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„FRIZ“ – Das Ende der Schuldverschreibung? - Wirtschafts ...

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Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler und Vanessa Kluge<br />

<strong>„FRIZ“</strong> <strong>–</strong> <strong>Das</strong> <strong>Ende</strong> <strong>der</strong> <strong>Schuldverschreibung</strong>?<br />

Knapp zwei Jahre lang erwartete die Fachwelt das Urteil des EuGH in<br />

Sachen <strong>„FRIZ“</strong> (C-215/08; BB 2010, 1301), um Klärung <strong>der</strong> vom BGH (II ZR<br />

292/06; BB 2008, 1364) vorgelegten Fragen zum Thema „Schrottimmobilien“<br />

im Spannungsfeld von Verbraucherschutz und Gesellschaftsrecht zu<br />

bekommen. Der Beitraganalysiert das Urteil kritisch und zeigt auf, welche<br />

(falschen) Signale durch <strong>„FRIZ“</strong> gesetzt werden. Denn was im Mikrokosmos<br />

des gegenständlichen Falles auf den ersten Blick noch als sach- und<br />

interessengerecht erscheinen mag, entpuppt sich bei Lichte besehen in<br />

<strong>der</strong> Gesamtschau mit an<strong>der</strong>en Anlagemodellen, zu denen Verbraucher<br />

ebenfalls „an <strong>der</strong> Haustür“ überredet werden, jedoch als verbesserungswürdig<br />

und sollte Gesetzgeber wie auch Rechtsprechung zu einem Nach-,<br />

wenn nicht sogar Umdenken bewegen. Dies wird anhand <strong>der</strong> Parallelen<br />

zu dem Erwerb von <strong>Schuldverschreibung</strong>en bei <strong>der</strong> AG einschließlich <strong>der</strong><br />

gravierenden Folgen für bzw. in <strong>der</strong>Praxis aufgezeigt.<br />

I. Einleitung<br />

1. Der Vorlagebeschluss des BGH<br />

Dem Vorlagebeschluss 1 lag folgen<strong>der</strong> Sachverhalt zugrunde:<br />

Anfang <strong>der</strong> 90er Jahre erklärte <strong>der</strong> spätere Gesellschafter den Beitritt<br />

zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Verhandlungen und<br />

<strong>der</strong> Vertragsabschluss wurden in seiner Privatwohnung geführt. Gemeinsamer<br />

Zweck <strong>der</strong> aus rund 50 Gesellschaftern bestehenden Publikums-GbR<br />

war die Instandsetzung, Mo<strong>der</strong>nisierung und Verwaltung<br />

eines Grundstückes.<br />

Als die Geschäftsführerin <strong>der</strong> GbR von dem beigetretenen Gesellschafter<br />

die vertraglich vereinbarte Zahlung von Nachschüssen gerichtlich<br />

einfor<strong>der</strong>te, kündigte dieser einerseits seine Mitgliedschaft in<br />

<strong>der</strong> GbR und wi<strong>der</strong>rief an<strong>der</strong>erseits seine Beitrittserklärung nach § 3<br />

Haustürwi<strong>der</strong>rufsgesetz (HWiG; Vorgängervorschrift zum heutigen<br />

§ 312 BGB).<br />

Die Klage <strong>der</strong> Geschäftsführerin wurde zunächst mit <strong>der</strong> Begründung<br />

abgewiesen, dass nach wirksamer Kündigung des Gesellschaftsbeitritts<br />

zwischen den Parteien nur noch Ansprüche nach den Grundsätzen <strong>der</strong><br />

fehlerhaften Gesellschaft bestünden. Somit sei die Nachschussfor<strong>der</strong>ung<br />

nicht mehr selbständig einklagbar, son<strong>der</strong>n als unselbständiger<br />

Rechnungsposten in die Auseinan<strong>der</strong>setzungsrechnung einzustellen.<br />

In <strong>der</strong> Folge erstellte die Geschäftsführerin die Auseinan<strong>der</strong>setzungsrechnung;<br />

Resultat dieser Rechnung war ein negatives Auseinan<strong>der</strong>setzungsguthaben<br />

des beigetretenen Gesellschafters von ca. 15000 Euro.<br />

Während das LG <strong>der</strong> anschließenden Klage <strong>der</strong> Geschäftsführerin auf<br />

Zahlung des ausstehenden Betrages stattgab, wurde sie auf Berufung<br />

des beigetretenen Gesellschafters hingegen abgewiesen.<br />

Dagegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision<br />

<strong>der</strong> Geschäftsführerin.<br />

2. Die <strong>„FRIZ“</strong>-Entscheidung des EuGH<br />

Auf Ersuchen des BGH hatte <strong>der</strong> EuGH 2 <strong>–</strong> nach zuständigkeitsbedingter<br />

Begrenzung <strong>der</strong> Vorlagefragen <strong>–</strong> noch darüber zu befinden,<br />

<strong>Wirtschafts</strong>recht<br />

ob die Richtlinie 85/577 EWG auf einen Vertrag anwendbar ist, <strong>der</strong><br />

den Beitritt eines Verbrauchers zu einem geschlossenen Immobilienfonds<br />

in Gestalt einer Personengesellschaft vorsieht, wenn <strong>der</strong> Zweck<br />

eines solchen Beitritts nicht in erster Linie dem Erwerb <strong>der</strong> Mitgliedschaft,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kapitalanlage dient. Mit <strong>der</strong> zweiten Vorlagefrage<br />

sollte darüber hinaus geklärt werden, ob Art. 5 Abs. 2 <strong>der</strong> Richtlinie<br />

einer nationalen Regel entgegensteht, die besagt, dass im Falle eines<br />

Wi<strong>der</strong>rufs eines in einer Haustürsituation erklärten Beitritts zu einem<br />

geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Personengesellschaft<br />

<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>rufende Verbraucher gegen diese Gesellschaft einen Anspruch<br />

auf sein Auseinan<strong>der</strong>setzungsguthaben geltend machen kann,<br />

<strong>der</strong> nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens<br />

berechnet wird, und dass er dementsprechend möglicherweise weniger<br />

als den Wert seiner Einlage zurückerhält o<strong>der</strong> sich sogar an den<br />

Verlusten des Fonds beteiligen muss.<br />

a) Anwendbarkeit <strong>der</strong> RL 85/577 EWG auf Fondsbeitritte<br />

Ohne tiefer gehende Auseinan<strong>der</strong>setzung 3 bejaht <strong>der</strong> EuGH 4 die Anwendbarkeit<br />

<strong>der</strong> Richtlinie auf den Haustür-Beitritt zu einem in <strong>der</strong><br />

Rechtsform <strong>der</strong> BGB-Gesellschaft konzipierten Fonds.<br />

Auch wenn <strong>der</strong> EuGH den objektiven 5 Anwendungsbereich ohne<br />

nähere Erläuterung für eröffnet erachtet, bedarf es vorliegend zum<br />

umfassenden Verständnis <strong>der</strong> Folgeausführungen einer gründlicheren<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung.<br />

Während § 312 BGB 6 (die Nachfolgevorschrift zu § 1 Abs. 1 HWiG)<br />

im nationalen Recht lediglich „Entgeltlichkeit“ einfor<strong>der</strong>t, kennt die<br />

Richtlinie diese Voraussetzung <strong>–</strong> zumindest im Wortlaut <strong>–</strong> nicht und<br />

stellt ihrerseits auf eine Vereinbarung über Warenlieferung bzw.<br />

Dienstleistung ab.<br />

aa) Ware o<strong>der</strong> Dienstleistung?<br />

Ob sich <strong>der</strong> Beitritt zur Fonds-GbR als Ware o<strong>der</strong> Dienstleistung begreifen<br />

läßt, kann den Urteilsgründen des EuGH nicht eindeutig entnommen<br />

werden. Für beide Standpunkte lassen sich Argumente finden.<br />

Generalanwältin Trstenjak spricht sich in den Schlussanträgen 7<br />

für eine Vergleichbarkeit des Erwerbs einer Beteiligung an einem<br />

Fonds mit einer Warenlieferung aus. Waren definiert man indes als<br />

Erzeugnisse bzw. körperliche Sachen, die einen Geldwert haben und<br />

Gegenstand von Handelsgeschäften sein können 8 . Der Beitritt zu<br />

einer Personengesellschaft <strong>–</strong> selbst wenn diese nur als Kapitalanlage<br />

begriffen wird <strong>–</strong> ist mit dieser gegenständlich umrissenen Begrifflichkeit<br />

allerdings nicht in Einklang zu bringen. Die Mitgliedschaft kann<br />

1 BGH, 5.5.2008 <strong>–</strong> II ZR 292/06, BB 2008, 1364.<br />

2 EuGH, 15.4.2010 <strong>–</strong> C-215/08, BB 2010, 1301.<br />

3 Diese „lückenhafte“ Begründung wird z. B. auch von Mock, EwiR 2010, 281, 282 kritisiert.<br />

4 EuGH, 15.4.2010 <strong>–</strong> C-215/08, BB 2010, 1301 (Tenor).<br />

5 Zur Auseinan<strong>der</strong>setzung hinsichtlich des subjektiven Anwendungsbereichs, vgl. die Schlussanträge <strong>der</strong><br />

Generalanwältin Trstenjak (EuGH, Schlussanträge, 8.9.2009 <strong>–</strong> C-215/08, Rn. 53 ff.) sowie Habersack, ZIP<br />

2010, 775.<br />

6 Zur richtlinienkonformen Auslegung des § 312 BGB vgl. auch Fischer/Miedl, EuZW 2009, 526.<br />

7 EuGH, Schlussanträge, 8.9.2009 <strong>–</strong> C-215/08, Rn. 58.<br />

8 EuGH, 10.12.1968 <strong>–</strong> C-7/68.<br />

Betriebs-Berater // BB 47.2010 // 15.11.2010 2835

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