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Sophia Kümmerle,<br />
Jahrgang 1991,<br />
hat gerade ihr Abi gemacht<br />
und bereitet sich<br />
auf eine Karriere als<br />
Journalistin vor.<br />
Welt<br />
Sophias Welt Hier schreibt Sophia kümmerle aus ihrem leben<br />
Sophias<br />
Foto: Marlene Kümmerle<br />
Früher hat niemand erwartet, dass man alles weiß. Im Alter<br />
von circa drei Jahren durfte man noch Fehler machen und<br />
galt als »sooo süüüß«, wenn man Sandkuchen gegessen hat.<br />
Doch schon kurz darauf fing es an. Eltern erwarteten, dass<br />
man weiß, dass die Herdplatte heiß ist und man nicht auf den<br />
Stuhl klettern oder den Schrank ausräumen soll. Es folgten<br />
die Kindergärtner, die fragten, warum man denn nicht von<br />
selbst aufräumte, und schließlich die Lehrer. »Das hattet ihr<br />
doch schon mal« ist seit Jahren wohl einer der Standardsätze<br />
in Schulen. Ob das besagte »mal« dabei drei Wochen oder<br />
schon fünf Jahre her ist, ist egal. Doch es geht noch schlimmer<br />
– »Gehört schließlich zum Allgemeinwissen!« ist da immer<br />
die Ausrede.<br />
Allgemeinwissen, pfff, wie das schon klingt! Was ist das denn<br />
bitte für ein nichtssagender Begriff?! Wer definiert Allgemeinwissen<br />
und wieso gerade derjenige? Wer kümmert sich darum,<br />
dass der Allgemeinwissensstand immer aktuell ist? Wer sorgt<br />
dafür, dass jeder das besagte Allgemeinwissen hat, wo es doch<br />
stetig wächst?<br />
Das geliebte Wikipedia verweist bei »Allgemeinwissen« auf<br />
»Allgemeinbildung«. Diese umfasse »die Formung und Entwicklung<br />
der allen Menschen gemeinsamen Personalität in ihrer<br />
geistigen und damit vor allem ethischen und ästhetischen<br />
Dimension« und werde fälschlicherweise oft mit dem Begriff<br />
»Allgemeinwissen« gleichgesetzt. Aber was ist Allgemeinwissen<br />
dann?<br />
laut Wiki bezeichnet der Begriff »einen Grundbestand von<br />
Wissen, das oft der bloßen Information gleichgesetzt wird,<br />
den sich jeder Mensch aneignen sollte.« Und mal abgesehen<br />
Heute: Allgemeinwissen<br />
davon, dass sich um diese Definition streiten lässt, fangen<br />
spätestens hier die Fragen beziehungsweise Unterschiede an.<br />
Jeder mensch auf der Welt ist anders, jeder hat eine andere<br />
Erziehung genossen, hat ein anderes Umfeld, eine andere<br />
Persönlichkeit – ist das Wissen, das jeder Mensch demnach<br />
haben »sollte«, nicht auch anders? Aber natürlich! Wie kann<br />
man das Ganze also als »ALLGEMEINwissen« bezeichnen?<br />
Ich finde, Allgemeinwissen sollte, wenn überhaupt, DAS Wissen<br />
beschreiben, das man braucht, das man im Alltag oder<br />
ganz krass gesagt »zum Überleben« braucht. Das Nötigste,<br />
eben das, was die Allgemeinheit wissen muss beziehungsweise<br />
weiß. Sogar Facebook fragt mich mittlerweile »Wie gut ist deine<br />
Allgemeinbildung?« – Wo das doch eigentlich was anderes<br />
ist! – »Welche literarische Stilepoche umfasste den Zeitraum<br />
von etwa 1830 bis 1880?« WAS INTERESSIERT MICH DAS<br />
BITTE?! Und vor allem: Was zur Hölle soll mir dieses Wissen<br />
bringen? Wissen ist vergänglich, man sollte deshalb nicht<br />
mehr Wissen anhäufen, als unbedingt nötig, sondern Quellen.<br />
Quellen kombiniert mit dem Wissen, das man im Alltag<br />
braucht – DAS sollte Allgemeinwissen bedeuten.<br />
Und wer mehr weiß, kann sich freuen, denn Wissen bedeutet<br />
Macht. Aber es ist eben nur ein gewisses Maß an Macht, was<br />
alle haben. Das Allgemeinwissen, die Allgemeinmacht sollte<br />
überschaubar und sinnvoll festgelegt sein. Ein Kumpel, der ein<br />
wirklich gutes Allgemeinwissen hat, konnte mir neulich aus<br />
dem Garten keinen Salat holen, weil er nur den kannte, den es<br />
im Supermarkt gibt und der im Garten eben ein wenig anders<br />
aussieht. Aber immerhin weiß er, wieviel Einwohner China hat<br />
und wer in Timbuktu an der Macht ist. Na dann, Halleluja!<br />
22 09 | 2012 09 | 2012<br />
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