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XII - Der Gehängte 111<br />
einer kaputten Schraube nicht bloß eine lästige Kleinigkeit ist. Du<br />
sitzt fest! Schluß. Aus. Auf einmal ist es völlig unmöglich gewor-<br />
den, das Motorrad zu reparieren.<br />
<strong>Das</strong> ist nicht etwa ein seltenes Ereignis in der Wissenschaft. Es ist<br />
das allerhäufigste. Man sitzt einfach fest.<br />
Dein <strong>Handbuch</strong> hilft dir jetzt auch nicht weiter. Wissenschaftli-<br />
che Vernunft ebensowenig. Du brauchst kein wissenschaftliches<br />
Experiment anzustellen, um herauszufinden, wo der Fehler liegt.<br />
Du weißt genau, wo er liegt. Was du brauchst, ist eine Hypothese<br />
dafür, wie du die schlitzlose Schraube da rauskriegst.<br />
<strong>Das</strong> ist der Moment Null des Bewußtseins. Man sitzt fest. Keine<br />
Antwort. Alles aus. Kaputt. Es ist ein Tiefschlag für das Selbstbe-<br />
wußtsein. Man verliert Zeit. Man ist unfähig. Man weiß nicht, was<br />
man tun soll. Man sollte sich über sich selbst schämen. Man sollte<br />
die Maschine zu einem richtigen Mechaniker bringen, der sich mit<br />
solchen Sachen auskennt.<br />
Es ist ganz normal, wenn in solchen Momenten das Angst-Wut-<br />
Syndrom auftritt und man den Seitendeckel am liebsten mit Ham-<br />
mer und Meißel bearbeiten würde. Man überlegt, und je länger<br />
man überlegt, um so mehr ist man geneigt, die Maschine auf eine<br />
Brücke zu schaffen und sie in den Fluß zu schmeißen. Es ist ja auch<br />
wirklich nicht einzusehen, daß man an einem so winzigen Schlitz in<br />
einer Schraube restlos scheitern sollte.<br />
In Wirklichkeit steht man vor dem großen Unbekannten, der<br />
Leere allen abendlichen Denkens. Man braucht irgendeine Idee, ir-<br />
gendwelche Hypothesen.<br />
Versuchen wir es einmal mit einer Neubeurteilung der Situ<strong>at</strong>ion,<br />
indem wir annehmen, daß dein Festsitzen der Nullpunkt des Be-<br />
wußtseins, nicht die schlimmste aller denkbaren Situ<strong>at</strong>ionen, son-<br />
dern die bestmögliche ist. Schließlich ist es eben dieses Festsitzen,<br />
auf das die Zen-Buddhisten mit soviel Mühen absichtlich hinarbei-<br />
ten. Ihr Geist ist leer, sie haben »losgelassen«, nehmen die geistige<br />
Haltung des »steten Anfangs« ein. Nimm zur Abwechslung einmal<br />
an, daß dieser Augenblick wirklich und zutiefst festsitzt, bist du<br />
vielleicht besser dran, als wenn er voller Ideen steckt.