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Gemeindebrief 72 - Christuskirche Mannheim

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4 CHRISTIAN SCHRADE – ARCHITEKT DER CHRISTUSKIRCHE<br />

Christian Schrade – Zu Leben und Werk des<br />

Architekten der <strong>Christuskirche</strong><br />

Vor 45 Jahren, am 10. April 1964, starb 88-jährig der<br />

Schöpfer der <strong>Christuskirche</strong>, Christian Schrade. In einem<br />

Nachruf im <strong>Mannheim</strong>er Morgen würdigte die hiesige<br />

Kreisgruppe des Bundes Deutscher Architekten<br />

den „hervorragenden Baumeister“ und Architekten<br />

„aus Berufung und Leidenschaft“:<br />

„Ein Leben, reich an Arbeit und Erfolg, dem<br />

Planen und Bauen bis zum letzten Atemzug<br />

verschrieben, hat sich erfüllt“. Schrade<br />

hatte in einem Turmzimmer der <strong>Christuskirche</strong><br />

eine Plansammlung hinterlassen,<br />

bestehend aus über 3000 Einzelblättern,<br />

gut Zweidrittel aus der Planungs- und Bauzeit<br />

der <strong>Christuskirche</strong>, die übrigen zu wieeren<br />

Bauten und Projekten, darunter auch<br />

Entwürfe anderer Architekten (so auch des<br />

im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sohnes<br />

Wolfram).<br />

2003 wurden die Pläne vom <strong>Mannheim</strong>er<br />

Architektur- und Bauarchiv e.V. und vom Stadtarchiv<br />

<strong>Mannheim</strong> – Institut für Stadtgeschichte übernommen;<br />

sie gelangten als Depositum ins Stadt<br />

archiv, wo sie verzeichnet, wissenschaftlich erschlossen<br />

und digitalisiert wurden. Bei der Aufarbeitung stellte<br />

sich die Frage nach Leben und Werk Christian<br />

Schrades neu. Denn so bekannt die <strong>Christuskirche</strong><br />

auch ist: Über den Architekten war bislang wenig überliefert.<br />

Aus Presseberichten, die teils auch kurz nach<br />

seinem Tod erschienen, wissen wir, dass der gebürtige<br />

Schwabe – er erblickte am 29. Mai 1876 in Mehrstetten<br />

auf der Schwäbischen Alb das Licht der Welt – zeitweise<br />

als Steinmetz arbeitete, dann das Fach der Architektur<br />

in Stuttgart und München studierte und dank eines<br />

zweijährigen Regierungsstipendiums einen Studienaufenthalt<br />

in Italien absolvierte. Nach der Tätigkeit<br />

in einem Essener Architekturbüro trat er in das Büro des<br />

Stuttgarter Kirchenbauspezialisten Theophil Frey ein.<br />

Mit diesem beteiligte er sich 1904 am Wettbewerb<br />

der <strong>Christuskirche</strong>. Doch Frey starb im August 1904<br />

und Schrade übernahm den Auftrag. Die aufgefundenen<br />

Pläne dokumentieren seine mehrjährige intensive<br />

Planungs- und Realisierungsarbeit von 1904 bis zur<br />

Einweihung der Kirche am 1. Oktober 1911. Weitere<br />

Projekte aus dieser Zeit sind im Bestand nicht überliefert.<br />

Nur der kleine Katalog einer Baukunstausstellung<br />

in der Kunsthalle im Jahr 1909 zeigt, dass sich Schrade<br />

trotz der vielen Arbeit noch Zeit und Muse nahm,<br />

anderes zu planen. Aufgelistet sind Zeichnungen für<br />

Wassertürme, einen Bahnhof, ein Opernhaus, ein Krematorium<br />

und ein Waisenhaus. Auch ein Entwurf für<br />

die Erweiterung der Oststadt ist genannt.<br />

Schrade zog 1905 von Stuttgart nach <strong>Mannheim</strong>.<br />

Im Juni 1906 heiratete er Pauline Troll aus Reutlingen.<br />

1909 kam Sohn Wolfram und 1911 Tochter Waltraut<br />

zur Welt. Schrade wurde Soldat an der Westfront. Mit<br />

dem Kriegsende stand der Neuanfang in <strong>Mannheim</strong><br />

an. Die Adresse lautete ab 1923 Mollstraße 32. Schrade<br />

hatte bis dahin kein größeres Bauprojekt mehr realisiert.<br />

Möglicherweise hielt er die Familie mit kleinen<br />

Aufträgen über Wasser. Aussicht auf einen größeren<br />

Auftrag bot der 1925 ausgelobte Wettbewerb für einen<br />

Neubau der Handelskammer in den Lauerschen Gärten.<br />

Die Jury favorisierte aus 159 Entwürfen den Vor-<br />

schlag für einen Gebäudekomplex im Übergangsstil<br />

zur Neuen Sachlichkeit. Dann aber verhinderten finanzielle<br />

Gründe die Realisierung. Ähnlich erging es Schrade<br />

bei den Wettbewerben für ein evangelisches Gemeindehaus<br />

in der Richard-Wagner-Straße und eine<br />

Gebäudegruppe mit Wohn- und Geschäftshäusern am<br />

Carl-Reiß-Platz. Bei der Wohnanlage am Lameygarten<br />

und der katholischen Nikolauskirche<br />

in der Neckarstadt, erhielten andere<br />

Architekten den Zuschlag. Aber auch<br />

Positives ist zu vermelden: 1929<br />

konnte Schrade gemeinsam mit Architekt<br />

Karl Wiener eine Gebäudegruppe<br />

der GBG an der Garnisonstraße<br />

in Wohlgelegen errichten. 14<br />

Häuser mit 1<strong>72</strong> Wohnungen kamen<br />

zustande. Auch nach 1933 bemühte<br />

sich Schrade um größere Aufträge,<br />

wie ein zeittypischer Entwurf für das<br />

<strong>Mannheim</strong>er Staatstechnikum zeigt.<br />

So finden sich in der Plansammlung<br />

mehrere Konstruktionszeichnungen<br />

für den Bunker auf dem Werksgelände der Firma Benz<br />

nebst weiteren Luftschutzanlagen. Andererseits bekannte<br />

er sich zu einer Bauaufgabe, die in der Zeit des<br />

Nationalsozialismus letztlich nur noch geduldet wurde,<br />

als er 1936 die kleine Auferstehungskirche schuf.<br />

Als <strong>Mannheim</strong> nach dem Kriegsende in Trümmern<br />

lag, fand Schrade im Wiederaufbau eine neue Aufgabe.<br />

Nach seinen Entwürfen wurden in der Schwetzingerstadt<br />

die Friedenskirche und in der Neckarstadt die<br />

Lutherkirche rekonstruiert. In Neuostheim entstand die<br />

kleine Thomaskirche neu. Unter seiner Leitung erfolgten<br />

selbstverständlich auch kleine Reparaturen an der<br />

<strong>Christuskirche</strong>, die den Krieg ohne größere Schäden<br />

überstanden hatte. Beinahe hätte Schrade auch die<br />

zerstörte Trinitatiskirche wieder aufgebaut. Gegen<br />

seinen Entwurf setzte sich aber der Alternativvorschlag<br />

für den modernen Neubau Helmut Strifflers durch.<br />

Erfolg und Misserfolg lagen eng beieinander. 1954<br />

berichtete der damals 77-Jährige einem Journalisten:<br />

„Viele meiner Projekte ließen sich nicht realisieren. Ich<br />

hatte wohl in vielen Fällen den 1. Preis bei Wettbewerben<br />

gewonnen, bekam die Ausführung übertragen,<br />

aber dann hatten andere bessere Beziehungen“. Indes<br />

zeichnen die Zeitgenossen auch das Bild eines Mannes,<br />

der es sich und anderen nicht einfach machte, der<br />

„temperamentvoll, begeisterungsfähig, überzeugungsstark“<br />

war. Dies bewies Schrade vor allem auch bei<br />

seinem letzten Werk, dem Wiederaufbau der Arkadenhäuser<br />

am Friedrichsplatz.<br />

Während andere Architekten eine moderne Lösung<br />

für die Kopfbauten am Eingang zur Augustaanlage<br />

favorisierten, setzte er sich erfolgreich für den Erhalt<br />

der alten Fassaden ein. Nur die Dächer sollten neu<br />

gestaltet werden. So entstanden nach seinem Entwurf<br />

die beiden markanten Pavillonbauten, die so wie das<br />

Erstlingswerk das Stadtbild eindrucksvoll prägen.<br />

Damit schloss sich der Kreis im Lebenswerk Christian<br />

Schrades. Der Wiederaufbau der Arkadenhäuser<br />

fand im Todesjahr des Architekten seinen Abschluss.<br />

Dr. Andreas Schenk, Stadtarchiv <strong>Mannheim</strong> –<br />

Institut für Stadtgeschichte<br />

Die Redaktion dankt Herrn Dr. Andreas Schenk ganz herzlich für<br />

diese verkürzte Fassung seines im vorigen Herbst gehaltenen<br />

Vortrags. Die Redaktion Bildquelle: Festschrift <strong>Christuskirche</strong> 1986

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