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Gabriele Klein (Hg.) Tango in Translation Tanz zwischen Medien ...

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TANGO ÜBERSETZEN. EINE EINLEITUNG<br />

dom<strong>in</strong>ierten Wissenschaftsdiskurs viel zu wenig ernst genommen, obwohl<br />

sich bereits Anfang der 1980er Jahre e<strong>in</strong>e Soziologie des Körpers etablieren<br />

konnte und sich die Kulturwissenschaften vermehrt mit Prozessen der<br />

‚Verkörperung‘ befasst haben. Aufgrund der Polysemie des Körpers ist das<br />

<strong>Tanz</strong>en auf diskursive Verortungen und damit auf e<strong>in</strong>e Übersetzung <strong>in</strong> Sprache<br />

angewiesen. Erst diese Übersetzungsbewegung verleiht dem <strong>Tanz</strong>en e<strong>in</strong>e<br />

‚Geschichte‘, ist das <strong>Tanz</strong>en doch selbst e<strong>in</strong> körperliches, flüchtiges, e<strong>in</strong>maliges<br />

und unwiederholbares Ereignis. Um lebensgeschichtlich relevant zu se<strong>in</strong>,<br />

muss <strong>Tango</strong> also <strong>in</strong> den Kontext der eigenen Lebensgeschichte gestellt werden.<br />

Und um kulturgeschichtlich wirksam zu se<strong>in</strong>, muss er <strong>in</strong> andere <strong>Medien</strong>,<br />

den Film, das Bild oder die Sprache übersetzt werden. Es s<strong>in</strong>d diese Übersetzungen,<br />

die dem <strong>Tango</strong> erst e<strong>in</strong>en ‚Ort‘ <strong>in</strong> den zeitgenössischen Kunst- und<br />

Kulturdiskursen erobern und sichern.<br />

Dass der Körper e<strong>in</strong>e Zeigestruktur hat, stellt vor allem die sich gerade<br />

etablierende <strong>Tanz</strong>wissenschaft vor große erkenntnistheoretische Probleme,<br />

produziert doch diese, im Unterschied zur <strong>Tanz</strong>praxis, e<strong>in</strong> über Sprache vermitteltes<br />

diskursives Wissen. Das wissenschaftliche Wissen als e<strong>in</strong>e spezifische<br />

Form diskursiven Wissens muss dem akademischen Selbstverständnis<br />

nach überprüfbar und nachvollziehbar se<strong>in</strong>. Es ist e<strong>in</strong> Wissen, das als modernes<br />

Wissen e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Aufklärung, aber auch immer zur<br />

Entzauberung der Welt geleistet hat. Diese Doppeldeutigkeit des modernen<br />

Wissens hat bereits Max Weber herausgearbeitet. Sie ist fundamental <strong>in</strong> die<br />

Geschichte des modernen Wissens e<strong>in</strong>gelagert.<br />

Aufklärung und Entzauberung liegen auch unauflöslich den Diskursen<br />

über <strong>Tango</strong> zugrunde. Diskurspolitiken des <strong>Tango</strong>s erfolgen <strong>in</strong> Gesprächen,<br />

über Szene-Zeitschriften und das Internet, über populäre, literarische und wissenschaftliche<br />

Schriften, aber auch über Bilder <strong>in</strong> Flyern, Fotografien und<br />

Filmen. Diskurse über <strong>Tango</strong> wollen das Flüchtige der tänzerischen Bewegung<br />

oder das Empf<strong>in</strong>den und Fühlen beim <strong>Tanz</strong>en oder beim Musikhören<br />

nicht nur konstatieren, sie müssen es auch sprechen und denken können.<br />

„Bewegung denken“ 2 , d.h. e<strong>in</strong>e Sprache für dynamische Vorgänge zu f<strong>in</strong>den,<br />

ist auch immer e<strong>in</strong>e Herausforderung an Wissensschaffende, die letztendlich<br />

scheitern muss, ist doch das diskursive Wissen gezwungen, sich dem<br />

Medium der Sprache zu bedienen. Wissenschaftliches Arbeiten über <strong>Tango</strong> ist<br />

aus dieser Perspektive Wissenschaftskritik <strong>in</strong>sofern, als es sich pr<strong>in</strong>zipiell gegen<br />

e<strong>in</strong> Wissen wendet, das dynamische Vorgänge über statische Konzepte zu<br />

fassen versucht. Nicht zufällig erfährt auch der <strong>Tango</strong> jüngst vor allem <strong>in</strong> jenen<br />

Wissenschaftsdiskursen e<strong>in</strong>e besondere Beachtung, wo es, wie <strong>in</strong> Körper-<br />

und Performanztheorien, um das Praktisch-Werden des Kulturellen und Sozi-<br />

2 <strong>Gabriele</strong> <strong>Kle<strong>in</strong></strong>: Bewegung denken. E<strong>in</strong> soziologischer Entwurf, <strong>in</strong>: <strong>Gabriele</strong><br />

<strong>Kle<strong>in</strong></strong> (<strong>Hg</strong>.): Bewegung. Sozial- und kulturwissenschaftliche Konzepte, Bielefeld:<br />

transcript 2004, S. 131-154.<br />

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