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06 07 im gespräch<br />

GIBT ES EIN LEBEN<br />

VOR DEM TOD?»<br />

Andreas Altmann im Gespräch mit Maria A. Kafitz<br />

Wer etwas über die bisherigen Lebensstationen von<br />

Andreas Altmann erfährt, der glaubt, sie seien der<br />

hitzigen Fantasie einer Autorin entsprungen oder dem<br />

Steckbrief eines Flüchtigen entnommen: Psychologiestudium<br />

(abgebrochen), Jurastudium (abgebrochen),<br />

Tätigkeiten als Spüler, Dressman, Anlageberater, Bauarbeiter,<br />

Nachtportier, Privatchauffeur, Postsortierer,<br />

Parkwächter … Schauspielstudium am Mozarteum<br />

in Salzburg (abgeschlossen) und Engagements am<br />

Bayerischen Staatsschauspiel in München und am<br />

Schauspielhaus in Wien.Wer jedoch glaubt, dass<br />

Andreas Altmann damit seinen Platz gefunden und im<br />

Applaus des Publikums angekommen wäre, der kennt<br />

nur den Prolog und die ersten Szenen. Denn Altmann<br />

schminkt sich ein letztes Mal ab und gibt den vermeintlichen<br />

«Traumberuf» auf. Er beginnt exzessiv zu<br />

reisen – und entdeckt seine große Liebe, seinen wahren<br />

Beruf: das Schreiben, zunächst als gefeierter Reporter<br />

und seit nunmehr vierzehn Büchern als Autor. Seine<br />

Bücher tragen so poetische Titel wie Im Herz das Feuer<br />

oder Der Preis der Leichtigkeit oder aber so schonungslose<br />

wie das noch druckereiwarme jüngste Buch<br />

Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter<br />

und meine eigene Scheißjugend.Wer Andreas Altmann<br />

bei einer Lesung erlebt, spürt unmittelbar seine Ruhelosigkeit.Wer<br />

seine Bücher liest, erfährt noch inniger<br />

seine Suche und Sehnsucht nach einem Leben vor dem<br />

Tod – in seinen Geschichten, die immer dazu antreiben.<br />

www.andreas-altmann.com<br />

Karl Kraus<br />

09 2011<br />

Maria A. Kafitz | Herr Altmann, in Ihren Büchern entführen Sie<br />

nach Asien und Australien, nach Afrika und Amerika. Nun nehmen<br />

Sie uns an einen ganz anderen Ort mit, der nur eines mit den<br />

vorherigen gemeinsam hat – den Anfangsbuchstaben: Altötting.<br />

Mehr als dreißig Jahre hat Ihre schreibende Anreise gedauert und<br />

war trotz des Ortes sicher keine Wallfahrt im üblichen Sinne.<br />

Andreas Altmann | Richtig,keineWallfahrt,eher ein Rachefeldzug.<br />

Aber das stimmt so auch nicht. Ein Rachebuch ist bald fad, weil der<br />

Leser schnell weiß,wie es weitergeht,ihn nichts mehr überrascht.Ich<br />

will nicht Rache nehmen, ich will verstehen, will wissen:Was trieb<br />

Menschen – Erzieher, Priester, Lehrer, Eltern – in einer oberbayerischen<br />

Stadt dazu,innerlich so zu verwahrlosen.InAltötting! In einem<br />

katholischen Wallfahrtsort! In dieser Brutstätte namenloser Scheinheiligkeit,<br />

verfluchter Wollust, hirnlos geleierter Bußgebete, versteckter<br />

Sexorgien, Kinder schändender «Seelsorger» und notorisch<br />

prügelnder Pfarrer! Natürlich habe ich darauf keine patenteAntwort,<br />

ich kann mich nur annähern,nur näher kommen den (Ab)Gründen.<br />

Klar,die knapp 260 Seiten sind auch eineAufklärungsschrift:über die<br />

Missetaten, jaVerbrechen, die Autoritäten – darunter meinVater, der<br />

Kirchentenor, SA-Mann, SS-Mann, Russlandkrieger, Lebenslang-<br />

Hasser und Rosenkranz-Händler – an mir (und anderen) verübten.<br />

Ich rede von Gewalt,von Prügel,von dem ungeheuren Nonsens,der<br />

mir – via «Moral», via Religion – eingebläut wurde. Die vielen Jahre<br />

Anlaufzeit für dieses Buch habe ich gebraucht, um die große Gefahr<br />

einer solchen Autobiografie zu vermeiden: dass ich als ambulanter<br />

Tränensack auftrete, als mitleidshungriger Empörer, der eine Elends-<br />

Jeremiade abliefert. Ich musste Distanz gewinnen, um diesen<br />

Tatsachenbericht – auch sprachlich – in den Griff zu bekommen.<br />

Das Kind – im konkreten ich – geht nicht unter. Das ist die

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