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Die Puppe - Unima

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3<br />

Begegnung<br />

Als Studentin Ende der 70er Jahre trampte ich mit<br />

einigen anderen angehenden Theaterwissenschaftler-<br />

Innen zur Verbandstagung der deutschen Berufspuppenspieler<br />

nach Marl – eine Jugendherberge, Gespräche,<br />

Inszenierungen und plötzlich das Gerücht,<br />

Henk und Ans Boerwinkel würden kommen und für<br />

die Kollegen spielen – spontan, einfach so. Wer war<br />

das?? Ein langer Jugendherbergsgang wurde zum<br />

Theaterraum. <strong>Die</strong> Kollegen, wir dazwischen, drängelten<br />

sich. Und Henk und Ans schenkten uns eine<br />

Fülle von Bildern, Szenen, Metamorphosen, die uns<br />

heute noch begleiten.<br />

Als Peter Röders ihn einige Jahre später in seine Freie<br />

Bildungsstätte für Figurentheater als Dozent einlud<br />

– mit der Auswahl seiner DozentInnen hat Peter<br />

Röders eine ganze Generation von jungen <strong>Puppe</strong>nspielern<br />

beeinflusst und geprägt – wollte ich dabeisein.<br />

Wir wurden nicht seine Jünger, alle schon zu verschieden<br />

auf eigenen Wegen – das Ganze gerann<br />

mehr zu einem Kolloquium und wurde dadurch zu<br />

einem schwierigen aber hochinteressanten Kurs, in<br />

dem wir unsere szenischen Wege, Ziele erzeichneten,<br />

erspielten, in Worte zu fassen suchten.<br />

Seine Arbeitsmethode, an der er – wie es sich auf<br />

dieser UNIMA-Tagung herausstellte – sein Leben<br />

lang festgehalten hatte, ist schlicht und einfach gesagt:<br />

an den Tisch setzen, sich »leer« machen und in<br />

einer meditativen Konzentration zeichnen, zeichnen,<br />

zeichnen. Seine bevorzugte Herstellungstechnik war<br />

das Modellieren mit Paketband auf Papierbasis, oder<br />

das Nähen –.<br />

Wie höre ich meinen Händen zu, erfasse intuitive<br />

Bilder ...? Seine bedingungslose Entscheidung war<br />

dabei: keine sichtbaren Spieler auf der Bühne und<br />

keine Sprache.<br />

Innerhalb dieser Struktur schuf er sein ständig wachsendes<br />

Programm »Metamorphosen« mit immer<br />

wechselnden Szenen.<br />

Ans begleitete ihn mit dem Figurentheater Triangel<br />

seit Anfang der 60er Jahre um die ganze Welt, sie<br />

zogen zwei Söhne groß, den Jüngeren lockt längst das<br />

Theater. 2008 hörte Figurentheater Triangel auf zu<br />

spielen.<br />

Das Szenenprogramm »Metamorphosen« rief in denen,<br />

die es sehen konnten, eindrückliche Bilder hervor,<br />

die noch Jahrzehnte später, noch heute erinnerbar<br />

sind. Viel zu kurze Ausschnitte sind in dem Film<br />

über sein Leben, seine Begegnungen, seine Lehrer<br />

(»Triangel Memories« von Hans Schaap) zu sehen.<br />

So entschieden, wie er vor seinem Tisch gesessen<br />

haben mag, so entschieden tritt er seit 1996 nicht<br />

mehr auf.<br />

2004 versucht er noch einmal »Visionen des Heiligen<br />

Antonius«, dann 2007 das kleine Programm »Het<br />

Laatste Sprookjesbos«. Seine frühere Kraft fehlt ihm,<br />

er vermisst sein Tempo, seine Routine. Seit 2008<br />

spielt er gar nicht mehr.<br />

Während der Jahreshauptversammlung in Aachen (s.<br />

S. 30) kommentiert er Buch und Film engagiert,<br />

rührend und unendlich dankbar dafür, dass er seine<br />

Kreativität ausleben konnte und dass gerade Figuren<br />

ihn begleitet haben. Und er erzählt von seinem Staunen<br />

darüber, dass die drei Häuser, die in seinem Leben<br />

die wichtigsten Jugendstationen bis zur Gründung<br />

des Theaters Triangel beherbergten: – Kindheit,<br />

Jugend, erste eigene Wohnung – auf der Landkarte in<br />

einem exakten Dreieck, einer mysteriösen Triangel,<br />

zueinander stehen – eine tiefe unbewusste Verbindung<br />

zu seinen Figuren, seinem Theater.<br />

Für mich ist seine schönste heiterste und wehmütigste<br />

Szene das Schicksal des einen Polichinelle. Klein,<br />

hutzlig und eigentlich auch hässlich wird er eines<br />

Tages entrüstet gewahr, dass er an Fäden hängt. Wer<br />

ihn da führt will er wissen, versucht Kontakt aufzunehmen,<br />

ja er klettert schließlich sogar an den Fäden<br />

hinauf und entdeckt sein (Führungs-)Kreuz. Selbstbewusst<br />

verlangt er es, will sein Schicksal selbst in die<br />

Hand nehmen, und es wird ihm aufgebürdet: mit<br />

seinem Kreuz humpelt er als Handpuppe davon in<br />

eine ungewisse Zukunft.<br />

Silke Technau

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