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Europas Milchproduktion in Bauernhand

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03-2008 Milch 7<br />

„Es kann doch nicht se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> derart<br />

kle<strong>in</strong>es Land die EU ihrer Vormachtstellung<br />

beraubt.“ Bei allem Schauen auf Neuseeland<br />

kann der europäische Bauer nicht<br />

auch auf Aufmerksamkeit hoffen. In den<br />

Erst gabs Geschenke, dann Buh-Rufe. Kommissionsvertreter<br />

Hoelgaard bekommt die Walisische Faironika übergeben.<br />

Bild: Nürnberger<br />

Ausführungen von Hoelgaard jedenfalls<br />

kamen die Produzenten nicht vor.<br />

Wenn gegen Ende des Vormittags die lange<br />

Anfahrt ihren Tribut an der Aufmerksamkeit<br />

der Zuhörer gefordert hatte, so waren<br />

spätestens jetzt wieder alle hellwach. An<br />

Schlaf war auch nicht zu denken. Quittierten<br />

die Bauern die Ausführungen des<br />

Kommissionsabgesandten doch mit lautstarkem<br />

Missfallen. Zum e<strong>in</strong>en wegen der<br />

unliebsamen, wenn auch bekannten Inhalte.<br />

Zu e<strong>in</strong>em ganz wesentlichen Teil<br />

aber auch aufgrund der arroganten Art,<br />

mit der sie vorgetragen wurden.<br />

Die Solidarität nicht<br />

vergessen<br />

Der Vizepräsident des<br />

Agrarausschusses,<br />

Friedrich Wilhelm<br />

Graefe zu Bar<strong>in</strong>gdorf,<br />

sprach an, was Hoelgaard<br />

verschwiegen<br />

hatte. „Wer heute die<br />

Erhöhung der Menge<br />

fordert will Preissenkung.“<br />

Die vom EMB<br />

angestrebte B<strong>in</strong>dung<br />

von Preis- und Mengensteuerung<br />

soll <strong>in</strong><br />

jedem Fall verh<strong>in</strong>dert<br />

werden. Graefe zu<br />

Bar<strong>in</strong>gdorf machte aber auch deutlich,<br />

dass der Kampf noch lange nicht verloren<br />

ist: „Wenn diese Organisation ihre Stärke<br />

behält, an Stärke gew<strong>in</strong>nt, dann möchte<br />

ich die Kommission sehen, die ke<strong>in</strong>en Vorschlag<br />

macht.“ Es sei die Solidarität unter<br />

den Bauern, die ihnen Stärke verleiht.<br />

Die se Solidarität darf aber nicht nur auf<br />

die Forderung nach e<strong>in</strong>em fairen Preis beschränkt<br />

bleiben. Sie müsse auch für die<br />

Milchmenge gelten, die die Betriebe produzieren.<br />

An die Betrachtungen zur Arbeitsbelastung<br />

während des Vormittags<br />

anschließend gab Bahr<strong>in</strong>gdorf die Empfehlung,<br />

pro Kuh und Jahr <strong>in</strong> Zukunft noch<br />

zwei Stunden für Demonstrationen und<br />

politische Arbeit <strong>in</strong> Brüssel und den eigenen<br />

Hauptstädten e<strong>in</strong>zuplanen.<br />

Die anschließende Diskussionsrunde bestritt<br />

Lars Hoelgaard fast ganz alle<strong>in</strong>e. Die<br />

Bauern hatten ihren Gegner<br />

lokalisiert und waren nicht<br />

gewillt, ihn wieder aus den<br />

Augen zu verlieren. Und der<br />

gab sich große Mühe, den<br />

angestauten Unmut noch zu<br />

steigern. Er sprach von Bauern,<br />

die <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

aufgehört haben, ohne dass<br />

die Produktionsmenge gesunken<br />

sei und von „Strukturanpassungen“<br />

die es geben<br />

wird. Mit brechender Stimme<br />

schrie er <strong>in</strong>s Mikrofon und<br />

machte sich endgültig zum<br />

Verlierer. „Sie haben im letzten<br />

Jahr e<strong>in</strong>e Kompensation<br />

von 3,5 Cent bekommen, die Sie nicht verdient<br />

haben. Wenn Sie trotz e<strong>in</strong>er unverdienten<br />

Kompensation und hohen Preisen<br />

nicht <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, Milch zu produzieren,<br />

dann sollten Sie aufhören, Milch zu<br />

produzieren.“ Ungeschickter kann man<br />

kaum se<strong>in</strong>. Der Saal jedenfalls tobte. Kaum<br />

e<strong>in</strong>er saß noch. Die Bauern donnerten<br />

„Raus-Raus!“. Ihre ganze Wut dem Redner<br />

zuschreiend. Vielleicht ist es nur der<br />

Größe und Besonnenheit e<strong>in</strong>es Romuald<br />

Schabers zu verdanken, dass Hoelgaard<br />

ganz unbeschadet den Tag überstand. Der<br />

jedenfalls beruhigte den Saal „Wir lassen<br />

Die Resolution ist verabschiedet! Sieta Keimpema, Roberto Cavaliere und<br />

Romuald Schaber Foto: Nürnberger<br />

uns von niemandem provozieren. Wir s<strong>in</strong>d<br />

hier, um die unterschiedlichen Me<strong>in</strong>ungen<br />

zu hören. Am Ende entscheiden wir, was<br />

passiert.“<br />

Gee<strong>in</strong>t nach vorne blicken<br />

Der letzte Tagesordnungspunkt war die<br />

Abstimmung der Resolution. Trotz ihrer<br />

Schärfe und E<strong>in</strong>deutigkeit war sie fast nur<br />

noch e<strong>in</strong>e Formalie und wurde mit absoluter<br />

Mehrheit angenommen, bevor sich<br />

Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern aus 15 Ländern<br />

<strong>Europas</strong> wieder auf ihren langen Heimweg<br />

machten.<br />

mn<br />

Kurzes am Rande<br />

Ausstieg auf Bayrisch<br />

E<strong>in</strong>e Grünlandbewirtschaftungsprämie als Herzstück sieht das Konzept<br />

des bayerischen Landwirtschaftsm<strong>in</strong>isters Josef Miller (CSU) zur<br />

Abfederung des Ausstiegs aus der Milchquote nach 2015 vor. Für<br />

den Fall, dass der Ausstieg nicht verh<strong>in</strong>dert werden könne, so Miller,<br />

solle man allen Bäuer<strong>in</strong>nen und Bauern – nicht nur denen <strong>in</strong><br />

den Bergregionen – rund 70 Euro pro Hektar bewirtschaftetes<br />

Grünland zahlen. Das Geld solle aus freien Mitteln des EU-Agrarhaushaltes<br />

und – falls das nicht reiche – aus Kürzungen der Direktzahlungen<br />

f<strong>in</strong>anziert werden. Jedenfalls dürfe es nicht aus der<br />

sogenannten 2. Säule kommen, damit e<strong>in</strong>e Kof<strong>in</strong>anzierung mit<br />

Bundes- und Landesmitteln vermieden würde. pm<br />

„Stark gegen die Molkereien auftreten!“<br />

Der sogenannte „Milchpräsident“ des Bauernverbandes Udo Folgart<br />

sprach <strong>in</strong> Scharnebeck (bei Lüneburg) vor 250 Milchbauern und<br />

prognostizierte e<strong>in</strong>en Rückgang der Erzeuger-Milchpreise von weniger<br />

als 41 Cent (trotz der um 4 bis 6 Cent erhöhten Futterkosten)<br />

und verteidigte die Abschaffung der Milchquote. Die Bauern aus<br />

der Region, so die Landeszeitung, warfen dem Vizepräsidenten des<br />

Bauernverbandes vor, nicht auf der Höhe der Zeit zu se<strong>in</strong>: „Uns laufen<br />

die Preise für Pacht, Diesel und Kraftfutter davon“ und „wir fallen<br />

wieder <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Preisloch“. Die Milcherzeuger forderten, dass der<br />

Bauernverband die Strukturveränderungen bei den Molkereien<br />

nicht nur begleiten solle: „Die Aufgabe ist vielmehr, stark gegen<br />

die Molkereien aufzutreten!“ Folgart verteidigte dagegen die Auszahlungspolitik<br />

der Molkereien. en<br />

H<strong>in</strong>derliche Bauern-Basis<br />

Über die „Beh<strong>in</strong>derung“ der Molkereiarbeit durch den zunehmenden<br />

Druck der Basis und deren Fixierung auf kurzfristig höhere<br />

Monatsmilchpreise klagt <strong>in</strong> top agrar der Geschäftsführer der Molkerei<br />

Ammerland. Sönke Voss sieht auch die Liefergeme<strong>in</strong>schaften<br />

von Milchbauern als Schwächung der „Genossenschaften“ an. Zu<br />

den Äußerungen anderer Molkereimanager, man müsse „die Bauern<br />

wieder von den Bäumen holen“, äußert sich Voss mit der Milchpreis-Prognose<br />

von durchschnittlich 33 bis 35 Cent und dem H<strong>in</strong>weis<br />

auf zunehmende Milchmengen <strong>in</strong> Amerika … pm<br />

Porsche-Molkerei<br />

Nicht nur dem VW-Konzern machen die Übernahmepläne der Porsche-Gruppe<br />

zu schaffen. Ach die Molkerei P<strong>in</strong>zgau-Milch <strong>in</strong> Salzburg<br />

wurde kürzlich zu 80 % von Dr. Hans Michael Piech (Familie<br />

Porsche) und se<strong>in</strong>em Partner Ulrich Schröder, e<strong>in</strong>em Unternehmensberater,<br />

übernommen. Verkauft hatte die Anteile der Raiffeisenverband<br />

Salzburg. Die neuen Eigner ließen verlauten, die Genossenschaft<br />

der Milchbauern solle auch weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> „gewichtiges Mitspracherecht“<br />

haben. pm<br />

Aus der Resolution des EMB<br />

Wir, die im European Milk Board EMB organisierten<br />

Milcherzeuger/<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d entschlossen,<br />

für unsere Zukunft zu kämpfen<br />

und uns nicht auf dem Altar des Freihandels<br />

opfern zu lassen! Wir nehmen <strong>in</strong>sbesondere<br />

die europäische Milch<strong>in</strong>dustrie mit <strong>in</strong> die<br />

Pflicht. Der Milchsektor hat nur dann e<strong>in</strong>e<br />

Zukunft, wenn die Kosten der Produktion<br />

gedeckt werden können. Sollten sich die<br />

Molkereien weigern, sich <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit uns für verbesserte Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>zusetzen und vollkostendeckende<br />

Milchpreise zu bezahlen, droht<br />

die E<strong>in</strong>stellung der Milchanlieferung.

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