12.07.2015 Aufrufe

Vortrag Sibylle Stotz

Vortrag Sibylle Stotz

Vortrag Sibylle Stotz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Probleme im Umfeld von Sorge- undUmgangsrechtsverfahren beiMännergewalt in der Familie§§§§Was hat sich seit der Reform derVerfahrensrechts (FamFG) verändert?<strong>Sibylle</strong> <strong>Stotz</strong>FrauenhausFrauen helfen Frauen e.V. München


Männergewalt in der FamilieZuhause kann ein gefährlicher Ort sein• 25% der Frauen haben Formen körperlicheru./o. sexueller Gewalt durch aktuelle(o. frühere) Beziehungspartner erlebt(Prävalenzstudie des Bundesministeriums, 2004)• 60% dieser Frauen leben in der aktuellenGewaltbeziehung mit Kindern zusammenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"2


ZusammenhangFrauenmisshandlung und KindesmisshandlungMädchen und Jungen werden ZeugInnen„häuslicher Gewalt“ gegen die Mutter:HESTERS (1998):• 62% hörten die Auseinandersetzungen• 73% haben sie direkt beobachtet• 90% waren im selben/angrenzenden Raum• In 40-60% tritt Männergewalt gegen Frauen inKombination mit Kindesmisshandlung/sex.Gewalt gegen Kinder aufS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"3


(Mit)erlebte Gewalt istKindeswohlgefährdung• „Die Schläge, die meine Mama bekam, spürteich in meinem Bauch…“ STRASSER (2001) S. 123• Mädchen und Jungen, die Gewalt des Vatersgegen die Mutter miterleben, zeigen diegleichen Störungen in der emotionalen,kognitiven und sozialen Entwicklung wieKinder, die direkt vom Vater misshandeltwerden.• Es kann zu Entwicklungsbeeinträchtigungenbei Kinder führen. (KINDLER, 2006)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"4


Definition des BHGs:„Kindeswohlgefährdung“• „eine gegenwärtige, in einem solchen Maßevorhandene Gefahr, dass sich bei der weiterenEntwicklung eine erhebliche Schädigung mitziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“(NJW 1956,1434)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 5


Möglichkeiten für Frauen, sich undihre Kinder zu schützenMit Gewaltschutzgesetz :Schutz für Mütter + Kinder?• §2 GewSchG: Wohnungszuweisung +• §1 GewSchG: Kontakt – und Näherungsverbot§3 GewSchG: §1 gilt nicht hinsichtlich Kinder, dieunter Sorge stehenFlucht in ein FrauenhausS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 6


Verknüpfung von Gewaltschutz + Kinderschutz:Täter = umgangsberechtigter Vater?• Paradoxerweise werden gewalttätige Väterzwar im Gewaltschutzgesetz als Täter gesehenund es wird ihnen ein Kontakt- u.Näherungsverbot ausgesprochen.• Im Sorge- u. Umgangsrechtsverfahren könnenjedoch die gleichen Männer ihr Umgangsrechterfolgreich einfordern.S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 7


Zuflucht im Frauenhausist sicher bis…20.000 Frauen mit ca. 20.000 Kinder flüchtenjedes Jahr in ein Frauenhaus(Lagebericht „…Frauenhäuser“ d. BReg, 2012)Geschützte AdresseSicherer männerfreier geheimer Ort• „Wird er uns finden, wie er gedroht hat?“S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 8


Räumliche Trennung= Ende der Männergewalt?• Großer Irrtum, dass mit der räumlichenTrennung die Gewaltausübung des Manneszwangsläufig zu Ende wäre!• Zeit der Trennung ist statistisch gesehen diegefährlichste Zeit für eine Frau.• Bedrohung, Stalking, körperliche +sex. Gewaltkommen häufig vor• 5-fach erhöhtes Risiko, vom Mann getötet zuwerdenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 9


Femizid + Kindstötungen• alle 2-3 Tage wird in Deutschland eine Frauvon ihrem (Ex-)Partner/Ehemann getötet(schockierende Daten des BKA, erstmals 2011)• Oft werden die Kinder Zeuge des Mordes• Oder auch getötet :– Rachemord/ Medea-Syndrom– Kindstötung + Selbsttötung / „Erweiterter Suizid“(Köln, Erftstadt Feb.2013)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 10


Schutz von Mütter und Kindern• auch bei räumlicher Trennung vomMisshandler wichtig• bei Umgangs- und Sorgerechtsverfahrenzeitnah zur Trennung beachten!• Mann wird nicht mit Auszug der Frau undKinder gewaltfrei• ≠ Stunde 0,wie beim Familiengericht oft gedacht wirdS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 11


Zugriff auf Frau und Kind mit Hilfe vonkindschaftsrechtlichen AnträgenGewalttätige Männer nutzen oftUmgangs- und/oder Sorgerechtsantrag,mitunter Antrag zur Herausgabe des KindesMacht und Kontrolle über die Familiemöglichst schnell zurück zu gewinnenDrohszenario hinsichtlich eines Redeverbotesüber die ausgeübten GewalttatenaufrechtzuerhaltenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 12


Probleme im Umfeld von Sorge- undUmgangsverfahren bei Männergewalt• Sicherheitsbedürfnis von Kindern und Mütter bleibtoft unbeachtet / zu wenig beachtet.• Gewalterfahrungen der Kinder und der Frau sind imUmgangsverfahren zu wenig Thema, Gewalt wirdverharmlost und vom Misshandler bestritten• Beweislage oft schwierig (Atteste, Fotos, Zeugen,Strafverfahren - wenn überhaupt, dann gerade beiAnzeige)• Eingeschränkte Erziehungsfähigkeit des gewalttätigenVaters wird nicht gesehen, obwohl er das Recht aufgewaltfreie Erziehung verletzt hat.S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 13


Die Gewalt geht weiter...• Kind wird zum Umgang mit dem Vater oft zu früh undunvorbereitet die Rückkehr zum Tatort – dieFamilienwohnung zugemutet• Altes Macht- und Gewaltverhältnis wird dadurchwiederhergestellt+ perpetuiert• Wird die Gewaltausübung des Vaters nicht sanktioniert, kannes zu Fehlhaltung, „Identifikation mit dem Aggressor“, beimKind kommen (Stockholmsyndrom)• birgt Gefahr von fachlichen Fehleinschätzungen• Abwertende Haltung des gewalttätigen Partners, verlagertauf das Kind, wirkt destabilisierend und belastend auf Mutter+ Kind (Loyalitätskonflikt)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 14


Gefahren beim Umgang• 58% der Kinder während des Besuchs erneutmisshandelt• 70% der Frauen erleben während der Besucheoder der Übergabe erneute Übergriffe(Studie v. BMFSFJ (2002): Sorge- u. Umgangsrecht bei häuslicher Gewalt)• etliche Tötungsdelikte in Zusammenhang mitAusübung des Umgangsrechtes(z.B. München, Twitetal, Trendelburg, Erftstadt)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"15


Gefahren bei UmgangBei Frauen, die in Partnerschaft mit hoherGewalthäufigkeit u. –intensität Gewalterlitten haben, zeigt sich: (SCHRÖTTLE/MÜLLER, 2004)• 41% d. Frauen +15% d. Kinder imUmgangskontakt angegriffen• 11% berichten von Mordversuchen• 27% von Drohungen, ihnen od. den Kindernetwas anzutunS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"16


Vorgehen bei Gewalt?• Es fehlen expliziten Regelungen inKindschaftssachen und materiellem Recht• lediglich in Gesetzesbegründung, Kommentare+ Rechtsprechung sind Hinweise für Vorgehenbei Gewalt zu findenEs fehlt:− Vorrang von Schutz, Beweislastumkehr− Berücksichtigung der KinderrechteS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 17


Gerichtsentscheidungen• die die Gefährdung durch den gewalttätigenVater nicht od. nicht ausreichendberücksichtigen:erhöhen Gefahrschwerer Gewalttaten gegen Mutter und KindUmgangszwang für Kinder führt zu späteremKontaktabbruch (SALGO, WALLERSTEIN)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 18


Kriterium: Kindeswohldienlichkeit„wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht“• Umgang § 1623(3) BGB per se• Bindung … an gewalttätigen Vater?• Bindungstoleranz … gegenüber Misshandler?• Kontinuität … der Gewaltwiderfährnis?• Recht auf beide Eltern … bis dass der Tod siescheidet?S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 19


Maskulinistischer Zeitgeist• Kinder, die ihren gewalttätigen Vater nicht sehenwollen, wird d. sog. „PAS-Syndrom“ angedichtet(„Parental Alienation Syndrom“ =Entfremdungssyndrom)• Bedürfnis der Mutter, ihre Kinder vor demGewalttäter zu schützen, wird als fehlendeBindungstoleranz interpretiert• Kampagne „Missbrauch mit dem Missbrauch“denunziert alle Mütter der Lüge, die vonMissbrauchsverdacht im Sorge- u. UmgangsverfahrensprechenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 20


Änderungen beim Sorgerecht :Vor Kindschaftsrechts-Reform:• Übertragung der alleinigen elterlichen Sorgebei dauerhafter Trennung auf ein ElternteilKSR-Reform (1998):• „Eltern bleiben Eltern“• Leitbild: Konsensuale Elternschaft• Beibehaltung der elterlichen Sorge auch nachTrennungS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 21


Bei vorausgegangener Partnergewalt ?MÜHLENS (1998): Kommentar Kindschaftsrecht:• Fortsetzung der gemeinsamen Sorge entsprichtnicht dem Wohle des Kindes, wenn das Verhältnisder Eltern bereits vor der Trennung durchGewaltanwendungen des einen Elternteilsgegenüber dem anderen Elternteil belastet war.Es muss dann davon ausgegangen werden, dassdie bestehenden Gewaltstrukturen sichfortsetzten.S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 22


Effekte der veränderten Rechtslage inPraxis• Anträge auf Alleinsorge werden seltener• Ehe- u. Erziehungsberatungsstellen, sowieJugendämter u. vielen RechtsanwältInnendrängen auf gemeinsame Sorge und verlangendie Trennung der Paar- von der Elternebene• Deals: Aufenthaltsbestimmungsrecht für Mutter,umfangreiches Umgangsrecht für Vater• Umgang nach der Methode „trial and error“• Begleiteter Umgang als Allheilmittel gehandeltS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"23


Vom Sorgerechts- zum Umgangsstreit• Streit ums Kind wird vorverlagert vom Sorgerechtstreitzum Zeitpunkt der Scheidung (nachTrennungsjahr) hin zur Umgangsstreitigkeit.• Umgangsstreitigkeiten schnellen in HöheSALGO laut Stat. Bundesamt von1999 27.754 Umgangsverfahren auf2000 30.5472011 54.980• Umgangsaussetzung wird für nicht durchsetzbargehaltenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"24


FamFG-Reform 1.09.2009„Häusliche Gewalt“ kommt nicht im Gesetzestext vor (nur in Begründung)• §155: Vorrang- u. Beschleunigungsgebot• § 156 (1): Hinwirken auf Einvernehmen in jeder Lage des Verfahrens,wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht (z.B. nicht bei häuslicherGewalt)• §156 (3): Umgang durch einstweilige Anordnung regeln oderausschließen- vorher Kindesanhörung• § 158: Verfahrensbeistand bestellt, wenn der Ausschluss oder einewesentliche Beschränkung des Umgangsrecht in Betracht kommt• §33+§157: getrennte Anhörung möglich, falls die zum Schutzeerforderlich ist• § 89: Ordnungsgeld bei Umgangsverweigerung schneller durchsetzbar• § 30 : Strengbeweis, wenn Tatsachenbehauptung bestritten wird• §32: Videovernehmung• § 36: Vergleich: außer in GewaltschutzsachenS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"25


Verschärfte Instrumente im FamFGzur Durchsetzung von Umgang :• Beschleunigtes Verfahren• Konsensorientierung• Zwangsberatung• Zügige Einleitung + Durchsetzung vonUmgangskontakten• UmgangspflegerIn• Ordnungsgeld + Ordnungshaft• Begutachtung mit Ziel: Einvernehmen( nach SALGO,2010)S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 26


Veränderungen seit FamFG (2009)• Nach Vorrang- und Beschleunigungsgebotund FGG-Reform rücken Umgangsverfahrennoch näher an Trennung bzw. Gewalttat(z.T. innerhalb von 4 Wochen ersterGerichtstermin)• Zeitfenster für Nicht-Konfrontation/Ruhe vorAuseinandersetzung mit Gewalttäter gehtgegen Null. Dies birgt große Gefahren!S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 27


Früher Beschluss zumUmgang/Umgangsaussetzung• § 156 (3) FamFG: kein einvernehmlichenVergleich beim Umgang, so regelt RichterInmit eA Umgang oder setzt Umgang ausUmgangsaussetzung viel zu seltenLässt Kinderschutz und Gewaltschutz trotzgesetzlicher Öffnungsklauseln zu wenig Raumund ZeitBesondere Dynamik in ProzessgestaltungS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 28


Gründe, warum es Frauen schwer fällt, kurznach der Trennung über die Gewalt zu sprechen• weil sie sich schämen• weil sie meinen auch Schuld am Scheitern derBeziehung zu haben• weil sie die Kinder nicht besser schützenkonnten• weil sie Angst haben, die Kinder zu verlieren• weil ihr Mann gedroht hat, dass etwasSchlimmes passiert, wenn sie darüber sprichtS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 29


Stumm und starr vor Angst…• weil sie Existenzängste haben und nicht alleinedie Verantwortung für die Kinder tragenwollen• Weil Traumatisierung die VerbalisierungverhindertFrau kann erst reden, wenn die Ent-Tabuisierung wirkt und sie sich sicher fühltS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 30


Warum beschleunigte Verfahrengefährlich sein können?• Erzwingung von Umgang in zeitlicher Nähe zurTrennung erhöht mithin die Gefahr schwererGewalttaten gegen Mutter und Kind• Kontakt mit Täter = Trigger-Erlebnisse• Sicherheitsbedürfnisse bleiben unbeachtet• Keine Zeit für Aufdeckungsarbeit+ Stabilisierung• Traumatisierung kann Verbalisierung der Gewaltnoch verhindern• Druck zur Einigung unter Zeitdruck -streitverschärfendS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"31


Was brauchen Frauen und Kinderim Frauenhaus ?Frauenhaus als „sicheren Ort“ - notwendig fürEnttabuisierung der Männergewalt undBewältigung der Gewaltwiderfährnisse• Zeit zum Erstellen eines Schutzkonzeptes• Zeit zum Besinnen, Verbalisieren undVerarbeiten der Gewalterfahrung und zumWieder –Erstarken• Zeit zum Loslösen aus der Gewaltbeziehung +Aufbrechen der Rollen und des patriarchalenMachtgefällesS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!"• Umgangszwang führt zu späterem32


Es geht auch anders:• Gewalt im Sorgerechtsantrag benennen• Verfahrensbreistand bestellen• RichterIn ermittelt nach Amtsermittlungsgrundsatzfür Kinderschutz• Getrennte Anhörung• eA: Umgangsausschluß;Aufenthaltsbestimmungsrecht für Mutter• Alleiniges Sorgerecht für Mutter• Beratungsauflage für gewalttätigen VaterS. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 33


Safety First! Sicherheit hat Vorrang!Der Schutz von Frauen und Kindervor Männergewalt muss in allen VerfahrenVorrang haben!DANKE !S. <strong>Stotz</strong> (27.2.2013) Tagung "Safety First!" 34

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!