16.11.2012 Aufrufe

Exkursion zu den Kindern der Exkursion zu den Kindern der

Exkursion zu den Kindern der Exkursion zu den Kindern der

Exkursion zu den Kindern der Exkursion zu den Kindern der

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

WISSEN aus erster Hand<br />

Galápagos-Bewohner spiegelt vielmehr<br />

eine sehr geringe Fluchtdistanz<br />

wi<strong>der</strong>, die im Englischen mit low wariness<br />

bezeichnet wird, wofür es im<br />

Deutschen lei<strong>der</strong> keine gängige passende<br />

Überset<strong>zu</strong>ng gibt.<br />

Meeresechsen sind unglaublich ruhig,<br />

wenn sie erst einmal gefangen<br />

sind und sie die Unterstüt<strong>zu</strong>ng<br />

eines Unterarms unter ihrem Körper<br />

spüren. In <strong>der</strong> Regel sitzen sie wi<strong>der</strong>standslos,<br />

und es ist sehr angenehm,<br />

mit ihnen <strong>zu</strong> arbeiten, sie <strong>zu</strong><br />

vermessen, mit ihnen <strong>zu</strong> hantieren.<br />

Ihre einzige Abwehr besteht darin,<br />

Luft <strong>zu</strong> schlucken und <strong>zu</strong> versuchen,<br />

ihren Körper auf<strong>zu</strong>pumpen – was<br />

eine wirksame Methode ist, um sich<br />

in Gesteinsritzen fest<strong>zu</strong>klemmen,<br />

wenn Gefahr droht, was aber<br />

während einer längeren Untersuchung<br />

gerade<strong>zu</strong> liebenswert uneffektiv<br />

ist. In <strong>der</strong> Regel sind sie sehr<br />

ahnungslos gegenüber potenzieller<br />

Gefahr durch an<strong>der</strong>e Lebewesen –<br />

64 M AXP LANCKF ORSCHUNG 1/2003<br />

Jahrmillionen währende Evolution<br />

ohne jegliche Bejagung durch natürliche<br />

Beutegreifer (Predation) ist<br />

wohl <strong>der</strong> Grund für diese große Vertrautheit<br />

und hat es erst ermöglicht,<br />

dass Meeresechsen sich die reichhaltigen<br />

Nahrungsquellen (Algen)<br />

<strong>der</strong> Brandungszone sowie auch des<br />

Bereichs unter Wasser erschließen<br />

konnten. Während <strong>der</strong> Nahrungsaufnahme<br />

kühlt ihre Körpertemperatur<br />

um bis <strong>zu</strong> zehn Grad ab. Die Tiere<br />

benötigen daher immer wie<strong>der</strong> ausgedehnte<br />

Ruhephasen auf dunklem<br />

Lavagestein, wo sie die Wärme <strong>der</strong><br />

Sonnenstrahlen aufnehmen. Es ist<br />

faszinierend <strong>zu</strong> beobachten, wie<br />

Hun<strong>der</strong>te von großen Reptilien platt<br />

dahingelegt oft mit geschlossenen<br />

Augen vor sich hindösen, dabei be<strong>den</strong>kenlos<br />

ihre Vor<strong>der</strong>beine seitlich<br />

neben <strong>den</strong> Körper ausstreckend mit<br />

<strong>den</strong> „Handflächen“ nach oben, was<br />

wohl einen engeren Kontakt des<br />

Körpers mit dem Untergrund ermöglicht.<br />

Dieses Verhalten wäre unmög-<br />

Der Anmarsch <strong>zu</strong> <strong>den</strong> Meeresechsen-<br />

Kolonien führt über eine halbe Stunde<br />

lang durch unwegsames Gelände. Das für<br />

die Untersuchungen nötige Material haben<br />

die Forscher daher griffbereit in einem<br />

Aluminiumkoffer vor Ort aufbewahrt.<br />

lich in einer Umwelt, in <strong>der</strong> die Reptilien<br />

ständig <strong>der</strong> Gefahr durch einen<br />

Beutegreifer ausgesetzt sind.<br />

Mit <strong>den</strong> ersten Siedlern gelangten<br />

allerdings auch Hunde und Katzen<br />

auf die Inseln. Einer Untersuchung<br />

aus dem Jahr 1981 <strong>zu</strong>folge fielen in<br />

<strong>der</strong> beobachteten Population fast ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Meeresechsen Wildhun<strong>den</strong><br />

<strong>zu</strong>m Opfer. Verwil<strong>der</strong>te Katzen machten<br />

auf einer an<strong>der</strong>en Insel sogar 65<br />

Prozent <strong>der</strong> Population <strong>den</strong> Garaus.<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong> an<strong>der</strong>en Reptilienarten<br />

sind die Meeresechsen auf <strong>den</strong><br />

Galápagos also offensichtlich nicht<br />

in <strong>der</strong> Lage, sich in ihrem Verhalten<br />

auf diese neuen Beutegreifer ein<strong>zu</strong>stellen.<br />

Das Fehlen einer geeigneten<br />

Vermeidungs- o<strong>der</strong> Verteidigungsstrategie<br />

(anti-predator response) be-<br />

deutet – dafür spricht <strong>der</strong> beobachtete<br />

Populationsrückgang – tatsächlich<br />

einen Selektionsnachteil. Sind während<br />

<strong>der</strong> Evolution durch genetische<br />

Drift und Anpassung an eine Umgebung<br />

ohne Beutegreifer die entsprechen<strong>den</strong><br />

Erbinformationen verloren<br />

gegangen? Darauf weist die Beobachtung<br />

von sehr geringen Fluchtdistanzen<br />

auf <strong>der</strong> kleinen und isolierten<br />

Insel Caamaño hin:<br />

Ich mache ein „Harassment-Experiment”,<br />

bei dem die Fähigkeit <strong>der</strong><br />

Meeresechsen, auf mo<strong>der</strong>ate Störung<br />

mit einer hormonellen Stressreaktion<br />

<strong>zu</strong> antworten, getestet wird. Da<strong>zu</strong><br />

wird von einem ausgewählten Tier<br />

die primäre, „naive“ Fluchtdistanz<br />

gemessen und dieses Tier dann 15<br />

Minuten lang von einer Person verfolgt<br />

– immer bis <strong>zu</strong> dem Punkt, an<br />

Topfgucker: Landleguane (Conolophus<br />

pallidus) sind regelmäßige Besucher<br />

im Camp. Nichts ist vor ihnen sicher –<br />

Komposteimer, benutzte Töpfe, alles<br />

wird von diesen bis <strong>zu</strong> fünf Kilogramm<br />

schweren Leguanen untersucht.<br />

dem die Meeresechse sich von ihrem<br />

Platz erhebt und ausweicht o<strong>der</strong> eine<br />

kurze Strecke flieht. Diese Distanz<br />

betrug in manchen Fällen auf Caamaño<br />

nicht mehr als einen Meter!<br />

Am Ende des Experiments wird das<br />

Tier gefangen und eine Blutprobe <strong>zu</strong>r<br />

Bestimmung <strong>der</strong> Baseline <strong>der</strong> Kortikosteron-Konzentration<br />

entnommen.<br />

Dieser Wert wird Auskunft darüber<br />

geben, ob das Tier diese Art von Störung<br />

als Gefahr wahrnimmt und darauf<br />

mit einer Erhöhung des Stresshormonspiegels<br />

reagiert. Nirgendwo<br />

sonst war dieses Experiment so gut<br />

durch<strong>zu</strong>führen wie auf Caamaño.<br />

Im Vergleich da<strong>zu</strong> hatten die Meeresechsen<br />

auf <strong>der</strong> nur wenige Kilometer<br />

entfernten Insel St. Cruz, wo sie verwil<strong>der</strong>ten<br />

Katzen und Hun<strong>den</strong> ausgesetzt<br />

sind, sehr große Fluchtdistanzen.<br />

Die Echsen könnten sich hier<br />

an die neu auftauchende Bedrohung<br />

angepasst haben. Bleibt <strong>zu</strong> prüfen,<br />

ob dieser Unterschied im Verhalten<br />

eine genetische Basis hat o<strong>der</strong> lediglich<br />

einen Lernprozess wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

VERHALTENSforschung<br />

„Ich bin jetzt hart an <strong>der</strong> Arbeit und<br />

pauke Fachwissen, um damit meinen<br />

Reisebericht <strong>zu</strong> dekorieren...“, schreibt<br />

Charles Darwin im Juli 1837 an Henslow.<br />

Thomas Rödl und Silke Berger<br />

haben einen Großteil <strong>der</strong> Arbeit, nämlich<br />

die Auswertung <strong>der</strong> Proben im<br />

Labor, noch vor sich. Es wird also einige<br />

Zeit in Anspruch nehmen, bis die<br />

bei<strong>den</strong> Biologen tatsächlich erste Ergebnisse<br />

veröffentlichen können, die<br />

Aussagen über die Ursachen <strong>der</strong> vermeintlichen<br />

„Zahmheit“ <strong>der</strong> Meeresechsen<br />

auf Galápagos <strong>zu</strong>lassen.<br />

REDAKTIONELLE ZWISCHENTEXTE: CHRISTINA BECK<br />

DR. THOMAS RÖDL (Jahrgang 1964)<br />

studierte an <strong>der</strong> LMU in München und<br />

wurde 1999 promoviert. Als Postdoc<br />

hat er sich an <strong>der</strong> Max-Planck-Forschungsstelle<br />

bei Prof. Eberhard Gwinner<br />

mit „Temporal aspects in bird migration“<br />

befasst. Sein auf zwei Jahre<br />

angelegtes Forschungsprojekt über die<br />

Meeresechsen wird mit einem Feodor-<br />

Lynen-Stipendium <strong>der</strong> Alexan<strong>der</strong> von Humboldt-Stiftung für<br />

deutsche Postdocs sowie durch die Max-Planck-Forschungsplattform<br />

auf Galápagos unterstützt. Humboldt-Gastgeber<br />

ist Prof. Martin Wikelski von <strong>der</strong> Princeton University.<br />

1/2003 M AXP LANCKF ORSCHUNG 65

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!