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ErSTmal lEHrEN - Klaas Jarchow Media

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gespräch<br />

aUF DIeNStreISe<br />

Nassehi beschränkt sich nicht<br />

nur auf die akademische Welt,<br />

sondern berät auch Unternehmen<br />

und schreibt Bücher für<br />

ein breiteres Publikum. Zuletzt<br />

erschien sein Werk „Mit dem<br />

Taxi durch die Gesellschaft.<br />

Soziologische Stories.“<br />

2<br />

interessanterweise beschweren sich gerade<br />

unternehmer und Manager über die langsamkeit<br />

des politischen prozesses.<br />

aber nur in einer Diktatur ist es möglich, das<br />

energieeinspeisungsgesetz innerhalb von einen<br />

tag einzuführen oder abzuschaffen. Übrigens<br />

braucht auch die Wirtschaft stabile rahmenbedingungen,<br />

die sich nicht so schnell ändern<br />

wie Märkte. Diese rahmenbedingungen werden<br />

politisch vorgegeben. ohne Vertragssicherheit<br />

kann man sich keine funktionierende<br />

Wirtschaft vorstellen. es käme also darauf an,<br />

das wechselseitige Verständnis beider Systeme<br />

zu stärken. Die Wirtschaft könnte verstehen,<br />

dass die Langsamkeit der politik ein Segen ist,<br />

umgekehrt muss die politik verstehen, dass Demokratie<br />

und partizipation wundervolle Dinge<br />

sind, aber eben nur im politischen System funktionieren,<br />

nicht in anderen gesellschaftlichen<br />

teilbereichen. Dass die politik in den siebziger<br />

Jahren versucht hat, demokratische prozesse in<br />

der Wirtschaft zu installieren, war Unsinn.<br />

wie könnte so ein wechselseitiges Verständnis geschaffen<br />

werden?<br />

Ich bin begeistert von der Desertec-Initiative des<br />

Club of Rome, die einen Verbund von solarthermischer<br />

energie, Wind- und Wasserkraft von<br />

»die anonyMe forM<br />

der organisierten solidarität<br />

iM sozialstaat ist doch<br />

ein fantastischer fortschritt«<br />

europa über die Sahara bis zur arabischen<br />

halbinsel schaffen will. Von anfang an hatte<br />

das projekt alle möglichen Fragen im Blick:<br />

kulturelle Implikationen, rechts- und Vertragssicherheit,<br />

technische Machbarkeit, politische<br />

und ökonomische Leadership. Zwölf Unternehmen<br />

aus der energie-, Finanz- und Versicherungsbranche<br />

beteiligen sich an dem projekt.<br />

es ist wichtig, dass Menschen miteinander<br />

reden, die sonst nicht miteinander reden, um<br />

zu neuen, ungewöhnlichen Lösungen kommen.<br />

Und dieses gespräch können engagierte privatpersonen<br />

viel besser animieren als der Staat.<br />

wo sehen sie noch Vorteile privater initiativen gegenüber<br />

dem staat?<br />

Immer wenn es um innovative, radikale Ideen<br />

geht. Die politik muss stets das Kollektiv im<br />

Blick behalten, also Lösungen für alle suchen.<br />

ob man aber vielleicht Schulkinder ganz anders<br />

unterrichten kann, Sterbende viel besser<br />

begleiten oder arbeitslose wirklich sinnvoll fördern<br />

und fordern, das kann man nur im kleinen<br />

und privaten rahmen ausprobieren. Übrigens<br />

mit dem risiko, dass man grandios scheitert.<br />

auf wohltätige und engagierte Bürger hofft ja<br />

auch peter sloterdijk: Besser als eine zwangssteuer<br />

sei es, wenn die reichen freiwillig geld an Bedürftige<br />

geben.<br />

Ich will gar nicht moralisierend gegen Sloterdijk<br />

argumentieren. aber der Mann hat keine<br />

historische Bildung. Die anonymität der organisierten<br />

Solidarität im Sozialstaat ist ja gerade<br />

ein fantastischer Fortschritt. So unterstützt der<br />

Sozialstaat nicht konkrete Menschen, die er<br />

kennt und schätzt, sondern anspruchsberechtigte,<br />

deren anspruch ohne ansehen der person<br />

gilt. Das ermöglicht, dass man einfach Steuern<br />

zahlt, nicht, weil man moralisch in die pflicht<br />

genommen wird, sondern weil das ein gesetz<br />

ist. gleichzeitig müssen die empfänger nicht<br />

bitten oder betteln. Das hat eine enorm befriedende<br />

Wirkung auf die gesellschaft.<br />

was noch kann der staat besser?<br />

Der öffentliche transport wäre ein Beispiel.<br />

offensichtlich ist das nicht rentabel zu organisieren,<br />

gleichzeitig ist der öffentliche transport<br />

aber aus vielen gründen, darunter auch ökonomische,<br />

sehr wichtig. Wenn hier der Staat<br />

aktiv ist, als ein ökonomischer akteur, der ökonomisch<br />

unvernünftig sein darf, kommt mir das<br />

sehr vernünftig vor.<br />

ganz sicher bin ich mir immer noch nicht: sind sie<br />

für einen starken staat oder für starke Bürger?<br />

Der gegensatz, den sie konstruieren, existiert<br />

doch überhaupt nicht. Warum ist ein Staat<br />

schwach, der seinen Bürgern vertraut und ihnen<br />

die Möglichkeiten gibt, innovative Lösungen zu<br />

entwickeln, ohne den anspruch zu haben, alles<br />

selbst zu regulieren? So ein Staat käme mir sehr<br />

souverän und stark vor.<br />

polisx #1 Mai 2010

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