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der logos-begriff im gedanken heraklitus von ephesos im kontext der ...

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Der Logos-Begriff <strong>im</strong> Gedanken Heraklitus <strong>von</strong> Ephesos... 85<br />

Aus den oben erwähnten Analysen folgt, dass Heraklits Gedanke, in dem <strong>der</strong> zentrale<br />

Punkt <strong>der</strong> Logos ist, eine <strong>der</strong> grundsätzlichsten in <strong>der</strong> westlichen Philosophie ist. Aus<br />

ihm geht, wie man annehmen darf, in direkter o<strong>der</strong> indirekter Weise, eine best<strong>im</strong>mte<br />

Tradition des Sprach- und Kommunikationsverstehens in <strong>der</strong> eigenartig göttlichen,<br />

sakralen o<strong>der</strong> kosmischen Perspektive hervor. Es ist <strong>im</strong> Grunde ein gewisser<br />

ontologischer Vorschlag, in dem jedoch die Hülle <strong>der</strong> Wirklichkeit entwe<strong>der</strong> Materie<br />

noch ein undefiniertes apeiron son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Logos als das Wort, als die Sprache ist. Aus<br />

diesem Vorschlag werden philosophische und theologische Standpunkte schöpfen, die<br />

eine Art <strong>der</strong> „heiligen Sprache“, des Schlüssels zur Wirklichkeit anerkennen, <strong>der</strong> für<br />

einige wenige best<strong>im</strong>mt ist, <strong>der</strong> die Wahrheit gleichzeitig entdeckt und verdeckt. „Denn<br />

des Menschen Sinn hat keine Einsichten, wohl aber <strong>der</strong> göttliche“ 21 . Der Philosoph<br />

erscheint somit in dieser frühen griechischen Tradition als ein Vermittler zwischen dem<br />

Menschlichen und dem Göttlichen. Eine solche Denkweise erkennen wir noch bei<br />

Sokrates, wenn er <strong>von</strong> seinem Da<strong>im</strong>onion spricht, o<strong>der</strong> bei Plato, für den <strong>der</strong> Philosoph<br />

eben über die Fähigkeit des Umgangs mit dem Absoluten verfügt. Das heraklitsche<br />

Denken über die Sprache ist tief in <strong>der</strong> frühen griechischen Spiritualität und Religiosität<br />

eingewurzelt, die in einem hohen Grade auf <strong>der</strong> Orakelverehrung basiert, einem Wort,<br />

das auf eine gehe<strong>im</strong>nisvolle Weise den Zugang zur Wahrheit bietet. Die ganze<br />

Wirklichkeit ist ein Wort, das z.B. <strong>der</strong> Philosoph vernehmen und verstehen kann. Mittels<br />

dieses göttlichen Wortes kann er damit kommunizieren, was eben göttlich ist, er sagt<br />

daher nicht direkt und klar, son<strong>der</strong>n bedient sich eher <strong>der</strong> Rätsel, <strong>der</strong> Metaphern. „Die<br />

Natur liebt es sich zu verstecken“ 22 , sagt Heraklit. Man soll jedoch darauf aufmerksam<br />

werden, dass Heraklit doch ein Philosoph, kein Wahrsager o<strong>der</strong> Priester ist. In einem <strong>der</strong><br />

erhalten gebliebenen Fragmente sendet er eine Warnung „den Nachtschwärmern,<br />

Magiern, Bakchen, Mänaden und Eingeweihten. Denn in unheiliger Weise findet die<br />

Einführung in die Weihen statt wie sie bei den Leuten <strong>im</strong> Schwange sind“ 23 . Es ist ein<br />

interessantes Zeugnis über Heraklit als Vertreter <strong>der</strong> Wende <strong>von</strong> zwei Jahrhun<strong>der</strong>ten,<br />

<strong>von</strong> zwei kulturellen Paradigmen. Einerseits beruft er sich häufig auf das Orakel, z.B.<br />

<strong>von</strong> Delphi und selbst identifiziert er sich mit jemandem, wer in seinem Logos einen<br />

gewissen höheren göttlichen Logos übermittelt; zugleich jedoch distanziert er sich <strong>von</strong><br />

den erwähnten „Magiern, Mänaden, Eingeweihten“ – auch sie maßten sich früher das<br />

Recht an, mit <strong>der</strong> Gottheit auf eine mysteriöse, ekstatische Weise zu kommunizieren.<br />

Da<strong>von</strong> trennt sich Heraklit deutlich – er ist ein Sänger des Logos, also ein Sänger <strong>von</strong><br />

etwas vernunftbegabtem, rationalem, dessen Wahrheit <strong>der</strong> Philosoph begreift, also<br />

jemand, <strong>der</strong> sich des Verstandes, nicht mehr einer religiösen Erregung bedient. Auf diese<br />

Weise setzt Heraklit den Weg des Unabhängigwerdens einer philosophischen, d.h.<br />

rationalen Wirklichkeitsanschauung anstatt einer religiösen, mystischen fort und<br />

verbreitet, den Thales <strong>von</strong> Milet best<strong>im</strong>mt hat. Es ist wahr, dass <strong>der</strong> Einfluss <strong>von</strong><br />

Mysterien (eleusinischen, und insbeson<strong>der</strong>e, wie G. Reale best<strong>im</strong>mt hat, orphischen) ist<br />

nicht nur bei Heraklitus merklich, son<strong>der</strong>n auch bei Pythagoras, Plato, Empedokles,<br />

nichtsdestoweniger folgen sie dem Weg <strong>der</strong> Philosophie, nicht <strong>der</strong> Mystik. Der<br />

Unterschied besteht hauptsächlich darin, die Wahrheit zu erreichen – die religiöse<br />

21 Fragm. B 78, Zit. nach K. Mrówka „Heraklit...”.<br />

22 Fragm. B 123, Zit. nach K. Mrówka „Heraklit...”.<br />

23 Fragm. B 14, Zit. nach K. Mrówka „Heraklit...”.

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