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8<br />
titel<br />
Denis Bochkarev<br />
KoMMentar: Pussy riot<br />
Verletzte Gefühle o<strong>der</strong> bodenlose Frechheit?<br />
"Das unerschrockene Wort" - so lautet<br />
<strong>der</strong> Titel des Luther-Preises <strong>der</strong> Stadt<br />
Wittenberg. Pussy Riot, die russische<br />
Feministinnen-Punkband ist nominiert,<br />
weil sie unerschrocken in <strong>der</strong> Moskauer<br />
Christ-Erlöser-Kathedrale aufgetreten<br />
ist. Evangelische Theologen protestieren:<br />
Pussy Riot habe mit dem "Punk-<br />
Gebet" religiöse Gefühle verletzt und<br />
deswegen keinen Preis verdient. Doch<br />
die Stadt Wittengberg bleibt <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Nominierung.<br />
Gut so!<br />
Pussy Riot sind ohne Erlaubnis in einer<br />
Kirche aufgetreten, haben von "göttlichem<br />
Dreck" gesungen und die Jungfrau<br />
Maria aufgefor<strong>der</strong>t, Putin zu vertreiben.<br />
Ihre Performance nannten sie<br />
"Punk-Gebet". Doch eigentlich war das<br />
kein Gebet, son<strong>der</strong>n "sie wollten einen<br />
Knaller machen", da hat <strong>der</strong> Theologe<br />
Friedrich Schorlemmer Recht. Es war<br />
eine Protestaktion - und zwar eine kreative,<br />
freche und mutige. Protest, <strong>der</strong> gehört<br />
werden will, muss laut und provokativ<br />
sein. Offensichtlich ist Pussy Riot<br />
das gelungen.<br />
Aber darf <strong>der</strong> Protest religiöse Gefühle<br />
verletzen? Gläubige russisch-orthodoxe<br />
Christen werfen Pussy Riot das vor.<br />
Evangelische Theologen in Deutschland<br />
auch, zum Beispiel <strong>der</strong> Beauftragte<br />
<strong>der</strong> Landesbischöfin <strong>für</strong> Reformation<br />
und Ökumene in Evangelischen Kirche<br />
in Mitteldeutschland, Siegfried Kasparick.<br />
Was hätte Martin Luther dazu<br />
gesagt - <strong>der</strong> Reformator, auf den <strong>der</strong><br />
Luther-Preis <strong>der</strong> Stadt Wittenberg sich<br />
beruft? Luther war kein Mann <strong>der</strong> vorsichtigen<br />
Worte. Seine Schriften und<br />
Reden gegen die Machenschaften <strong>der</strong><br />
mittelalterlichen Kirche waren sicherlich<br />
in den Augen tiefgläubiger Christen<br />
ebenfalls eine Verletzung ihrer religiösen<br />
Gefühle. Und doch brachte gerade<br />
Luthers sprachliche Ausdrucksweise<br />
die Reformation weiter.<br />
Für Pussy Riot war es nicht wichtig,<br />
Rücksicht auf den Glauben von Christen<br />
zu nehmen. Genauso wenig war es<br />
aber ihr erstes Ziel, Gläubige anzugreifen.<br />
Religion ist überhaupt nicht ihr Thema.<br />
Das Punk-Gebet war eine freche,<br />
künstlerische Protestaktion gegen das<br />
Putin-Regime und dessen Verquickung<br />
mit <strong>der</strong> russisch-orthodoxen Kirche. Mit<br />
Religion hat es wenig zu tun - eher mit<br />
Anstand. Das Argument <strong>der</strong> "verletzten<br />
Gefühle" sollte nicht vorgeschoben<br />
werden, wenn man eigentlich "bodenlos<br />
frech" meint.<br />
Solidarität sollte Sache <strong>der</strong> Kirche sein