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WarreN NeidicH

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ObenExtensivity Intensivity, 2009Foto: Dido BaxevanidisUntenModernity and Difference, 2009Foto: Dido Baxevanidisnäre Plattform mit Texten von Künstlern, Neurowissenschaftlern,Kommunikations- und Medientheoretikern.In diesem Jahr erhielt er für seinen Aufsatz From Noo-Power toNeuropower: How Mind Becomes Matter den Vilém Flusser TheoryAward 2010 der Transmediale in Berlin. Warren Neidich, der sich sowohlin seinen Arbeiten als auch in seinen theoretischen Texten aufneueste Ergebnisse der Hirnforschung ebenso bezieht wie auf poststrukturalistischePhilosophie und Ästhetik, versteht sich jedoch inerster Linie als Künstler und nicht etwa als unentschiedener Grenzgängerzwischen den Disziplinen. In die Schublade „Art + Science“möchte er lieber nicht gesteckt werden. In einem Interview mit demSchweizer Kurator Hans Ulrich Obrist hat er das bereits 2005 sehrdeutlich gemacht: „Auch wenn es in meiner Kunst um das Gehirngeht, möchte ich keinesfalls neurowissenschaftliche Erkenntnisseund Konzepte illustrieren. Das genau ist ja das Problem so vielerkünstlerisch-wissenschaftlicher Gemeinschaftsinitiativen. Mir gehtes darum, ein zusätzliches Vokabular zur Verfügung zu stellen, dasin die künstlerische Praxis einfließen und diese durch die Produktionvon Hybridität und Differenz mit Energie aufladen kann.“Die Aktivierung des Publikums spielt bei vielen seiner Arbeiten eineentscheidende Rolle. So hielt er im Rahmen der im Herbst 2009 vonder dänischen Künstlerin Kirstine Roepstorff in der TemporärenKunsthalle Berlin kuratierten Gruppenausstellung Scorpio´s Gardeneine seiner Performative Lectures. Die Augen mit einem Tuchverbunden, ließ sich Warren Neidich von einer Assistentin durchdie stark abgedunkelte Ausstellung führen. Neidich kommentiertedie gezeigten Arbeiten anderer Künstler aus der eigenen Erinnerungheraus, stellte sie in Bezug zu Strategien der Minimal Art und Konzeptkunstund erläuterte – ganz offensichtlich gehandicapt durchdie freiwillig herbeigeführte Blindheit – eigene, diagrammartigeZeichnungen mit neuronalen Modellen und durch Pfeilrelationenzueinander in Bezug gesetzten Fachtermini aus Kunst, Wissenschaftund Politik. Die waren mit dem Tageslichtprojektor an dieWand projiziert worden. Zeichnungen dieser Art stehen bei Neidicham Anfang jeder größeren Arbeit. Trotz ihrer auf den ersten Blickwissenschaftlichen Anmutung sind sie aber eher als künstlerischeMind Maps denn als naturwissenschaftliche Modelle zu verstehen.Fragen waren während der Performance erlaubt: Und so entstandnicht zuletzt durch den Dialog mit dem Publikum ein komplexerAbend zu den Mechanismen neuronaler Wahrnehmung und Informationsverarbeitung.Thematisiert wurde deren externe Steuerungdurch letzlich schwer definierbare „souveräne Mächte“ des globalisiertenNeoliberalismus. Vor allem ging es aber auch um künstlerischeGegenmodelle und widerständige Strategien.Erhebliche Teile unseres Bewusstseins werden absorbiert durchmassenmediale Einflüsse und die durch neue Technologien vorgegebenenWahrnehmungsmechanismen, denen wir uns kaum entziehenkönnen: Internet, soziale Netzwerke, virtuelle Realitäten,3D-Technologie (über-)formen und homogenisieren, so Neidich,unsere angeborenen oder durch natürliche Lernprozesse erworbenenWahrnehmungsmuster. Die verteidigenswerte Marginalitätdes Individuums aber bleibt auf der Strecke. Im Verstehen geradeauch der neuronalen und biochemischen Prozesse, die dieserschleichenden Umformung des individuellen Denkens und Bewusstseinszu Grunde liegen, sieht Neidich aber auch die großeChance der Kunst, verlorene mentale Fähigkeiten zurückzuerobern– zumindest hat er diese Hoffnung noch nicht aufgegeben.Was aber bleibt, ist der Zweifel – auch bei Warren Neidich. Resistanceis Futile und Resistance is Fertile – diese beiden widersprüchlichenAussagen waren 2006 anlässlich der von AdamBudak und Christine Peters kuratierten Ausstellung Protectionsin Form riesiger Neonschriftzüge von Neidich auf dem Dach desKunsthauses Graz montiert worden. Sie leuchteten abwechselndin Rot oder Grün in den Grazer Nachthimmel hinein und konterkariertendas ansonsten von Werbe- und Dienstleistungsangebotendominierte Feld innerstädtischer Aufmerksamkeitsökonomien miteiner zum kritischen Nachdenken stimulierenden Botschaft.Eine neuere Neonarbeit aus dem Jahre 2009 behauptet etwasscheinbar ganz Paradoxes: If It Looks Like Art It Probably Isn´t.Gute Kunst, so behauptet Neidich, sollte zumindest auf den erstenBlick nicht wie Kunst aussehen. Sonst läuft sie Gefahr, sofort alsPhänomen der Massenkultur absorbiert zu werden und im allgemeinenKonsens ihr wie auch immer geartetes widerständiges Potenzialeinzubüßen. Die sogenannten kreativen Industrien, Branding,Neuromarketing und nicht zuletzt auch der globale Kunstmarkt,der Kunst zu einer Prestige verheißenden Ware erklärt hat, habenzu einer weitgehenden Homogenisierung von Wahrnehmungsweisengeführt. Darüber, was „schön“ ist, herrscht heute weitgehendeEinigkeit. Für Neidich aber wird Kunst erst dann interessant, wennsie mit den gängigen Wahrnehmungsmustern eben nicht sofort alssolche erkannt und „weggeordnet“ werden kann. Wenn also dieKriterien für ihre Einordnung und Bewertung im betrachtendenSubjekt erst noch entwickelt werden müssen.Seine Performance In The Minds I, die 2009 und 2010 in Brüssel,Athen und Los Angeles zu sehen war, setzte wiederum beider Aktivierung passiver Bewusstseinsareale seines jeweiligenGegenübers und des anwesenden Publikums an. Neidich entwi-72

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