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SONDERDRUCK Abrasivität von Zahnpasten und ihre klinische ...

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akterisiert ist. Kommen diese Faktoren<br />

zusammen, ist die Sorge naheliegend,<br />

dass <strong>Zahnpasten</strong> mit hoher <strong>Abrasivität</strong><br />

auf Lebenszeit gesehen das Risiko für<br />

Zahnverlust erhöhen könnten <strong>und</strong> daher<br />

auf höher abrasive Pasten verzichtet<br />

werden sollte. Dabei wird in der Regel<br />

auf den RDA-Wert Bezug genommen.<br />

Allerdings sind in den letzten Jahren erhebliche<br />

Zweifel bezüglich der <strong>klinische</strong>n<br />

Relevanz mittels laborgestützter<br />

Verfahren gewonnener <strong>Abrasivität</strong>swerte<br />

laut geworden. Im Wesentlichen beruhen<br />

sie auf folgenden Fakten:<br />

-· Reihungen <strong>von</strong> handelsüblichen<br />

<strong>Zahnpasten</strong> bezüglich <strong>ihre</strong>r <strong>Abrasivität</strong><br />

variieren in Abhängigkeit <strong>von</strong> der<br />

Untersuchungsmethode [3].<br />

-· Obwohl RDA-Werte mit der Reinigungsleistung<br />

<strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong> korrelieren<br />

[26], modulieren unterschiedliche<br />

Abrasivstoffe diese Korrelation<br />

<strong>und</strong> verbieten einfache<br />

Schlussfolgerungen [27].<br />

-· Obwohl RDA-Werte mit dem direkt<br />

zum Beispiel mittels Profilometrie bestimmten<br />

Substanzverlust einer<br />

Oberfläche korrelieren [16, 20], führen<br />

Unterschiede zwischen verschiedenen<br />

Pasten in der <strong>klinische</strong>n Situation<br />

unter Umständen weder im<br />

Schmelz noch im Dentin zu einem<br />

differierenden Substanzverlust, selbst<br />

wenn sie im RDA-Wert mit einem<br />

Faktor <strong>von</strong> über 2 <strong>von</strong>einander abweichen<br />

[21, 24].<br />

-· Selbst bei <strong>klinische</strong>n Studien, die Unterschiede<br />

zwischen Pasten mit verschiedenen<br />

RDA-Werten nachwiesen,<br />

finden sich erhebliche inter- <strong>und</strong><br />

intrapersonelle Variation sowohl zwischen<br />

den <strong>Zahnpasten</strong> als auch bei<br />

Messwiederholungen mit ein <strong>und</strong> der<br />

selben Zahnpaste [2].<br />

-· Im <strong>klinische</strong>n Gebrauch erfolgt mit<br />

zunehmender Putzdauer eine Abnahme<br />

der wirksamen <strong>Zahnpasten</strong>menge<br />

auf der Zahnoberfläche. Daraus resultiert<br />

eine exponentielle Abnahme<br />

der Abrasivwirkung über die Zeit [6].<br />

-· RDA-Werte hängen essentiell vom<br />

verwendeten Referenzmaterial <strong>und</strong><br />

kleinsten Unterschieden im methodischen<br />

Vorgehen zwischen den verschiedenen<br />

Laboratorien ab. Betroffen<br />

sind da<strong>von</strong> nicht nur Unterschiede<br />

der Abrasivwerte einer Paste bis zu<br />

einem Faktor <strong>von</strong> 2,4, wenn sie in<br />

zwei Labors bestimmt wurden, sondern<br />

auch erhebliche Diskrepanzen<br />

bei Messwiederholgungen <strong>und</strong> abweichende<br />

Reihungen der verschiedenen<br />

Produkte [4]. Routinemäßige<br />

Kalibrierungs- <strong>und</strong> Standardisierungsprozeduren<br />

zwischen den Laboratorien<br />

gibt es derzeit nicht.<br />

-· RDA Werte sind kein Prädiktor für<br />

Schmelzabrasion. Niedrige RDA-<br />

Werte können mit hoher Schmelzabrasion<br />

<strong>und</strong> hohe RDA-Werte mit<br />

niedriger Schmelzabrasion einhergehen[20,<br />

22, 27].<br />

-· Eine Extrapolation <strong>von</strong> RDA-Werten<br />

auf den <strong>klinische</strong>n Substanzverlust<br />

würden auf eine Überschätzung der<br />

Abrasivwirkung insgesamt um einen<br />

Faktor <strong>von</strong> 7,7 im Schmelz <strong>und</strong> 3,5<br />

im Dentin hinauslaufen[18].<br />

Klinische Relevanz<br />

Nicht-kariöse Zahnhartsubstanzverluste<br />

werden zunehmen <strong>und</strong> klinisch mehr<br />

<strong>und</strong> mehr an Bedeutung gewinnen. Die<br />

Rolle der <strong>Abrasivität</strong> <strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong> bei<br />

diesem Prozess wird derzeit jedoch als<br />

eher untergeordnet eingestuft, da andere<br />

Faktoren, wie säurebedingte Erosionen<br />

[15, 16], die lokale Verfügbarkeit <strong>von</strong><br />

Fluoriden [9, 25], protektive Ernährungsbestandteile<br />

[19, 23] <strong>und</strong> Zahnbürstencharakteristika<br />

einen größeren Einfluss<br />

auf den Zahnhartsubstanzverlust haben<br />

<strong>und</strong> die Abrasivwirkung <strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong><br />

erheblich modulieren [4].<br />

Die derzeit für die <strong>Abrasivität</strong> herangezogenen<br />

RDA-Werte unterliegen methodischen<br />

Problemen <strong>und</strong> einer extrem<br />

hohen Variabilität in Abhängigkeit<br />

<strong>von</strong> den durchführenden Laboratorien.<br />

Auf der Basis der derzeit verfügbaren<br />

wissenschaftlichen Evidenz sind<br />

sie daher nicht geeignet, um die Sicherheit<br />

<strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong> <strong>und</strong> das Risiko für<br />

unerwünschte Zahnhartsubstanzverluste<br />

zu beurteilen. Sie erlauben keine<br />

Rückschlüsse auf potenzielle Risiken für<br />

zahnpastenbedingte Zahnhartsubstanzverluste<br />

in der <strong>klinische</strong>n Situation [4].<br />

In der aktuellen Überarbeitung des<br />

<strong>Zahnpasten</strong>standards hat die ISO daher<br />

auf weitere Abstufungen in niedrig, mittel<br />

<strong>und</strong> hoch abrasive Pasten auf der Basis<br />

des RDA-Wertes verzichtet <strong>und</strong> hält<br />

mangels Alternativen lediglich an der<br />

Aussage fest, dass <strong>Zahnpasten</strong> unter einem<br />

RDA-Schwellenwert <strong>von</strong> 250 als sicher<br />

eingestuft werden [17]. Die meisten<br />

derzeit auf dem Markt befindlichen<br />

C. E. Dörfer:<br />

<strong>Abrasivität</strong> <strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong> <strong>und</strong> <strong>ihre</strong> <strong>klinische</strong> Bedeutung<br />

Abrasivity of dentifrices and its clinical relevance<br />

<strong>Zahnpasten</strong> liegen weit darunter [3, 27].<br />

Es sollte daher da<strong>von</strong> ausgegangen werden,<br />

dass in der Regel der Nutzen durch<br />

den unterstützenden Reinigungseffekt<br />

aufgr<strong>und</strong> der Abrasivwirkung <strong>von</strong><br />

<strong>Zahnpasten</strong> bei weitem die Risiken<br />

überwiegt [5]. Auf eine generelle, sozusagen<br />

prophylaktische Empfehlung<br />

niedrig abrasiver Pasten sollte daher verzichtet<br />

werden. In Einzelfällen <strong>und</strong> alleine<br />

nach Maßgabe des individuellen<br />

<strong>klinische</strong>n <strong>und</strong> anamnestischen Bef<strong>und</strong>es<br />

kann es dennoch sinnvoll sein,<br />

niedrig abrasive <strong>Zahnpasten</strong> zu empfehlen.<br />

Für die protektive Effektivität dieser<br />

Maßnahme wäre es allerdings sinnvoll,<br />

in diesem Zusammenhang andere potenzielle<br />

risikoerhöhende Gewohnheiten<br />

ebenfalls zu eruieren <strong>und</strong> gegebenenfalls<br />

zu modulieren.<br />

Interessenskonflikte: Der Autor<br />

führt Drittmittelstudien für Hersteller<br />

<strong>und</strong> Vertreiber <strong>von</strong> <strong>Zahnpasten</strong> (Gaba,<br />

Procter & Gamble) durch. Er hält Vorträge<br />

im Auftrag o.g. Firmen <strong>und</strong> berät sie.<br />

Der Autor ist Leiter der zuständigen Normungskommission<br />

im DIN <strong>und</strong> Deutscher<br />

Delegierter bei der ISO.<br />

Literaturverzeichnis<br />

1. Addy M: Tooth brushing, tooth wear and dentine<br />

hypersensitivity – are they associated? Int<br />

Dent J 55, 261–267 (2005)<br />

2. Addy M, Hughes J, Pickles MJ, Joiner A, Huntington<br />

E: Development of a method in situ to<br />

study toothpaste abrasion of dentine. Comparison<br />

of 2 products. J Clin Periodontol 29,<br />

896–900 (2002)<br />

3. Barbakow F, Imfeld T, Lutz F, Stookey G, Schemehorn<br />

B: Dentin abrasion (RDA), enamel abrasion<br />

(REA) and polishing scores of dentifrices<br />

sold in Switzerland. Schweiz Monatsschr<br />

Zahnmed 99, 408–413 (1989)<br />

4. Dörfer CE: Abrasivity of dentifrices from a clinical<br />

perspective. J Clin Dent 21, S4–S5 (2010)<br />

5. Dörfer CE, Hefferren JJ, Gonzalez-Cabezas C,<br />

Imfeld T, Addy M: Methods to determine dentifrice<br />

abrasiveness: A technical report. Executive<br />

Summary. J Clin Dent 21, S2–S3 (2010)<br />

6. Franzo D, Philpotts CJ, Cox TF, Joiner A: The effect<br />

of toothpaste concentration on enamel and<br />

dentine wear in vitro. J Dent 38, 974–979 (2010)<br />

7. Gonzalez-Cabezas C: Determination of the<br />

abrasivity of dentifrices on human dentin<br />

using the radioactive (alos known as relative)<br />

dentin abrasion (RDA) method. J Clin Dent 21,<br />

S9–S10 (2010)<br />

© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln Oralprophylaxe & Kinderzahnheilk<strong>und</strong>e 33 (2011) 1 5

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