...O<strong>der</strong> die beiden empfangsdamen <strong>in</strong> schwarzen kostümen, mit schwarzen strümpfen und stöckelschuhen. sie sehen aus, als würden sie zur krankheit e<strong>in</strong>laden. Als würden sie sagen: „Treten sie e<strong>in</strong>. Willkommen. das ist nichts schlimmes.“ kaltes licht spiegelt sich im Fußboden. die Alum<strong>in</strong>iumleisten, die sich um die Theke <strong>der</strong> rezeption ziehen, glänzen. krankheit kann sexy se<strong>in</strong>. zum Tod laden dich gleichgültige, arrogante schöne Frauen e<strong>in</strong>. <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die sphäre des körperlichen Verfalls er<strong>in</strong>nert an die Abfertigung auf dem Flughafen. Technologisch, professionell, kühl. geradezu pe<strong>in</strong>lich, wollte man sich beklagen. Pe<strong>in</strong>lich, mit e<strong>in</strong>em gebrechen hierher zu kommen. Was also bef<strong>in</strong>det sich h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Tür, die von den beiden Frauen auf highheels bewacht wird? Was passiert mit den körpern <strong>der</strong> Menschen? Wie sehen sie aus? Werden sie irgendwann noch e<strong>in</strong>mal hochhackige schuhe tragen? O<strong>der</strong> werden sie sich, sukzessive ihrer körperteile und Organe beraubt, <strong>in</strong> leere hüllen verwandeln. dieses Bild läßt mir ke<strong>in</strong>e ruhe. <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er schlichtheit und gewöhnlichkeit verbirgt sich etwas Bedrohliches. es erzählt e<strong>in</strong>e geschichte darüber, daß die Tür zu krankheit und Tod vor den Augen <strong>der</strong> lebenden und gesunden endgültig verschlossen wird. um diese nicht zu beunruhigen. um ihr leben nicht zu trüben, ihre gesundheit nicht zu bee<strong>in</strong>trächtigen. schöne Frauen mit schlanken körpern und kühlem Blick werden die Orte bewachen, wo körperteile amputiert und dann <strong>in</strong> recycl<strong>in</strong>g-Öfen verbrannt werden. damit wir denken, es sei alles <strong>in</strong> Ordnung. sogar wenn wir selbst dort e<strong>in</strong>treten. schließlich s<strong>in</strong>d wir ebenso perfekte Wesen wie die beiden Wächter<strong>in</strong>nen, also werden wir nach e<strong>in</strong>igen e<strong>in</strong>griffen, dank <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Technologie, unversehrt wie<strong>der</strong> herauskommen. Wie die beiden. die Perversion dieses Fotos läßt mir ke<strong>in</strong>e ruhe. nichts ist mehr das, was es zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t. die Welt ist voller Vorhänge, weil wir nicht imstande s<strong>in</strong>d, das entsetzen zu ertragen. das grauen haben wir aus unserer erfahrung gestrichen. Aber es kann auch an<strong>der</strong>s se<strong>in</strong>: Vor e<strong>in</strong>iger zeit ist me<strong>in</strong> Freund gestorben. er starb nach langer krankheit im krankenhaus. <strong>in</strong> gewissem s<strong>in</strong>n hatte er glück, denn se<strong>in</strong>e Frau und se<strong>in</strong> sohn waren bis zum schluß bei ihm. e<strong>in</strong> paar stunden nach se<strong>in</strong>em Tod stellte se<strong>in</strong> sohn e<strong>in</strong> Foto des toten Vaters <strong>in</strong> Facebook. das gesicht des Toten war verän<strong>der</strong>t, vom leiden gezeichnet. es war im wahrsten s<strong>in</strong>ne des Wortes das gesicht des Todes. nach e<strong>in</strong>igen stunden verschwand es aus dem netz. ich habe den sohn nie gefragt, ob das se<strong>in</strong>e entscheidung war o<strong>der</strong> ob er mit jemandem gesprochen hat. ich schaute mir das Bild kurz an und wandte dann den Blick ab. doch es war nicht die grausamkeit des Bildes, die <strong>in</strong> mir etwas wie scham hervorrief. er war ja me<strong>in</strong> Freund, und ich hatte seit Monaten gesehen, wie die krankheit se<strong>in</strong>en körper aushöhlte, wie sie ihm allmählich die frühere gestalt nahm. schließlich hätte eigentlich auch ich bei ihm se<strong>in</strong> sollen <strong>in</strong> diesem letzten Augenblick. es g<strong>in</strong>g um etwas an<strong>der</strong>es. ich konnte nicht ertragen, daß <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben M<strong>in</strong>ute – hypothetisch – Tausende an<strong>der</strong>er, frem<strong>der</strong>, gleichgültiger Menschen diesen gequälten körper sahen o<strong>der</strong> sehen konnten. <strong>der</strong> Tod ist etwas unendlich <strong>in</strong>times. nur Angehörige sollten an dieser letzten erfahrung teilhaben dürfen. Aber die größte sorge unserer gegenwart ist die e<strong>in</strong>samkeit. die Anonymität unter Milliarden von Menschen. und all die Techniken – <strong>in</strong>ternet, Telefon, die unbegrenzten Möglichkeiten <strong>der</strong> Multiplikation e<strong>in</strong>es Bildes und des sofortigen Teilens mit an<strong>der</strong>en – sche<strong>in</strong>en die Antwort auf den horror unserer e<strong>in</strong>samkeit zu se<strong>in</strong>. Wir können <strong>der</strong> Welt Mitteilungen schicken: ich b<strong>in</strong> da! ich existiere! ich lebe! nimm mich wahr, Welt! Übersieh me<strong>in</strong> dase<strong>in</strong> nicht. so wird es auch mit krankheit und Tod se<strong>in</strong>. e<strong>in</strong>st erkrankten und starben wir im Angesicht gottes. doch vor wem werden wir sterben, wenn das, was uns erwartet, nur noch die eisige, schwarze unendlichkeit se<strong>in</strong> wird, die mit <strong>der</strong>selben gleichgültigkeit alte sterne, verbrauchte galaxien und unsere existenz verschl<strong>in</strong>gt? Vor dem Objektiv, das unser Bild <strong>in</strong> Milliardenauflage vervielfacht und <strong>in</strong> die endlosigkeit des <strong>in</strong>ternets sendet. Andrzej stasiuk Aus dem Polnischen von renate schmidgall