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DIE KOORDINATEN IM KOPF

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In ihrer umfangreichen Studie über »Lyrische und literaturkritische Innovationen<br />

in der DDR« widmet Antonya Visser ihre Aufmerksamkeit ebenfalls<br />

den literarisch-kommunikativen Zusammenhängen im Feld der Lyrik, sie<br />

richtet dabei ihren Blick auf einen von der Mitte der sechziger Jahre bis zum<br />

Beginn der neunziger Jahre, von der FORUM-Lyrik-Debatte bis zur alternativen<br />

Literatur des »Prenzlauer Bergs« umfassenden literarhistorischen Abschnitt. In<br />

diesem Zusammenhang interessiert sie unter anderem die Frage, wie die<br />

Literaturkritik Innovationen in der Lyrik wahrnimmt und bewertet. In mehreren<br />

Fallstudien beobachtet Visser dabei eine allgemeine »schrittweise Entwicklung<br />

weg von politischen Vorentscheidungen hin zu mehr ästhetischen<br />

Beurteilungskriterien«, ohne daß » eindeutige Kulminationspunkte der Innovation«<br />

benannt werden können. 59<br />

Nun nimmt aber gerade die Kategorie der Innovation im Sinne einer<br />

Überbietung in Vissers interpretationstheoretischen Vorüberlegungen eine<br />

zentrale Position ein. Wenn nun in das Konzept wissenschaftlichen Interpretierens<br />

auch »nicht-wissenschaftliche Aussagen zu literarischen Texten« 60 ,<br />

gemeint sind Literaturkritiken, einbezogen und somit an ihren Beitrag zum<br />

kumulativen Erkenntnisfortschritt gemessen werden, so stellt sich die Frage, ob<br />

Visser nicht von einer normativen Auffassung von Literaturkritik ausgeht und<br />

von der Möglichkeit vielfältiger kommunikativer Einbindungen absieht. Zwar<br />

spricht sie auch von notwendiger Kontextualisierung der Kritiken, die aber auf<br />

kulturpolitische Rahmenbedingungen begrenzt bleibt. So werden die Kritiken<br />

in ihrem gemeinsamen Forschungsobjekt-Bezug verglichen, daß sie aber als<br />

Elemente eines spezifischen Diskurses zueinander in Beziehung stehen, wird<br />

kaum berücksichtigt, weshalb Visser das Anderssein einer Kritik nicht als<br />

Innovation anerkennt.<br />

Ausgehend vom Konzept des literarischen Feldes sollen in der vorliegenden<br />

Untersuchung lyrische Produktion und im weiteren Sinn literaturkritische Rezeption<br />

in einen Zusammenhang gebracht werden, der im literarischen Diskurs<br />

nicht nach Innovationen sucht, sondern nach Dissens und Differenz fragt, aber<br />

auch nach Konsens und den ihm innewohnenden Momenten der Täuschung.<br />

Mit dem Beginn der »authentischen Phase der DDR-Literatur« 61 setzen<br />

– so erscheint es im Rückblick – sprunghafte Entwicklungen ein, die um so<br />

mehr erstaunen, führt man sich den heteronomen Charakter des partikularen<br />

59 Visser, A. 1994, S. 369.<br />

60 Visser, A. 1994, S. 18.<br />

61 Heukenkamp, U. 1993, S. 144.<br />

Einleitung<br />

37

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