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1 Günter Röhser Die „Antithesen“ der Bergpredigt in neueren ...

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10<br />

Erfüllung des im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willens Gottes. 47 <strong>Die</strong>s entspricht genau<br />

dem Bildgehalt des Verbums plhro,w (5,17: „voll machen“, „auffüllen“). Was <strong>der</strong> matthäische<br />

Jesus <strong>in</strong> den sechs Kommentarworten „aktualisierend und konkretisierend an die sich aus Text<br />

und Tradition konstituierende Tora heranträgt, füllt diese gleichsam auf und erfüllt sie.“ 48<br />

Das Bild suggeriert e<strong>in</strong>erseits l<strong>in</strong>eare Kont<strong>in</strong>uität, an<strong>der</strong>erseits enthält es den Aspekt des<br />

Abschließenden und Endgültigen. Von daher legt sich für die Beschreibung dessen, was <strong>in</strong><br />

den Kommentarworten geschieht, das Modell „Vollendung <strong>der</strong> Tora“ nahe. Wenn wir wie<strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Semantik des deutschen Begriffs ausgehen, so kann man sagen: „Vollendung“ bleibt<br />

und bewegt sich im Bereich dessen, was es vollendet. An<strong>der</strong>s als „Überbietung“ geht es nicht<br />

darüber h<strong>in</strong>aus. An<strong>der</strong>s als „Auslegung“ enthält es zusätzlich das Moment <strong>der</strong> Steigerung und<br />

Vervollständigung, aber auch <strong>der</strong> abschließenden Zuspitzung. Damit wird <strong>der</strong> Tatsache<br />

Rechnung getragen, dass es <strong>in</strong>haltlich <strong>in</strong> den Kommentarworten nicht um „Vermehrung“,<br />

son<strong>der</strong>n um „Verschärfung“ e<strong>in</strong>erseits, „Aufhebung“ von E<strong>in</strong>zelgeboten an<strong>der</strong>erseits geht.<br />

Deshalb sollte man auch nicht von e<strong>in</strong>er Vollendung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelgebote, son<strong>der</strong>n von e<strong>in</strong>er<br />

Vollendung <strong>der</strong> Tora <strong>in</strong>sgesamt und als Ganzes sprechen. Von daher ist es dann aber auch<br />

nicht mehr nötig, den qualitativen Aspekt <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Vervollständigung“ <strong>der</strong> Tora und <strong>der</strong><br />

Gerechtigkeit auszuschließen. <strong>Die</strong> Konzentration auf Dekalog- und v. a. die Liebesgebote<br />

(5,43-48: Fe<strong>in</strong>desliebe; 7,12: Goldene Regel; 22,40: Doppelgebot; 23,23: Recht,<br />

Barmherzigkeit und Treue) weisen <strong>in</strong> diese Richtung – nicht ohne hellenistische und<br />

rabb<strong>in</strong>ische Analogien und Vorbil<strong>der</strong>.<br />

Traditionsgeschichtlich braucht man für dieses Modell we<strong>der</strong> die messianische Tora noch den<br />

neuen Mose zu bemühen (obwohl sie als Konzepte sicherlich nahebei liegen). Vielmehr kann<br />

man sagen: Jesus ist als Lehrer <strong>der</strong> Tora (wenn man so will: als „Schriftgelehrter“ 49 ) zugleich<br />

<strong>der</strong> Vollen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Tora und br<strong>in</strong>gt mit den Kommentarworten den ganzen Willen Gottes<br />

letztmalig und letztgültig zum Vorsche<strong>in</strong> und zur Darstellung. Hier liegt nach Mt 7,29 auch<br />

die qualitative Differenz zwischen Jesus und den (an<strong>der</strong>en) Gelehrten: Er besitzt „Vollmacht“,<br />

dieses zu tun – eschatologische Lehrvollmacht –, sie nicht. Er ist „<strong>der</strong> Christus“, „<strong>der</strong> Sohn<br />

Gottes“ – sie nicht. Vahrenhorst formuliert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang zu Recht: „Nicht, dass<br />

Jesus ‚evgw. de. le,gw u`ḿi/n’’ sagt, son<strong>der</strong>n, dass Jesus ‚evgw. de. le,gw u`ḿi/n’ sagt, macht für<br />

Matthäus die Beson<strong>der</strong>heit dieser Stellungnahme aus. Nicht die Redeform, son<strong>der</strong>n die<br />

Person“ – und wir können h<strong>in</strong>zufügen: und <strong>der</strong>en Vollmacht – „ist für ihn entscheidend.“ 50<br />

Jesus ist <strong>der</strong> E<strong>in</strong>e (Lehrer), auf den die Geme<strong>in</strong>de zu hören und von dem sie alles zu erwarten<br />

hat. Neben ihm und se<strong>in</strong>em Vater kann es ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Autorität für sie geben (vgl. 23,8-10)<br />

– außer jenen, auf die Jesus selbst verweist; und das s<strong>in</strong>d nicht nur die Tora (5,18f), son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>ne auch die sie lehrenden Schriftgelehrten (23,2f). Aber Reihenfolge und<br />

Rangunterschied zwischen ihnen s<strong>in</strong>d ebenso deutlich. 51<br />

3. E<strong>in</strong> kurzer vergleichen<strong>der</strong> Blick auf das Markusevangelium<br />

Durch e<strong>in</strong>en Vergleich mit dem Markusevangelium – <strong>in</strong> dem bekanntlich <strong>der</strong> Begriff no,moj<br />

gar nicht vorkommt – lässt sich das Gesagte verdeutlichen. Bemerkenswert ist, dass es <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>haltlicher H<strong>in</strong>sicht vielfach gar ke<strong>in</strong>en Unterschied zwischen den For<strong>der</strong>ungen des<br />

mark<strong>in</strong>ischen und des matthäischen Jesus gibt. Trotzdem kann man fragen, ob z. B. <strong>in</strong> Mk<br />

10,19-21 nicht das Modell „Überbietung“ vorliegt: Der mark<strong>in</strong>ische Jesus kennzeichnet<br />

47 Vgl. ebd. S. 250f und die GNB-Übersetzung „vollkommen und ungeteilt“ (allerd<strong>in</strong>gs bereits <strong>in</strong>terpretiert als<br />

„Liebe“ <strong>in</strong> Entsprechung zur „Liebe eures Vaters im Himmel“).<br />

48 M. Vahrenhorst (s. Anm. 9), S. 242f.<br />

49 Vgl. dazu me<strong>in</strong>en früheren Aufsatz: Jesus – <strong>der</strong> wahre „Schriftgelehrte“. E<strong>in</strong> Beitrag zum Problem <strong>der</strong><br />

„Toraverschärfung“ <strong>in</strong> den Antithesen <strong>der</strong> <strong>Bergpredigt</strong>, ZNW 86 (1995) 20-33.<br />

50 M. Vahrenhorst (s. Anm. 9), S. 234 Anm. 96.<br />

51 S. dazu W. Re<strong>in</strong>bold (s. Anm. 1).

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