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Merkblatt Artenschutz 23 - des Bayerischen Landesamt für Umwelt ...

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Bayerisches Lan<strong>des</strong>amt <strong>für</strong><strong>Umwelt</strong><strong>Merkblatt</strong> <strong>Artenschutz</strong> <strong>23</strong>Zwerg-BirkeBetula nana L.Im bayerischen Alpenvorland besiedelt die sehr seltene Zwerg-Birke intakte Hoch- undÜbergangsmoore. Die kleinwüchsige Art reagiert empfindlich auf Entwässerung undBeschattung. Durch die Renaturierung und die Wiedervernässung von Mooren kann derBestand stabilisiert und die Ausgasung von klimawirksamen Gasen reduziert werden.Familie: Birkengewächse (Betulaceae)sehr kurz gestielt (


B. pendula: Die Bastarde werden3–4 m hohe Sträucher oder Bäume,deren Blätter bis 1,5 cm langgestielt und bis 3 cm lang undbreit sind (Re i c h i n g er 1981).Biologie und ÖkologieUntersuchungen von Al s o s et al.(2003) legen nahe, dass sich dieZwerg-Birke in den kalten Teilenihres Vorkommensgebietes fastnur vegetativ über Brutwurzelnvermehrt. In den etwas wärmerenGebieten gewinnt dagegen die generativeAusbreitung über Samenan Bedeutung, bleibt aber wenigerbedeutend als die vegetative Vermehrung.Die Blütezeit liegt zwischenMai und Juni. Die Früchtereifen bis in den September/Oktoberhinein und werden anschließenddurch Wind und Wasser ausgebreitet.Betula nana kann bis zu 90 Jahrealt werden, wächst dabei abersehr langsam. So liegt in Finnlanddie durchschnittliche Jahresringbreitebei lediglich 0,<strong>23</strong> mm, unddie Stämmchen erreichen nur einenmaximalen Durchmesser von40–46 mm. Dabei kann sie, soferndie Temperaturen nicht unter5 °C sinken, die gesamte Vegetationsperiodenutzen, z. B. <strong>für</strong> dasWurzelwachstum.Die Zwerg-Birke wächst vor allemauf Hochmooren und in Übergangsmoor-Komplexen,die imWasserhaushalt ungestört sind.Daneben kann sie auch in nassen,schwach nährstoffhaltigen, lichtreichenSpirken-Moorwäldern wachsen.Alle Wuchsorte sind durch einkühleres Mikroklima, Nässe, anaerobeBodenverhältnisse und Stickstoffarmutsowie einen saurenBodenchemismus gekennzeichnet.Alkalische oder selbst nurschwach saure Standorte werdenvon der Zwerg-Birke gemieden.Weiterhin stellt sie hohe Lichtansprücheund kann <strong>des</strong>halb untereiner geschlossenen Baumschichtnicht mehr gedeihen (Sc h ü t t &La n g 1996). In derartigen Moorenist sie weitgehend vor konkurrenzkräftigerenArten geschützt, dochwird sie von meist in unmittelbarerNähe wachsenden Gehölzen, wieBerg-Kiefer (Pinus mugo), Faulbaum(Frangula alnus), Moor-Birke(Betula pubescens) oder Grau-Weide(Salix cinerea) bedrängt.Beim Größenvergleich einer herbstlich roten „Zwerg-Birke”mit einem Bleistift wird der Name verständlich(Foto: Burkhard Quinger).Charakteristische Begleitpflanzender Zwerg-Birke an intakten Standortensind Moosbeere (Vacciniumoxycoccos), Wollgras (Eriophorumvaginatum), Sonnentau (Droserarotundifolia), Rosmarinheide (Andromedapolifolia) und einige Torfmoose(Sphagnum div. spec.).Schutzstatus und internationaleVerantwortungDie Zwerg-Birke ist nach der Bun<strong>des</strong>artenschutzverordnungeinebesonders geschützte Art.Aufgrund der großen Vorkommenin Nordeuropa wird die internationaleErhaltungsverantwortungDeutschlands als „mäßig groß“eingestuft (We l k 2002). Die mitAbstand bedeutsamsten mitteleuropäischenBestände liegen in Bayern.Deshalb hat Bayern die Hauptverantwortung<strong>für</strong> den Erhalt derArt in der kontinentalen biogeographischenRegion.Gefährdung undBestandsentwicklungIntakter hochmoorartiger Lebensraum der Zwerg-Birke mit roten Torfmoosteppichen, viel ScheidigemWollgras (Eriophorum vaginatum) und geringer Nadelholz-Deckung (Foto: Andreas Zehm).Nach der Roten Liste Deutschlandund der Roten Liste Bayern (Sc h e u-


e r e r & Ah l m e r 2003) ist die Art jeweils„stark gefährdet“. In Bayernkommt sie nur noch in weniger alszehn Flächen im voralpinen Moränenlandvor. Ein ehemaliges Vorkommenbei Weiden (Oberpfalz)ist inzwischen erloschen. Zweisehr kleine Vorkommen finden sichin Südost-Oberbayern und einigeweitere im Allgäuer Alpenvorland.Vorkommensschwerpunkt inDeutschland ist der LandkreisWeilheim-Schongau mit einigenGroßvorkommen von jeweils mehrerentausend Sträuchern. Andiesen zwei in Mitteleuropa bedeutendstenBeständen ist dieZwerg-Birke durch Entwässerungbereits leicht geschädigt und gefährdet.Wenn die Entwässerungdieser Moore weiter fortschreitet,ist dort mit deutlichen Bestandsrückgängenzu rechnen.Gefährdungsursachen• Entwässerung und Wassermangelsind die eindeutig wichtigstenGefährdungsursachen! Zwarwird die Wuchsleistung derZwerg-Birke bei sinkendem Wasserstandkurzzeitig gefördert,in der Folge wird sie allerdingsdurch Konkurrenz-Gehölze wieSpirke (Pinus mugo subsp.uncinata), Wald-Kiefer (Pinus sylvestris)und zuletzt sogar Fichte(Picea abies) verdrängt.• Auf entwässerten Moorstandortensetzt bereits vor einer Bewaldungeine starke Konkurrenzverdrängungdurch Stoffe ein, diedas Heidekraut (Calluna vulgaris)abgibt. Diese wirken hemmendauf das Wachstum der Zwerg-Birke. Dauerhaft <strong>für</strong> die Zwerg-Birke geeignete Standorte dürfenmaximal eine Heidekraut-Deckung von 25 % aufweisen.Deckt Calluna vulgaris mehr als50 %, ist eine dauerhafte Besiedlungdurch die Zwerg-Birkeunwahrscheinlich.Schließen eines Moor-Entwässerungsgrabens durch den Bund Naturschutz Weilheim: Zwischen eingeschlagenenHolzpallisaden wird eine verdichtete Torfpackung zuletzt mit abgestochenen Grassodenüberdeckt. So wird ein optimaler, dauerhafter Wasserstau gewährleistet (Foto: Andreas Zehm).Artenhilfsmaßnahmen• Wiederherstellen eines naturnahen,wassergesättigten Moorkörpers.• Der Wasserstand sollte so hochsein, dass ein flächendecken<strong>des</strong>Aufkommen von Gehölzen – wieWald-Kiefer, Moor-Birke, Fichteund auch Moor-Kiefer – ausgeschlossenist und eine Verheidungmit dicht schließendemHeidekraut verhindert wird.• Bis zu einer nachhaltigen Sanierung<strong>des</strong> Moor-Wasserstan<strong>des</strong>ist der Aufwuchs verschattenderWaldbäume manuell zu entfernen.Dies leistet durch eineVerringerung der Oberflächenverdunstungauch einen zusätzlichenBeitrag zur Verbesserung<strong>des</strong> Wasserhaushaltes.• Vorkommen in nährstoffarmenStreuwiesen sollten nicht alljährlichgemäht werden.• Auf Vernässungsflächen sindDauerbeobachtungsflächenanzulegen, um die Bestandsentwicklungvon Zwerg-Birke undIndikatorarten (z. B. Heidekraut)zu dokumentieren.• Renaturierungsmaßnahmenmüssen den Abfluss <strong>des</strong> Regenwassersmöglichst wirksamunterbinden. Allerdings darfdabei kein stark mit Mineralstoffenbefrachtetes oder sogar mitNährstoffen (insbesondere Phosphat)belastetes Wassers in dieWuchsbereiche der Zwerg-Birkerückgestaut werden.VerbreitungDas Hauptareal der Zwergbirkeliegt im Norden Europas, Asiensund Nordamerikas (GBIF 2009,Sc h ü t t et al. 1996). Im Westenreicht es weit nach Kanada hinein(Al s o s et al. 2003). Es umfasstzudem die eisfreien GebieteGrönlands, Islands, die schottischenHighlands und Skandinavien(ohne Dänemark). Nach Ostenreicht es über das Baltikum bisnach Russland und endet kurz hinterdem Ural, wo Betula nana vonden eng verwandten B. exilis undB. middendorfii abgelöst wird. DieSüdgrenze dieses Hauptarealsliegt etwa bei 55° Nord und fälltweitgehend mit der 5 °C-Jahres-Isotherme zusammen. Im Hauptarealist sie nicht selten und wächstin zum Teil deutlich abweichendenWuchsformen auch außerhalb derMoore.


Davon abgetrennt finden sich inMitteleuropa nur einzelne, weitvoneinander isolierte, reliktischeVorkommen (meu S e L et al. 1965).Sie liegen in den Zentralalpen(z. B. Tirol, Salzburg, GurktalerAlpen) im Alpenvorland (Allgäu,Oberbayern, BerchtesgadenerLand), im Erzgebirge, im Harz,in den Sudeten und im HabelschwerdterGebirge, im oberenMoldautal und im Kreis Uelzen imNorddeutschen Tiefland. Danebengibt es noch Vorkommen in denArdennen, dem Schweizer Juraund dem NiederösterreichischenWaldviertel.So wie sie heute Bestandteil dersubpolaren Tundrenvegetation ist(huL t é n & FR i e S 1986), besiedeltedie Zwerg-Birke während derEiszeit, zusammen mit einigenWeiden und der Silberwurz (Dyrasoctopetala), weite Flächen im Vorfeldder Gletscher, die von Skandinavienund den Alpen vorrückend,in Mitteleuropa nur noch einespärliche Tundrenvegetation zwischenden Eismassen zuließen(vgl. Wa L e n t oW S k i & zeh m eing.).Die heutigen mitteleuropäischenVorkommen bezeugen als Eiszeitreliktedie ehemals weitere Verbreitungvon Betula nana.LiteraturAls o s, I. G., Sp j e l k av i k, S. & En g e l s k j ø n, T.(2003): Seed bank size and compositionof Betula nana, Vaccinium uliginosum,and Campanula rotundifolia habitats inSvalbard and northern Norway. – CanadianJournal of Botany, 81(3): 220–<strong>23</strong>1.GBIF (2009): data.gbif.org/species/14251103/.Hul t é n, E. & Fr i e s, M. (1986): Atlas of northeuropean vascular plants. – Koeltz ScientificBooks; 1172 S., Königstein.Meu s e l, H., Jä g e r, E., & We i n e r t, E. (1965)Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischenFlora; Kartenband zu Band I.– Gustav-Fischer-Verlag, 258 S.; Jena.Re i c h i n g er, K. H. (1981): Betula nana L. –In: Co n e r t, H. J., Ha m a n n, U., Sc h u l z e-Mot e l, W. & Wa g e n i t z, G. (Hrsg.): GustavHegi, Illustrierte Flora von Mitteleuropa,Band III, Teil 1, 3. Aufl., 504 S.; Berlin &Hamburg.Sch e u r e r, M. & Ah l m e r, W. (2003): RoteListe gefährdeter Gefäßpflanzen Bayernsmit regionalisierter Florenliste. – Bayer.Lan<strong>des</strong>amt <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>schutz, SchriftenreiheHeft 165, Beiträge zum <strong>Artenschutz</strong>24.Sch ü t t, P. & La n g , U. M. (1996): Betulanana. – In: Sc h ü t t, P., We i s g e r b e r, H.,Sch u c k, H. J., La n g , U. M. & Ro l o f f, A.(1994): Enzyklopädie der Holzgewächse.Einzelblatt-Publikationen, Ecomed,Landsberg a. Lech.Wa l e n t ow s k i, H. & Ze h m, A. (eingereicht):Zum Vorkommen von floristischen Reliktartenund Endemiten im Waldland Bayern– eine geobotanische Analyse zurSchwerpunktsetzung im botanischen<strong>Artenschutz</strong>. – Manuskript <strong>für</strong> Tuexenia,2009.AschaffenburgWürzburgHofBayreuthPilsenWe l k, E. (2002): Arealkundliche Analyseund Bewertung der Schutzrelevanzseltener und gefährdeter GefäßpflanzenDeutschlands. – Schriftenreihe <strong>für</strong>Vegetationskunde 37; 337 S., Bonn-BadGo<strong>des</strong>berg.AnsbachNürnbergImpressumSTUTTGARTRegensburgIngolstadtLandshutPassauHerausgeber:Bayerisches Lan<strong>des</strong>amt <strong>für</strong> <strong>Umwelt</strong>Bürgermeister-Ulrich-Straße 16086179 Augsburgpoststelle@lfu.bayern.deNeu-UlmKemptenAugsburgMÜNCHENSalzburgInternet:www.lfu.bayern.deAutor:Burkhard QuingerBearbeiter:Timo Conradi, Dr. Andreas ZehmArtnachweise in Bayern von:Zwergbirke (Betula nana)Zeitraum nach 1990Zeitraum 1945–1990Zeitraum vor 1945ausgestorben, verschollenfragliche Angabefalsche Angabe*geographische Unschärfeangesalbt, synanthrop, eingebürgert* kein Nachweis <strong>für</strong> diese Kategorie vorhandenInnsbruck31Blattschnitt der76TK25 (Bsp. 7631)Höhenstufenunter 300 m300 – 450 m450 – 600 m600 – 900 m900 – 1200 müber 1200 mQuellen:Zentralstelle <strong>für</strong> die Floristische Kartierung Bayerns,Bayerische <strong>Artenschutz</strong>kartierung, Biotopkartierungen,ExpertenumfrageStand: 15.11.2009Geobasisdaten:© Bayerische Vermessungsverwaltungwww.geodaten.bayern.de© Bun<strong>des</strong>amt <strong>für</strong> Kartographie und Geodäsiewww.bkg.bund.deAnsprechpartner:Dr. Andreas Zehm (LfU, Referat 54)Druck:Druckerei Joh. Walch, 86179 AugsburgStand: Dezember 2009Gedruckt auf Papier aus 100% Altpapier.Diese Druckschrift wurde mit großer Sorgfaltzusammengestellt. Eine Gewähr <strong>für</strong> die Richtigkeitund Vollständigkeit kann dennochnicht übernommen werden. Sofern in dieserDruckschrift auf Internetangebote Dritter hingewiesenwird, sind wir <strong>für</strong> deren Inhaltenicht verantwortlich.

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