nummer 14 frühjahr 2008 - Städtische Galerie Nordhorn - Stadt ...
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Lieblingsbilder 4<br />
5<br />
Lieblingsbilder<br />
Dieses Bild<br />
finde ich gut …<br />
Helmut<br />
Riestenpatt<br />
Alter 72<br />
Beruf Gymnasiallehrer i.P.<br />
Berufung Programmmacher und<br />
Schauspieler an der Freilichtbühne<br />
in Bad Bentheim<br />
Familienstand verheiratet, drei Kinder<br />
Die Geschichte<br />
ist<br />
so ganz nach<br />
Helmut Riestenpatts<br />
Geschmack:Auf<br />
der einen Seite<br />
der kraftvolle<br />
Held, voller<br />
Tatendrang, ein<br />
Mann mit Visionen,<br />
nicht von<br />
dieser Welt. Der<br />
andere dagegen<br />
klein, untersetzt,<br />
schlau, mit beiden<br />
Füßen fest<br />
auf der Erde, im<br />
besten Sinne des<br />
Wortes auf dem<br />
Boden der Tatsachen<br />
stehend.<br />
Zwei ungleiche Charaktere, die das Schicksal<br />
zusammengeführt hat.<br />
Den ehemaligen Lehrer für Deutsch und<br />
Geschichte am Burg-Gymnasium in Bad Bentheim<br />
fasziniert Miguel de Cervantes’ Roman<br />
„Don Quixote“ bis heute. Schon als Pennäler<br />
habe er mit den Abenteuern des „Ritters von<br />
der traurigen Gestalt“ mitgefiebert. Im Studium<br />
lernte er die Hintergründe der Geschichte<br />
kennen. „Es ist eine Parodie auf die mittelalterlichen<br />
Trivialgeschichten, die um das Jahr 1600<br />
den Buchmarkt in Spanien überschwemmten.<br />
Und es ist als Parabel zu verstehen auf das<br />
spanische Weltreich, das damals nur noch als<br />
Trugbild in der Erinnerung der Menschen existierte“,<br />
erklärt Riestenpatt.<br />
Pablo Picasso reduzierte das Spiel um<br />
Schein und Sein mit einfachsten Mitteln in seinem<br />
Bild „Don Quixote“ (1955). Riestenpatt<br />
stieß zufällig auf das Bild.Vor gut fünf Jahren<br />
hat er den Kunstdruck mit einem schlichten<br />
schwarzen Rahmen in seinem Kaminzimmer<br />
aufgehängt. Umringt von Bücherregalen hat es<br />
gegenüber des offenen Kamins seinen Platz<br />
gefunden.Vorher hing hier lange Jahre ein<br />
Bauernbrueghel. Deftig, farbenfroh. Der Theatermann<br />
Helmut Riestenpatt liebt die Gegensätze.<br />
„Don Quixote ist die beherrschende<br />
Figur in dem Bild. Er möchte die Gerechtigkeit<br />
in die Welt bringen. Mit dem deutlich gekrakelten<br />
Strich, mit dem Picasso das Pferd<br />
Rosinante gezeichnet hat, zeigt er das<br />
brüchige in der Figur des Ritters“, sagt Riestenpatt.<br />
Daneben steht der Bauer Sancho Pansa<br />
mit seinem Esel fest auf dem Boden. Die Sonne<br />
und die Windmühlen erinnern an Kinderzeichnungen.<br />
Für Helmut Riestenpatt hat das Welt- und<br />
Menschenbild des Miguel de Cervantes bis<br />
heute nichts von seiner Gültigkeit verloren.<br />
Das habe auch Picasso gesehen, der immer<br />
wieder Gaukler und Clowns portraitierte.<br />
Das Tragikomische der Romanvorlage und des<br />
Bilds interessieren Riestenpatt. „Es hat etwas<br />
Beruhiges, dass sich der Mensch noch von<br />
Idealen leiten lässt und nicht nur von der<br />
Schwerkraft“, meint er.<br />
Inszeniert oder gespielt hat Helmut Riestenpatt<br />
den „Don Quixote“ noch nicht. Dabei<br />
gebe es zahlreiche Vorlagen, ein Musical<br />
(„Der Mann von La Mancha“) eine Oper und<br />
ein Ballett sowie mehrere Filme.Aber das kann<br />
ja noch kommen.<br />
Daniel Klause<br />
Werner Lüdicke<br />
Alter 58 Jahre<br />
Beruf Lehrer am Gymnasium <strong>Nordhorn</strong><br />
für Biologie, Chemie und Physik<br />
Familienstand verheiratet, zwei Söhne<br />
Warme Rot-, Gelb- und Brauntöne sind in<br />
Spritztechnik aufgetragen und vermitteln<br />
eine angenehme Atmosphäre im Wohnzimmer<br />
von Werner Lüdicke. Zu sehen sind abstrakte,<br />
ineinander fließende und sich durchdringende<br />
Formen. „Science Art“ hat der Maler Horst<br />
Rumstedt seine Technik bezeichnet – und wo<br />
könnte ein solches Bild besser hängen als im<br />
Haus eines Lehrers für Biologie, Chemie und<br />
Physik. Das Werk ohne Titel war das zweite<br />
Bild, das sich die Eheleute Lüdicke von Horst<br />
Rumstedt Ende der 1970er Jahre gekauft<br />
haben. „Entdeckt haben wir es in einer Heidelberger<br />
<strong>Galerie</strong>“, sagt Werner Lüdicke, der in<br />
der <strong>Stadt</strong> am Neckar geboren wurde und dort<br />
auch studiert hat.<br />
Das Bild mit seinen runden Formen lässt viel<br />
Interpretationsspielraum: „Mir gefallen die<br />
Komposition und die Farbzusammenstellung“,<br />
berichtet Lüdicke. Man könne vieles hindeuten,<br />
und gerade diese Vielschichtigkeit fasziniere<br />
ihn:Tropfen, Flossen, Moleküle, Fische, eine<br />
Schnecke, die aus dem Bild herauskriecht, oder<br />
sogar eine aufgebrochene Eierschale sind mit<br />
ein wenig Fantasie zu erkennen. „Rumstedts<br />
Bilder sprechen mich vor allem als Biologe an.<br />
Sie vermitteln, dass alles im Fluss ist“, erklärt<br />
Lüdicke.<br />
Der heute fast vergessene Horst Rumstedt<br />
wurde 1921 in Sangerhausen in Sachsen-<br />
Anhalt geboren und starb 1986 in Otzberg<br />
im Odenwald. Er stellte seine Werke international<br />
aus, unter anderem in New York, Chicago,<br />
London, Beirut, Neapel und Zürich. Die<br />
„Science Art“ befasst sich mit der künstlerischen<br />
Auseinandersetzung der immer stärker<br />
von Wissenschaft und Technik geprägten<br />
Umwelt. Rumstedt schuf den Begriff Anfang<br />
der 1960er Jahre.Werke aus dem Mikrobereich<br />
wie Gewebeschnitte durch Pflanzen gehörten<br />
ebenso dazu wie Metalldünnschliffe, atomphysikalische<br />
Erscheinungen und Laser. „Der<br />
Künstler steht nicht mehr nur als beziehungsloser<br />
Träumer im Raum, sondern als wissenschaftlich<br />
geschulter Künder eines naturwissenschaftlichen<br />
Weltbildes.“ Mit diesen<br />
Worten beschrieb Rumstedt selbst seine<br />
Kunstform. In seinen Werken versetzt er den<br />
Betrachter in die Welt der Mikroorganismen.<br />
„In diesem Sinne war Rumstedt einer der<br />
ersten umweltbewussten Maler“, meint<br />
Lüdicke.<br />
Werner Lüdicke ist 1978 als Lehrer ans<br />
Gymnasium nach <strong>Nordhorn</strong> gekommen und<br />
kulturell sehr engagiert. Seit 1991 ist er stellvertretender<br />
Vorsitzender und Konzertorganisator<br />
des Musikschul-Fördervereins „pro<br />
nota“. „Musik spielt eine große Rolle in meinem<br />
Leben“, sagt der 58-Jährige, der als<br />
Zehnjähriger begonnen hat Geige zu lernen.<br />
„Ich konzentriere mich sehr auf die Arbeit bei<br />
,pro nota’, da bleibt nicht mehr viel Platz<br />
für Anderes.“ Doch das Haus am Kleiberweg<br />
zeugt auch vom Interesse an bildender Kunst.<br />
Gegenüber von Rumstedts „Science Art“<br />
hängt ein anderes, eher klassisches Bild: Die<br />
„Boddenschiffe“ von Hans Oberländer aus<br />
Rostock liegen in winterlicher See.Werner<br />
Lüdickes Mutter war eine gute Freundin des<br />
Malers. Oberländer schenkte ihr während des<br />
Zweiten Weltkrieges kurz vor seinem Tod das<br />
unsignierte Gemälde. Lüdicke: „Die Bilder von<br />
Oberländer und Rumstedt passen zwar eigentlich<br />
nicht zusammen, aber die Boddenschiffe<br />
sind so eng mit unserer Familiengeschichte<br />
verwoben, dass sie hier einfach auch ihren<br />
Platz haben sollen.“<br />
Dagmar Thiel