsteigerung in der<br />

Klimavorsorgepolitik beitragen könne.<br />

• Aktivitäten der Bundesländer<br />

Auf Länderebene sind in Deutschland unterschiedliche Aktivitäten zu verzeichnen, die<br />

insbesondere auf eine frühzeitige Beschäftigung mit dem Thema Emissionshandel abzielen.<br />

Hessen<br />

Das Hessische Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Forsten (HMULF) führte in<br />

Kooperation mit der Deutschen Ausgleichsbank (DtA) eine CO 2 -Emissionshandelssimulation<br />

für hessische Unternehmen durch. Dieses Projekt war europaweit das erste seiner<br />

Art und wurde im Juli 2001 abgeschlossen. Neben größeren Industriebetrieben aus<br />

unterschiedlichen Branchen (Energieversorgung, Verkehr, chemische Industrie, Kalkindustrie<br />

u.a.) nahmen an der Simulation auch mittelständische Unternehmen teil.<br />

Ziele des Projektes waren unter anderem die praxisnahe Gestaltung handelsorientierter<br />

Klimaschutzinstrumente, die Ermittlung von Transaktionskosten sowie der Abbau unternehmensinterner<br />

Hemmnisse zur Ermöglichung der Marktteilnahme. Acht hessische<br />

Unternehmen konnten sich durch die Teilnahme an der Simulation auf die Einführung<br />

marktorientierter Klimaschutzinstrumente vorbereiten.<br />

Im Februar diesen Jahres wurde als Gemeinschaftsinitiative des Hessischen Umweltministeriums<br />

mit der Deutschen Ausgleichsbank (DtA), der Dresdner Bank AG dem Höchster<br />

Unternehmen Infraserv, der Deutschen Telekom AG und der Tochter der Deutschen<br />

Börse xlaunch AG das Pilot- und Demonstrationsvorhaben "Hessen-Tender" gestartet.<br />

Durch dieses Projekt werden Unternehmen mit Standorten in Hessen konkrete Anreize<br />

zur Vermeidung von CO 2 -Emissionen gegeben. Dies wird durch den Aufkauf zertifizierter<br />

Emissionsminderungsgarantien erfolgen. Eine Auktion soll einen möglichst aussagekräftigen<br />

Markttest gewährleisten. Für den Aufkauf der Emissionsgutschriften stehen<br />

derzeit 1,3 Mio. e zur Verfügung. Der von den Initiatoren angestrebte Preiskorridor für<br />

Emissionsminderungsgarantien liegt zwischen 2 und 10 e pro Tonne CO 2 .<br />

Baden-Württemberg<br />

Das Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg unterstützt Pilotprojekte<br />

deutscher Unternehmen zu den Kyoto-Mechanismen. Ziel ist es, praktische Erfahrungen<br />

mit den flexiblen Instrumenten zu sammeln und den in Baden-Württemberg ansässigen<br />

Unternehmen die Chance zu geben, anhand von Praxisbeispielen Erfahrungen zu sammeln<br />

und sich mit den Kyoto-Mechanismen vertraut zu machen. U. a. wurde ein Handbuch<br />

für Unternehmen erstellt, das die notwendigen Schritte für eine Teilnahme an<br />

CDM/JI-Projekten und am Emissionshandel beschreibt. Seit kurzem wird in Baden-<br />

Württemberg ein Pilotprojekt zum Emissionshandel durchgeführt. In dessen Verlauf<br />

sollen etwa 15 Unternehmen aus verschiedenen Branchen verschiedene Szenarien eines<br />

160


Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

Emissionshandels unter wissenschaftlicher Anleitung durchspielen. Die Simulation soll<br />

im September 2002 abgeschlossen sein und Ergebnisse für den politischen Gestaltungsprozess<br />

liefern.<br />

Schleswig-Holstein<br />

Im Rahmen des Baltic-Chain-Projektes bereitet die Energiestiftung Schleswig-Holstein<br />

(ESSH) JI-Projekte mit den Ostsee-Anrainerstaaten vor.<br />

Im Mai 2002 beginnt auf Initiative der Energiestiftung Schleswig-Holstein (ESSH) das<br />

Pilotprojekt "Emissionshandel Nord". Der Schwerpunkt des Projektes liegt auf der Vorbereitung<br />

der schleswig-holsteinischen Wirtschaft auf die Einführung eines Emissionshandelssystem.<br />

In zunächst zwei Projektphasen sollen die Voraussetzungen für die Teilnahme<br />

an einem künftigen Emissionshandel geschaffen und eine Emissionshandelssimulation<br />

durchgeführt werden. Den Unternehmen steht es offen, das Projekt zu einem<br />

Handel mit realen Emissionsminderungsgutschriften und Emissionsrechten weiterzuentwickeln<br />

und sich bei der Einführung des europäischen Emissionshandelssystem<br />

fachkundig begleiten zu lassen. Durch die frühzeitige Vorbereitung auf einen neuen<br />

Markt sollen die Unternehmen in der Lage sein, Wettbewerbsvorteile als so genannte<br />

"early mover" oder Frühvermeider zu realisieren.<br />

Niedersachsen<br />

Das Niedersächsische Umweltministerium und die Unternehmerverbände Niedersachsen<br />

(UVN) haben zur frühzeitigen Vorbereitung auf den Handel mit Emissionsrechten<br />

die Gründung einer Niedersächsischen Arbeitsgruppe Emissionshandel, die sich intensiv<br />

mit diesem neuen Instrument und den Auswirkungen für die niedersächsische Wirtschaft<br />

befassen soll, beschlossen. Damit soll verhindert werden, dass der niedersächsischen<br />

Industrie aufgrund der bisher fehlenden Erfahrung mit Emissionshandel Wettbewerbsnachteile<br />

erwachsen. Zugleich soll dafür Sorge getragen werden, dass die sich<br />

bietende Flexibilität des Emissionshandels genutzt wird.<br />

Des Weiteren planen die UVN, in Partnerschaft mit der Landesregierung ein flankierendes<br />

Pilotprojekt zur Vorbereitung der niedersächsischen Wirtschaft auf einen Emissionshandel<br />

mit Treibhausgasen durchzuführen. Dieses Projekt soll parallel mit anderen<br />

Landesaktivitäten und in Abstimmung mit dem auf deutscher Ebene stattfindenden<br />

Prozessen durchgeführt werden.<br />

Bayern<br />

Im Umweltpakt II unterstützt die bayerische Wirtschaft das Ziel der Staatsregierung,<br />

die jährlichen CO 2 -Emissionen in Bayern bis 2010 auf rund 80 Mio. t zu verringern. Als<br />

zentrale Maßnahmen im Rahmen des Klimadialog Bayern sind die Einrichtung eines<br />

Monitoringsystems zur Erfassung und Bewertung betrieblicher Klimaschutzmaßnahmen<br />

und die Einrichtung eines Klimaschutzkatasters vorgesehen. Damit soll die Anre-<br />

161


Hintergrundtext<br />

Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

chenbarkeit freiwilliger Klimaschutzmaßnahmen auf künftige Verpflichtungen gewährleistet<br />

werden. Monitoringssystem und Klimaschutzkataster sollen ergänzt werden<br />

durch fördernde und unterstützende Maßnahmen für Klimaschutzaktivitäten, insbesondere<br />

von CDM- und JI-Projekten, sowie Maßnahmen zur umfassenden Informationsbereitstellung<br />

und -austausch.<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Nordrhein-Westfalen hat im September vergangenen Jahres das Klimaschutzkonzept<br />

NRW vorgelegt, um damit einen Beitrag zu den gemeinsamen Anstrengungen zum<br />

Klimaschutz in Europa zu leisten. In diesem Klimaschutzkonzept NRW konnte die Landesregierung<br />

aufzeigen, dass die quantifizierbaren Klimaschutzmaßnahmen in Nordrhein-<br />

Westfalen auf der Berechnungsgrundlage des Klimaschutzprogramms des Bundes ein<br />

Minderungspotenzial von über 30 Millionen Tonnen CO 2 jährlich haben. Dies entspricht<br />

etwa der Hälfte dessen, was gemäß dem Klimaschutzprogramm der Bundesregierung<br />

vom Oktober 2000 zur Erreichung des 21 %-Ziels im Jahr 2005 fehlen wird, wenn gegenüber<br />

dem Stand vom Jahr 2000 keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden.<br />

Ein wichtiger Baustein der umfangreichen Klimaschutzaktivitäten des Landes Nordrhein-Westfalen<br />

ist der erste Klimaschutzkongress NRW am 22. Mai 2002.<br />

Nationale Aktivitäten in weiteren Ländern Europas<br />

Großbritannien<br />

In Großbritannien startete am 1. April 2001 ein nationales Handelssystem für Emissionsrechte,<br />

zusammen mit der Einführung einer Energie- bzw. Klimasteuer (Climate<br />

Change Levy – CCL). Britische Unternehmen, die der Emissions Trading Group angehören,<br />

sollen auf nationaler Ebene den Handel mit Emissionszertifikaten nutzen, um<br />

kostengünstig die im Kyoto-Protokoll vereinbarten Reduktionsziele zu erreichen. Dieses<br />

System basiert auf einer freiwilligen Teilnahme der Unternehmen und es sind derzeit<br />

sowohl absolute als auch spezifische (auf die Produktionsmenge bezogene) Minderungsziele<br />

zugelassen. Der Vorteil für die Unternehmen besteht wahlweise in einem Zuschuss<br />

zu Emissionsvermeidungsmaßnahmen durch die Regierung oder in der Ermäßigung<br />

der Energiesteuer um 80 %.<br />

Die britische Regierung schätzt das Potenzial eines erfolgreichen Handelssystems so<br />

ein, dass im Jahre 2010 bis zu 7,7 Mio. Tonnen CO 2 pro Jahr einzusparen sind. Mittelfristig<br />

wird dieses System an ein europäisches Emissionshandelssystem anzupassen<br />

sein, so dass wesentliche Änderungen zu erwarten sind.<br />

Im Rahmen einer ersten inversen Auktion von Emissionsrechten im März diesen Jahres<br />

haben an diesem System teilnehmende Unternehmen zusätzliche Emissionsminderungen<br />

von mehr als 4 Millionen Tonnen CO 2 -Äquivalente über einen Zeitraum von 5 Jahren zugesagt.<br />

Hiermit haben diese Unternehmen freiwillig ein absolutes Emissionsziel angenommen.<br />

162


Flexible Instrumente der Internationalen<br />

Kooperation im Klimaschutz<br />

Dänemark<br />

Dänemark startete im Januar 2001 einen Handel mit CO 2 -Emissionsrechten, der sich<br />

zunächst nur auf neun Energieversorgungsunternehmen beschränkt. 90 % der Emissionen<br />

des dänischen Elektrizitätssektors sollen dabei erfasst werden, wobei eine Reduktion der<br />

CO 2 -Emissionen um 13 % bis zum Jahr 2003 angestrebt wird. Die Emissionszertifikate<br />

wurden auf Grundlage einer kostenlosen Erstzuteilung ausgegeben. Als Berechnungsgrundlage<br />

wurden die durchschnittlichen Emissionen der Jahre 1994 bis 1998 ermittelt.<br />

Bis 2003 soll sich ein funktionierendes Handelssystem für CO 2 -Emissionsrechte<br />

etabliert haben. Bis zum Frühjahr 2002 fand allerdings bisher nur eine Transaktion statt.<br />

Niederlande<br />

Das "Eru-PT"-Programm (Emission Reduction Units Procurement Tender) der niederländischen<br />

Regierung unterstützt Unternehmen in Zentral- und Osteuropa finanziell bei<br />

Projekten (JI) zur Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung regenerativer Energiequellen,<br />

Projekten zur Abfallbehandlung und Maßnahmen zur Aufforstung. Die Regierung<br />

kauft dabei die Emissionsreduktionseinheiten, die aus diesen Projekten<br />

während der ersten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls von 2008 bis 2012 resultieren.<br />

Ziel ist es, die für die Niederlande schwierige Zielerreichung innerhalb der EU-<br />

Lastenverteilung im Inland durch den Erwerb von projektbezogenen Minderungsgutschriften<br />

aus dem EU-Ausland zu erleichtern und gleichzeitig die Machbarkeit derartiger<br />

Projekte zu fördern und ihre Umsetzung zu beschleunigen. Die Mindestprojektgröße<br />

ist auf 500.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente festgelegt. In einer ersten Ausschreibungsrunde<br />

im Jahr 2000 wurden Verhandlungen mit 7 Projektanbietern aufgenommen, mit 5<br />

Projektanbietern wurde die Lieferung von 4,2 Millionen Tonnen CO 2 -Minderungen zu einem<br />

Preis von 8,46 e pro Tonne CO 2 vereinbart. In einer zweiten Runde qualifizierten<br />

sich insgesamt 18 Projekte mit einem Lieferpotenzial von 22,9 Millionen Tonnen CO 2<br />

(jeweils bezogen auf die erste Verpflichtungsperiode).<br />

Im Jahr 2001 startete die niederländische Regierung das "CERUPT"-Programm (Certified<br />

Emission Reduction Units Procurement Tender), welches entsprechend dem "Eru-<br />

PT"-Programm die Unternehmen bei CDM-Projekten in Entwicklungsländern unterstützt.<br />

Gemäß der Festlegungen der "Marrakesch-Accords" können Emissionsreduktionen<br />

von CDM-Projekten im CERUPT-Programm bereits vor 2008 angerechnet werden.<br />

Die festgelegte Mindestprojektgröße beträgt 100.000 Tonnen CO 2 -Äquivalente. Für die<br />

erzeugten Emissionsminderungen (CERU) im Rahmen dieses Programms ist ein Maximalpreis<br />

von 5,5 Euro festgelegt.<br />

Insgesamt wird die niederländische Regierung mit den Ausschreibungen im Rahmen<br />

von Eru-PT, CERUPT und ähnlichen Programmen eine Gesamtsumme von ca. 500 Mio.<br />

EUR für projektbezogene Klimaschutzmaßnahmen zur Verfügung stellen.<br />

163


Kurzbiografien<br />

Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der<br />

Podiumsdiskussion stellen sich vor<br />

Kurzbiografien<br />

Dr. Gerhard Berz<br />

Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft,<br />

München<br />

ist seit 1974 bei der Münchener Rückversicherung<br />

tätig und leitet den Bereich GeoRisikoForschung.<br />

Er ist unter anderem im Vorstand des<br />

Deutschen Komitees für Katastrophen-Vorsorge,<br />

Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate<br />

Change (IPCC) und des Welt-Wetter Forschungsprogramms.<br />

Zudem ist er externer Berater der<br />

EU-Komission im 5. Europäischen Forschungsprogramm.<br />

Franzjosef Schafhausen<br />

BMU, Berlin<br />

war im Bundesministerium des Inneren<br />

zunächst für den Bereich "Ökologie und Ökonomie"<br />

zuständig und seit 1987 für die Bereiche<br />

"Klimaschutzprogramm der Bundesregierung"<br />

und "Umwelt und Energie". Heute ist er Leiter<br />

der Arbeitsgruppe Z II 6 "Nationales Klimaschutzprogramm,<br />

Umwelt und Energie" im Bundesministeriums<br />

für Umwelt, Naturschutz und<br />

Reaktorsicherheit, Berlin, sowie Vorsitzender der<br />

interministeriellen Arbeitsgruppe "CO 2 -Reduktion"<br />

und der Arbeitsgruppe "Emissionshandel zur<br />

Bekämpfung des Treibhauseffekts".<br />

Dr. Joachim K. Ehrenberg<br />

Europäische Kommission, Brüssel<br />

ist seit 1988 als wissenschaftlicher Referent der<br />

Europäischen Kommission tätig. Seit 1998<br />

Hauptverwaltungsrat in der General Direktion<br />

"Unternehmen" der europäischen Kommission,<br />

zunächst in der Abteilung Chemie, seit 2001 in<br />

der Abteilung "Umweltaspekte der Unternehmenspolitik".<br />

Dort ist er zuständig für alle Belange<br />

im Zusammenhang mit dem Klimaschutz,<br />

insbesondere dessen Auswirkungen auf Unternehmen.<br />

Dr. Henning Rentz<br />

RWE AG, Essen<br />

ist Leiter der Abteilung Umweltkoordination der<br />

RWE AG. Er ist unter anderem zuständig für die<br />

Koordination der Umweltschutzaktivitäten im<br />

Konzern sowie für umweltrelevante Themen und<br />

Aufgaben mit konzernübergreifendem Charakter<br />

wie z.B. Klimaschutz.<br />

Prof. Dr. Dieter Ameling<br />

Wirtschaftsvereinigung Stahl, Düsseldorf<br />

ist seit April 1998 geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />

des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute<br />

(VDEh) und Mitglied der Hauptgeschäftsführung<br />

der Wirtschaftsvereinigung Stahl<br />

in Düsseldorf. Seit April 2000 ist Prof. Ameling<br />

Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und<br />

Vorsitzender des Verein Deutscher Eisenhüttenleute<br />

(VDEh).<br />

Dr. Martin Schneider<br />

Verein Deutscher Zementwerke, Düsseldorf<br />

studierte Physik in Mainz und Bonn. Nach vierjähriger<br />

wissenschaftlicher Tätigkeit in Bonn und<br />

den USA kam er 1991 zum Forschungsinstitut<br />

der Zementindustrie, wo er zunächst für die Bereiche<br />

Umweltschutz und Zementchemie verantwortlich<br />

war. 1998 wurde er Geschäftsführer des<br />

Vereins Deutscher Zementwerke, seit Januar<br />

2000 ist er Hauptgeschäftsführer des VDZ und<br />

Leiter des Forschungsinstituts.<br />

Dr. Hermann Ott<br />

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie,<br />

Wuppertal<br />

ist Leiter der Abteilung Klimapolitik des Wuppertal<br />

Instituts für Klima, Umwelt und Energie.<br />

Nach einer Tätigkeit als Rechtsanwalt promovierte<br />

er zum Dr. jur. mit einer Arbeit über "Umweltregime<br />

im Völkerrecht". Als Ko-Autor veröffentlichte<br />

er einen umfassenden Kommentar in deutscher,<br />

englischer und japanischer Sprache zur<br />

internationalen Klimapolitik. Von November<br />

2000 bis Juni 2001 war er im Planungsstab des<br />

Auswärtigen Amtes zuständig für die Konzeption<br />

einer "Umweltaußenpolitik" des Ministeriums.<br />

Dr. Jürgen Engelhard<br />

Reinbraun AG, Köln<br />

studierte Physik in Bonn und Heidelberg. Von<br />

1971 bis 1975 war er Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft<br />

Versuchsreaktor GmbH, Düsseldorf.<br />

Seit 1975 ist er bei der RWE Rheinbraun AG<br />

tätig, u.a. als Umweltschutzbeauftragter, als Leiter<br />

der Kraftwerksabteilung und des Bereichs Forschung<br />

und Entwicklung. Seit Anfang 2001 ist<br />

er Vorstandsbeauftragter für politische Fragen.<br />

Dr. Karlheinz Berg<br />

Deutsche Shell Chemie GmbH, Eschborn<br />

ist promovierter Chemiker und war 30 Jahre in<br />

Deutschland und im Ausland für die Deutsche<br />

Shell tätig, darunter mehrere Jahre im Bereich<br />

Rohölverarbeitung (Produktion, Technologie,<br />

Umwelttechnologie, Planung und Inbetriebnahme<br />

von Großprojekten) sowie im Bereich Marketing<br />

(Petro-Chemieprodukte). Von 1992 bis 2001 war<br />

er Geschäftsführer der Deutschen Shell Chemie.<br />

Seit Dezember 2001 ist er als Pensionär in beratender<br />

Funktion für die Deutsche Shell tätig.<br />

Dr. Jochen Rudolph<br />

Degussa AG, Düsseldorf<br />

ist Leiter des Konzernbereichs Umwelt, Sicherheit,<br />

Gesundheit und Qualität der Degussa AG,<br />

Düsseldorf. Er ist seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen<br />

Funktionen im Unternehmen für Umwelt-<br />

und Sicherheitsfragen einschließlich des<br />

Klimaschutzes verantwortlich. Als Mitglied und<br />

Leiter nationaler und internationaler Gremien<br />

arbeitet er an der Lösung umweltpolitischer Fragestellungen<br />

und der Gestaltung moderner Managementsysteme<br />

mit.<br />

164


Kurzbiografien<br />

Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der<br />

Podiumsdiskussion stellen sich vor<br />

Dr. Gerhard Sohn<br />

Gesamtverband Steinkohlenbergbau, Essen<br />

studierte Wirtschaftswissenschaften und war<br />

anschließend wissenschaftlicher Assistent.<br />

1971 promovierte er zum Dr. rer. pol.<br />

Von 1972 – 1999 war er in der Landesregierung<br />

NRW (Staatskanzlei, Wirtschaftsministerium)<br />

in verschiedenen Funktionen und Bereichen der<br />

Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik tätig.<br />

Seit 1999 ist er geschäftsführendes Vorstandsmitglied<br />

des Gesamtverbandes des deutschen<br />

Steinkohlenbergbaus.<br />

Dr. Thomas Kreuder<br />

RAG Aktiengesellschaft, Essen<br />

ist Leiter des Zentralbereich Zentralstab/<br />

Internationale Koordination bei der RAG<br />

Aktiengesellschaft in Essen.<br />

Heinrich Lohmann<br />

Umweltkontor Renewable Energy AG,<br />

Erkelenz<br />

gründete 1995 zusammen mit Leo Noethlichs<br />

die Umweltkontor Unternehmensgruppe und<br />

widmete sich dem gesamten Spektrum der<br />

erneuerbaren Energien. Bis zum Jahr 2001<br />

entwickelte die im Nemax 50 notierte profitable<br />

Unternehmensgruppe über 300 Windenergieanlagen<br />

mit einer Gesamtleistung von mehr<br />

als 300 Megawatt.<br />

Klaus Dieter Rennert<br />

Babcock Borsig Power Energy GmbH,<br />

Oberhausen<br />

war zunächst nach seinem Studium des<br />

Maschinenbaus bei der L.&C. Steinmüller GmbH<br />

in verschiedenen Positionen u.a. als Leiter der<br />

Abteilung Kraftwerkstechnik, später auch als<br />

Geschäftsführer tätig. Seit Mai 1999 ist er<br />

Vorsitzender der Geschäftsführung der Babcock<br />

Borsig Power Energy GmbH und Mitglied der<br />

Geschäftsführung der Babcock Borsig Power<br />

GmbH.<br />

Delia Villagrasa<br />

e5 - European Business Council for a Sustainable<br />

Energy Future, Brüssel, Belgien<br />

hat an der Universität von St. Gall Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaften studiert, bevor sie<br />

beim WWF International die Koordination für<br />

verschiedene Aufgabenbereiche (u.a. Analyse<br />

von internationalen Umweltvereinbarungen, Zusammenarbeit<br />

mit anderen NGO`s, Planung und<br />

Umsetzung von Aktivitäten des WWF International)<br />

übernahm. Beim Climate Network Europe in<br />

Brüssel war sie danach als Geschäftsführerin<br />

zuständig für die Klimaschutz-Aktivitäten der<br />

Europäischen Union. Seit 2002 ist sie Geschäftsführerin<br />

der e5 - European Business Council for<br />

a Sustainable Energy Future.<br />

Rüdiger Schweer<br />

Hessisches Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft<br />

und Forsten, Wiesbaden<br />

war nach seinem Studium der Energietechnik<br />

zunächst als freier Energieberater, wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter, und später auch als Geschäftsführer<br />

verschiedener Energie-Consulting-Firmen<br />

tätig. 1991 wechselte er als Referatsleiter "Energiekonzepte,<br />

Energiedienstleistungen" in die Energieabteilung<br />

des Hessischen Umweltministeriums<br />

und ist seit März 2000 Referatsleiter "Klimaschutz"<br />

des heutigen Hessischen Ministeriums für<br />

Umwelt, Landwirtschaft und Forsten.<br />

Dr. Klaus Oppermann<br />

Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

Frankfurt a. M.<br />

studierte Volkswirtschaftslehre in Lyon (Frankreich)<br />

und Frankfurt. Er arbeitete als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter an der Universität Frankfurt, wo er<br />

zu einem geldtheoretischen Thema promovierte.<br />

Seit Juli 2000 ist er Referent in der volkswirtschaftlichen<br />

Abteilung der KfW, die Schwerpunkte<br />

seiner Tätigkeit bilden erneuerbare Energien und<br />

Klimapolitik.<br />

Holger Liptow<br />

Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit,<br />

Eschborn<br />

ist Leiter des Klimaschutz-Programms, gefördert<br />

vom BMZ. Das Klimaschutz-Programm fördert<br />

sowohl Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgas-Emissionen<br />

und zum CDM in Entwicklungsländern<br />

als auch die Anpassung an den Klimawandel.<br />

Holger Liptow hat in mehr als 20 Jahren<br />

Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien und<br />

zur nationalen Energieplanung betreut. Er ist<br />

Mitglied der Expertengruppe zum Technologie-<br />

Transfer der Klimarahmenkonvention.<br />

Michael Grytz<br />

ARD-Studio Brüssel, Journalist und Korespondent,<br />

Chef vom Dienst für »Bericht aus Brüssel«<br />

ist Journalist und Korrespondent im ARD-Studio<br />

Brüssel. Chef vom Dienst für "Bericht aus Brüssel"<br />

und andere Sendungen des Studios. Zuvor<br />

Inlandskorrespondent für Tagesschau und Tagesthemen.<br />

Themen: Wirtschafts- und Energiepolitik.<br />

Berthold Bonekamp<br />

RWE Rheinbraun AG, Köln<br />

studierte in Münster Maschinenbau mit dem<br />

Abschluss grad. Ing. und Betriebswirtschaft mit<br />

dem Abschluss Dipl.-Kfm. Seit 1981 ist er für<br />

die RWE Rheinbraun AG tätig. Nach verschiedenen<br />

Funktionen in den Bereichen Controlling, Unternehmensentwicklung,<br />

Administration und Verkauf/<br />

Vertrieb wurde er 1998 in den Vorstand berufen,<br />

zunächst mit dem Ressort Internationale Aktivitäten<br />

und seit Oktober 1999 als Vorstandsvorsitzender.<br />

Gleichzeitig ist er Vorstandsmitglied<br />

der RWE Power AG.<br />

165


Glossar<br />

Teilweise entnommen aus: WWF Deutschland -<br />

Hintergrundinformation-Glossar, www.wwf.de.<br />

Bundesumweltministerium: Die letzte Etappe vor dem<br />

Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls, www.bmu.de/fset1024.php.<br />

IPIECA: Glossary of Climate Change terms.<br />

International Petroleum Industry Environmental<br />

Conservation Association, London 2001.<br />

AAU – Assigned Amount Unit<br />

Zugewiesene Emissionsmenge eines Anlage-1-<br />

Staates entsprechend der eigenen Reduktionsverpflichtung<br />

gemäß Kyoto-Protokoll.<br />

AIJ - Activities Implemented Jointly<br />

Pilotphase von Projekten im Rahmen der<br />

Flexiblen Mechanismen.<br />

Allokation<br />

Zuteilung von Emissionsrechten im Rahmen<br />

des Emissionshandels. Es wird unterschieden<br />

zwischen der Zuteilung auf Basis historischer<br />

Emissionswerte (siehe Grandfathering) und<br />

der Auktion.<br />

Annex I – Anlage I der Klimarahmenkonvention<br />

Eine Liste von 41 Ländern, zumeist OECD-<br />

Staaten und Staaten Mittel- und Osteuropas.<br />

Diese Staaten verfolgen das Ziel, einzeln oder<br />

gemeinsam ihre Emissionen von Treibhausgasen<br />

dauerhaft auf das Niveau von 1990<br />

zurückzuführen. Dies ist jedoch nur eine allgemeine<br />

Zielbeschreibung, ohne eine rechtliche<br />

verbindliche Wirkung für die Vertragsstaaten.<br />

Annex B – Anlage B im Kyoto-Protokoll<br />

Liste der 39 Länder, die sich verbindlich festgelegte<br />

Emissionsreduktionsziele gesetzt haben.<br />

Sie entsprechen bis auf zwei Ausnahmen den<br />

Staaten in Anlage I der Klimarahmenkonvention.<br />

Banking<br />

Bei Übererfüllung der Reduktionsziele können<br />

Emissionsreduktionen auf einem "Konto" für die<br />

nächste Verpflichtungsperiode aufgespart werden.<br />

Baseline<br />

Referenz- oder Basisszenario. Eine Baseline<br />

dient dazu, die Auswirkungen eines Emissionsminderungsprojekts<br />

zu ermitteln. Hierzu wird<br />

im Vorfeld der Projektdurchführung und bei<br />

seiner Überprüfung ein Referenzszenario entwickelt,<br />

das die Situation ohne die Durchführung<br />

des Projekts abschätzen soll.<br />

Borrowing<br />

Übertragung der nicht durch Emissionsrechte<br />

gedeckten Emissionen aus einer Verpflichtungsperiode<br />

in die nächste.<br />

Bubble<br />

Staatenzusammenschluss für die Verpflichtung<br />

innerhalb des Kyotoprotokolls. Eine "Bubble"<br />

wird bei den Vertragsstaatenkonferenzen als<br />

eine Vertragspartei gesehen. Der bisher einzige<br />

Staatenzusammenschluss ist die Europäische<br />

Union.<br />

Burden sharing Agreement<br />

Lastenteilungsvereinbarung innerhalb der Europäischen<br />

Union. Darin legen die Mitgliedsstaaten<br />

unterschiedliche Minderungsziele fest, die in<br />

ihrer Gesamtheit das Europäische Gemeinschaftsziel<br />

einer Reduktion um 8 % erreicht.<br />

CDM – "Clean Development Mechanism"<br />

[Artikel 12 KP]<br />

Gemeinsame Projekte zwischen Entwicklungsländern<br />

(Nicht Annex B Staaten) und Industrieländern.<br />

Die Projektkriterien beinhalten eine<br />

freiwillige Teilnahme und eine messbare und<br />

langfristige Verringerung von Emissionen.<br />

Außerdem müssen die Reduktionen gewisse<br />

Zusätzlichkeitskriterien (Additionality) erfüllen.<br />

CDM-Projekte können bereits ab dem Jahr<br />

2000 angerechnet werden. Die vor dem Jahr<br />

2008 erzielten Reduktionen dürfen (im Gegensatz<br />

zu allen anderen flexiblen Mechanismen)<br />

auf die erste Budgetperiode angerechnet werden.<br />

CER – Certified Emissions Reduction<br />

Zertifizierte Emissionsreduktionen, die aus<br />

CDM-Projekten erfolgen.<br />

COP – "Conference of the Parties"<br />

Vertragsstaatenkonferenz des UNFCCC. Höchstes<br />

Gremium der Klimarahmenkonvention. Die<br />

Vertragsstaatenkonferenz hat die Aufgabe, die<br />

Umsetzung der Konvention jetzt und in der<br />

Zukunft sicherzustellen (COP1 1995 in Berlin,<br />

COP2 1996 in Genf, COP3 1997 in Kyoto, COP4<br />

1998 in Buenos Aires, COP5 1999 in Bonn,<br />

COP6 2000 in Den Haag und Bonn, COP7<br />

2001 in Marrakesch, COP8 2003 in Neu Dehli).<br />

ECCP - European Climate Change Program<br />

Die EU-Kommission hat am 08. März 2000 mit<br />

dem Europäischen Programm für Klimaänderungen<br />

eine Strategie zum europäischen Klimaschutz<br />

vorgeschlagen.<br />

Emissions Cap<br />

Der für in einen bestimmten Zeitraum festgelegte<br />

obere Grenzwert der Gesamtmenge von<br />

Treibhausgas-Emissionen eines Systems, einer<br />

Anlage oder eines Landes.<br />

ERU – Emission Reduction Unit<br />

Emissionsreduktionen, die aus JI-Projekten<br />

erfolgen.<br />

ET – "Emission Trading"<br />

(Handel mit Emissionrechten) [Artikel 17 KP]<br />

Der Handel mit Emissionsrechten ist zwischen<br />

Industriestaaten vorgesehen, um Emissionsreduktionen<br />

zu den vokswirtschaftlich geringsten<br />

Kosten zu ermöglichen. Ein Industrieland kann<br />

– in gewissen Grenzen – von einem anderen<br />

Industrieland Emissionsrechte kaufen, wenn es<br />

die Reduktionsverpflichtung durch Maßnahmen<br />

im eigenen Land nicht erreichen kann. Der<br />

Emissionshandel ist auch auf Unternehmensebene<br />

möglich.<br />

"Flexmechs" - Flexible Mechanismen<br />

Zusammenfassender Begriff für die Instrumente<br />

Clean Development Mechanism (CDM), Joint<br />

Implementation (JI) und Emissionshandel.<br />

166


Grandfathering<br />

Kostenlose Anfangsverteilung von Emissionsrechten<br />

auf Basis historischer Emissionswerte,<br />

also der Emissionen in einem festgelegten<br />

"Basisjahr".<br />

G77<br />

Die Gruppe der ursprünglich 77 Entwicklungsländer,<br />

die 1964 gegründet wurde, um die Interessen<br />

der Dritten Welt effektiv vertreten zu<br />

können. Sie hatte 1991 insgesamt 129 Mitglieder.<br />

Bei den internationalen Klimaschutzverhandlungen<br />

greifen die G77-Staaten und<br />

China oft gemeinsam in die Diskussion ein<br />

(G77 + China).<br />

GEF – "Global Environment Facility"<br />

Multilateraler Umwelt-Fonds, der 1991 von<br />

der Weltbank etabliert wurde. Er fungiert mittlerweile<br />

als Finanzierungsinstrument in vier<br />

Sektoren: Maßnahmen zum Klimaschutz,<br />

biologische Vielfalt, Schutz der Ozonschicht<br />

und Schutz der Gewässer.<br />

"heiße Luft" (engl.: hot air)<br />

In Kyoto wurde einigen Staaten (u.a. Rußland,<br />

Ukraine) deutlich mehr Emissionsrechte zugebilligt,<br />

als sie (aufgrund des Zusammenbruchs<br />

der Wirtschaft dieser Staaten nach 1990) im<br />

Verpflichtungszeitraum absehbar benötigen<br />

werden. Diese so genannte "heiße Luft" kann<br />

per Emissionshandel verkauft werden – mit der<br />

Folge, dass Emissionshandel mit<br />

diesen Ländern zu mehr Emissionen führt<br />

und keine wirklichen Reduktionen erfolgen.<br />

IPCC – "Intergovernmental Panel on Climate<br />

Change"<br />

Das wissenschaftliche Gremium der Klima-<br />

Rahmenkonvention wurde beauftragt, den<br />

Stand der Forschung zum Klimasystem und<br />

zu Klimaänderungen sowie deren ökologische,<br />

ökonomische und soziale Auswirkungen zu erforschen<br />

und mögliche Gegen-Strategien zu<br />

entwickeln. Die über 2.000 (Klima-)Wissenschaftler<br />

und Experten veröffentlichten 1990,<br />

1995 und 2001 Statusberichte (Assessment<br />

Reports). Wichtigste Schlussfolgerung des<br />

zweiten Berichtes war, dass ein menschlicher<br />

Einfluss auf das Weltklima erkennbar ist.<br />

JI – "Joint Implementation" (Gemeinsame<br />

Umgesetzung) [Artikel 6 KP]<br />

Basierend auf einer Klausel im Artikel 6 der<br />

Klima-Rahmenkonvention können die Anlage-<br />

1-Länder ihre Verpflichtungen zur Emissionsreduktion<br />

erfüllen, indem sie in anderen<br />

Anlage-1-Länder investieren, wo die gleichen<br />

Emissionsreduktionen mit geringeren<br />

Investitionen erreicht werden können.<br />

KRK – Klimarahmenkonvention<br />

Siehe UNFCCC.<br />

KP – Kyoto-Protokoll<br />

Das Dokument, welches auf der 3. Vertragsstaatenkonferenz<br />

in Kyoto verabschiedet wurde,<br />

und in welchem sich die Vertragsstaaten<br />

zu bindenden Reduktionszielen verpflichtet<br />

haben. Unter anderem wird im KP der Grundstein<br />

für die flexiblen Mechanismen gelegt.<br />

Kyotogase<br />

Im Kyoto-Protokoll aufgeführte Gase mit verstärkender<br />

Wirkung auf den Treibhauseffekt<br />

(Treibhausgase). In Anlage A des Kyoto-Protokolls<br />

sind folgende Gase aufgeführt: Kohlendioxid<br />

(CO 2 ), Methan (CH 4 ), Distickstoffoxid<br />

(N 2 O), Teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe<br />

(H-FKW/HFC), Perfluorierte Kohlenwasserstoffe<br />

(FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF 6 ).<br />

Monitoring<br />

Kontrolle und Überwachung von CO 2 -Reduktionen.<br />

Quelle<br />

Die Klimarahmenkonvention bezeichnet eine<br />

Quelle als einen Prozess oder eine Aktivität,<br />

durch die Treibhausgase, Aerosole oder die<br />

Vorläufersubstanzen eines Treibhausgases in<br />

die Atmosphäre abgegeben wird (Art. 1.9), wie<br />

z.B. die Verbrennung fossiler Energieträger.<br />

Senken<br />

Kohlenstoffreservoire, die das Treibhausgas<br />

Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen<br />

und speichern können.<br />

Transaktionskosten<br />

Kosten, die bei der Durchführung von CDModer<br />

JI-Projekten bzw. bei Transaktionen im<br />

Rahmen des Emissionshandels anfallen, und<br />

nicht unmittelbar aus Emissionsreduktionsprojekten<br />

resultieren.<br />

Umbrella Group<br />

Informeller Zusammenschluss von Industrieländern,<br />

die nicht der EU angehören. Die<br />

Länder der Umbrella-Group sind Japan, die<br />

USA (bis vor ihrem Ausstieg aus dem Kyoto-<br />

Protokoll), Kanada, Australien, Norwegen,<br />

Neuseeland, Island, Russland und die Ukraine.<br />

UNEP – United Nations Environment Programme<br />

Umweltprogramm der Vereinten Nationen mit<br />

Sitz in Nairobi.<br />

UNFCCC - United Nations Framework<br />

Convention on Climate Change<br />

Klimarahmenkonvention. Konvention der<br />

Vereinten Nationen, in der die allgemeine<br />

Verpflichtung aller Länder festgelegt wurde,<br />

einen "der eigenen Verantwortung angemessenen<br />

und der eigenen finanziellen und<br />

technischen Möglichkeiten entsprechenden<br />

differenzierten" Beitrag zum globalen Klimaschutz<br />

zu leisten. Die Konvention wurde<br />

mittlerweile durch 186 Staaten ratifiziert.<br />

Verpflichtungsperiode<br />

Die erste Verpflichtungsperiode beginnt<br />

gemäß dem Kyoto-Protokoll 2008 und endet<br />

2012. Für darauffolgende Zeiträume sollen<br />

für die Mitgliedsstaaten neue Verpflichtungen<br />

ausgehandelt werden.<br />

Vertragsstaatenkonferenz<br />

Siehe COP.<br />

WMO<br />

World Meteorological Organisation.<br />

167


Verteilerhinweis<br />

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung<br />

Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern<br />

oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung<br />

verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen<br />

sowie für die Wahl des Europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist besonders<br />

die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie<br />

das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen und<br />

Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der<br />

Wahlwerbung. Eine Verwendung dieser Druckschrift durch Parteien oder sie unterstützende<br />

Organisationen ausschließlich zur Unterrichtung ihrer eigenen Mitglieder<br />

bleibt hiervon unberührt. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in<br />

welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne<br />

zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet<br />

werden, die als Parteinahme der Landesregierung zugunsten einzelner politischer<br />

Gruppen verstanden werden könnte.<br />

Herausgegeben im Mai 2002


Foto Titelseite: DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />

Ministerium für Wirtschaft<br />

und Mittelstand, Energie<br />

und Verkehr des Landes<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

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D-40213 Düsseldorf<br />

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Fax.: +49 (0) 2 11-8 37-22 00<br />

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Internet: www.mwmev.nrw.de<br />

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E-Mail: energy@mwmev.nrw.de<br />

Internet: www.energieland.nrw.de<br />

Düsseldorf, im Mai 2002

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