<strong>Der</strong> <strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong> Köpenick„Nee, nee, ick reg mir jarnich uff, aber’t muß ja nu‘n Platz geben, wo derMensch hingehört!“ (Wilhelm Voigt in „<strong>Der</strong> <strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong> Köpenick“)Eine Bleibe braucht der Mensch, Arbeit und einen Pass, denkt Wilhelm Voigt,der Titelheld der diesjährigen Klosterfestspiele. Aber er hat nichts, außereinem Pappkarton. Eigentlich will der wegen kleiner Delikte vorbestrafteSchuster ohne Papiere nur ein ordentlicher Bürger sein. Begleiten Sie ihnbei seiner Odyssee durch den Behördendschungel des Kaiserreichs, die ihnimmer mehr in einen Teufelskreis führt: Ohne Aufenthaltsgenehmigung keineArbeitserlaubnis, ohne Arbeitserlaubnis keine Aufenthaltsgenehmigung!„Wenn ick keene Meldung kriege und nich hier bleiben darf, denn will’ckwenigstens‘ n Paß haben, det ick raus kann! Ick kann ja nu mit de Füße nichin der Luft baumeln, det kann ja nur’n Erhenkter!“(Wilhelm Voigt in „<strong>Der</strong> <strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong> Köpenick“)Um endlich die lang ersehnten Dokumente zu bekommen, wird er erneutstraffällig und zu zehn Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis eignet er sich zurBegeisterung seines Direktors militärische Kenntnisse an. Kaum entlassenund schon wieder <strong>von</strong> der Ausweisung bedroht, erwirbt er eine abgetrageneUniform, mit der er als falscher, aber überzeugend auftretender <strong>Hauptmann</strong>einen Trupp Soldaten unter sein Kommando bringt und das Rathaus <strong>von</strong>Köpenick besetzt. Sein Plan, sich dort den immer wieder verweigerten Passselbst auszustellen, scheitert jedoch, da Köpenick keine Passabteilung hat.Voigt bedient sich der Gemeindekasse, entlässt die Soldaten und stellt sichden Behörden unter der Bedingung nach seiner Entlassung einen Pass zu erhalten.Zum AutorCarl Zuckmayer (1896 – 1977) machte aus dem historisch belegten Lebendes Gauners Wilhelm Voigt, der vor 107 Jahren als „<strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong>Köpenick“unsterblich wurde, einen Volksmythos. Sein 1931 uraufgeführtesStück wurde zum Kassenschlager bis die Nazis es verboten. Die bekanntenVerfilmungen mit Heinz Rühmann (1956) und später mit Harald Juhnke (1997)sorgten für eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte. Zuckmayer lernte denhistorischen Schuster Voigt 1910 beim Mainzer Karneval kennen, als dieserdurch Deutschland tingelte und Postkarten mit seinem Konterfei signierte.„Plötzlich ging mir auf: das war mein ‚Eulenspiegel‘, ‚der arme Teufel‘, derdurch die Not helle geworden – einer Zeit und einem Volk die Wahrheit exemplifiziert.“(aus Zuckmayers Autobiographie, „Als wär’s ein Stück <strong>von</strong> mir“, 1969).Zur InszenierungMit seiner zweiten Regiearbeit bei den Klosterfestspielen verschafft ChristofKüster einem heimatlosen armen Teufel und späteren „<strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong>Köpenick“ eine Bleibe in Weingarten. Auf einer als Stadtplan konzipiertenBühne lässt er uns die Versuche der Hauptfigur nach gesellschaftlicherIntegration und Menschlichkeit hautnah miterleben. Mittelpunkt großstädtischenLebens symbolisieren eine Litfaßsäule und zahlreiche weitere überraschendeSpielideen. Mit bekannten und neuen Gesichtern werden auch die14. Klosterfestspiele zu einem unvergesslichen Erlebnis, das Sie auf keinenFall versäumen sollten.„Im ersten Teil stirbt man vor Lachen. Im zweiten merkt mancher, dass ernoch lebt.“ (Alfred Kerr 1931 über „<strong>Der</strong> <strong>Hauptmann</strong> <strong>von</strong> Köpenick“)