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Vom Elefanten züchten 1

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»Wie kann sich eine falsche Sache nur so richtig anfühlen, liebster Emil? Wie<br />

kann das nur sein?«, fragte Albertina und finster blickten ihre trüben Augen, die<br />

lebendig sein wollen.<br />

Was Emil mochte: nicht einmal waren die Momente mit Albertina reine und<br />

glückselige Momente gewesen. Nicht einmal waren sie ausschließlich Wonne<br />

freuder Lebenslust, erheitert und beschwipst von Frohsinn und Entzückung.<br />

Immer-während gab es dunkle Flecken auf dem Himmelszelt. Immer-während<br />

gab es einen Grund in Melancholie zu sinken, wie losgelassene Bootsruder zum<br />

Seegrund. Immer-während gab es einen Grund sich in den Arm zu nehmen, die<br />

Stirn zu küssen und zu sehen, zu warten und stark zu sein. Regen anbeten. Auf<br />

Sonne hoffen. Wolken erwarten.<br />

»Ist dann die erste Sache, die Falsche und die zweite die ablösende Sache, die<br />

Richtige?«, stellte Emil, nun inmitten des Sees, Albertina eine Gegenfrage, als<br />

spielten sie Rätselraten.<br />

»Und wenn ich meine, zwischen zwei Dingen zu sein, ist das nicht eine Dritte<br />

Sache?«, schloss Albertina, zwar fragend, aber beschwichtigend.<br />

Wie Rätsel lösen, die keine sind, weil die Lösung schon beim hören, nicht verborgen<br />

ist. Tochter oder Geliebte? Vater oder Liebhaber? Wenn die Lösung offenkundig<br />

zu Fuße liegt, muss das Rätsel wohl darin liegen, mit der Lösung zu leben<br />

und sich nicht zu Grabe zu begeben, wenn des Rätsel Lösung den Tod bedeutet<br />

und wenn das Rätsel nicht zu lösen, ebenso den Tod bedeutet, bedeutet das wohl<br />

zu fliehen und lernen irgendwo anders neu zu sein, neu zu leben, denn wer sagt<br />

denn, dass der Rätselfragende entscheidet, welches des Rätsels Lösung ist?<br />

Aus dem schwarzen Kassettenrekorder aus Plastik, lief ein spanisches Lied<br />

und Albertina verkündete feierlich: »das ist wie die Filmmusik zu unserer Bootsfahrt!«<br />

Der Kahn trieb wie an einen Schlepper gebunden durch den See. Reiher<br />

stachen mit ihren langen Schnäbeln in die Uferzone. Schwäne und Enten flogen,<br />

vor dem nahenden Unwetter fliehend, über ihre Köpfe hinweg.<br />

»Es gefällt dir nicht!«<br />

»Das stimmt.«<br />

»Weil du nicht weißt, was sie sagt und singt.«<br />

»Ja, stimmt auch.«<br />

Da holt Albertina, auf ihrem Platz am Ende des Bootes, rasant zitierend<br />

und übersetzend, ohne Nachzudenken aus: »ich bewahre, die Erinnerung, wie<br />

betörend es war, dich zu fühlen, als mein vortrefflichstes Geheimnis«. Erhebt sich<br />

und küsst den rudernden Emil auf den Mund.<br />

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