02.12.2012 Aufrufe

Die Leiden des jungen Werther Theaterpädagogisches Material

Die Leiden des jungen Werther Theaterpädagogisches Material

Die Leiden des jungen Werther Theaterpädagogisches Material

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2 Vom Text zur Inszenierung<br />

theaterpädagogisches <strong>Material</strong> »<strong>Die</strong> <strong>Leiden</strong> <strong>des</strong> <strong>jungen</strong> <strong>Werther</strong>« tjg. tjg. tjg. theater junge generation<br />

<strong>Die</strong> Bühnenadaption von Johann Wolfgang Goethes Briefroman »<strong>Die</strong> <strong>Leiden</strong> <strong>des</strong> <strong>jungen</strong> <strong>Werther</strong>« ist die zweite Arbeit <strong>des</strong> mehrfach<br />

für seine Jugendinszenierungen ausgezeichneten Regisseurs Dominik Günther (*1973) am tjg. theater junge generation. Seine<br />

»Emilia Galotti« wurde 2011 vom Kuratorium <strong>des</strong> Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffens »Augenblick Mal!« als eine von<br />

zwanzig herausragenden Inszenierungen nominiert.<br />

Im Folgenden werden – mit besonderem Augenmerk auf die Aspekte Erzählstruktur und Figuren - die Unterschiede zwischen Inszenierung<br />

und Textvorlage dargestellt.<br />

2.1 Erzählstrukturen <strong>des</strong> Briefromans und der Inszenierung<br />

Erzählstruktur <strong>des</strong> Briefromans<br />

Goethes Roman ist, abgesehen von den Einschüben <strong>des</strong> Herausgebers, in Form von Briefen abgefasst. Aufgeteilt in zwei Bücher berichten<br />

die Briefe über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren. Der Leser kann anhand der datierten Briefe die zeitliche Abfolge von<br />

<strong>Werther</strong>s <strong>Leiden</strong> nachvollziehen und erlebt diese wie in einem Tagebuch als scheinbar reale Ereignisse. Der Leser übernimmt so die<br />

Rolle <strong>des</strong> Adressaten Wilhelm und wird durch die vermeintliche Intimität <strong>des</strong> Romans Vertrauter <strong>Werther</strong>s.<br />

<strong>Die</strong> Konzeption <strong>des</strong> »<strong>Werther</strong>« als Briefroman entspricht einerseits dem Zeitgeist <strong>des</strong> 18. Jahrhundert, da das Schreiben von Briefen<br />

und Billets ein wesentlicher Faktor <strong>des</strong> gesellschaftlichen Miteinanders war und für das Individuum ein Ausdrucksmittel darstellte, um<br />

über sich selbst zu reflektieren. 1 Andererseits setzte sich Goethe über die Konvention <strong>des</strong> Briefromans hinweg, indem er in <strong>Werther</strong>s<br />

Briefen <strong>des</strong>sen spontane Emotionen unverfälscht und in all ihrer Heftigkeit offenbarte. Ohne Aussicht auf eine Bekehrung <strong>des</strong> schwärmerischen<br />

Protagonisten beschreibt Goethe schonungslos <strong>Werther</strong>s pathologische Innerlichkeit. 2<br />

Der Roman spiegelt, was die vorher literarisch vernachlässigte Jugend aus eigener Empfindung kannte. So haben beispielsweise Appelle<br />

an die Vernunft keinen Platz, keine Daseinsberechtigung in den Herzensangelegenheiten <strong>Werther</strong>s. Statt zu handeln, verliert sich<br />

<strong>Werther</strong> im Schauen und Schwärmen. Dadurch erreicht er sein Ziel, die Verbindung mit Lotte, nicht und begeht Selbstmord. Sein<br />

Suizid ist somit eine Flucht vor der Unerträglichkeit seines in seinem eigenen Charakter begründeten passiven Daseins. 3 Der Selbstmord<br />

wird zur Verkörperung <strong>des</strong> Naturrechts auf Freiheit, die keine Obrigkeit dem Menschen zu nehmen vermag. <strong>Werther</strong> nobilitiert darüber<br />

hinaus seinen Freitod als einen Opfertod, indem er sein <strong>Leiden</strong> ins Verhältnis zum christlichen Passionsgeschehen rückt und auf heroische<br />

Vorbilder der Antike verweist.<br />

Obgleich Goethe mit der Zurschaustellung der Selbstheroisierung <strong>Werther</strong>s und <strong>des</strong>sen fundamentaler Orientierungslosigkeit Kritik am<br />

Genre <strong>des</strong> bürgerlichen Trauerspiels übte, wurde sein Roman als Aufforderung zur Anteilnahme und Mitleiden am Scheitern am Heldentum<br />

verstanden, und rückte den Roman unweigerlich in die Nähe <strong>des</strong> bürgerlichen Trauerspiels. 4<br />

1 Poppe, Reiner: Johann Wolfgang Goethe. <strong>Die</strong> <strong>Leiden</strong> <strong>des</strong> <strong>jungen</strong> <strong>Werther</strong>s. Blickpunkt – Text im Unterricht.<br />

Hollfeld 1998. S. 38ff<br />

2 Marx, Friedhelm: Erlesene Helden. Don Sylvio, <strong>Werther</strong>, Wilhelm Meister und die Literatur. Friedhelm Marx. Heidelberg 1995. S. 112<br />

3 http://benwahler.tripod.com/wertherd.htm#wirk verifiziert am 19.09.2011.<br />

4 Marx, Friedhelm: Erlesene Helden. Don Sylvio, <strong>Werther</strong>, Wilhelm Meister und die Literatur.<br />

Friedhelm Marx. Heidelberg 1995. S. 155 - 164<br />

5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!