17.06.2015 Aufrufe

WELTKUNST Sonderausgabe: Liechtensteins Museumswunder

Als Beilage zur ZEIT ist unter dem Titel "Liechtensteins Museumswunder" eine Sonderausgabe der WELTKUNST publiziert worden. Lassen Sie sich vom vielfältigen kulturellen Angebot Liechtensteins inspirieren und stöbern Sie online in der Broschüre.

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Eine Sonderveröffentlichung des ZEIT Kunstverlags<br />

Sommer 2015 Seit 1930<br />

Von Fabergé bis Beckmann: <strong>Liechtensteins</strong> <strong>Museumswunder</strong><br />

Hilti Art Foundation Ein Neubau in Vaduz präsentiert Meisterwerke der Moderne und Gegenwart<br />

Schatzkammer Vom Fürstentum bis ins Weltall Kulturland Vielstimmiges Konzert


Das Fürstentum<br />

im Herzen Europas<br />

Eingebettet zwischen der Schweiz und<br />

Österreich liegt das sechstkleinste Land der Welt:<br />

das Fürstentum Liechtenstein. 160 km 2 klein,<br />

aber unglaublich gross in seiner Vielfalt.<br />

Liechtenstein ist wie ein Buch. Wer anfängt darin<br />

zu lesen, hält bis zum letzten Wort den Atem an.<br />

Denn Liechtenstein ist traditionell und modern,<br />

überschaubar und weltoffen, sportlich und<br />

sinnlich. Liechtenstein verströmt Atmosphäre.<br />

Am besten überzeugen Sie sich selbst davon.<br />

Wir freuen uns auf Sie.<br />

Stuttgart<br />

270 km<br />

Fürstentum<br />

Liechtenstein<br />

Deutschland<br />

München<br />

240 km<br />

Bodensee<br />

Basel<br />

190 km<br />

Zürich<br />

110 km<br />

Österreich<br />

Innsbruck<br />

170 km<br />

Bern<br />

230 km<br />

Schweiz<br />

Italien<br />

Mailand<br />

250 km<br />

Alle Informationen über Liechtenstein<br />

www.liechtenstein.li<br />

Liechtenstein Marketing<br />

T +423 239 63 63<br />

info@liechtenstein.li


EDITORIAL<br />

TITELBILD: Hilti Art Foundation/2015, ProLitteris, Zürich/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Bilder diese Seite: Wolfgang Stahr; Sven Beham/Liechtensteinisches Landesmuseum<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser,<br />

Max Beckmann hat eine Hand in der Hosentasche,<br />

in der anderen hält er eine Kristallkugel.<br />

Sein verschatteter Blick verliert sich im Raum.<br />

Was bringt die Zukunft?<br />

Das prophetische Bild aus dem Jahr 1936 ist<br />

eines der Hauptwerke der Hilti Art Foundation,<br />

die jetzt in einem privat finanzierten Neubau<br />

mitten in Vaduz als Teil des Kunstmuseums<br />

Liechtenstein eröffnet hat. Michael Hilti, dessen<br />

Vater Martin Hilti in Liechtenstein den internationalen<br />

Konzern gegründet hat, und seine Familie<br />

haben in den vergangenen Jahren eine<br />

grandiose Sammlung mit Malerei und Plastik<br />

vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart<br />

zusammengetragen, darunter Gauguin,<br />

Picasso, Giacometti, Manzoni bis hin zu Keith<br />

Sonnier. Schon das Kunstmuseum lohnt also<br />

die Reise nach Liechtenstein – egal wo Sie wohnen!<br />

Mit dem Auto ist man von München aus in<br />

zweieinhalb Stunden in Vaduz, von Mailand<br />

sind es etwas mehr als drei, und von Zürich aus<br />

dauert die Fahrt vorbei an malerischen Seen<br />

und Bergen nur rund eine Stunde.<br />

Das Fürstentum Liechtenstein hat in diesem<br />

Frühjahr außerdem noch eine weitere<br />

Kunstattraktion hinzugewonnen: Direkt gegenüber<br />

dem Kunstmuseum wurde im sogenannten<br />

Engländerbau die Schatzkammer eingeweiht,<br />

mit kostbaren Leihgaben, Altmeistergemälden<br />

und historischen Waffen aus der fürstlichen<br />

Sammlung und Beständen des Landesmuseums,<br />

die von Koloman Mosers Jugendstilentwurf für<br />

die erste eigene Briefmarke des Landes bis zu<br />

Gesteinsbrocken reichen, die von der ersten<br />

Mondlandung stammen. Unter den Preziosen<br />

ist die berühmte Ostereier-Sammlung Goop:<br />

Das hier abgebildete kleine Ei aus emailliertem<br />

Gold schuf Fabergés St. Petersburger Konkurrent<br />

Alexander Tillander um 1900. Mit Druck<br />

auf den blauen Saphirknopf lässt sich der Duftbehälter<br />

öffnen.<br />

Wie vielseitig engagiert das kleine Land im<br />

Bereich der Künste ist, weiß die Kulturstiftung<br />

Liechtenstein (S. 11), deren Aktivitäten wir in<br />

dieser Sonder publikation der weltkunst betrachtet<br />

haben – das Kunstmagazin der ZEIT erscheint<br />

vierzehnmal im Jahr.<br />

Auf nach Liechtenstein!<br />

Ihre Lisa Zeitz<br />

Chefredakteurin <strong>WELTKUNST</strong>


Die Würfel<br />

sind gefallen<br />

Von der klassischen Moderne bis zur Gegenwart:<br />

Mit der Hilti Art Foundation erhält das<br />

Kunstmuseum Liechtenstein bedeutenden Zuwachs<br />

VON LISA ZEITZ


KUNSTMUSEUM LIECHTENSTEIN | HILTI ART FOUNDATION<br />

Bild linke Seite: Barbara Bühler/Hilti Art Foundation; Bilder rechts: Hilti Art Foundation/2015, ProLitteris, Zürich/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Fondation Giacometti/ADAGP/VG Bild-Kunst, Bonn 2015<br />

Wer das Städtle entlangkommt,<br />

die Kulturmeile von Vaduz, der<br />

hat seit Kurzem einen prominenten<br />

Schriftzug vor Augen:<br />

Hilti Art Foundation. Ein hoher weißer Kubus<br />

im Zentrum der Stadt ist der neue Blickfang,<br />

gleich neben dem breiten schwarzen<br />

Kubus des im Jahr 2000 eingeweihten Kunstmuseums<br />

Liechtenstein, des staatlichen Museums<br />

für moderne und zeitgenössische<br />

Kunst. Die polierten Betonbauten sind unterirdisch<br />

verbunden: Ende Mai hat die Erweiterung<br />

des Kunstmuseums eröffnet.<br />

Die 410 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche<br />

– 1800 Quadratmeter waren<br />

es zuvor – sind ein großartiger Zuwachs, zudem<br />

hat der Neubau nun ein Atelier für Kunstvermittlung.<br />

Schwerpunkte im Bereich von<br />

Arte povera, konkreter und minimalistischer<br />

Kunst der Fünfziger- bis Siebzigerjahre und<br />

Joseph Beuys, die Werkgruppen von Marcel<br />

Duchamp, Absalon, Matt Mullican, Jochen<br />

Gerz, Rosemarie Trockel und Rita McBride<br />

werden seit 2006 durch prozessorientierte<br />

Skulptur und Malerei aus der Sammlung von<br />

Rolf Ricke ergänzt, die das Museum gemeinsam<br />

mit dem Kunstmuseum St. Gallen und<br />

dem MMK Frankfurt erwerben konnte.<br />

Was nun mittels eines Rahmenvertrags<br />

mit der privaten Hilti Art Foundation an<br />

Dauerleihgaben hinzukommt, ist wirklich<br />

atemberaubend – darunter bedeutende Werke<br />

von Gauguin, Picasso, Kirchner, Klee und<br />

Beckmann. Die Schnittstellen ergänzen sich<br />

prächtig, ob es nun die »Zürcher Konkreten«<br />

sind, Arbeiten der Zero-Künstler oder Werke<br />

von Imi Knoebel. Rund 200 museale Werke<br />

umfasst die Sammlung Hilti, davon sind derzeit<br />

fünfzig im neuen Flügel des Museums<br />

ausgestellt. »Die Hilti Art Foundation katapultiert<br />

uns auf eine andere Ebene«, sagt<br />

Museumsdirektor Friedemann Malsch, »Das<br />

kommt nicht nur dem Museum zugute, davon<br />

profitiert das ganze Land Liechtenstein.«<br />

Nicht nur das Land kann sich freuen: »Das<br />

Kunstmuseum übernimmt ohnehin einen<br />

Pablo Picassos »Femme dans un fauteuil«<br />

(1932) und Alberto Giacomettis »Buste<br />

d’homme« (1964/65) sind ab jetzt im Kunstmuseums<br />

Liechtenstein zu sehen: im neuen<br />

Flügel der Hilti Art Foundation (li. Seite)<br />

Teil der Grundversorgung in Sachen Kunst<br />

für den Kanton St. Gallen, gleichzeitig strahlen<br />

wir nach Vorarlberg aus. Der Radius geht<br />

jedoch noch viel weiter über die Grenzen hinaus.«<br />

Die Basler Architekten Morger + Dettli<br />

haben mit sehr gradlinigen Konturen großzügige,<br />

harte Perspektiven geschaffen, innen<br />

und außen. Die polierten Oberflächen mildern<br />

die Härte durch ihre lebendige Musterung,<br />

die an italienische Terrazzoböden erinnert.<br />

Souverän platzierte Glasflächen<br />

lassen viel Licht in jene Räume, die nicht als<br />

Ausstellungsräume dienen. Finanziert wurde<br />

das neue Gebäude von der Hilti Art Foundation<br />

und einem Uhren- und Schmuckge­


»Die Beziehungen zu den<br />

Künstlern haben mir<br />

eine weitere Dimension<br />

im Leben geöffnet.«<br />

schäft, das schon seit vielen Jahren an dieser<br />

Stelle seinen Sitz hat und nun ebenfalls in<br />

den Neubau eingezogen ist.<br />

Die beiden Kuben wirken sehr großstädtisch,<br />

ja, man kann sagen, großstädtischer<br />

als sämtliche anderen Gebäude des<br />

kleinen Ortes Vaduz. Zwischen den Blöcken<br />

ist eine Art Piazza entstanden, auf der sich<br />

abends bei schönem Wetter Hunderte von<br />

Menschen versammeln – »auch ohne Veranstaltungen«,<br />

weiß Friedemann Malsch aus<br />

eigener Anschaung. Von hier aus hat man<br />

auch einen guten Blick auf das mittelalterliche<br />

Fürstenschloss, das direkt darüber am<br />

steilen Hang in rund 200 Meter Luftlinie<br />

Entfernung prangt. Größer könnte der Kontrast<br />

zwischen der trutzigen Märchenburg<br />

hoch oben und den minimalistischen Linien<br />

der Gegenwart mitten in der Hauptstadt<br />

nicht sein.<br />

Der gemeinsame Eingang zum Kunstmuseum<br />

und seinem neuen Flügel führt<br />

durch den schwarzen Kubus, es genügt ein<br />

Michael Hilti, Sohn des Firmengründers<br />

Martin Hilti, engagiert sich schon lange für<br />

das Kunstmuseum. August Mackes Ölbild<br />

»Badende Mädchen« (1913) aus seiner Privatsammlung<br />

zählt neben Kirchner, Léger<br />

und Mondrian zu den vielen hochkarätigen<br />

Leihgaben der klassischen Moderne<br />

6<br />

Ticket für beide Teile. Zur Hilti Art Foundation<br />

geht es erst einmal treppab. Hier, unterhalb<br />

der Piazza, warten die ersten künstlerischen<br />

Paukenschläge auf den Besucher,<br />

Malerei und Plastik aus der Zeit von 1910 bis<br />

1970, versammelt unter dem Titel »Der<br />

Mensch als Individuum«: Skulpturen von<br />

Wilhelm Lehmbruck und Willem de Kooning,<br />

Umberto Boccionis fantastisch aufgelöste,<br />

schreitende Bronzefigur »Einzigartige<br />

Formen der Kontinuität im Raum« von 1913,<br />

ein Inbegriff des Futurismus. Nicht weit davon<br />

Max Beckmanns prophetisches »Selbstbildnis<br />

mit Glaskugel« aus dem Jahr 1936 und<br />

Pablo Picassos »Femme dans un fauteuil«<br />

von 1932: Die Dame, die da mit offenen Augen<br />

nackt im Sessel träumt, ist die junge Marie-Thérèse<br />

Walter, die noch ein Teenager<br />

war, als der Künstler sich in sie verliebte. Später<br />

wurde sie die Mutter seiner Tochter Maya.<br />

Man sieht es Michael Hilti an, dass sich<br />

die Bemühungen der letzten Jahre gelohnt<br />

haben. Der Sohn des Firmengründers war


KUNSTMUSEUM LIECHTENSTEIN | HILTI ART FOUNDATION<br />

Bilder links: Anne Morgenstern; Hilti Art Foundation; Bilder rechts: Hilti Art Foundation/2015, ProLitteris, Zürich/VG Bild-Kunst, Bonn 2015; Stefan Altenburger/Kunstmuseum Liechtenstein<br />

lange CEO des internationalen Hilti-Konzerns,<br />

der für seine Bohrmaschinen bekannt<br />

ist, und steht jetzt unter anderem dem Trust<br />

vor, der die Sammlung verwaltet. Seit dem<br />

Dreißigjährigen Krieg ist seine Familie in<br />

Liechtenstein ansässig. Hier, im unweiten<br />

Schaan, hat die Firma ihren Hauptsitz, mit<br />

1700 Mitarbeitern in Liechtenstein, 22 000<br />

weltweit. Der Jahresumsatz lag zuletzt bei<br />

4,4 Milliarden Euro. Die Sammelaktivitäten<br />

der Familie waren bis zum Jahr 2005, als hier<br />

eine erste Ausstellung stattfand, ein wohlgehütetes<br />

Geheimnis. Seitdem wächst die<br />

Sammlung kräftig weiter und jetzt öffnet sie<br />

sich permanent. Der Neubau ist auf lange<br />

Sicht ein fester Hafen. Erst letztes Jahr ist das<br />

Selbstporträt von Max Beckmann hinzugekommen,<br />

das einen zweistelligen Millionenbetrag<br />

gekostet haben muss.<br />

Zufrieden lässt Michael Hilti den Blick<br />

über die steilen Perspektiven des blitzweißen<br />

Treppenhauses gleiten, das sich vom Untergeschoss<br />

des Neubaus bis unter das Dach zieht<br />

und einen hohen, luftigen, lichtdurchfluteten<br />

Raum bildet. Bei den Kunstkäufen seiner<br />

Familie, sagt er, sei es immer »unser Ziel,<br />

Werke zu sammeln, die eine gewisse Harmonie<br />

und Ausgeglichenheit ausstrahlen.« Es<br />

geht ihm um Inspiration, aber auch einfach<br />

um »Freude beim Betrachten.« Diese Freude<br />

teilt er nun mit den Besuchern aus aller Welt.<br />

Im ersten Obergeschoss sind die Wände<br />

in einem kühlen Grüngrau gehalten, vor<br />

dem die Werke des Kubismus, Expressionismus<br />

und Surrealismus besonders gut zur<br />

Geltung kommen. In diesem Raum wird unter<br />

dem Thema »Experiment und Existenz«<br />

die Zeit von 1880 bis 1945 abgedeckt, mit Seurat,<br />

Kirchner, Klee, Magritte, daneben einer<br />

der existenzialistischen Gipsplastiken von Alberto<br />

Giacometti und einem Gemälde aus<br />

den Jahren 1946/47 von Wols, »Flamme«, das<br />

aussieht, als hätte ein junger Künstler es gerade<br />

eben erst gemalt. Ein Beispiel für diese<br />

positive Ausstrahlung, die Werke haben können,<br />

ist das kleine Bild der »Badenden Mädchen«,<br />

das August Macke 1913 malte und das<br />

bis vor kurzem noch bei Michael Hilti zu<br />

Hause hing. Ihre Körper fangen das Licht ein,<br />

während sie sich in paradiesischer Idylle unter<br />

Bäumen am Ufer unterhalten.<br />

Die meisten Werke sind repräsentativ<br />

für die jeweiligen Künstler, aber dabei überraschend:<br />

der herrliche Franz Marc zum Beispiel<br />

– er zeigt keine Kühe, keine Pferde und<br />

keine Rehe, sondern zwei gefleckte Schweine,<br />

die sich wohlig aneinander anschmiegen<br />

und harmonisch in die hügelige Landschaft<br />

eingebettet sind. Paul Klees »Clown« vor rotem<br />

Grund, mit dem er in die Welt des Zirkus<br />

eintaucht, entstand 1929, als der Künstler<br />

als Lehrer am Bauhaus arbeitete. Im Katalog<br />

Intensive Seherfahrungen: »Diagonale Progression<br />

Schwarz-Weiss« (um 1970) von<br />

Günter Fruhtrunk, den man von seinem Aldi-Tüten-Design<br />

kennt. Unten: Das Kunstmuseum<br />

zeigt bis zum 23.8. »Schön, euch<br />

zu sehen! 160 Werke aus der Sammlung«<br />

u.a. mit Steven Parrino und Otto Freundlich<br />

charakterisiert Uwe Wieczorek, Kurator der<br />

Hilti Art Foundation, das Wesen der Sammlung<br />

sehr passend: »Sie weist, aus dem Bedürfnis<br />

nach dem Schönen und Ästhetischen,<br />

das zwar alles Hässliche ausschließt,<br />

doch im Schönen auch das Abgründige zulässt,<br />

ein hohes Maß an sinnlicher Qualität<br />

auf, vor allem in der Malerei.«<br />

Im Obergeschoss sind schließlich unter<br />

den Begriffen »Immanenz und Transzendenz«<br />

Werke von 1950 bis zur Gegenwart ausgestellt,<br />

die oftmals direkte Bezüge zur bestehenden<br />

Sammlung des Kunstmuseums<br />

haben: Gemälde und Objekte von Josef Albers<br />

über Yves Klein und die Zero-Künstler,<br />

bis Günter Fruhtrunk und Imi Knoebel.<br />

Gottfried Honeggers sogenanntes Tableau-<br />

Relief aus dem Jahr 1979 leuchtet monochrom<br />

sonnengelb. Er hat unzählige Kartonquadrate<br />

zusammengefügt und mit Farbe<br />

vereint, aber es sind die kleinen Unregelmäßigkeiten,<br />

die das Auge bei der Betrachtung<br />

beschäftigen und das strenge Raster beleben.<br />

Viele der Künstler kennt oder kannte Michael<br />

Hilti persönlich: Mit dem Iren Sean Scully,<br />

den er gerade erst wieder in Venedig im Vorfeld<br />

der Biennale getroffen hat, und dem<br />

Schweizer Honegger verbindet ihn eine langjähre<br />

Freundschaft, er kannte Max Bill und<br />

Gotthard Graubner. Was hat er in den Ateliers<br />

gelernt? Die Beziehungen zu den Künstlern<br />

haben ihm, sagt er und lässt den Blick in<br />

die Ferne schweifen, »eine weitere Dimension<br />

im Leben« eröffnet. ×<br />

Kunstmuseum Liechtenstein, Hilti Art Foundation,<br />

Städtle 32, Vaduz, Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20<br />

Uhr, Mo geschlossen. Der Ausstellungskatalog erscheint<br />

im Hatje Cantz Verlag<br />

7


SCHATZKAMMER<br />

<strong>Liechtensteins</strong> Schätze<br />

Es funkelt und glitzert: Ein Besuch in der neu eingerichteten Schatzkammer wird<br />

zu einer Reise durch ein halbes Jahrtausend Sammelgeschichte und<br />

führt vom Fürstentum den Rhein entlang durch ganz Europa – bis ins Weltall<br />

VON LISA ZEITZ<br />

Bilder: LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna/Inv.-Nr. SK 1440; LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna/Inv.-Nr. SI 98; Sven Beham/Liechtensteinisches Landesmuseum<br />

8


SCHATZKAMMER<br />

Bilder: Sven Beham/Liechtensteinisches Landesmuseum; LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna/Inv.-Nr. WA 4141; Sven Beham/Liechtensteinisches Landesmuseum<br />

M<br />

it dem Einwurf eines Jetons,<br />

den man sich zuvor im Landesmuseum<br />

nebenan geholt<br />

hat, öffnet sich eine Sicherheitsschleuse.<br />

Die Spannung steigt. Eine Tür<br />

schließt sich, erst dann geht die nächste auf,<br />

und man steht in einem lang gestreckten<br />

schwarzen Raum, der sich vollkommen in<br />

der Dunkelheit verliert: Nur die kostbaren<br />

Exponate sind angestrahlt. Es funkelt und<br />

schimmert, wie man es sich in einer Schatzkammer<br />

eben vorstellt. Dabei befinden wir<br />

uns hier nicht in einer Burg oder einem<br />

Schloss, sondern im Erdgeschoss des sogenannten<br />

Engländerbaus, einem der frühen<br />

Gebäude der Moderne mitten in Vaduz. Im<br />

ersten Obergeschoss ist das berühmte Liechtensteinische<br />

Postmuseum beheimatet, im<br />

zweiten der Kunstraum der Kulturstiftung<br />

für regionale zeitgenössische Künstler.<br />

Zuerst fällt der Blick auf eine prächtige<br />

Krone, die hier in einer Vitrine glitzert: Der<br />

originale Herzogshut, den Fürst<br />

Karl I. Anfang des 17. Jahrhunderts<br />

mit über hundert Diamanten,<br />

sechzehn Rubinen<br />

und einundzwanzig Perlen bei<br />

einem Frankfurter Juwelier in Auftrag gab,<br />

ist allerdings verschwunden. 1781 heißt es in<br />

einer Inventarliste lakonisch, die Krone sei<br />

»abgängig«. Im Jahr 1978 ließen das Land<br />

und die Gemeinden anlässlich des 40. Regierungsjubiläums<br />

von Fürst Franz Josef II. eine<br />

Replik herstellen, die jetzt einen Eindruck<br />

des kunstvollen Machtsymbols und seiner<br />

magischen Aura vermittelt. Es handelt sich,<br />

wie bei weiteren Kostbarkeiten auch, um<br />

eine Leihgabe des Fürstenhauses.<br />

Dem Kunsthistoriker wird das Herz<br />

beim Anblick eines barocken Elfenbeinreliefs<br />

von Ignaz Elhafen höher hüpfen, das in<br />

feinem Detailreichtum die Auffindung des<br />

Mosesknaben darstellt, oder der kleinen Silberstatuette<br />

des »Orpheus mit der Harfe«<br />

aus den Jahren 1613/15. Auch die Altmeistergemälde<br />

an den Wänden<br />

stammen aus dem Fürstenhaus,<br />

etwa das amüsante »Affengelage«<br />

von David Teniers<br />

dem Jüngeren, daneben bäuerliche<br />

Genreszenen von<br />

Adriaen von Ostade und ein<br />

Blumenstillleben von Franz<br />

Werner Tamm, gemalt in<br />

Wien 1715.<br />

Schon Fürst Karl Eusebius<br />

gab seinen Nachkommen den Rat,<br />

Ruhm als Bauherr und Sammler zu<br />

suchen, nicht als Kriegsheld, doch im<br />

Die Rheinfälle bei Schaffhausen (g. o.) malte<br />

der Romantiker Johann Ludwig Bleuler.<br />

Der barocke Hirschfänger darunter gehört<br />

zur Waffensammlung der Fürsten. Koloman<br />

Moser vergaß bei seinem Briefmarkenentwurf<br />

das »e« von Liechtenstein. Li. Seite: der<br />

immerwährende Kalender (kurz nach 1587)<br />

und »Orpheus mit der Harfe (1613/15) aus<br />

der fürstlichen Sammlung, das »Apfelblüten-<br />

Ei« von Fabergé aus der Sammlung Goop<br />

Lauf der Jahrhunderte durchziehen unweigerlich<br />

immer wieder militärische Ereignisse<br />

und Karrieren die Geschichte der Familie,<br />

meist im Dienst der Habsburger. Die außergewöhnliche<br />

Sammlung an Waffen und Rüstungen<br />

beinhaltet etwa einen Teil der Rosenblatt-Garnitur<br />

Kaiser Maximilians II.: eine<br />

metallene Faust, die sogenannte Hentze, mit<br />

feiner schwarz geätzter Dekoration und vergoldeten<br />

Nieten – sie ist 1571 in Landshut von<br />

Meister Franz Grosschedel gefertigt worden.<br />

Zwei Radschlosspistolen mit detailreichen<br />

Elfenbeineinlagen sehen aus, als ob sie nicht<br />

zum tatsächlichen Schießen, sondern gleich<br />

für die Kunstkammer in Auftrag gegeben<br />

wurden, und drei wertvolle spanische Jagdflinten,<br />

Geschenke von Kaiser Joseph II., zeugen<br />

davon, dass die Jagd ein Privileg der<br />

Herrscher war. Darunter ist eine Steinschlossflinte<br />

von Joaquin de Zelaia, einem<br />

der spanischen Meister, der im 18. Jahrhundert<br />

zu den begehrtesten Adressen für<br />

Schusswaffen zählten.<br />

Das kleine Land Liechtenstein kann<br />

sich aber nicht nur mit den Sammlungen des<br />

Fürstenhauses und der Hilti Art Foundation<br />

schmücken. Zu den großen liechtensteinischen<br />

Privatsammlern zählte Adulf Peter<br />

Goop (1921–2011), der sein Heimatland kurz<br />

vor seinem Tod reich beschenkte. Eine seiner<br />

Leidenschaften galt Ostereiern, und es gibt<br />

9


SCHATZKAMMER<br />

Das »Affengelage« von David Teniers dem<br />

Jüngeren (li.) verdeutlicht den Sammlergeschmack<br />

der Fürsten, die rechte Hentze<br />

war Teil der Rosenblatt-Garnitur von Kaiser<br />

Maximilian II., während die Liechtensteinischen<br />

Briefmarken neben den österreichischen<br />

Selbstbewusstsein demonstrieren<br />

wohl kaum eine internationalere Kollektion.<br />

Die üppig bestückten Vitrinen der Schatzkammer<br />

bieten dennoch nur eine kleine Auswahl<br />

aus den rund 4000 Eiern. Als Höhepunkt<br />

ist das sogenannte Apfelblüten-Ei von<br />

Fabergé zu bewundern, das mit emaillierten<br />

Blütenblättern, Diamanten und roségoldenen<br />

Zweigen verziert ist, die auf hauchdünn<br />

geschnittene dunkelgrüne Jade appliziert<br />

sind. Das 14 Zentimeter breite Kleinod hatte<br />

der russische Großindustrielle Alexander<br />

Fernandowitsch Kelch im Jahr 1901 als Geschenk<br />

für seine Frau bei Carl Fabergé und<br />

seinem Werkmeister Michael Perchin in<br />

St. Petersburg in Auftrag gegeben. Die Liebe<br />

zu ihr muss groß gewesen sein, denn Kelch<br />

bestellte noch sechs weitere Eier für sie – und<br />

trat damit wohl direkt mit der Familie des<br />

Zaren in Konkurrenz.<br />

Die Sammlung Goop beinhaltet auch<br />

viele Eier, die einst in großer Zahl zu den<br />

Osterfesten am russischen Zarenhof verschenkt<br />

wurden. So ist zum Beispiel überliefert,<br />

dass Katharina II. im Jahr 1793 nicht weniger<br />

als 373 Porzellaneier erhielt, aber es gab<br />

auch Ostereier aus Kristallglas, Email oder<br />

Edelstein, Holz und Papiermaché. Auch drei<br />

Hühnereier, die Ende des 20. Jahrhunderts<br />

sehr gekonnt von Liechtensteiner Fürstinnen<br />

persönlich bemalt wurden, sind jetzt in der<br />

Schatzkammer ausgestellt.<br />

Neben den Ostereiern vermachte der<br />

Sammler Adulf Peter Goop dem Land auch<br />

eine Folge von 77 Gouachen des Romantikers<br />

Johann Ludwig Bleuler (1792–850). Sie<br />

umfassen ein Großprojekt, denn Bleuler hatte<br />

es sich zur Aufgabe gemacht, den Rhein<br />

von seiner Quelle bis zur Mündung in Bildern<br />

festzuhalten. Seinen Wohnsitz und die<br />

Werkstatt, in der Stecher und Koloristen die<br />

Werke vervielfältigten, hatte er direkt an den<br />

Rheinfällen von Schaffhausen. In gewisser<br />

Weise verbindet die Bilderreise – von den Al-<br />

Für die Liechtensteiner sind<br />

ihre Briefmarken auf wenigen<br />

Quadratzentimetern<br />

symbolisierte Unabhängigkeit.<br />

penschluchten zum Bodensee und nach<br />

Köln bis zur Nordsee – das am Rhein gelegene<br />

Liechtenstein mit dem Rest von Europa.<br />

Für die Souveränität des Landes spielt<br />

das Thema Post eine besondere Rolle. »Für<br />

die Liechtensteiner sind ihre Briefmarken<br />

nicht nur filigrane Kunstwerke, sondern auf<br />

wenigen Quadratzentimetern symbolisierte<br />

Unabhängigkeit«, sagt Rainer Vollkommer,<br />

der nicht nur Direktor der Schatzkammer<br />

ist, sondern auch des Landesmuseums<br />

und des Postmuseums. Der Jugenstilkünstler<br />

Koloman Moser<br />

entwarf 1912 die erste Zwei-Heller-<br />

Marke mit dem Bildnis des Fürsten Johann<br />

II. Sein großer Originalentwurf<br />

mit dem noch fehlerhaften Schriftzug »Lichtenstein«<br />

ist hier neben den (korrigierten)<br />

ausgeführten Briefmarken ausgestellt.<br />

Das jüngste Kapitel der Schatzkammer<br />

zielt ins Weltall – hätten Sie gedacht, dass die<br />

Apolloraketen mit Technologie aus Liechtenstein<br />

an den Start gingen? Die Firma Balzers<br />

war in den Sechzigerjahren führend in den<br />

Bereichen Beschichtung und Vakuumtechnik<br />

– so kommt es, dass jetzt fünf Brocken<br />

Mondgestein hier aufbewahrt werden. Vier<br />

davon sammelten Neil Armstrong und Buzz<br />

Aldrin 1969 bei der ersten Mondlandung ein<br />

– sie wurden vom damaligen US-Präsidenten<br />

Richard Nixon als Geschenke an Liechtenstein<br />

überreicht. Von allen Objekten der<br />

Schatzkammer sind sie vielleicht nicht die<br />

kostbarsten, aber gewiss die kuriosesten. ×<br />

Schatzkammer Liechtenstein, Städtle 37, geöffnet<br />

täglich 10–17 Uhr außer 24., 25., 31.12. u. 1.1.<br />

Bilder: LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna/Inv.-Nr. GE 556; Sven Beham/Liechtensteinisches Landesmuseum; LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz–Vienna/Inv.-Nr. WA 4310<br />

10


KULTURLAND LIECHTENSTEIN<br />

Große Kunst im<br />

kleinen Staat<br />

Alles andere als provinziell: Die Kulturlandschaft des Fürstentums Liechtenstein<br />

ist erstaunlich vielfältig, welthaltig und grenzenlos<br />

VON JAN BRANDT<br />

Bild: Liechtenstein Marketing<br />

Das Fürstenschloss ist immer noch<br />

Wohnsitz der Familie Liechtenstein<br />

11


KULTURLAND LIECHTENSTEIN<br />

Liechtenstein ist ein<br />

reiches Land. Das ist<br />

ein Klischee. Wer an<br />

Liechtenstein denkt,<br />

denkt an Steueroase, Fürstentum,<br />

Alpenidyll, schneebedeckte<br />

Berge, dichte Wälder, klares<br />

Wasser. Dass der sechstkleinste<br />

Staat der Welt aber auch über<br />

einen großen kulturellen Reichtum<br />

verfügt, wissen wohl nur<br />

die wenigsten – am ehesten diejenigen,<br />

die schon einmal dort<br />

gewesen sind, in den kleinen<br />

Orten im Rheintal zwischen<br />

Österreich und der Schweiz.<br />

Burgen und Schlösser, Kirchen<br />

und eine Kathedrale, Banken<br />

und Bauernhöfe, das palastartige<br />

Regierungsgebäude und<br />

der minimalistische ockerfarbene<br />

Klinkerbau des Landtags vereinen<br />

Mittelalter und Moderne,<br />

das Alte und das Neue, von<br />

Rückständigkeit keine Spur.<br />

Von den rund 37 000 Einwohnern<br />

sind etwa 3000 kulturell<br />

engagiert, in Vereinen und<br />

Verbänden, als Dirigenten und<br />

Sänger, Komponisten und Musiker,<br />

Choreografen und Tänzer,<br />

Laiendarsteller und Schauspieler,<br />

Künstler und Schriftsteller.<br />

Da ist der Fürstlich Liechtensteinische<br />

Sängerbund, der Blasmusikverband,<br />

der Gitarrenzirkel<br />

Ligita, der Handharmonikaclub<br />

und ein Jodelclub, aber auch<br />

das große Sinfonieorchester<br />

oder die internationale Musikakademie.<br />

Insgesamt gibt es 35 Chöre,<br />

40 Bands, eine Musikschule mit<br />

2600 Schülern, mehr als ein<br />

Dutzend Museen, zwei Orchester,<br />

zwei Musical-, Theater- und<br />

Operettenbühnen und regelmäßige<br />

Literaturabende und Literaturtage.<br />

Kaum ein Tag im<br />

Jahr, an dem nicht in einer Gemeinde<br />

eine Veranstaltung<br />

stattfindet. Dieser Sommer zum<br />

Beispiel wartet mit Musikfestivals,<br />

Filmfesten und spektakulären<br />

Premieren und Ausstellungseröffnungen<br />

auf. Das ist<br />

ein kultureller Output, den<br />

12<br />

erst nach dem Zweiten Weltkrieg,<br />

und die Wurzeln dieser<br />

Entwicklung liegen nicht etwa<br />

im Finanzwesen, sondern in der<br />

Industrie und im Gewerbe mit<br />

heute mehr als 40 Prozent der<br />

der rund 37 000 Arbeitsplätze<br />

des Landes – ein im Vergleich<br />

zu den umliegenden Staaten<br />

ungemein hoher Anteil. Der<br />

wirtschaftliche Wohlstand<br />

erlaubte es den Menschen, Zeit<br />

in künstlerische Arbeit zu investieren,<br />

Kunst anzukaufen und<br />

Kulturinstitutionen zu schaffen.<br />

Bis in die Fünfzigerjahre hinein<br />

habe es hauptsächlich Chöre<br />

und Kapellen gegeben. Und das<br />

ist die eigentliche Leistung:<br />

dass sich Liechtenstein der Welt<br />

und der Gegenwart geöffnet<br />

hat, ohne die eigene Tradition<br />

aufzugeben. Das Lokale trifft<br />

hier auf das Globale, und beides<br />

beeinflusst und bestärkt sich<br />

gegenseitig.<br />

Winfried Huppmann, Präsident<br />

der Kulturstiftung, ein<br />

gelernter Physiker aus Österreich,<br />

der seit 28 Jahren in<br />

Liechtenstein lebt, erzählt, um<br />

das zu verdeutlichen, vom Projektchor<br />

des Chorseminars, der<br />

aus 90 Amateursängern besteht<br />

und mit fünf hauptberuflichen<br />

Solisten in diesem Jahr Joseph<br />

Haydns »Schöpfung« aufgeführt<br />

hat. Mit dem Sinfonieorchester<br />

Liechtenstein und unter der Leitung<br />

des aus den USA stamdeutsche<br />

Kleinstädte nicht vorweisen<br />

können.<br />

Elisabeth Stöckler, Geschäftsleiterin<br />

der Kulturstiftung<br />

Liechtenstein, stammt aus<br />

Österreich. Sie erinnert daran,<br />

dass man den Kleinstaat vor<br />

nicht allzu langer Zeit nicht<br />

gerade mit Wohlstand in Verbindung<br />

gebracht habe. Noch<br />

bis vor hundert Jahren seien die<br />

Familien so arm gewesen, sagt<br />

sie, dass einige ihre Kinder in<br />

den Sommermonaten ins Ausland<br />

geschickt hätten, wo sie<br />

gegen Kost und Logis in der<br />

Landwirtschaft arbeiteten und<br />

nach ihrer Rückkehr als sogenannte<br />

»Schwabenkinder« in<br />

die Geschichte des Landes eingingen.<br />

Der Aufschwung kam<br />

1<br />

2<br />

3<br />

Bilder diese Seite: battleROYAL GmbH; Liechtenstein Marketing; Archiv Atelier Spinieu; Bilder rechts: Niels Volmar; Paul Trummer; Sven Beham; Brigitt Risch


4<br />

5 6<br />

7<br />

<br />

1 Die Liechtensteinerin Susana<br />

Beiro verbindet Tanz und Kunst:<br />

auf Tour mit dem französischen<br />

Team Groupe F und Battleroyal<br />

2 Den Landtag in Vaduz erbaute<br />

Hansjörg Göritz 2008 mit der<br />

Idee »eines Steindachhauses als<br />

zeitlose Urform«<br />

3 Ferdinand Nigg, ein Textilkünstler<br />

der frühen Moderne mit<br />

Vorliebe zu biblischen Themen,<br />

wird ab 11. September im<br />

Kunstmuseum vorgestellt<br />

4 Die Operettenbühnen in<br />

Balzers und Vaduz zeigen<br />

jährlich Produktionen mit<br />

einheimischen und internationalen<br />

Künstlern und Laien<br />

5 Ligita: Die Liechtensteiner<br />

Gitarrentage zählen zu den<br />

wichtigsten europäischen Events<br />

für Gitarre. Sie finden wieder vom<br />

4. bis 11. Juli statt<br />

6 Transformator – ein Projekt im<br />

Kunstraum von Martin Walch,<br />

Starsky und Alien Productions<br />

7 Das »junge THEATER<br />

liechtenstein« begeistert auch<br />

die Jüngsten für die darstellende<br />

Kunst<br />

menden und in Liechtenstein<br />

wohnhaften Dirigenten wurden<br />

die Aufführungen in Österreich<br />

und Liechtenstein ein großer<br />

Erfolg. »Das ist unsere Strategie«,<br />

sagt Huppmann. »Wir fördern<br />

sehr das Zusammenspiel<br />

von Laien und Profis.«<br />

Bis vor acht Jahren lag die<br />

Kulturförderung noch in Händen<br />

der Regierung, jetzt sind es<br />

parteiunabhängige Experten,<br />

die das Budget verteilen. Dabei<br />

geht es auch darum, das typisch<br />

Kleinstädtische, die allzu engen<br />

persönlichen Verflechtungen zu<br />

überwinden. »Das Gegenseitigkennen«,<br />

sagt Elisabeth Stöckler,<br />

»hat Vorteile wie kurze<br />

Wege, aber es birgt auch die<br />

Gefahr der schnellen Einflussnahme<br />

oder der Verpflichtung.«<br />

Entscheidend bei der Auswahl<br />

sind die Qualität und der Liechtenstein-Bezug.<br />

Das zeigt sich in<br />

dem zur Kulturstiftung gehörenden<br />

Kunstraum Engländerbau,<br />

wo seit 2002 Jahr für Jahr<br />

zeitgenössische Künstler, vor<br />

allem aus der Region, ihre Werke<br />

ausstellen. Er ist weder Museum<br />

noch Galerie, vielmehr ein<br />

Spielraum der Freiheit.<br />

Auf der Landkarte muss<br />

man das gerade einmal 160 Quadratkilometer<br />

umfassende Land<br />

mit der Lupe suchen, aber<br />

sobald man einmal dort ist,<br />

meint man, die Welt sei hier zu<br />

Haus. Der Kultur <strong>Liechtensteins</strong><br />

haftet nichts Provinzielles<br />

an, im Gegenteil: Sie kann sich<br />

mit der internationalen Konkurrenz<br />

messen.<br />

Ende März wurde unterhalb<br />

des Schlosses die Schatzkammer<br />

eingeweiht, die einen<br />

Bogen von fürstlichen Preziosen<br />

und kostbaren Ostereiern<br />

bis zu Mondgestein spannt, das<br />

als Dank für den liechtensteinischen<br />

Technikbeitrag zur<br />

bemannten Mondfahrt – durch<br />

die Balzers AG – nach der Mission<br />

der Apollo 11 nach Vaduz<br />

kam. Gegenüber liegt das<br />

Kunstmuseum, das den moder-<br />

13


1<br />

nen Schatz des Landes enthält:<br />

internationale Kunst – klaustrophobische<br />

Installationen des<br />

israelischen Künstlers Absalon,<br />

Schachteln von Marcel<br />

Duchamp, Skulpturen von Wilhelm<br />

Lehmbruck, Videos von<br />

William Kentridge, Filzanzüge<br />

von Joseph Beuys und (ab dem<br />

11. September) Stickbilder des<br />

Liechtensteiner Textilkünstlers<br />

Ferdinand Nigg: Nachdem er in<br />

den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts<br />

an den Kunstgewerbeschulen<br />

in Magdeburg und<br />

Köln Paramentik unterrichtet<br />

hatte, schuf er, weitgehend im<br />

<br />

1 Wo der Rhein noch jung ist:<br />

<strong>Liechtensteins</strong> Bergwelt lädt im<br />

Sommer zum Wandern, im<br />

Winter zum Skifahren ein<br />

2 Comics, Film und Fernsehen<br />

inspirieren die Liechtensteinische<br />

Künstlerin Anna Hilti,<br />

Jahrgang 1980<br />

2<br />

Verborgenen, ein eigenständiges<br />

farbenprächtiges und detailreiches<br />

Werk aus Wolle mit vornehmlich<br />

herrschaftlichen und<br />

biblischen Motiven.<br />

Am 23. Mai wurde der<br />

Erweiterungsbau des Kunstmuseums<br />

mit der Hilti Art Foundation<br />

eröffnet, die bedeutende<br />

Werke von der klassischen<br />

Moderne bis zur Gegenwart<br />

präsentiert (S. 4).<br />

Während Städte wie Berlin<br />

mit bunt bemalten Bären werben,<br />

sind bis zum 11. November<br />

im Rahmen des internationalen<br />

Skulpturenparks »Bad<br />

RagARTz,« der größten Skulpturenausstellung<br />

Europas, allein<br />

in der Vaduzer Fußgängerzone<br />

41 individuelle Originale zu<br />

sehen, von abstrakten bis zu<br />

figurativen Objekten.<br />

Wer in Liechtenstein künstlerisch<br />

aktiv ist, stößt schnell an<br />

Grenzen, und so ist das Land<br />

eine Art Modell für die Sehnsucht<br />

nach einem anderen<br />

Leben jenseits der Berge.<br />

»Künstlern ist es wichtig, rauszugehen«,<br />

sagt Elisabeth Stöckler.<br />

»Es geht ihnen um Erfahrungen,<br />

den Austausch und die<br />

Vernetzung mit der internationalen<br />

Kunstszene.« Exemplarisch<br />

zeigt sich das anhand<br />

zweier Ausstellungen in Kooperation<br />

mit weiteren europäischen<br />

Kleinstaaten wie Island,<br />

Luxemburg oder Montenegro,<br />

zum einen »Wo das Gras grüner<br />

ist« im Kunstmuseum (3. Juli<br />

bis 22. November), zum anderen<br />

»The Silver Lining« im<br />

Palazzo Trevisan degli Ulivi auf<br />

der Biennale in Venedig (24.<br />

Oktober bis 1. November). Zum<br />

ersten Mal wird Liechtenstein<br />

dort vertreten sein. Der Biennale-Kurator<br />

Okwui Enwezor<br />

zitierte in seiner Eröffnungsrede<br />

Walter Benjamins Essay Ȇber<br />

den Begriff der Geschichte«, in<br />

dem Benjamin die Geschichte<br />

der Menschheit als eine »Kette<br />

von Begebenheiten« fasst, die<br />

rückblickend wie eine einzige<br />

Katastrophe erscheinen. Dieser<br />

düsteren Sicht wollen die jungen<br />

Künstler etwas Positives<br />

entgegensetzen: den feinen, silbernen<br />

Stoff ihrer Welterfahrung,<br />

das Glück, ausgeschwärmt<br />

und mit Entdeckungen zurückgekehrt<br />

zu sein und ihre<br />

Heimat bereichert zu haben.<br />

Bilder: Liechtenstein Marketing; Anna Hilti<br />

14


EMPFEHLUNGEN<br />

Fünf Fragen an ...<br />

Aurelia Frick<br />

Bild: Martin Walser<br />

Gibt es eine liechtensteinische Kultur?<br />

Und wie beschreiben Sie diese?<br />

Die liechtensteinische Kultur<br />

hat ihren Ursprung im Brauchtum.<br />

Diese alten Traditionen werden auch<br />

heute noch mit großer Liebe gepflegt.<br />

Über die Jahrzehnte hat sich<br />

das Kulturangebot enorm entwickelt.<br />

Es zeichnet sich durch eine<br />

große Vielfalt aus.<br />

Sie sind nicht nur Kultur- und<br />

Außenministerin, sondern auch<br />

zweifache Mutter. Wie bringen<br />

Sie Ihren Kindern das Thema Kultur<br />

näher?<br />

In Liechtenstein haben wir die<br />

Qual der Wahl: Viele unserer Kulturinstitutionen<br />

haben ein tolles Kinderprogramm<br />

– von Kindertheater<br />

über Konzerte für die Kleinen bis<br />

hin zur Kulturvermittlung in den<br />

Museen. Es ist wichtig, dass Kinder<br />

schon früh an die Kultur herangeführt<br />

werden.<br />

Was muss ein Besucher in Liechtenstein<br />

unbedingt gesehen oder erlebt<br />

haben?<br />

Wenn ich Gäste habe, gehört<br />

ein Besuch der neuen Museumsmeile<br />

Vaduz zum Pflichtprogramm.<br />

Allerdings haben auch die anderen<br />

Aurelia Frick ist als Kultur- und<br />

Außenministerin des Fürstentums<br />

Liechtenstein oft auf Reisen –<br />

umso mehr weiß sie die Vorteile<br />

ihres Landes zu schätzen<br />

Gemeinden wunderbare Museen.<br />

Wer sich gerade am 15. August in<br />

Liechtenstein aufhält, darf sich auf<br />

ein großes Volksfest mit Feuerwerk<br />

freuen.<br />

Wo genießen Sie Ihre Heimat?<br />

Die liechtensteinische Natur<br />

und Bergwelt ist für mich der Ort,<br />

wo ich Kraft tanke. Und wenn ich<br />

nach einem Skitag oder nach einer<br />

Wanderung in einem Bergrestaurant<br />

einen Teller »Käsknöpfle« bekomme,<br />

bin ich glücklich.<br />

Wenn man Liechtenstein besucht<br />

und ein Souvenir zum Weiterschenken<br />

mitnehmen möchte, was<br />

würden Sie empfehlen? Was ist für<br />

Sie typisch liechtensteinisch?<br />

Es gibt einen kreativen Laden<br />

im Zentrum von Vaduz, der ganz<br />

spezielle Souvenirs mit Liechtensteinbezug<br />

verkauft. Vom Holzbrett<br />

in Landesform bis hin zur Filztasche<br />

mit Fürstenkrone, ich finde dort immer<br />

etwas Schönes, das ich gerne<br />

verschenke (www.hoi-laden.li). Sie<br />

können aber auch immer ein Buch<br />

aus oder über Liechtenstein, eine<br />

gute Flasche Wein aus Liechtenstein,<br />

oder etwas anderes Belebendes<br />

mitbringen, die Auswahl ist groß.<br />

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20080 Hamburg<br />

www.weltkunst.de/abo<br />

kundenservice@weltkunst.de<br />

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15<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

Liechtenstein Marketing<br />

Redaktion<br />

<strong>WELTKUNST</strong><br />

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& Co. KG, Preetz


Der Wirtschaftsstandort<br />

Stabil und schuldenfrei<br />

AAA-Wirtschaftsstandort<br />

Nur wenige Staaten sind schuldenfrei. Liechtenstein<br />

ist einer davon. Politische Kontinuität,<br />

solide Finanzpolitik und grosse Kapitalkraft der<br />

öffentlichen Hand überzeugen – auch die Analysten<br />

von Standard & Poor’s, die das Fürstentum<br />

2015 erneut mit dem AAA-Rating auszeichneten.<br />

Darum konzentrieren sich Unternehmer in<br />

Liechtenstein auf das Wesentliche: ihre Firma.<br />

Breit diversifiziert<br />

Ein unerwartet starker Industriestandort<br />

Liechtenstein ist bekannt für seinen spezialisierten,<br />

international stark vernetzten und stabilen<br />

Finanzplatz. Der hohe Industrialisierungsgrad<br />

des Fürstentums darf mit Stolz betont werden.<br />

38 % der Bruttowertschöpfung und über 39 %<br />

der Arbeitsplätze entfallen auf Industrie und<br />

warenproduzierendes Gewerbe.<br />

Gut vernetzt<br />

Inmitten von zwei Wirtschaftsräumen<br />

Liechtenstein ist international sehr gut vernetzt.<br />

Die Zollunion mit der Schweiz und die Mitgliedschaft<br />

im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)<br />

bieten beste Voraussetzungen für ansässige<br />

Exportunternehmen. Als EFTA-Mitglied profitiert<br />

das Fürstentum zudem von einem der<br />

grössten Netzwerke an abgeschlossenen Freihandelsabkommen.<br />

Alles zum Wirtschaftsstandort Liechtenstein<br />

www.liechtenstein-business.li<br />

Liechtenstein Marketing<br />

T +423 239 63 63<br />

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