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Das Interaction Design hat eine neue Verbündete: die implizite ...

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092 // weave 01.13 // Tools // Neurodesign weave 01.13 // 093BuchtippsDirk Held & ChristianScheier: Wie Werbungwirkt. Erkenntnissedes Neuromarketing,Freiburg im Breisgau(Haufe-Lexware)2006, 98 Seiten. ISBN978-3448072518Steve Krug: Don’tmake me think! WebUsability – <strong>Das</strong> intuitiveWeb, Frechen (mitp)2002, 224 Seiten. ISBN978-3826608902Malcolm Gladwell:Blink! Die Macht desMoments, Frankfurt/Main (Campus) 2005,264 Seiten. ISBN978-3593377797Dan Ariely: Denkenhilft zwar, nützt abernichts: Warum wirimmer wie der unver -nünftige Entscheidungentreffen,München (Knaur TB)2010, 448 Seiten. ISBN978-3426780350wichtig erachteten Dinge an <strong>die</strong> lesenden,denkenden, Entscheidun gentreffenden Hirnareale weitergelei tet.Wie ein Vorstandsassistent, der <strong>die</strong>ein gehenden Informationen (E-Mails,Dokumente, Anrufe, Nachrichten)nach Wichtigkeit und Dringlichkeitbewertet und nur wirklich relevanteInformationen an den Vorstand weiterleitet(»<strong>Das</strong> will der Chef garantiertsehen«). Auch in der Werbewirkungsanalysetaucht das Phänomenauf: Ein Biertrinker wird ein Werbeplakatzu Rotwein vermutlich komplettübersehen, während ein Weintrinker das Plakat direkt bemerkt undvermutlich sogar liest.Die Erkenntnisse aus der Neurophysiologieund Psychologie werdenseit einigen Jahren auch im Marketingverwendet. Neuromarketing versucht<strong>die</strong> bislang unverstandenen Phänomenebeim Kaufverhalten und bei derMarkenwahrnehmung zu entschlüsselnund konkrete Handlungshilfenfür <strong>die</strong> Markenentwicklung und fürMarketingmaßnahmen zu entwickeln.Dabei kommt den unbewussten, »<strong>implizite</strong>n«Handlun gen <strong>eine</strong> wichtigeRolle zu. Neuromarketing beschäftigtsich hauptsächlich mit den großenFragen der Markenentwicklungund -kommunikation. Kon kre te Hilfenfür das <strong>Interaction</strong> <strong>Design</strong> findensich dort aber nicht.Fragt man Menschen, ob sie manipulierbarsind, antworten sie sicherlich,dass sie natürlich komplett autonomund frei entscheiden. Doch <strong>implizite</strong>Wahrnehmungen können dasmenschliche Verhalten verändern. EinFruchtsaft schmeckt abhängig von derFarbe der Verpackung fruchtiger. Versuchspersonenbewegen sich langsamer,wenn sie unterschwellig mit demBegriff »Alter« konfrontiert wurden.»Neuro« für mehr EuroNoch nicht angekommen sind <strong>die</strong> Erkenntnisseaus der Neuropsycholo -gie in den Bereichen Konzeption undGestaltung interaktiver Produkte undServices. Im Juli 2012 gab Lori Kirkland,User-Experience-Expertin undCEO der in Denver, Colorado, ansässigenAgentur Neurodesign Inc., zumin -dest erste Denkanstöße auf UXmatters( www.is.gd/8CXIdv ). Ihr Credo:Mit dem Wissen über <strong>die</strong> Gehirnfunktionenund <strong>die</strong> menschliche Wahrneh-mung lassen sich bessere <strong>Design</strong>entscheidungentreffen.<strong>Das</strong> fundamental Neue ist dabei <strong>die</strong>aktive Einbeziehung des Unbewuss -ten in den <strong>Design</strong>prozess. <strong>Das</strong> Unbewusstekann so zu <strong>eine</strong>m mächtigenVerbündeten werden. Es ist in der Lage,große Informationsmengen sehrschnell zu verarbeiten und <strong>die</strong> bewussteWahrnehmung zu steuern. DieAufgabe von Konzeption und <strong>Design</strong>ist es, <strong>die</strong> <strong>implizite</strong> Wahrnehmung da -bei zu unterstützen, <strong>die</strong> »richti gen«Entscheidungen zu treffen.Insbesondere bei der Aufmerksamkeitslenkungwird <strong>die</strong> Rolle des Unbewusstenbisher weitgehend ignoriert –häufig mit fatalen Konsequenzen. Bei -spiele aus Eyetracking-Stu<strong>die</strong>n beieparo zeigen, wie ausgeprägt <strong>die</strong>seunbewusste Vorentscheidung ist undwelche oft negativen Konsequenzenfür <strong>die</strong> Aufmerksamkeitsverteilungbei Interfaces damit verbunden sind.Hier können <strong>die</strong> Erkenntnisse aus derNeuropsychologie für deutliche Verbesserungensorgen.Anders als beim Neuromarketingfragt das Neurodesign pragmati scher:Beim <strong>Design</strong> digitaler Produkte undServices zählen primär operative Zieleund <strong>die</strong> Erledigung konkreter Aufgaben.Nicht so sehr <strong>die</strong> Zielgruppe, son -dern der einzelne User wird betrachtet.Die Marke ist eher nachgelagertüber das Interface erlebbar.<strong>Das</strong> Implizite gestaltenund messen<strong>Das</strong> Implizite ist immer aktiv, arbeitetviel schneller als das Bewusstseinund lässt sich nicht abschalten. Wer<strong>die</strong>s bedenkt, richtet <strong>die</strong> Konzeptionnach den folgenden Kriterien aus:Was soll der User verstehen? WelcheErwartung will ich schüren? Wie kannich m<strong>eine</strong> Botschaft der impli zitenWahrnehmung vermitteln? Und zumSchluss: Welche Kernbotschaften undEntscheidungen soll der User bewusstwahrnehmen?<strong>Das</strong> Unbewusste liest nicht, sondernes erkennt und beurteilt Bilder,Mus ter und Strukturen. Eine gutepraktische Prüfung ist, den Interface-Entwurf mit zusammengekniffenenAugen zu betrachten. Stimmt das Bild,das ich dann sehe, mit m<strong>eine</strong>r geplantenInformationshierarchie über ein?Erst danach folgt <strong>die</strong> Überlegung,Tipp 1Gestaltgesetzewiederentdecken// Jeder <strong>Design</strong>er <strong>hat</strong> vermutlich irgendwannim Rahmen s<strong>eine</strong>r Ausbil -dung auch von den Gestaltgesetzengehört (<strong>die</strong> gute Gestalt, Figur undGrund, Kontinuität, Nähe, Ähnlichkeit,Einfachheit). Diese wurden bereitsAnfang des 20. Jahrhunderts ent -wickelt und beschreiben etwa, wieeinzelne Elemente als Gruppe wahrgenommenwerden. Beispiel »Nähe«:Elemente mit geringen Abständenzueinander nimmt der User als zusammengehörigwahr. Die Gestaltgesetzebeschreiben, wie man derunbewussten Wahrnehmung das Lebenleichter macht – und damit <strong>die</strong>Aufmerksamkeit gezielt steuert.Wen det man <strong>die</strong>se falsch an, wird <strong>die</strong>bewusste Aufmerksamkeit sehr leichtin <strong>die</strong> Irre geführt. Beim Wegwei serunten sind <strong>die</strong> Stockwerke und Zi m-mer nummern gruppiert. Schnel leOrientierung ist damit nur schwermöglich. Gut angewendet, trägt dasGesetz der Nähe zu <strong>eine</strong>m schnellenVerständnis des Informationsangebotsbei und hilft dem User, <strong>die</strong> fürihn wichtigen Inhalte zu finden.Tipp 2Texte sind Bilder// Der Umgang mit Text wird sehr oft vernachlässigt. VieleOnlne-Angebote setzen Fließtexte wie in Printmagazinen.Häufig mit blumigen Einleitungen, Fakten und Inhalten,<strong>die</strong> sich im Text verstecken, und ohne Absätze oder Auszeichnungen,<strong>die</strong> das Lesen erleichtern könnten. Dabeikönnte <strong>die</strong> unbewusste Wahrnehmung vorzüglich Mustererken nen, um das Bewusstsein bei der Informationsaufnahmezu unterstützen. Texte sollten daher als Bilder konzipiertwerden. Die Frage lautet: Wie wirkt der Text, wennich mir mit zusammengekniffenen Augen nur <strong>die</strong> Gestaltungansehe? Welche Hierarchie wird deutlich? Was kannich ableiten, ohne den Text gelesen zu haben? Erst dannkommt der eigentliche Text. Auch hierbei <strong>hat</strong> das Unbewusstenoch s<strong>eine</strong> Bedeutung. Einfach zu erfassende Begriffeerleichtern das Scannen der Inhalte. Vermeiden Siedaher Schmuck-Headlines, <strong>die</strong> das <strong>Design</strong> zwar eventuellvorgibt, auch wenn sie für Nutzer bedeutungslos bleiben,denn das Unbewusste stuft <strong>die</strong>se sofort als irrelevant ein.Ein gutes Beispiel findet sich auf box.com. Die Hierarchieder Texte wird direkt deutlich. Schon <strong>die</strong> Headline vermitteltden Hauptnutzen. Konkrete Features sind klar aufgelistet.Icons unterstützen <strong>die</strong> visuelle Differenzierung.Tipp 3Erwartungen und Bedürfnissesteuern <strong>die</strong> Wahrnehmung// Die unbewusste Wahrnehmung analysiert alle Sinneseindrückeund lenkt <strong>die</strong> bewusste Wahrnehmung schnellund präzise zu jenen Inhalten, <strong>die</strong> der Person aktuell alswichtig und relevant ersch<strong>eine</strong>n. Auf <strong>die</strong> Größe und Positionierung<strong>die</strong>ser Inhalte kommt es dabei kaum an. In UsabilityTests picken User oft winzig kl<strong>eine</strong> Links oder einzelneWörter im Fließtext heraus, wenn sie ihnen bei ihrerAufgabe helfen. <strong>Das</strong> Unbewusste wird so zu <strong>eine</strong>m Verbün -deten: Inhalte mit klarem Handlungsfokus müssen Desig -ner nicht mehr »herausschreien«.Ein gutes Beispiel ist <strong>die</strong> Evolution der Startseite vonwww.airbnb.de . Hier steht klar <strong>die</strong> funktionale Suchleisteim Vordergrund. Sie stößt Nutzer förmlich darauf, nach<strong>eine</strong>r Unterkunft zu suchen. Die emotionalere Ansprache»Discover, save and share your favorite places on Airbnb«steht eher im Hintergrund. Die <strong>neue</strong> Gestaltung (unten)stellt emotionale Aspekte wie das Wecken von Wünschenund Begehrlichkeiten (»Ich könnte mit Airbnb nach SanFrancisco …«) in den Vordergrund. User mit <strong>eine</strong>m klarenZiel (Zimmer in Karlsruhe) werden sofort und ohne Zögerndas Sucheingabefeld finden und nutzen. Zusätzlichbleibt der emotionale Bereich in Erinnerung.Unentschlossene Besucher können ohne das störendeSucheingabefeld <strong>die</strong> ganze Seite nutzen, um Neugier undVerständnis für das Angebot aufzubauen. Auffällig: Airbnbverzichtet auf große Erklärtexte, <strong>die</strong> Erläuterung zum Angebotfindet sich ganz klein unten auf der Seite. Auch hiervertraut Airbnb auf das Unbewusste: Ein User, der mehr wissenwill, wird <strong>die</strong>sen Erklärtext auf jeden Fall wahrnehmen.Texte sind Bilder

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