Berge von Büchern - Universität Passau
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campus passau I 02/2011 I tItel<br />
Das Wissen der Bäume<br />
Wie wird sich das Klima in den tropischen Regenwäldern verändern? Welche globalen Folgen hat das für die<br />
Menschen und die Natur in der Region und für den Rest der Welt? Prof. Dr. Dieter Anhuf sucht nach Antworten<br />
für die Zukunft – in der Vergangenheit eines Paradieses, das es vielleicht bald nicht mehr gibt.<br />
Wenn er <strong>von</strong> seinen Forschungen berich-<br />
tet, glaubt man zuweilen, einen Detektiv<br />
vor sich zu haben: Prof. Dr. Dieter Anhufs<br />
Arbeit in den Regenwäldern Afrikas und<br />
Amazoniens besteht letztlich vor allem<br />
aus der akribischen Suche nach Spuren eines<br />
lange vergangenen Geschehens.<br />
Kollege Prof. Dr. Gerhard Schleser in Ama-<br />
zonien insbesondere Cariniana micrantha<br />
auf den Zahn, oder besser: aufs Kernholz.<br />
Aus dem Stamm des immergrünen, einige<br />
Dutzend Meter hohen Gewächses entnehmen<br />
sie Proben und untersuchen die<br />
Jahresringe. Im Labor bestimmen sie die<br />
Isotopenmuster <strong>von</strong><br />
Sauerstoff und Kohlenstoff<br />
innerhalb dieser<br />
Ringe, also das Verhältnis<br />
unterschiedlich schwerer<br />
Atomsorten zueinander.<br />
Aus dieser Relation lässt<br />
sich herauslesen, wie<br />
warm oder kühl und<br />
wie trocken oder feucht<br />
ein Jahr war. Bis zum<br />
Sommer soll die Untersuchung<br />
abgeschlossen<br />
sein.<br />
Prof. Dr. Dieter Anhuf vor einem (nicht selbst) gefällten Baumriesen<br />
Was die Wissenschaftler<br />
da tun, galt vor nicht<br />
allzu langer Zeit offiziell<br />
noch als unmöglich.<br />
in Itacoatiara. Aus den Jahresringen gewinnt er Information über das<br />
Regenwald-Klima vergangener Jahrhunderte.<br />
„Selbst heute wird in<br />
manchen Lehrbüchern<br />
noch behauptet, dass<br />
Glücklicherweise gibt es Zeugen. Die sind Tropenbäume keine Jahresringe haben,<br />
zwar stumm, aber sie haben ein hervorra- weil es dort keine Jahreszeiten gebe.“ Diegendes<br />
Gedächtnis: Manche Tropenter Anhuf wiegt amüsiert den Kopf. „Aber<br />
bäume haben klimatologische Informa- die Tropen sind gar nicht so langweilig,<br />
tion gespeichert, die viele Jahre<br />
wie man glaubt. Selbst in den immer-<br />
zurückgeht. Und mit der passenden<br />
feuchten Gebieten gibt es auch Trocken-<br />
Methode lässt sie sich entschlüsseln. phasen und Temperaturunterschiede.“<br />
Das langsam wachsende, harte Holz der<br />
Seit drei Jahren fühlen der Lehrstuhlinha- Cariniana micrantha hat diese Schwanber<br />
für Physische Geographie und sein kungen präziser aufgezeichnet, als es In-<br />
strumente vermögen. Ein lebendes Archiv<br />
voller Klimadaten aus 480 Jahren.<br />
Das „Wissen“ der Bäume wird mit meteo-<br />
rologischen Aufzeichnungen der letzten<br />
100 Jahre abgeglichen und in eine mathematische<br />
Funktion übersetzt. Mit dieser<br />
Funktion lässt sich nicht nur das Klima<br />
der restlichen 380 Jahre rekonstruieren,<br />
sondern auch der Zukunft entgegenarbeiten.<br />
So spielen die historischen<br />
Ergebnisse eine wichtige Rolle bei der<br />
Prüfung <strong>von</strong> Modellen zur Klimaentwicklung.<br />
„Wenn ich so ein Modell einfach<br />
in die Zukunft teste, ist das letzten Endes<br />
wie Kaffeesatz lesen. Deshalb werden<br />
Klimamodelle mit Szenarien aus der<br />
Vergangenheit geeicht, denn dort kennen<br />
wir uns aus.“<br />
An diesem Punkt erschöpft sich Dieter<br />
Anhufs Forschungsinteresse aber noch<br />
nicht. „Uns alle interessiert ja am meisten,<br />
wo genau es in Zukunft denn nun wärmer<br />
oder kühler, besonders trocken oder<br />
extrem stürmisch wird. Mit unserer Arbeit<br />
wollen wir das Klima einer Region verstehen<br />
und modellieren können – denn es<br />
ist ja nicht der globale Durchschnitt,<br />
sondern die regionale Realität, die in<br />
Zukunft unser Leben, die Wohn- und<br />
Versorgungsproblematik bestimmt.“<br />
Was er in Amazonien ermittelt, vergleicht<br />
der Geograph zudem mit Ergebnissen<br />
verwandter Baumarten aus dem afrikanischen<br />
Regenwald. Möglicherweise kommt<br />
sein Projekt dadurch zu Schlussfolgerungen,<br />
die auf beide Regionen zutreffen.